Three Women | Drei Frauen – Lisa Taddeo

Lisa Taddeos Buch Three Women – Drei Frauen wurde in Amerika als sensationelles Debüt gefeiert. Auf dem Buchrücken finden sich Lobeshymnen von Dave Eggers (“Fesselnd, stilsicher, bestechend originell.”) und Jojo Moyes. Doch ist dieser Hype tatsächlich gerechtfertigt?

“Ich bin aufgebrochen, um vom Feuer und vom Schmerz der weiblichen Lust zu erzählen, damit Männer und andere Frauen erst einmal verstehen können, bevor sie urteilen. Denn gerade die alltäglichen Momente unseres Lebens zeigen uns, wer wir waren, wer unsere Nachbarinnen und unsere Mütter waren, während wir glaubten, kein bisschen wie sie zu sein. Das sind die Geschichten von drei Frauen.

Laut eigenen Angaben ist Lisa Taddeo mehrere Jahre lang durch ganz Amerika gereist, um Frauen zu interviewen. Zehn Jahre lang habe sie sich an unterschiedlichen Orten niedergelassen und sei in das Leben ihr fremder Frauen eingetaucht. Zunächst habe sie vor allem auch Männer interviewt, mit der Zeit aber festgestellt, dass die Geschichten der Männer alle einen ähnlichen – wenig spannenden – Kern haben, der es nicht wert sei, erzählt zu werden. In ihrem Buch veröffentlicht sie stattdessen die Geschichten von drei Frauen – in ihrem Vorwort beschreibt Lisa Taddaeo Three Women – Drei Frauen selbst als ein Buch über das menschliche Begehren. Aber das funktioniert für mich nicht.

Lisa Taddeo hat kein Buch über das menschliche Begehren geschrieben und auch keines über die weibliche Lust (was auch immer darunter zu verstehen ist). Sie hat ein Buch über das Begehren von drei weißen heterosexuellen cis Frauen geschrieben. Das ist ein großer Unterschied und für mich eines der erstaunlichsten Aspekte an diesem Buch: wie kann man zehn Jahre lang Daten erheben und Interviews führen und sich dann dafür entscheiden, diese drei Frauen zu porträtieren? Was ist mit trans Frauen? Was ist mit schwarzen Frauen? Was ist mit einem queeren Begehren? Ist menschliches Begehren wirklich gleichbedeutend mit heterosexuellem Begehren? Wer fühlt sich in diesen Porträts repräsentiert? Wer kann sich überhaupt mitgemeint oder angesprochen fühlen?

Der Inhalt des vorliegenden Werkes ist nicht frei erfunden. Über acht Jahre hinweg habe ich Tausende Stunden mit den Frauen dieses Buches verbracht – in Form von persönlichen Begegnungen, Telefonaten, SMS und E-Mails. Ich bin in die Städte gezogen, in denen sie wohnten, und habe mich eine Zeit lang dort niedergelassen, um mir ein besseres Bild von ihrem täglichen Leben zu machen.

Das Buch, das ich gelesen habe, hätte man auch Drei weiße Frauen, Drei cis Frauen oder Drei heterosexuelle Frauen nennen können. Was ja auch völlig in Ordnung wäre. Doch gemessen an dem Aufsehen, das um dieses Buch gemacht wird, fühlt sich der tatsächliche Inhalt dann doch erschreckend flach und eindimensional an. So ähnlich geht es mir auch mit der Tatsache, dass dieses Buch immer wieder das Label feministisch bekommt – ich halte das für eine absurde Idee. Nichts an Three Women – Drei Frauen ist besonders feministisch oder gar empowernd.

Da gibt es Maggie, die als Schülerin ein Verhältnis mit ihrem Englischlehrer hat. Sie zeigt ihn an, aber selbst als sie sich später im Gerichtssaal begegnen, liegt ihr Fokus immer noch darauf, dass sie ihm gefällt. Sie möchte diesem Mann gefallen. Da gibt es Lina, die mit Ed verheiratet ist, der sie seit Jahren nicht mehr geküsst hat, obwohl sie sich das so sehr wünscht. Sie schafft es, sich von ihm zu trennen, nur um eine Affäre mit einem alten Schulfreund zu beginnen. Aidan möchte nur Sex von ihr, von seiner Frau würde er sich niemals trennen. Sie treffen sich heimlich in Motels oder unten am Fluss – nach einem Treffen bedankt sich Lina bei Aidan dafür, dass er sich so viel Zeit für sie nimmt. Doch die schnelle Nummer auf dem Rücksitz hat nicht länger als eine halbe Stunde gedauert. Die dritte Frau, die porträtiert wird, ist Sloane – Sloane ist reich, sie führt ihr eigenes Restaurant. Ihr Mann wünscht sich, dass er ihr beim Sex mit anderen Männern zusehen darf. Sie willigt ein, ist aber niemals restlos überzeugt oder gar glücklich mit diesem Arrangement. Aber sie macht mit, ihm zuliebe.

Als sie das letzte Mal sehr betrunken gewesen war, hatte sie mit angesehen, wie ihr Mann in einer anderen Frau war und sich gefühlt, als würde sie sich auflösen. Sie war aus dem Zimmer gegangen. Hinausgestürmt, wie jemand wie sie eben hinausstürmen kann. Jemand, der es gewohnt ist, eine ruhige, liebenswerte, einsame Oberfläche darzustellen. Oder vielleicht war sie gar nicht hinausgestürmt. Vielleicht hatte das nur ihr Innerstes getan.

Alle drei Frauen lassen sich in der einen oder anderen Form ausnutzen. Alle drei Frauen rennen der Liebe und Aufmerksamkeit von Männern hinterher, die sie nicht im selben Maße zu schätzen wissen. Alle drei Frauen wissen wenig darüber, was sie eigentlich glücklich machen könnte – ganz losgelöst von ihren männlichen Partnern. Alle drei Porträts werden von dem sogenannten male gaze dominiert. Ich finde es faszinierend, dass sich Taddeo entschieden hat, ausgerechnet diese drei Frauen zu porträtieren. Ich finde es ebenfalls faszinierend, wie man in diesen drei Lebensgeschichten einen feministischen Impetus sehen kann. Ich konnte ihn nicht sehen. Hier und da konnte ich mich in einzelnen Gedanken und Gefühlen wiedererkennen, weil es universelle Gefühle waren (der Wunsch nach Liebe, das Leiden unter einem Trauma), aber insgesamt ist mir das, was Taddeo versucht und das, was sie beschreibt, doch seltsam fremd und nichtssagend geblieben.

Three Women – Drei Frauen liest sich so schnell weg wie ein Roman. Doch als ich die letzte Seite zuklappte, blieb ich zurück mit einem Gefühl von Befremdung und Enttäuschung. Darum wurde so viel Aufsehens gemacht? Echt jetzt? Ich verstehe es nicht. Für mich ist das ein Buch, das man sich besser sparen sollte!

Lisa Taddeo: Three Women – Drei Frauen. Aus dem Amerikanischen von Maria Hummitzsch. Piper Verlag, München 2020. 414 Seiten, €22.

1 Comment

  • Reply
    wildgans
    January 26, 2020 at 4:35 pm

    Hatte es schon bei meinem Lieblingsbuchhändler bestellt, dann eine Besprechung ähnlich deiner gelesen, die Bestellung sofort storniert! Habe ich wohl richtig gemacht!
    Danke für diese feinsinnige Rezension!

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