Nathalie küsst – David Foenkinos

Der im C.H. Beck Verlag veröffentliche Roman “Nathalie küsst” ist bereits der achte Roman von David Foenkinos, der nicht nur als Schriftsteller arbeitet, sondern auch Drehbuchautor ist. “Nathalie küsst” ist von David Foenkinos Bruder verfilmt worden und vor einigen Tagen auch in den deutschen Kinos angelaufen. Schon das Cover des Romans ließ mich sofort an “Die fabelhafte Welt der Amélie” denken und ein Blick auf die Rückseite bestätigte mir dann auch, dass die Schauspielerin, die Nathalie spielt, Audrey Tautou ist, die auch schon Amélie verkörpert hat. Diese irgendwie besondere Amélie-Atmosphäre habe ich auch zwischen den Zeilen dieses Romans wiedergefunden. “Nathalie küsst” ist der erste Roman, den ich über die Plattform Blogg dein Buch erhalten habe.

David Foenkinos erzählt die Geschichte von Nathalie, die als leitende Angestellte in einer schwedischen Firma arbeitet. Kurz vor dem Ende ihres Studiums lernt sie François kennen, der sie einfach auf der Straße angesprochen hatte. Es ist Liebe auf den ersten Blick: die Liebe zwischen François und Nathalie scheint perfekt, unzerstörbar. Beide streiten kaum und wenn nur, um hinterher die gemeinsame Versöhnung genießen zu können. Ihre Leben sind perfekt aufeinander abgestimmt, als hätte es für beide niemals ein Leben ohne den anderen gegeben. Bis zu einem tragischen Moment, der das Leben von Nathalie und François für immer verändern wird. Während es sich Nathalie an einem Sonntag mit ihrem russischen Wälzer auf der Couch bequem gemacht hat, bricht François zu einer Laufrunde auf. Er wird davon nie zurückkehren – eine Blumenhändlerin überfährt ihn beim Überqueren der Straße.

Das unzerstörbare, scheinbar ewig anhaltende Glück der beiden ist von einem Moment auf den anderen nicht mehr existent.

„Alle und alles um sie herum war zusammengebrochen.“

Als Nathalie die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhält, ist sie noch geistesgegenwärtig genug, ein Lesezeichen in ihren Roman zu legen. Dieses Lesezeichen wird sie für immer daran erinnern, dass ihr Leben nun in zwei Hälften geteilt ist: in die Zeit vor dem Tod von François und danach. Die Trauer Nathalies ist überwältigend, ohne Boden, wie ein tiefes schwarzes Loch.

„Ihr wurde klar, dass es nichts gab, was sie seinen Tod vergessen machen würde.“

Das einzige, was Nathalie hilft, ist ihre Arbeit. Ihr Vorgesetzter Charles räumt ihr so viel Zeit ein, wie sie benötigt, um nach diesem tragischen Verlust wieder in ihr Arbeitsleben zurückzukehren. Wobei Nathalie schnell realisiert, dass diese Freundlichkeit hauptsächlich auf egoistischen Motiven beruht – Charles hatte schon immer ein über das Normale hinausgehende Interesse an seiner Angestellten. Nathalie versenkt sich in ihre Arbeit, vertieft sich in ihre Akten. Bei der Bearbeitung der Akte 114 passiert es: Nathalie küsst. Nathalie küsst ihren schwedischen Mitarbeiter Markus, der darüber nicht nur überrascht, sondern schon fast schockiert ist. Damit, dass seine hübsche Vorgesetzte Interesse an einem unscheinbaren, durchschnittlichen Schweden haben könnte, hatte Markus nicht gerechnet. Aus diesem zufälligen Ereignis entwickelt sich für beide eine rasante Achterbahnfahrt der Gefühle. Doch nicht nur für Markus und Nathalie, auch für ihren Chef Charles, der  sich eigentlich mehr ausgerechnet hatte.

David Foenkinos zeigt in „Nathalie küsst“, dass es auch nach einem traumatischen und einschneidenden Verlust möglich sein kann, wieder Gefühle für jemanden Neuen entwickeln zu können, sich auf jemanden anderen einzulassen. Und doch macht dies das, was geschehen ist nicht ungeschehen und es bleibt immer eine spürbare Lücke. Auch Nathalie spürt dies:

„An seinem Tod hatte sie dies vielleicht am schwersten verkraftet: Dass es ihre Gespräche von heute auf morgen plötzlich nicht mehr gab. Diese Momente, in denen der eine zum Leben des anderen Stellung nimmt, in denen man sich gegenseitig bespricht. Sie stand allein am Rande des Abgrunds und merkte, wie ihre Kräfte schwanden.“

David Foenkinos ist mit „Nathalie küsst“ ein Stück Leichtigkeit gelungen, fast schwerelos schwebt man durch den Roman. Trotz des traurigen Themas, strahlt der Roman eine ganz besondere, eine leichte Atmosphäre aus. Und doch hatte ich auch meine Schwierigkeiten mit dem Text, vor allem die immer wieder eingeschobenen Zusatzinformationen (eine Liste der Lieblingsbücher von Nathalie oder ein Spargelrezept). David Foenkinos spielt mit unterschiedlichen Textsorten und damit sicherlich auch mit den Erwartungen des Lesers. „Nathalie küsst“ trägt das Gewand einer leichten Erzählung, verbirgt zwischen den Zeilen jedoch viele kluge Gedanken und ist viel mehr als eine klebrig-süße Liebesromanze. Ein schönes, ruhiges und unaufgeregtes Buch, das mir gut gefallen hat. Für Freunde der französischen Literatur eine klare Kaufempfehlung!

