Die Liebeshandlung – Jeffrey Eugenides

Download LiebeshandlungFast zehn Jahre nach seinem großartigen Erfolg “Middlesex”  hat der amerikanische Autor Jeffrey Eugenides ein neues Buch veröffentlicht. Da ich “Middlesex” und auch “Die Selbstmord-Schwestern” sehr gerne gelesen habe, bin ich mit großen Erwartungen und Hoffnungen an den neuen Eugenides gegangen – zum Ende meiner Lektüre muss ich leider festhalten, dass diese Erwartungen nicht erfüllt werden konnten.

Jeffrey Eugenides erzählt die Geschichte der jungen Studentin Madeleine Hanna, die an einem mittelmäßigen College in Amerika Literatur studiert. Im Original trägt der Roman den Titel “The Marriage Plot” – im englischen Sprachraum ein Fachbegriff in der Literaturwissenschaft, der kurz gefasst die möglichen Verwirrungen und das ritualhafte Verhalten zwischen Mann und Frau bis zu einer Hochzeit beschreibt (siehe hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Marriage_plot). Genau darum geht es auch in “Die Liebeshandlung”: Madeleine muss sich im Laufe des Romans zwischen dem Studenten der Religionswissenschaft Mitchell Grammaticus und dem düsteren Biologiestudenten Leonhard Bankhead entscheiden.

Jeffrey Eugenides hat die Geschichte in den 80er Jahren angesiedelt und lässt sie in einem wissenschaftlichen Milieu spielen. Mitchell studiert Religionswissenschaft und plant für einen Forschungsaufenthalt nach Indien zu gehen. Er ist ziemlich schüchtern und zurückhaltend, hat aber schon seit seinem zweiten Studienjahr mit Madeleine Kontakt und schnell wird klar, dass dieser Kontakt von seiner Seite aus gerne mehr als ein freundschaftlicher sein könnte. Leonhard studiert Biologie und lernt Madeleine in einem Seminar über Semiotik kennen. Er ist psychisch instabil, kommt aus schwierigen familiären Verhältnissen, ist aber gleichzeitig auch dafür bekannt, viel Erfolg bei Frauen zu haben. Madeleine studiert Literaturwissenschaft und wirkt zu Beginn sehr oberflächlich, ohne einen wirklichen Tiefgang – in Leonhard ist sie verliebt, auch wenn ein Zusammenleben mit ihm schwierig ist, mit Mitchell möchte sie eigentlich nur befreundet sein. Und uneigentlich? Von diesem Punkt aus erzählt der Erzähler die Geschichte und in den einzelnen Kapiteln und Abschnitten stehen abwechselnd Mitchell, Leonhard und Madeleine im Mittelpunkt.

Es wird erzählt über Mitchells Reise nach  Indien, während der er homosexuelle Erfahrungen mit seinem Mitbewohner Larry macht und sich auf eine spirituelle Sinnsuche begibt. Es wird erzählt von Leonhards Forschungsaufenthalt in Pilgrim Lake, wo er als Laborant Hefekulturen untersucht und erforscht. Es wird erzählt von Madeleines aufflammender Begeisterung für den Dekonstruktivismus, Roland Barthes und ihrer Studienabschlussarbeit über den “marriage plot”.

All dies ist interessant, vor allem die Abschnitte über Barthes (Eugenides streut auch Zitate ein) haben mich fasziniert sowie überhaupt das ganze universitäre Milieu, in dem der Roman spielt. All dies bleibt aber ohne eine wirkliche Tiefe, beinahe schablonenhaft.

Auch wenn Eugenides sich über 600 Seiten lang mit seinen drei Protagonisten beschäftigt, bleiben sie mir unbeschreiblich fremd, ihr Handeln vor allem zum Ende des Buches ist kaum nachvollziehbar und wirkt stark konstruiert und zusammengestückelt. Ich hatte beim Lesen immer wieder den Eindruck, dass der Autor selbst seine eigenen Figuren und ihr Handeln kaum nachvollziehen kann – zu aufgesetzt und unauthentisch werden sie beschrieben. Richtig ärgerlich ist die Beschreibung von Leonhards psychischer Erkrankung, zu diesen Passagen habe ich nur wenig Zugang gefunden.

