Finn-Ole Heinrich im Gespräch!

Finn-Ole Heinrich wurde 1982 bei Hamburg geboren, ging in Cuxhaven zur Schule und ist mittlerweile virtueller Stadtschreiber in Oldenburg. Darüber hinaus hat er natürlich noch so viel mehr gemacht: als Autor debütierte er mit 23 Jahren und hat seitdem zahlreiche Bücher veröffentlicht. Hier vorgestellt wurden Räuberhände und die drei Bände der Maulina-Schmitt-ReiheIch hatte das große Glück, dass der Autor mir meine zahlreichen Fragen beantwortet hat …019_HeinrichHenning-7349_300dpi_Druck

© Denise Henning, 2013

In diesen Wochen ist der dritte und letzte Teil der Reihe rund um deine Heldin Maulina Schmitt erschienen. Was fühlst du, wenn du an Maulina denkst?

Verbundenheit. Maulina ist mir sehr ans Herz gewachsen, ich mag diesen kleinen Menschen, den ich da kennen gelernt habe. Ich hatte eine sehr schwere und anstrengende Zeit mit ihr, aber ich habe sie immer sehr gemocht und ich war froh, sie begleiten zu dürfen. Was mir gerade auffällt, da ich in der Vergangenheit von ihr schreibe: ich begleite sie nicht länger. Habe aufgehört, ihr beim Werden zuzusehen.

Ich habe ja noch sehr viel mit ihr zu tun: lese viel aus unseren drei Büchern, arbeite an einer Adaption für ein Theaterstück, spiele selbst Maulina auf der Bühne, sie ist noch sehr präsent in meinem Alltag, deshalb vermisse ich sie nicht. Aber ich denke sie nicht weiter.

Maulina hat dich nun über einige Jahre hinweg begleitet. Weißt du noch, wann du zum ersten Mal an sie gedacht hast?

Ganz genau weiß ich das nicht mehr. Ich erinnere mich eher an einen Zeitraum, an die Umstände und Begebenheiten in meinem Leben, unter denen Maulina geschlüpft ist. Welche Ideen sich da vermischt haben. Ich erinnere mich aber noch genau, wie ich meiner damaligen Freundin zum ersten Mal von Maulina erzählt habe. Da hatte ich noch etwas ganz anderes mit ihr vor, wollte eine Kurzgeschichtenreihe über ein sechsjähriges Maulmonstermädchen machen.

Und wie geschieht das überhaupt – finden die Figuren deiner Bücher auf verschlungenen Wegen zu dir oder lässt du Buchfiguren entstehen?

Ich hab da kein Rezept. Maulina ist auf jeden Fall zu mir gekommen, ich habe sie nicht planvoll entworfen, weil ich sie für irgendwas brauchte. Sie hat sich ergeben und als sie da war, habe ich gleich gesehen, dass ich mit ihr etwas anfangen konnte, es hat mir Spaß gemacht, mit ihr rumzudenken an verschiedenen Ecken und Enden. Auch wenn ich sie damals noch kaum kannte.

Maulina muss in ihren jungen Jahren viel ertragen, nicht nur die Trennung der Eltern, sondern auch die schwere Erkrankung der Mutter. Ich stelle es mir schmerzhaft vor, all dies einem kleinen Kind aufzubürden. Woher wusstest du, dass Maulina stark genug dafür ist, dies zu ertragen?

Das wusste ich nicht. Nicht wirklich, ich kannte sie am Anfang gar nicht so wirklich, muss ich sagen. Ich habe sie beim Schreiben erst wirklich kennen gelernt, als ich ihr dabei zusah, wie sie mit diesem ganzen Mist umgegangen ist. Ich hatte aber gleich so ein Zutrauen. Maulina war gleich so voller Kraft und Ideen. Es hat Spaß gemacht, sich Quatsch mit ihr auszudenken und als ich dann anfing, mit ihr Kompliziertes und Schweres anzuprobieren, merkte ich, dass das eben auch ging.

Wichtig ist auch: ich wollte es ja so, wollte so eine Geschichte erzählen. Eine, in der die Heldin nicht zerbricht an der Schrecklichkeit des Lebens. Ich wollte eine Geschichte, die so hart wie eben nötig ist, um alle Tiefen auszuloten und über deren Ende hinweg man als Leser trotz all der Scheiße weiterdenken mag.

Davon hängt ja schon viel ab: ich entwerfe, ich gestalte und erzähle und behaupte diese Welt. Ich erhalte die Erzählung aufrecht. Die Erzählung von Maulina Schmitt, die so viel Kraft und Lebensfreude hat, dass selbst diese schlimme Geschichte, die ihr alles abverlangt, sie nicht zu Boden ringt.

