Frauen – Steinar Bragi

Der Roman “Frauen” von Steinar Bragi ist das zweite Rezensionsexemplar, was ich hier gerne auf meinem Blog vorstellen möchte. Nachdem die letzten Bücher, die ich gelesen habe, allesamt sehr bewegend und zum Teil unfassbar schwere Kost waren, fällt dieser Roman – den man sicherlich auch als Thriller bezeichnen könnte – etwas aus diesem Beuteschema heraus und hatte es möglicherweise deshalb auch etwas schwerer, mich begeistern zu können …

Ohne Frage, “Frauen” ist ein gut lesbarer, interessanter und zum Teil auch vielschichtiger Roman. Die Sprache des Romans lässt sich sehr gut und flüssig lesen, was sicherlich auch an der hervorragenden Übersetzung des bekannten Autors Kristof Magnusson (“Das war ich nicht” gehört sicherlich zu seinen bekanntesten Romanen, “Zu Hause” habe ich selbst von ihm mit Begeisterung gelesen) liegt. Womit ich jedoch im Laufe des Buches zunehmend meine Probleme hatte, war der Verlauf der Geschichte sowie das Verhalten der Hauptperson Eva Einársdottir.

Der Roman ist in zwei ungefähr gleich lange Abschnitte geteilt. Im ersten Abschnitt erfährt man etwas über das Leben von Eva Einársdottir, die die Luxuswohnung eines Bankers in Island bewohnt. Sie erkundet die neue Umgebung, in der sie lebt, freundet sich mit ihren Nachbarn an, unternimmt ausführliche Spaziergänge. Stück für Stück erfährt man als Leser, dass sich hinter dieser harmlosen Fassade jedoch noch mehr verbirgt. Eva ist von New York nach Island gezogen, nachdem sie sich von ihrem Freund Hrafn getrennt hat. An vielen Stellen merkt man, dass sie ein Alkoholproblem hat, dass sicherlich zur Trennung beigetragen hat. Dazu kommt, dass das gemeinsame Kind von ihr und Hrafn plötzlich verstorben ist. Im ersten Moment gibt Hrafn ihr die Schuld daran, da sie an dem Abend getrunken hatte und nicht mehr nüchtern war. Hrafn entscheidet sich schließlich dazu, allein zurück nach Island zu ziehen, doch Eva folgt ihm. Sie möchte einen Dokumentarfilm drehen, für den sie in New York einen finanziellen Sponsor gesucht hat. Der Banker, mit dem sie über ihren Film spricht, bietet ihr an, dass sie kostenlos in seiner Luxuswohnung  wohnen kann, bis sie etwas Eigenes gefunden hat.

Schnell wird klar, dass mit dieser Wohnung irgendetwas nicht stimmt. Viele Dinge, die Eva vorher vom Banker erzählt wurden, stellen sich mit der Zeit als falsch heraus – doch Eva ist nicht in der Lage dazu, angemessen zu reagieren und aus der Wohnung auszuziehen.

“Ihr war die Wohnung einer Frau angeboten worden, die verreist sei, dann stellte sich heraus, sie hatte sich umgebracht; sie bekam die Wohnung mietfrei und sollte sich dafür um die Katze kümmern, Blumen gießen und putzen – dann stellte sich heraus, dass da keine Blumen waren, die Katze sich nur ein paar Minuten pro Tag blicken ließ, und nun kam auch noch Servicepersonal dazu, das die Wohnung putzte.”

Bei vielen Passagen viel es mir sehr schwer nachzuvollziehen, warum Eva trotz all der Widersprüche und Ungereimtheiten so unheimlich passiv und handlungsunfähig bleibt. Das ist sicherlich auf etwas Größeres, Symbolisches übertragbar – Eva ist in dieser Phase in einem Zustand, in dem es ihr unmöglich ist, noch ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen und zum Guten zu wenden. Dabei geht es nicht nur darum, dass sie es nicht schafft, noch rechtzeitig aus der Wohnung auszuziehen, sie schafft es auch nicht, mit dem Trinken oder dem Rauchen aufzuhören. Sie hat sich in ihr Schicksal gefügt.

Im zweiten Teil des Romans ist man als Leser dann mit einer völlig veränderten Realität konfrontiert und es passiert das, was man eigentlich so lange befürchtet hat. Eva kann ihre Wohnung nicht mehr verlassen und wird dort unter mysteriösen Umständen festgehalten und gequält. An vielen Stellen im zweiten Teil war ich mir nicht sicher, was Realität ist und was sich Eva einbildet. Viele Episoden erscheinen sehr surrealistisch. Wobei diese Frage vielleicht auch gar nicht die entscheidende ist, viel entscheidender ist sicherlich, dass Eva sich trotz aller Warnsignale in eine Situation begeben hat, aus der sie sich selbst nicht mehr befreien kann.

“Frauen” von Steinar Bragi ist ein lesenswerter Roman. Unter dem Deckmantel “Thriller” verbirgt sich eine Geschichte, die nicht nur spannend ist, sondern einen auch berührt und  nachdenklich macht.

3 Comments

  • Reply
    Stefanie
    December 9, 2011 at 1:39 pm

    Ich war vor kurzem auf einer Lesung des Autors und fand das Buch interessant, konnte mich aber nicht entscheiden, ob ich es lesen möchte. Ich hatte bei den vorgelesenen Passagen den Eindruck, dass das Buch sehr beklemmend und verstörend sein könnte und war mir dann nicht sicher, ob ich mir das wirklich antun möchte. Aber es hört sich ja jetzt bei dir so an, als wäre es nicht wirklich ein Thriller?

  • Reply
    maragiese
    December 9, 2011 at 2:35 pm

    Hallo Stefanie,

    herzlichen Willkommen auf meinem Blog und danke für deinen Kommentar.
    In der Tat gibt es einige sehr beklemmende und verstörende Szenen, da auch sexuelle Gewalt eine größere Rolle spielt in diesem Roman. Es gab auch einige Szenen, die für mich nicht leicht zu lesen und zu verdauen war.
    Da ich eigentlich keine große Thriller-Leserin bin, kann ich dir nicht wirklich auf deine Frage antworten … “Frauen” enthält sicherlich Thrillerelemente, vor allem im zweiten Teil. Ich hatte jedoch eher das Gefühl, einen sehr vielschichtigen Roman in den Händen zu halten, der sich auf symbolhafte Art und Weise mit sehr wichtigen Fragen beschäftigt und weniger einen wirklichen Thriller.

    Mara

    • Reply
      Stefanie
      December 10, 2011 at 9:10 am

      Danke für deine Antwort! Ich werde es dann wohl mal mit dem Roman versuchen.

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