11 Comments

  • Reply
    Tanja
    April 23, 2012 at 3:25 pm

    Obwohl ich wirklich sehr selten Liebesromane lese, hat mir” Nathalie küsst” wirklich gut gefallen. Blicke, hauchzarte Berührungen oder ein Kuss werden von Foenkinos so unaufdringlich zärtlich und schön beschrieben, dass mir während des Lesens immerzu ein Lächeln über die Lippen huschte. 😉

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 25, 2012 at 7:13 am

      Ich lese sonst eigentlich auch kaum mal einen Liebesroman, aber so habe ich “Nathalie küsst” auch gar nicht wahrgenommen. David Foenkinos hat quasi den etwas anderen Liebesroman geschrieben. Auch ich habe beim Lesen immer wieder gelächelt … 🙂

  • Reply
    Brigitte
    April 23, 2012 at 5:30 pm

    Mir kam zu diesem Buch immer nur ein Begriff in den Sinn: “zart”.
    Und es ist einer der Romane, die ein zweites Lesen sehr gut vertragen, das weiß ich aus eigener Erfahrung.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 25, 2012 at 7:15 am

      “Zart” ist er in der Tat, liebe Brigitte und ich werde ihn – wenn ich denn die Zeit zwischen all den anderen Büchern die hier warten – finde, sicherlich auch noch ein zweites Mal lesen. Entschuldige bitte meine verhältnismäßig lange Antwortzeit, seitdem ich wieder zur Uni gehe, leide ich unter einem eklatanten Zeitdefizit … ich hoffe, dass spielt sich in den kommenden Wochen noch ein bisschen besser ein.

  • Reply
    Klappentexterin
    April 24, 2012 at 5:29 pm

    Der Kaufempfehlung kann ich mich nur anschließen, liebe Mara! Ich mochte das Buch sehr, sehr, sehr!

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 25, 2012 at 7:17 am

      Ich weiß, liebe Klappentexterin, ich habe mich – als ich gesehen habe, dass das Buch bei “Blogg dein Buch” beworben wurde – sofort an deine Rezension zu dem Buch vor einigen Monaten erinnert. Ich wusste sofort, dass ich “Nathalie küsst” auch haben musst! Ich finde nur, dass deine Ausgabe das schönere Cover besitzt … 😉

  • Reply
    caterina
    April 24, 2012 at 9:34 pm

    Das, was du über diesen Roman schreibst, erinnert tatsächlich sehr an Amélie, unabhängig von der Tatsache, dass er mit Audrey Tautou verfilmt wurde. Gerade die eingefügten Zusatzinformationen, die scheinbar losgelöst sind von der eigentlichen Handlung, gibt es ja auch im Film (Dinge, die Amélie mag: Steinchen übers Wasser werfen, Crème brûlée, usw.). Auch wenn ich keine Leserin von Liebesromanen bin, könnte mir dieser hier ganz gut gefallen, denn Amélies fabelhafte Welt liebte ich.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 25, 2012 at 7:21 am

      Liebe Caterina,
      wie ich schon in meiner Antwort an Tanja schrieb: “Nathalie küsst” ist ein etwas anderer Liebesroman. Da ich ansonsten auch keine Liebesromane lese, war ich zu Beginn der Lektüre skeptisch, aber David Foenkinos zieht einen mit seiner (immer wieder humoristischen) Leichtigkeit sehr schnell in seinen Bann.
      Ich habe mich noch über deine zusätzlichen Anmerkungen zum Film gefreut. Bei mir ist es leider schon viele Jahre her, dass ich “Amélie” geschaut habe und viele Erinnerungen habe ich aufgrund dessen nicht mehr.
      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    Souvenirs – David Foenkinos « buzzaldrins Bücher
    December 21, 2012 at 2:39 pm

    […] Heimatland Frankreich veröffentlicht wird. Ich habe in diesem Jahr von David Foenkinos bereits “Nathalie küsst” gelesen, der von ihm und seinem Bruder Stéphane Foenkinos verfilmt […]

  • Reply
    lesenslust
    April 13, 2013 at 9:32 pm

    Dieser Roman hatte wirklich etwas Besonderes an sich – was es war, kann ich bis heute nicht sagen. Doch die vielen Lobeshymnen auf das Buch habe ich letztendlich nicht verstanden, weil es meines Erachtens viel gefühlvollere und gesamtheitlich rundere Werke gibt. Doch auch wenn mich das Buch nicht ganz so vom Hocker gehauen hat wie andere Leser, würde ich es immer jemandem empfehlen. Ich denke, wie man das Buch findet, liegt oft auch an der Stimmung und dem Typ jedes Einzelnen. Deine Rezension hat mir jedoch ganz und gar gefallen – fast schon besser als das Buch selbst. =)

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 15, 2013 at 10:48 am

      Ach, ich freue mich sehr über dieses schöne Kompliment. Ich glaube, dass bei vielen Büchern die Lektüre auch häufig von der momentanen Stimmung abhängt, bei mir und “Nathalie küsst” hat es einfach gepasst. Gestehen muss ich aber auch, dass “Souvenirs”, das neueste Buch des Autors, mir deutlich besser gefallen hat. Kennst du das auch schon? Ansonsten kann ich es dir sehr empfehlen – ich habe es auch auf meinem Blog besprochen. 🙂

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