Die Frage ist natürlich klischeehaft, ich stelle sie aber trotzdem: wieviel von dir steckt in Maulinas Wut, ihren Fragen und ihrer Geschichte?

Weiß nicht, klischeehaft? Vielleicht eher: unwichtig. Und schwer zu messen. Was soll ich da jetzt sagen? Soundsoviel Prozent? Drei Kilo selbstgemachte Erfahrungen, sechs Erinnerungen, vier Zentimeter aufgeschnappte Ideen und sechs Pfund Sitzfleisch?

Das Schöne an Maulinas Geschichte ist für mein Empfinden, dass ich trotz aller Tragik auch lachen und schmunzeln konnte. Ist dir das wichtig gewesen, dass es in dieser Geschichte auch Humor und Leichtigkeit gibt?

Naja, logisch. Wäre doch sonst unerträglich. Es ist außerdem oft so, dass es erst so richtig knallt, wenn du grad noch derbe gelacht hast. Du spürst den Unterschied noch klarer. Tragisches wird durch Komisches noch tragischer und umgekehrt.

Deine Bücher wirken äußerlich wie Kinderbücher, ich kann mich in ihnen aber auch als Erwachsene verlieren. Hattest du von Anfang an im Kopf, diese Grenze zwischen der Welt der Erwachsenen und Kinder aufzuweichen oder hat sich das zufällig ergeben

Freut mich, das zu hören. Sehr sogar. Denn ja, das kann man so sagen. Es war ein Ziel, auf genau dieser Linie zu balancieren. Ein Kinderbuch für Erwachsene zu machen, das auch Kinder gern in die Hand nehmen. Und über das Kinder und Erwachsene sich gut unterhalten und hoffentlich auf beiden Seiten was voneinander lernen können.

Wie ist die Idee dazu entstanden, die Bände dieser Reihe zu illustrieren? War das deine Idee?

Ja. aber irgendwie war es gar keine Idee, sondern eine Selbstverständlichkeit. Rán und ich hatten gerade den Deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen. Das ist ja nun ein ziemlich dickes Ding. Und dann wurden wir von Hanser gefragt, ob wir bei ihnen ein neues Projekt machen wollen. Ich hatte Rán schon von Maulina erzählt, aber nicht geglaubt, dass wir für sie irgendwo so bald ein Zuhause finden würden. Rán hatte Lust und damit war es irgendwie klar, dass wir Maulina zusammen machen. Wir waren ein Team. Ich wollte ihren feinen Humor, diese Leichtigkeit, die Luftigkeit, die ihre Illustrationen mit sich bringen und die Schönheit, die Ráns Arbeiten immer an sich haben, einfach zu gern an Bord haben.

Die wunderschönen Illustrationen werden von Rán Flygenring gestaltet, wie eng arbeitet ihr zusammen? Setzt sie deine Ideen künstlerisch um oder entwickelt sie eigene Ideen zu deinem Text?

Rán ist eine eigenständige Künstlerin, die ich gefragt habe, ob sie mit mir zusammen arbeitet, weil ich ihre Arbeit und ihre Begabungen unheimlich schätze. Ich wäre schön blöd, wenn ich ihr irgendwelche Vorgaben machen würde, noch dazu in einem Bereich, in dem sie ganz sicher viel talentierter ist als ich. Sie entwickelt natürlich ihre eigenen Ideen. Aber ich füttere sie gern mit allem, was ich habe. All meine, auch visuellen, Ideen stelle ich ihr immer gern zur Verfügung. Ich schreibe ihr Mails, schicke ihr Bilder, Videos, Links, ich beschreibe, was ich gerade sehe und was ich gern von ihr sehen würde. Ich kritisiere, was sie mir zeigt, hake nach und notiere all meine Anmerkungen für sie. Oft steht im Text dann in eckigen Klammern irgendwas wie [Hier Illustration von Juris Schuhen, daneben Text: soundso]. Das ist aber nie eine Vorschrift. Wir diskutieren alles, aber wir wissen beide, wer letztendlich für welchen Bereich verantwortlich ist.

Wir sprechen nun bereits die ganze Zeit über deine Bücher, aber wann und wie genau ist in dir überhaupt der Wunsch entstanden zu schreiben?

Also, ziemlich genau mit siebzehn hab ich angefangen, Geschichten zu schreiben, wenn es das ist, was du meinst. Ich hab vorher schon geschrieben, Briefe, in denen ich meine Ideen und Gedanken festgehalten habe. Ich hab die Briefe selten abgeschickt, eigentlich fast nie, ich brauchte nur ein Gegenüber, für den ich mir die Mühe mache, das Chaos zu sortieren.

