Franz Friedrich im Gespräch!

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Foto: Jörg Steinmetz

Die Diskussionen rund um die Longlist des Deutschen Buchpreis liegen mittlerweile schon wieder ein paar Monate zurück, doch sie sind mir im Gedächtnis geblieben. Mit Franz Friedrich habe ich genau darüber gesprochen: über den Deutschen Buchpreis, sexistische Diskussionen und die Angst davor, auf der Shortlist zu stehen.

Erst einmal Glückwunsch dazu, dass du mit deinem Roman „Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreis standst – wie hast du von der Nominierung erfahren?

Ich weiß gar nicht genau, ob man das sagen darf, aber die Verlage wissen das meistens schon am Abend vor der Bekanntgabe und ich habe die Nachricht dann von meinem Lektor erfahren, der mich angerufen hat, um mir zu sagen: Du bist drauf.

Und dann war die Freude wahrscheinlich groß, oder?

Ja, schon – die Freude war groß. Es hat mir aber auch ein bisschen Angst gemacht. Auf der Longlist zu stehen, ist natürlich super, aber ich hatte dann irgendwie Angst davor, dass ich auf die Shortlist komme.

Angst, warum denn Angst? Wäre das nicht eher ein Grund zur Freude gewesen?

Ich hatte Angst davor, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen, dass ich diese nicht mehr kontrollieren oder beherrschen kann. „Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr“ ist mein erstes Buch gewesen und ich habe noch gar keine Erfahrung. Wenn man schon ein paar Bücher rausgebracht hat, dann kann man all das vielleicht besser einschätzen oder kanalisieren. Ich kann das noch nicht und da habe ich im ersten Moment gedacht: „Oh je!“. Ich hatte Angst davor, wenn ich auf der Shortlist stehe, dass ich irgendetwas Blödes in einem Interview sage und das wird dann gleich ganz komisch multipliziert und verfremdet. Über die Longlist habe ich mich aber gefreut, weil die Aufmerksamkeit nicht nur für das Buch gut ist, sondern auch für den Verlag, der es dann leichter hat, das Buch zu verkaufen.

Dieses Jahr war der Buchpreis ja auch von vielen Diskussionen geprägt: zu wenig Frauen, zu viel alte Autoren – hast du diese Diskussionen verfolgt?

Ja, ich habe diese Diskussionen verfolgt, die – als die Longlist da war – ja relativ schnell losgingen. Es haben sich ja auch alle möglichen Leute dazu geäußert und positioniert. Da ich in diesen Dingen relativ unerfahren bin, habe ich das alles schon irgendwie persönlich genommen. Im Nachhinein war es natürlich nicht persönlich gemeint, es gibt immer Debatten, die losgetreten werden müssen, aber ich habe mir zwischendurch schon gedacht: „Bin ich jetzt falsch?“ Wenn man sagt, dass es zu wenige junge Frauen auf der Liste gibt, sagt man ja auch gleichzeitig, dass zu viele Männer da sind. Ich bin ein Mann, also bin ich zu viel. Irgendwie gehöre ich da nicht drauf, weil es gibt da eine begrenzte Zahl. Das hat mich dann schon ein bisschen getroffen. Alles in allem muss ich sagen, dass ich diese Debatte nicht wirklich gut fand. Sie ist relativ schnell entglitten und mir hat die Art und Weise der Diskussion nicht gefallen. Ich würde mich selber als Feministen bezeichnen, wenn es aber nur darum geht, junge Frauen auf dieser Liste sehen zu wollen, rutscht das schnell in einen Sexismus ab. Nach dem Motto: hier gibt es zu wenige sexy Bitches. Ich finde es grundsätzlich total wichtig, darüber zu reden, wie der Sexismus im Literaturbetrieb funktioniert, weil dieser nach wie vor von Männern beherrscht wird. Die meiste Literatur wurde von Männern geschrieben und hat einen männlichen Blick. Eigentlich ist das ein richtig interessantes Thema und es würde sich lohnen, ernsthaft darüber zu diskutieren und eine wirklich gute Debatte zu führen. So wie die Debatte dann aber geführt wurde, empfand ich sie jedoch komischerweise nicht als emanzipatorisch feministisch, sondern fast schon als sexistisch.

Da kann ich dir nur zustimmen. Mir selbst haben auf der Longlist Bücher gefehlt, ob diese von einem Mann oder einer Frau geschrieben wurden, war für mich dabei zweitranging.

Ja genau. Es gibt sicherlich im Literaturbetrieb Strukturen, die es Frauen schwerer macht – darüber kann man gerne reden. Es gibt aber gleichzeitig auch eine ganze Reihe anderer ausschließender Strukturen. Man könnte ja auch sagen, es gibt zu wenig Arbeiterkinder auf der Liste, zu wenig Migranten oder zu wenig Homosexuelle. Das ist alles interessant, aber es ist eine Art der Debatte, bei der ich mich frage, was das bringt.

Kannst du – losgelöst von dieser Diskussion – denn sagen, ob es etwas in deinem Leben gibt, das sich nach der Nominierung verändert hat?

