John Green wurde 1977 geboren und hatte bereits mit seinem Debütroman “Eine wie Alaska” großen Erfolg bei jugendlichen Lesern. Er war bereits zweimal für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und wurde mit der Corine ausgezeichnet. Auf dem Buchrücken wird John Green bereits jetzt verglichen mit Autoren wie Philip Roth und John Updike. Als junger Autor ist John Green in der virtuellen Welt sehr aktiv und präsent: er hat eine eigene Homepage, einen Twitteraccount, schreibt bei Tumblr und hat einen Videochannel bei YouTube, wo er zusammen mit seinem Bruder selbst gedrehte Videos hochlädt.
“Im Winter meines sechzehnten Lebensjahrs kam meine Mutter zu dem Schluss, dass ich Depressionen hatte, wahrscheinlich, weil ich kaum das Haus verließ, viel Zeit im Bett verbrachte, immer wieder dasselbe Buch las, wenig aß und einen großen Teil meiner reichlichen Zeit damit verbrachte, über den Tod nachzudenken.
Das ist der erste Satz von “Das Schicksal ist ein mieser Verräter”. Erzählt wird der Roman aus der Perspektive der sechzehnjährigen Hazel, die Krebs hat. Seit drei Jahren geht sie nicht mehr zur Schule und ihre beiden besten Freunde sind ihre Eltern. Am liebsten schaut Hazel auf dem Sofa “America’s Next Top Model”-Marathons, wenn sie nicht gerade ihr Lieblingsbuch “Ein herrschaftliches Leiden” des Autors Peter van Houten liest, der ihr drittbester Freund ist. Damit Hazel nicht nur Zeit zu Hause mit ihren Eltern verbringt, schickt ihre Mutter sie jeden Sonntag zu einer Selbsthilfegruppe.
“Ich bin Hazel, sagte ich, wenn ich an die Reihe kam. Sechzehn. Ursprünglich Schilddrüse, aber mit umfänglichen und hartnäckigen Metastasen in der Lunge. Und es geht mir ganz gut heute.”
Hazel empfindet die Selbsthilfegruppe einfach nur als “ätzend” und nachdem sie ein paar Wochen lang hingegangen ist, möchte sie die nächste Sitzung am liebsten schwänzen. Eigentlich geht sie dort sowieso nur hin, um ihre Eltern glücklich zu machen, “denn es gibt nur eins auf der Welt, das ätzender ist, als mit sechzehn an Krebs zu sterben, und das ist, ein Kind zu haben, das an Krebs stirbt.” Als Hazel sich an diesem Sonntag doch noch entscheidet hinzugehen, verändert diese Entscheidung ihr ganzes Leben. Die Selbsthilfegruppe hat ein neues Mitglied: Augustus Waters. Und Hazel, die sich zuvor noch nie für Jungs interessiert hat und verständlicherweise auch nie viel Zeit in ihr eigenes Styling gesteckt hat, spürt zum ersten Mal so etwas wie Zuneigung zu einem männlichen Wesen.
“Ich mochte Augustus Waters. Ich mochte ihn richtig richtig gerne. Ich mochte die Art, wie er seine Geschichte immer bei jemand anderem enden ließ. Ich mochte seine Stimme. Ich mochte, dass er existenziell belastete Freiwürfe warf. Ich mochte, dass er eine Professur im Fachbereich Leicht-schiefes-Lächeln innehatte, bei gleichzeitiger Lehrtätigkeit im Fach Stimme- bei-der-sich-meine-Haut-mehr-wie-Haut-anfühlt. Und ich mochte, dass er zwei Namen hatte. Ich fand es immer gut, wenn Leute zwei Namen hatten, denn dann konnte man selbst entscheiden, wie man sie nannte: Gus oder Augustus? Ich, ich war immer nur Hazel, einwertig Hazel.”
John Green schildert sehr zart und gleichzeitig mit unendlich viel Humor, die vorsichtige Annäherung zwischen Hazel und Augustus. Augustus ist siebzehn, er hatte ein Osteosarkom und trägt eine Prothese, da sein Bein amputiert werden musste. Beide, Hazel und Augustus, sind gehandicappt, verwundet, nicht mehr heil und dennoch gelingt es ihnen, eine tiefe und berührende Beziehung miteinander aufzubauen.