Bei “Middlesex” stimmte für mich sowohl der Inhalt, als auch die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wurde. Bei “Die Liebeshandlung” stimmt für mich leider gar nichts so richtig. Die Hintergrundinformationen wirken aufgesetzt, kaum passend zu den Figuren. Die Geschichte ist konstruiert, die Figuren wirken austauschbar, wie Klischees und Schablonen und das Ende empfinde ich als ein etwas verrutschtes Hollywood-Happy-End.

Kein schlechtes, aber ein unfassbar triviales und oberflächliches Buch.

7 Comments

  • Reply
    flattersatz
    October 28, 2011 at 5:41 pm

    Das ist ja interessant… ich habe eben in der ZEIT die Besprechung von U. Greiner zu diesem Buch gelesen… du schreibst, es sei kein schlechtes Buch, er kommt zum Schluss, es sei kein gutes. Aber ihr meint genau dasgleiche…. na ja, jedenfalls spar ich mir das Werk und schau mich nach anderen Leseabenteuern um…

    • Reply
      maragiese
      October 29, 2011 at 8:28 am

      Die Besprechung von Ulrich Greiner habe ich mir auch im Anschluss an meine Lektüre durchgelesen und habe mich bestätigt gefühlt in meinen Eindrücken.
      Bei so vielen tollen Büchern die es gibt, würde ich dir auch empfehlen, dieses hier lieber auszulassen … ein bisschen ärger ich mich auch über das viele Geld, welches ich für das Hardcover ausgegeben habe. Beim nächsten neuen Roman von Jeffrey Eugenides werde ich auf jeden Fall vorsichtiger sein …

  • Reply
    Kim
    November 2, 2011 at 5:57 pm

    Hört sich ja doch sehr nach mittelmäßiger Kost an 🙁

    • Reply
      maragiese
      November 3, 2011 at 11:16 am

      Hallo Kim,

      ja, als mittelmäßig habe ich die Lektüre leider in der Tat empfunden. Fall du die früheren Romane von Jeffrey Eugenides noch nicht kennst, kann ich dir aber trotzdem sehr “Middlesex” und “Die Selbstmord-Schwestern” empfehlen. Beides tolle Bücher …

  • Reply
    Ada Mitsou
    November 11, 2011 at 2:31 pm

    Von “Middlesex” war ich ebenfalls sehr begeistert, was vielleicht auch daran liegt, dass es genau in die Lesephase passte, in der ich mich damals befand. Es wäre interessant zu erfahren, mit welchen Augen ich das Buch heute lesen würde (aus Zeitmangel und wegen der noch ungelesenen Bücher und Neuerscheinungen werde ich es jedoch nicht so schnell noch mal lesen).
    “Die Selbstmord-Schwestern” fand ich hingegen etwas langatmig, sodass mir der Film letztendlich besser gefallen hat.
    Aufgrund dieser gemischten Eindrücke bin ich auf “Die Liebeshandlung” nach all den Jahren ohne Eugenides sehr gespannt und doch habe ich das intuitive Gefühl, dass mich der Roman nicht begeistern wird. Woran das liegt, weiß ich nicht genau (Klappentext? Cover?), doch nachdem ich nun deine Rezension gelesen habe, fühle ich mich in diesem Gefühl bestätigt, ohne den Roman überhaupt aufgeschlagen zu haben.
    Ich werde mir das Buch vorerst nicht kaufen, aber vielleicht greife ich doch noch darauf zurück, wenn es als Taschenbuch erscheint. Vielen Dank für den interessanten Einblick in deine Leseeindrücke!

  • Reply
    maragiese
    November 12, 2011 at 4:00 pm

    Hallo Ada,

    vielleicht würde ich den Roman anders bewerten, wäre ich an die Lektüre nicht mit sehr hohen Erwartungen und einer großen Vorfreude herangegangen. Aufgrund von dem, was Jeffrey Eugenides mit “Middlesex” geleistet hat, bleibt “Die Liebeshandlung” leider wirklich eine sehr hohle Enttäuschung.
    Falls du dich doch noch einmal für das Buch entscheiden solltest, bin ich schon sehr gespannt auf deine Reaktion … in einigen anderen Blogs habe ich auch begeisterte Rezensionen gelesen. Für mich hat der Roman leider einfach nicht wirklich gepasst …

  • Reply
    Mariki
    January 16, 2012 at 2:43 pm

    Du hast den Inhalt wesentlich besser dargestellt als ich! Aber begeisterter warst du auch nicht … 😉

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