Ein Mann von Welt – Antoine Wilson

Antoine Wilson wurde 1971 geboren und wuchs in Südkalifornien auf. Für die Literaturzeitschrift A Public Space arbeitet er als Redakteur. “Ein Mann von Welt” ist der erste Roman von ihm, der in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Der Autor lebt heutzutage in Los Angeles und betreibt einen eigenen Blog.

In dem Roman “Ein Mann von Welt” erzählt Antoine Wilson die Geschichte des liebenswerten Sonderlings Oppen Porter. Oppen Porter glaubt sterben zu müssen. Er liegt im Krankenhaus und ist sich ganz sicher, dass er im Gespräch von zwei Schwestern gehört habe, dass er die kommende Nacht nicht überleben wird. Er beschließt mit einem Kassettenrekorder und den einzigen Kassetten die er besitzt, seine Lebensgeschichte für seinen noch ungeborenen Sohn Juan-George aufzunehmen, um seine Erfahrungen an sein Kind weitergeben zu können.

“Alles was du wissen musst, ist irgendwo in meinen Erfahrungen enthalten, das ist meine Philosophie, aber ich fürchte, du musst selbst die Lehren daraus ziehen.”

Oppen Porter ist achtundzwanzig Jahre alt.

“In den ersten siebenundzwanzig Jahren meines Lebens passierte nichts. Ich bin jeden Tag mit dem Rad von unserem Fleckchen Wildnis in die Stadt gefahren, ich bin nach Madera gefahren und habe meine Freunde gefragt, ob sie Arbeit für mich hatten. Alle nannten mich Mayor […].”

Nach siebenundzwanzig ereignislosen Jahren nimmt sein Leben dann jedoch plötzlich rasant Fahrt auf. Es beginnt damit, dass sein Vater stirbt und Oppen seinem Wunsch folgt und ihn bei den beiden Hunden Ajax und Atlas im Garten vergräbt. Plötzlich steht die Polizei bei Oppen im Vorgarten und möchte den Vater wieder ausgraben. Oppen verlässt fluchtartig sein Heimatdorf in Kalifornien und zieht zu seiner Tante Liz nach Panorama City. Er geht dort mit dem Wunsch hin, “ein Mann von Welt” zu werden. In Panorama City arbeitet er in einem Fastfoodrestaurant, besucht eine religiöse Gemeinde und lernt Paul Renfro kennen. Oppen glaubt, in Paul einen guten Freund gefunden zu haben, einen Mann, der ähnlich denkt wie er – einen Intellektuellen. Doch dem Leser wird schnell klar, dass Paul Renfro nichts anderes ist, als ein Betrüger und Hochstapler.

“Und so endete mein erster ganzer Tag in Panorama City, der ereignisreichste Tag meines bisherigen Lebens, der Tag mit mehr Ereignissen darin als jeder andere Tag in siebenundzwanzig Jahren.”

Doch wie konnte es so weit kommen, dass Oppen Porter eingegipst und in dem Glauben sterben zu müssen in einem kalifornischen Krankenhaus liegt? Genau das und noch viel mehr wird von Antoine Wilson auf über 300 Seiten humorvoll und unterhaltsam erzählt. Trotz des leichten Erzähltons liegt über der Geschichte von Oppen Porter eine traurige Schwere. Oppen ist ein Sonderling, der von den Menschen, von denen er glaubt, dass es sich um seine Freunde handelt, zu einem Dorftrottel gemacht wird. Er hat eigentlich keine Freunde, er hat lediglich Menschen um sich, die sich über ihn lustig machen und Oppen ist zu lieb und zu naiv, um dies zu durchschauen. Es ist gerade diese Naivität, die ich immer wieder als herzzerreißend empfunden habe. Sein Umzug nach Panorama City ist für ihn eine Möglichkeit, nicht mehr der Dorftrottel zu sein, sondern noch einmal ganz von vorne zu beginnen.

“[…] ich dachte darüber nach, wie es wäre, Oppen Porter statt Mayor zu sein, ich dachte darüber nach, an einen Ort zu gehen, wo niemand je von meinem sogenannten Fehler gehört hatte, als ich im Wunschbrunnen nach Münzen gesucht hatte, wo niemand sich daran erinnerte, wie ich über den Lenker von einem Roller geflogen bin, als ich schauen wollte, ob das Licht funktioniert.”

Zwischendurch gibt es  auch ernsthafte und berührende Passagen, auch wenn der Roman überwiegend in einem leichten und humorvollen Ton gehalten ist. Berührend sind vor allem die Abschnitte, aus denen die Liebe spricht, die Oppen Porter für Carmen, die Mutter seines Sohnes, empfindet.

“Dein Unglück, dass du nie deinen Vater kennenlernen wirst, wird dadurch aufgewogen, dass du sie zur Mutter hast.”

“C: Wirklich. Mir wurde ganz eng um die Brust, ich hab mir mein ganzes Leben ohne dich vorgestellt, und mir wurde eng um die Brust. Ich habe Gott gesagt, wenn er dich leben lässt, würde ich dich nie wieder aus den Augen lassen.

O: Und was hat Gott gesagt?

C: Du bist hier, oder?” 

“Ein Mann von Welt” erzählt die Geschichte von Oppen Porter, der auszieht, um ein Mann von Welt zu werden, doch in Panorama City sein Glück einfach nicht finden kann. Seine Tante Liz hat ganz bestimmte Vorstellungen davon, wohin es in seinem Leben gehen soll, doch Oppen will eigentlich nur glücklich sein. Es ist ausgerechnet Paul Renfro, der betrügerische Hochstapler, der Oppen dabei hilft, einen Weg zu sich selbst zu finden und eine wichtige Entscheidung zu treffen.