Hazels größte Sorge dabei ist, welchen Schaden sie aufgrund ihrer Erkrankung und ihrem nahenden Tod Augustus zufügen könnte. Sie bezeichnet sich selbst als Zeitbombe und möchte Opfer durch Kollateralschäden eigentlich versuchen zu minimieren.
“Ich bin eine Bombe. […] Und deshalb halte ich mich lieber fern von allen, lese Bücher, denke nach und hänge mit euch rum, weil ich nichts dagegen machen kann, dass ich euch mit ins Unglück reiße.”
Hazel und Gus müssen feststellen, dass man sich jedoch nicht immer gegen die Liebe wehren kann. Eine große Rolle bei ihrer Beziehung spielt das Buch von Peter van Houten, das mitten im Satz endet. Und ein Herzenswunsch.
John Green ist mit “Das Schicksal ist ein mieser Verräter” ein großartiger Roman gelungen. Von der ersten Seite an wird die Geschichte in diesem ganz bestimmten Hazel-Ton erzählt, in deren Stimme man sich einfach verlieben muss. Hazel ist lustig, unterhaltsam, humorvoll, aber gleichzeitig auch sehr ernsthaft und erwachsen. Hazels Charakter spiegelt meine Erfahrung beim Lesen wieder: ich habe immer wieder zwischen Weinen und Lachen geschwankt und manchmal habe ich beides gleichzeitig getan, gelacht und geweint.
“Das Schicksal ist ein mieser Verräter” ist ein Jugendbuch und doch glaube ich, dass es von Menschen jeden Alters gelesen werden kann. Der Ton der Protagonisten ist sicherlich ungewöhnlich und kaum zu vergleichen mit Gesprächen und Diskussionen von normalen Jugendlichen diesen Alters. Doch Hazel und Gus sind auch nicht normal, sie haben ein außergewöhnliches Schicksal, das sie zu außergewöhnlichen und reiferen Menschen gemacht hat. Die Themen die John Green gewählt hat sind schwierig: der Krebs, die Liebe und der Tod. Gerade das Thema Tod ist zwischen den Zeilen an vielen Stellen sehr präsent: Gus plagt die Angst des Vergessens. Die Angst davor, dem Tod in die Augen sehen zu müssen, ohne die Chance auf ein Leben gehabt zu haben. Trotz der ernsthaften Themen bleibt das Buch witzig, leicht und stellenweise schon fast frech: vor allem die Schilderungen der Selbsthilfegruppe haben parodistische Züge. Es ist erfrischend, wie es John Green gelingt, dass auch schwere Themen zwischendurch mit einer gewissen Leichtigkeit betrachtet werden können.
Am Ende des Romans bedankt sich John Green bei Esther Earl, einem sechzehnjährigen Mädchen, das an Schilddrüsenkrebs starb. Esther Earl hatte einen Videochannel bei YouTube und auf This Stars won’t go out for you kann man Esthers Geschichte nachlesen. John Green hatte Esther während seiner Tätigkeit als studentischer Kaplan in einem Kinderkrankenhaus in Chicago kennengelernt. Auch wenn John Green in “Das Schicksal ist ein mieser Verräter” ein Stück weit Esthers Geschichte erzählt, ist es ihm wichtig zu betonen, dass man Hazel und Esther nicht miteinander vermischen sollte, in einer Vorbemerkung betont er nachdrücklich, dass es sich um ein fiktives und frei erfundenes Werk handelt.
An einer Stelle spricht Hazel über ihr Lieblingsbuch “Ein herrschaftliches Leiden” und gebraucht in diesem Zusammenhang das Wort “Missionstrieb”. Diesen Trieb fühle ich nach meiner Lektüre ebenfalls: ich möchte jedem Menschen von diesem großartigen Buch berichten.
“Manchmal liest man ein Buch, und es erfüllt einen mit diesem seltsamen Missionstrieb, und du bist überzeugt, dass die kaputte Welt nur geheilt werden kann, wenn alle Menschen dieser Erde dieses eine Buch gelesen haben.”
Ich weiß nicht, ob ich den Vergleichen mit Philip Roth und John Updike zustimmen kann. Zustimmen kann ich aber den Worten von Hazel, auch ich glaube, dass das Buch von John Green Menschen zu besseren Menschen machen kann. Ich glaube, dass das Buch etwas bewegen kann. Ich würde es mir zumindest wünschen.
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