Dass das Buch nun draußen ist, das hat natürlich viel verändert. Mit der Nominierung hat sich aber eigentlich nichts geändert. Es war eine schöne Sache, auch mit der Lesung – es gab eine Blinddatelesunge und da war ich in Marburg eingeladen und das war gleichzeitig auch meine erste Lesung mit dem Buch und ich war total nervös und aufgeregt. Ich dachte: „Schrecklich, die kennen mich gar nicht!“ Das Buch war ja relativ neu und ich hatte keine Ahnung, wie die nun reagieren. Dann waren dort aber total viele nette Leute und der Moderator war super, genauso wie die Buchhandlung, die die Lesung betreut hat. Es war einfach eine ganz spannende Erfahrung, die ich da machen durfte und es ist mir ganz viel Freundlichkeit dabei entgegengekommen.

Was bedeuten dir Preise und Auszeichnungen überhaupt beim Schreiben?

Ich glaube, dass das Gute an Preisen immer das Preisgeld ist, denn Geld schafft Sicherheit. Insofern sind Preise natürlich wichtig. Es ist aber gar nicht möglich, auf einen Preis hin zu schreiben. Ich glaube, dass macht auch keiner.

Wenn man sich deine Biographie anschaut, sieht man, dass du Schreiben in Leipzig am Literaturinstitut studiert hast – kannst du noch sagen, wann genau ist in dir der Wunsch entstanden zu schreiben?

Das klingt vielleicht eitel, aber eigentlich wollte ich schon immer schreiben – obwohl ich eine schlechte Rechtschreibung hatte und man mich schon fast als Legastheniker hätte bezeichnen können. Ich war sowieso kein guter Schüler, zumindest im Fach Deutsch. Aber sobald ich – auch wenn das jetzt kitschig klingt – als Erstklässler ein Alphabet zur Verfügung hatte, habe ich angefangen Geschichten zu schreiben. Das war damals natürlich noch nicht der seriöse Wunsch Schriftsteller zu werden, aber diese Möglichkeit, Bücher zu schreiben, war für mich immer da. Damals hatte ich sicherlich noch andere Lieblingsberufe, die dann mit der Zeit weggefallen sind.

Wenn wir abschließend noch einmal über deinen Roman sprechen: du hast ja nicht nur Schreiben studiert, sondern auch Experimentalfilm und auch in deinem Roman spielt der Film eine wichtige Rolle. Was verbindet Film und Literatur miteinander? Gibt es Dinge, die man im Film nicht machen kann, dafür aber in der Literatur?

Bei mir ist das so, dass ich beides gleichzeitig studiert habe. Ich war in Leipzig eingeschrieben und habe gleichzeitig am UDK Experimentalfilm studiert. Für mich lief also beides parallel nebeneinander her. Das Schöne an der Beschäftigung mit Film für mich ist die Tatsache, dass die Literatur mir manchmal etwas beengt vorkommt. Man zensiert sich selbst: das geht nicht, das geht nicht, das geht nicht. Auch beim Film gibt es Grenzen, aber andere Grenzen. Und da merke ich dann immer, dass durch die Vermischung beider Gattungen eine Öffnung entsteht. Eine Öffnung des Raums oder auch der Möglichkeiten. Das Andere, das am Film interessant ist, ist, dass es dort eine andere Art der Genauigkeit gibt. Das ist die Genauigkeit des Blicks oder auch des Bildes. Bei der Literatur funktioniert diese Genauigkeit eher über das Wort, die Sprache muss das sozusagen alles richten und im Film ist es das Bild. Diese Genauigkeit in die Literatur wieder mit zurückzunehmen, finde ich immer wieder spannend und befruchtend.

6 Comments

  • Reply
    tobiaslindemann
    December 17, 2014 at 11:13 am

    Sehr sympathisch und klug. Ich werde zu Franz Friedrichs Lesung im Januar gehen um ihn und seinen Roman näher kennenzulernen.

    • Reply
      caterina
      December 19, 2014 at 9:15 pm

      Dito, auch ich werde mir eine Lesung im Januar sehen. Ich mag das Besonnene an ihm und seinen Antworten, bin zudem gespannt auf den Roman.

      • Reply
        Mara
        December 21, 2014 at 3:01 pm

        Liebe Caterina,

        wie schön! Dann wünsche ich dir schon jetzt viel Spaß auf der Lesung und mit dem Roman. Ich habe selten zuvor bei einem Interview ein so angenehmes Gespräch gehabt – Franz Friedrich ist ein beeindruckend gelassener und ruhiger Interviewpartner gewesen.

        Liebe Grüße
        Mara

    • Reply
      Mara
      December 21, 2014 at 3:14 pm

      Lieber Tobias,

      ich habe Franz Friedrich auch als sehr angenehmen Gesprächspartner erlebt und freue mich, dass dieser Eindruck auch in der schriftlichen Form transportiert wurde. Bei der Lesung wünsche ich dir ganz viel Spaß und bin gespannt darauf, wie dir der Roman gefallen wird.

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    J. Kienbaum
    December 17, 2014 at 4:41 pm

    Wieder durfte ich mich an einem Deiner kurzen, aber informativen Interviews erfreuen. Vielen Dank. lg_jochen

    • Reply
      Mara
      December 21, 2014 at 3:13 pm

      Lieber Jochen,

      danke für deinen Kommentar, ich freue mich sehr darüber, dass du das Interview gerne gelesen hast. 🙂

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