Mit siebzehn hab ich dann das erste Mal seit langer Zeit wieder ein Buch gelesen, freiwillig, mit offenem Kopf. Hat mich viel Mühe gekostet, aber ich hab gemerkt: das macht was mit meinem Kopf, es tut mir gut und ich habe irgendwie gespürt: Klar! So könnte man seine Gedanken auch ordnen, hier kann man seine Fragen loswerden. Und man hat, wenns gut läuft, auch noch die Möglichkeit, mit Menschen darüber in Auseinandersetzung zu geraten. Und wenns richtig läuft, kann man vielleicht sogar davon leben.

Und die Entscheidung, für Kinder zu schreiben, war das eine bewusste Entscheidung?

Nee, gar nicht. Ist passiert. Im Urlaub. Plötzlich. Ohne Vorwarnung. Da war plötzlich Frerk da und hat mir seine komische Geschichte erzählt und ich habe angefangen Namensreime und Quatschwörter zu sammeln und zu erfinden. War witzig. Hab ich deshalb weiter gemacht.

Du bist auch im Bereich Film aktiv – was sind für dich die größten Unterschiede zwischen Film und Literatur und mit welchem Medium arbeitest du lieber?

Die größten Unterschiede finde ich eigentlich im Drumrum. In den Strukturen. Film ist irgendwie viel größer, industrieller, unmenschlicher, glamouröser, wichtigtuerischer, mächtiger, geschäftsmäßiger. Ich bewege mich deutlich lieber in der Buchbranche oder wenigstens in dem winzigen Zipfel, in dem ich daheim bin. Ich bin ja vor ungefähr zehn Jahren vom mairisch Verlag entdeckt worden und seither ist das meine literarische Heimat. Ein Traumverein! Könnte mir als Freiraum zur Umsetzung meiner künstlerischen Ideen nichts Besseres vorstellen und die Leute, die dahinter stehen, sind Freunde geworden. So eine Heimat habe ich im Filmbereich (noch) nicht, da fühle ich mich immer noch fremd und habe das Gefühl, dass ich gut auf mich aufpassen muss, auch wenn ich inzwischen auch hier zum Glück eine Reihe netter Menschen um mich weiß.

Handwerklich und in den erzählerischen Möglichkeiten gibt es auch eine Menge Unterschiede, aber da habe ich keine wirkliche Vorliebe. Ich erzähle gern in der Literatur und auch im Film. Kommt auf den Stoff an und was er braucht.

Räuberhände ist ein Roman, den ich unheimlich gerne gelesen habe, deshalb abschließend die Frage: dürfen wir uns bald auf etwas Ähnliches freuen?

Ich hoffe nicht! Ich will mich ja nicht wiederholen. Aber wenn du meinst, ob was Längeres für Erwachsene geplant ist, dann ja. Ich hab eine Idee, an der ich schon lange rumdenke. Aber das wird noch eine Weile dauern, ein paar andere Sachen stehen erst noch an, ein weiteres Projekt mit Rán, ein Film, zwei Theaterstücke, eine lange Reise und dann würde ich ja erst anfangen mit Recherche und allem, was dazu gehört.

4 Comments

  • Reply
    fraupixel
    November 21, 2014 at 1:24 pm

    Jetzt bin ich wirklich neidisch, dass du den Finn-Ole Heinrich getroffen hast! Hach, schönes Interview. 😉

    • Reply
      Mara
      November 26, 2014 at 4:41 pm

      Danke, ich freue mich sehr über deine Rückmeldung! 🙂

  • Reply
    skyaboveoldblueplace
    November 23, 2014 at 2:15 pm

    Liebe Mara,
    ein sehr schönes Interview, Finn Ole Heinrich hat da ein paar sehr schöne und interessante Antworten gegeben. Was mich besonders freut ist diese mögliche Nicht-Trennung zwischen Kinder- und Erwachsenenbuch. Das gelingt ja nicht vielen.
    Maulina liegt übrigens in ihrer vollen, dreibändigen Pracht neben mir und Ich werde demnächst mit ihr Bekanntschaft machen…
    Liebe Grüsse
    Kai

    • Reply
      Mara
      November 26, 2014 at 4:27 pm

      Lieber Kai,

      dann bin ich schon ganz gespannt, ob dich Maulina ebenso berühren wird, wie mich. Ich freue mich sehr, dass die Bände bereits neben dir liegen und dass du auch das Interview gerne gelesen hast – wie schön! 🙂 Ich finde die Nicht-Trennung auch spannend und befinde mich nun gerade auf der Suche nach weiteren Büchern, die etwas ähnliches versuchen und ähnlich gelungen sind.

      Liebe Grüße
      Mara

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