Litauische Literatur auf dem Blauen Sofa

Das diesjährige Schwerpunktland auf der Leipziger Buchmesse ist der europäische Staat Litauen. Mit gerade einmal drei Millionen Einwohnern, ist Litauen ein vergleichsweise kleines Land. Es ist also nicht überraschend, dass zur Leipziger Buchmesse lediglich sechsundzwanzig Neuerscheinungen vorliegen, die aus der litauischen Sprache übertragen wurden und hierzulande veröffentlicht werden. Mit Tomas Venclova und Eugenijus Ališanka saßen am Donnerstag zwei der litauischen Autoren auf dem Blauen Sofa und gaben Einblicke in ihr Schreiben und ihre Literatur.

Tomas Venclova wurde 1937 geboren und ist Dichter, Schriftsteller und Übersetzer. Als Gründungsmitglied der litauischen Helsinki-Gruppe war er 1977 dazu gezwungen zu emigrieren und seine Heimatstadt Vilnius zu verlassen. Auf dem Blauen Sofa hat er seine Lebenserinnerungen Der magnetische Norden vorgestellt – dabei handelt es sich um Gespräche mit seiner Dichterkollegin und Übersetzerin Ellen Hinsey, in denen Venclova sein Leben rekapituliert und das 20. Jahrhundert Revue passieren lässt. Der Titel des Buches verweist auf einen Vers aus einem seiner Gedichte:

“Ich ziehe das Unglück an wie der Norden die Kompassnadel
Wie der Magnet die Magneten, so zieht das Unglück mich an.”

Gegen dieses Unglück setzt Venclova die Dichtung – interessanterweise dichtet er, der seit 1977 in Amerika lebt, immer noch in seiner Heimatsprache. Ein Gedicht in einer anderen Sprache als der litauischen Sprache zu verfassen, würde er niemals tun. Für ihn gilt: Dichter sollten in der Sprache dichten, die sie vor ihrem siebten Lebensjahr erlernt haben – alles andere kann in seinen Augen nur misslingen.

Tomas Venclova: Der magische Norden – Gespräche mit Ellen Hinsey. Aus dem Englischen von Claudia Sinnig. Suhrkamp Verlag, 2017. 36€, 652 Seiten.

Eugenijus Ališanka ist Lyriker, Essayist und Herausgeber von Zeitschriften, der viele Jahre für die Vilnius Review gearbeitet hat. In seinem Essayband Risse, der in dem kleinen KLAK-Verlag erschienen ist, beschäftigt sich Ališanka auf sehr persönliche Art und Weise mit seinem Heimatland und seinem eigenen Leben. Der diplomierte melancholiker, wie er sich selbst in einem seiner Gedichte bezeichnet, ist in Sibirien geboren, weil seine Eltern dorthin verbannt wurden. Erst mit zwei Jahren ist er mit seiner Familie zurück nach Litauen gezogen. All diese Brüche und Risse seiner Biographie spiegeln sich auch in seinen Essays wider.

Eugenijus Ališanka: Risse. Streifzüge und Fluchtpunkte. Aus dem Litauischen von Claudia Sinnig. KLAK Verlag, 2017. 16,90€, 272 Seiten.


Mich haben die Auftritte von Tomas Venclova und Eugenijus Ališanka sehr beeindruckt, da sie mir eine Literatur näher gebracht haben, die mir bis jetzt noch völlig unbekannt gewesen ist. Vielleicht seid ihr ja nun auch neugierig auf die litauische Literatur geworden, neben den beiden bereits erwähnten Autoren gibt es 24 weitere Neuerscheinungen aus Litauen, die darauf warten, entdeckt zu werden – ich stelle euch vier Highlights davon kurz vor:

Irena Ülkekul: Ein glücklicher Mensch. Märchen aus Litauen –  Undiné Radzevičiūtė: Fische und Drachen – Ruta Sepetys: Salz für die See – Antanas Škėma: Das weiße Leintuch

 

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