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Ein ganz besonderer Villenbesuch …

Die Büroräume des Hanser Verlags liegen in der Vilshofenerstraße, einer Münchener Villengegend in direkter Nähe zum wunderbaren Englischen Garten. Nur wenige Straßen entfernt, steht das Haus, in dem Thomas Mann seine Novelle “Der Tod in Venedig” schrieb. Die Verlagsräume befinden sich in der Villa des ehemaligen Verlegers Carl Hanser, in all den Jahren wurde mittlerweile bereits einiges angebaut und modernisiert (statt Swimmingpool gibt es nun Konferenzräume) – der Charme einer alten und weitläufigen Villa blieb jedoch erhalten, die Flure sind breit und lichtdurchflutet. Als ich sie durchschritt, mit all den Büchern rechts und links, habe ich mich ganz erhaben gefühlt – es fühlte sich tatsächlich an, als würde ich Hanser-Luft atmen.

Am gestrigen Freitag lud der Verlag zu einem Bloggertag ein, die beginnende Sommerferienzeit sowie das Ende der Woche machten aus dem Verlagsgebäude, in dem ansonsten bis zu 80 Mitarbeitern tätig sind, einen beinahe schon gespenstisch verlassenen Verlag.

Collage Hanser 2 Collage Hanser

Ich habe ein paar wunderbare Stunden bei Hanser verbracht! Es wäre sicherlich treffender, statt von einem Bloggertag vielmehr von einer Bloggerdiskussion zu sprechen, denn diskutiert wurde wirklich ausgiebig … die überschaubare Teilnehmerrunde hat sich einige Stunden lang angeregt über Blogs und deren Relevanz unterhalten – ein wichtiger Aspekt dabei war die Tatsache, was sich in der Arbeit der Verlage möglicherweise dadurch verschiebt und verändert, dass Blogs immer präsenter werden.

Ich hatte einen interessanten und intensiven Tag in dieser ganz besonderen Villa und bin mit vielen Denkanstößen, Ideen und Impulsen nach Hause gefahren.

Demokratisierung Literaturkritik. Fluch oder Segen?

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Gestern habe ich bereits auf die Diskussionsveranstaltung, die unter dem Motto “Jetzt reden wir!” stand, hingewiesen – heute folgt der Bericht. Organisiert und moderiert wurde die gut besuchte Veranstaltung von litlog, einem Göttinger eMagazin über Kultur, Wissenschaft und Literatur.  Am gestrigen Abend ging es um Fragen, die auch mich bereits seit langem umtreiben:

  • wie steht es um das Berufsbild des Literaturkritikers?
  • sind Buchbesprechungen ein Spezialgebiet für die Profis (Germanisten oder Literaturwissenschaftler)?
  • was ist überhaupt eine gute Literaturkritik und wer kann und darf diese verfassen?

Über diese Fragen und noch vieles mehr, diskutierten der Medienwissenschaftler Harun Maye und der Blogger und Journalist Stefan Mesch, der mit den Worten angekündigt wurde, dass er das Sprechen über Literatur maßgeblich neu prägt. Beide begannen die Diskussionsrunde mit einem Einstiegsstatement, während Harun Maye sich in seinem Statement vor allem mit dem gedruckten Feuilleton beschäftigte, warf Stefan Mesch in sechs Minuten eine Vielzahl an Fragen auf, in deren Zentrum die Unterscheidung zwischen Kritik, Empfehlung, Rezension und Produktbewertung stand.

Interessant war das Verständnis von beiden davon, was eine gute Literaturkritik ausmacht: bei Literaturkritik würde es nicht um Tipps gehen, sondern um einen viel weiteren Fokus. Stefan Mesch verglich in diesem Zusammenhang Buchbesprechungen mit Hotelbewertungen, während es bei Literaturtipps darum geht, ob der Strand schön ist und wo sich die beste Hotelbar befindet, sollte eine Literaturkritik das Urlaubsland in einen größeren Kontext rücken, sich mit den Nachbarländern beschäftigen, einen Blick auf die dunklen und verrauchten Ecken des Landes werfen und auch die Geopolitik in den Blick nehmen. Für Harun Maye bedeutet eine gute Literaturkritik die eigene Auseinandersetzung mit einem Buch, in Blogs und auch im Feuilleton liest er jedoch immer häufiger Rezensionen, die einem verlängerten Klappentext ähneln. Maye, der sich 2011 mit VLogs beschäftigte, bezeichnet Blogs an einer Stelle sogar als das Schlechtere vom Schlechten. Das, was er bereits im Feuilleton nur ungern liest, findet er noch einmal schlechter nachgemacht auf einer Vielzahl von Blogs. Harter Tobak!

Natürlich stand auch die Digitalisierung im Zentrum des Gesprächs, von beiden Diskussionsteilnehmern wurde diese nicht unbedingt als Bedrohung eingestuft, sondern ganz im Gegenteil: beide sehen durch die sozialen Medien ganz neue Wege und Formen der Literaturkritik, die für ihr Verständnis jedoch noch viel zu selten genutzt werden. Harun Maye fehlt unter Buchbloggern das Innovative: wo sind die aufregenden und neuen Formen der Literaturkritik? Als Buchblogger hat man ein breites Spektrum an Möglichkeiten, da man eigentlich alles schreiben darf, was man möchte und in einen direkten und unverfälschten Dialog mit dem Leser treten kann (ohne ein dazwischen geschaltetes Zeitungsorgan). Laut Maye profilieren sich aber noch viel zu wenig Buchblogger in der Rolle des Dilettanten, sondern versuchen stattdessen etwas nachzuahmen, das es bereits gibt. Debattiert wurde auch über die ökonomische Dimension, die zum Beispiel Lovelybooks in den Augen von Harun Maye zu einer Literaturvermarktungsplattform macht und nicht zu einer Plattform der Literaturkritik.

Ich bin mit vielen neuen Ideen und Impulsen aus dieser Diskussion hervorgegangen, mit neuen Anstößen und mit vielen Fragen, die nun in meinem Kopf herumwirbeln. Eine wirkliche Antwort darauf, wie es mit der Literaturkritik, ob nun digital oder gedruckt, weitergeht, wurde nicht gefunden, doch hängen geblieben sind bei mir die abschließenden Worte von Stefan Mesch, der sagte, dass er einfach versuchen möchte “fleißig und hungrig” zu bleiben.

 

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