Dea Loher las im Rahmen der Literatour Nord in Bremen

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Im Rahmen der diesjährigen Literatour Nord las die Autorin Dea Loher im Café Ambiente in Bremen aus ihrem Roman “Bugatti taucht auf”. Moderiert wurde die Lesung von Prof. Dr. Gert Sautermeister. In seiner Vorstellung der Autorin betonte Gert Sautermeister vor allem ihre herausragenden Leistungen als erfolgreichste deutsche Dramatikerin: insgesamt gibt es 300 Inszenierungen ihrer Stücke und 30 Übertragungen in fremde Sprachen. Sie hat bereits zahlreiche Preise erhalten, zuletzt den Berliner Literaturpreis. Um ihren ersten Roman “Bugatti taucht auf” zu schreiben, hat sich Dea Loher eine einjährige Auszeit vom Theater genommen.

Bevor Dea Loher anfing zu lesen, hat Gert Sautermeister die Handlung und den Aufbau des Romans kurz zusammengefasst, um in die Geschichte einzuführen. Dea Loher hatte sich dazu entschieden, Passagen aus dem zweiten und dritten Teil des Romans zu lesen. Die gewählten Passagen beschäftigten sich zum einen mit dem Ereignis, das zu der Tat – dem Mord an einem jungen Mann – führte und zum anderen mit der Frage, wie Freunde und Verwandte versuchen, mit der Tat klar zu kommen.

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Man merkte Dea Loher ihre Erfahrung an, sie war selbstsicher und hat sehr überzeugend gelesen. Besonders beeindruckend waren für mich die Passagen aus dem zweiten Teil. Durch das Vorlesen, die Vielzahl an Namen und unterschiedlichen Personen, die verwirrenden Handlungsabläufe und die widersprüchlichen Aussagen wurde die Sinnlosigkeit der Tat sehr intensiv gespiegelt.

Sehr interessant war auch das anschließende Gespräch zwischen dem Moderator und der Autorin, in dem Dea Loher sehr ausführlich Stellung zu ihrem Roman und ihrer Recherchearbeit bezogen hat. Für den beeindruckenden zweiten Teil des Romans hat Dea Loher nicht  nur in Zeitungen recherchiert, sondern sich auch Zugang zu den Gerichtsakten in Tessin verschafft. Zu ihrem Schreck waren die Gerichtsakten in einem “Juristen-Italienisch” und für sie vollkommen unverständlich. Sehr sympathisch habe ich in Erinnerung, wie die Autorin bei der Erinnerung daran lachen musste und den Satz sagte, den sie damals dachte: “Oh Scheiße, was mach ich denn jetzt?”. Insgesamt hat sie mehr als drei Monate und die Hilfe eines deutsch-italienischen Schauspielers gebraucht, um die Akten Satz für Satz, Zeugenaussage für Zeugenaussage durchzuarbeiten und zu übersetzen. Sie berichtet davon, dass diese Arbeit emotional sehr anstrengend gewesen sei, es war ein sich ständig wiederholendes Lesen des Tathergangs und sie musste bei ihrer Arbeit auch immer wieder Pausen einlegen, weil sie es nicht mehr ertragen konnte. Die Form des Kapitels ist aus der Essenz dieser Auseinandersetzung mit den Gerichtsakten entstanden und sollte das Kreisen um das warum abbilden, das keine Antwort gibt. Dea Loher hat bei der Recherche jedoch nicht nur auf die Gerichtsakten zurückgegriffen, sondern auch Interviews mit den Beteiligten geführt und vor Ort recherchiert. Eine ihrer wichtigsten Informationsquellen war der Unterwasserunternehmer, der im Buch Jordi heißt und den Anstoß für die Idee gibt, das Wrack des Bugattis zu bergen. Er war für Dea Loher der erste Anlaufpunkt und sie bezeichnet ihn als “völlig verrückten Typ”.

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Das geborgene Auto wurde übrigens von einem kalifornischen Millionär ersteigert, der sich dazu entschieden hat, das Wrack so zu lassen, wie es ist und nicht zu restaurieren. Ihm war von Anfang klar, dass der Bugatti auf ganz besondere Weise mit dem Mord an dem jungen Mann verknüpft ist. Heutzutage steht das Auto in einem extra dafür eingerichteten Raum in seinem Automobilmuseum in Kalifornien. An der Wand hängt ein großes Foto von Damiano Tamagni und der Geschichte seines Mordes.

Bei der Lesung von Dea Loher ist deutlich geworden, auf wie vielfältige Weise die Geschichten im Roman miteinander verknüpft sind und wie viel Herzblut und Recherchearbeit Dea Loher darin investiert hat. Während des Gesprächs über ihren Roman merkt man der Autorin mit jeder Faser ihre Begeisterung für ihren Stoff an – vom ersten Moment, als sie in einer Automobilzeitung über diesen Mord las, wusste sie, dass es sich um eine “irre Geschichte” handelt und sie unbedingt darüber schreiben muss.

Dea Loher ist eine interessante Schriftstellerin und ich habe diesen Lesungsabend sehr genossen. In Bremen wird im Moment ihr Theaterstück “Das Leben auf der Praça Roosevelt” aufgeführt, für das sie auch während der Lesung noch einmal sehr sympathisch geworben hat und das ich mir unbedingt anschauen möchte.

3 Comments

  • Reply
    buechermaniac
    November 13, 2012 at 1:02 pm

    Liebe Mara

    Aus deinem Bericht zur Lesung spürt man so richtig schön heraus, wie dir der Abend gefallen hat und wie intensiv sich die Autorin mit diesen Ereignissen im Tessin auseinandergesetzt hat. Ich mag mich vor allem an die Berichterstattung über den sinnlosen Totschlag an diesem jungen Mann erinnern. Einfach schrecklich, wenn man nicht mehr aus dem Haus gehen kann, ohne Gefahr zu laufen, unbeteiligt in eine Schlägerei zu geraten, lebensgefährlich verletzt oder, wie in diesem Fall, getötet zu werden.

    Vielen Dank für deine Schilderung, dieses sicher sehr speziellen Lesungs-Abends.

    Herzliche Grüsse
    buechermaniac

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      November 14, 2012 at 6:06 pm

      Liebe Buechermaniac,

      ich freue mich wirklich sehr, dass ich in meinem Bericht meine Begeisterung, aber auch die Begeisterung der Autorin scheinbar ganz gut transportieren konnte. Ich hatte – bevor ich das Buch gelesen hatte – nichts über diesen fürchterlichen und sinnlosen Mord gehört. Diese Sinnlosigkeit ist in der Lesung noch einmal sehr deutlich geworden: es gab keinen “Grund”, keinen Anlass, keine Erklärung. Zurück bleiben die Angehörigen des Jungen, die keinerlei Erklärung für das was passiert ist finden können.

      Die Literatour Nord ist übrigens eine tolle Veranstaltungsreihe: im Januar kommt Marica Bodrozic noch zu uns und im Februar Patrick Roth. Auf beide Lesungen freue ich mich bereits jetzt sehr.
      Viele Grüße
      Mara

  • Reply
    Private Büchersammlungen: Maras Bücher « kbvollmarblog
    December 18, 2012 at 6:10 pm

    […] lassen und mich dem Menschen hinter dem Autor etwas zu nähern. Dieses Jahr hatte ich das Glück, Dea Loher und Olga Grjasnowa im Rahmen einer Lesung zu treffen, genauso wie den Bremer Autoren Ralph […]

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