Antoine Wilson ist mit “Ein Mann von Welt” ein herzzerreißender Roman gelungen, ein Roman voller Tragik und Humor. Oppen Porter ist ein liebenswerter Sonderling und vielleicht wäre unsere Welt eine bessere Welt, wenn es mehr Oppen Porters geben würde. Aber vielleicht können wir auch einfach damit anfangen, uns seine Philosophie einer idealen Welt zu Herzen zu nehmen:

“In meiner idealen Welt kennt jeder jeden, Fahrräder und Ferngläser bekommen den Respekt, den sie verdienen, so etwas wie Geld gibt es nicht, Denker haben Zeit zum Denken, jeder hat so viel Glück wie ich, und Leute werden da begraben, wo sie wollen.” 

Ergänzend zum Buch lohnt sich ein Blick in einen Artikel auf Necessary Fiction in dem Antoine Wilson über die Recherche zu seinem Roman berichtet. Auf der Seite Largehearted Boy gibt es zusätzlich eine Playlist zum Buch. Eine schöne Besprechung dieses Romans findet ihr auch bei Sophie von Literaturen.

10 Comments

  • Reply
    literaturen
    April 26, 2013 at 12:31 pm

    Recht hast du! Ein tolles Buch, eine sehr sympathische Hauptfigur. Und vielen Dank für’s Verlinken! (dank dir habe ich ja auch meinen mehr als peinlichen Fehler ausmerzen können. *hust* .. nene, was Konzentrationsmangel manchmal so anrichtet)

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 28, 2013 at 11:38 am

      Liebe Sophie,

      peinliche Fehler sind doch was anderes, ich fand deinen Verschreiber viel mehr lustig. 😉 Ich freue mich, dass wir meinungstechnisch bei diesem Buch übereinstimmen. Das einzige, das mich genervt hat bei der Lektüre – muss ich gestehen – war die penetrante Verwendung der Floskel “ihre Worte”, “seine Worte”. Ging dir das auch so?

      • Reply
        literaturen
        April 28, 2013 at 11:43 am

        Ich habe es natürlich auch bemerkt, aber es hat mich nicht genervt, weil ich es als sprachliche Eigenheit Oppen Porters begriffen habe. Der gesamte Text bedient sich ja einer eher “einfachen” Sprache, die Oppen entspricht und da habe ich eben auch wiederkehrende Floskeln einsortiert .. ich kann aber durchaus nachvollziehen, dass das auch nerven kann. (;

      • Reply
        buzzaldrinsblog
        April 28, 2013 at 11:50 am

        Natürlich ist das ganze Buch in einer “einfacheren Sprache ” gehalten, was auch gut zu Oppen Porter passt und schön ungesetzt wurde. Mich als Sprachwissenschaftlerin haben dann irgendwann nur doch die Wiederholungen genervt … aber auch nicht so, dass ich nicht hätte darüber hinwegsehen können. Das Leseerlebnis bleibt natürlich trotzdem wunderbar. 🙂

  • Reply
    Lit & Int (@Literaturwww)
    April 27, 2013 at 11:07 am

    Ich frag mich gerade, warum ich deinen Blog erst heute so richtig entdeckt habe. Naja, ENDLICH! Wow… Ich bin absolut begeistert von deinen Rezensionen und dem Interview über deine Bibliothek.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 28, 2013 at 11:35 am

      Erst einmal freue ich mich sehr über deinen Besuch bei mir, genauso freue ich mich natürlich über deinen tollen Kommentar, der mich ein bisschen erröten liest vor meinem Computer. 😉 Ich freue mich, dass dir mein Blog und das Interview gut gefallen und freue mich über weitere Besuche von dir hier bei mir. 🙂

  • Reply
    Bücherphilosophin
    April 28, 2013 at 8:14 am

    In das Buch hatte ich mich schon aufgrund der Rezension bei “Literaturen” verliebt. Die Zitate, die Du ausgewählt hast sind wirklich schön und machen mich fast noch neugieriger auf die Geschichte des Oppen Porter.
    Ich habe ohnehin ein Faible für diese “sympathischer Sonderling” Geschichten, die den amerikanischen Schriftstellern so gut gelingen. Ich will jetzt mal zusehen, dass ich es im Sommer, wenn ich mal wieder in Deutschland bin, auch gelesen kriege.

    LG, Katarina 🙂

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 28, 2013 at 11:30 am

      Liebe Katarina,

      ich mag auch gerne Geschichten, die sich mit “sympathischen Sonderlingen” beschäftigen, erstaunlich, dass diese besonder häufig amerikanischen Autoren gut gelingen. Dieses Leseerlebnis ist besonders gelungen, auch wenn das Cover ja eher einen unscheinbaren Eindruck macht und mich vielleicht nicht unbedingt dazu verführt hätte, das Buch sofort zu kaufen. Ich bin gespannt, wie dir das Buch gefallen wird, wenn du es lesen solltest! 🙂

  • Reply
    Gaby
    April 29, 2013 at 9:20 pm

    Vielen Dank für die tolle Rezension… du hast mich malwieder mit der Nase auf ein Buch gestoßen, was evtl. sonst an mir vorbei gegangen wäre und wie es aussieht, wäre das sehr sehr schade gewesen… ich werde es mir sicher diese Woche noch besorgen und bin schon sehr gespannt darauf! :-))

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      May 1, 2013 at 2:47 pm

      Liebe Gaby,
      dass freut mich unheimlich und ich bin schon total gespannt darauf, wie dir das Buch gefallen wird und ob du den liebenswerten Sonderling Oppen auch so ins Herz schließen wirst, wie ich! 🙂

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