Richard Yates ist ein faszinierender Schriftsteller, den ich bereits vor einiger Zeit in einer kleinen Hommage auf meinem Blog vorgestellt habe. Ich habe mich sehr gefreut, dass es – nun endlich auch auf Deutsch – eine Möglichkeit gibt, Richard Yates näher kennenzulernen. Auf 200 Seiten und in zwölf Kapiteln lädt Rainer Moritz, der selbst Schriftsteller ist und das Literaturhaus in Hamburg leitet, dazu ein, sich mit Richard Yates, seinen Büchern und seinem Leben zu beschäftigen.
Rainer Moritz beginnt seine Einführung mit Richard Yates Tod, den dieser einsam und kaum noch beachtetet, in Alabama stirbt.
“Tuscaloosa, US-Bundesstaat Alabama. Keine Stadt, in der man auf Dauer leben möchte. Keine Stadt, in der man sterben möchte.”
Zu Lebzeiten war Yates zwar bei seinen Schriftstellerkollegen beliebt, doch ansonsten gelang ihm mit seinen Veröffentlichungen kaum ein nennenswerter Erfolg. Eine Tatsache, unter der er sein ganzes Leben lang gelitten hat. Dieses Phänomen des beinahe schon vergessenen Schriftstellers, dessen Bücher beinahe spurlos aus den Regalen verschwinden, spielt besonders zu Beginn der Einführung eine wichtige Rolle. Rainer Moritz beschreibt, wie es dazu kommen konnte, dass sich über Yates Werk “ein dicht gewebter Mantel des Vergessens legte” und wie es gelungen ist, ihn und sein Werk dem Vergessen wieder zu entreißen. Einen großen Anteil daran hatte der Schriftsteller Stewart O’Nan, der den vielbeachteten Essay “The Lost World of Richard Yates” schrieb:
“Wie kann ein Autor, der bei seinen Kollegen derart anerkannt und sogar geliebt war, ein Autor der fähig ist, seine Leser so tief zu bewegen, praktisch vergriffen sein, und das in so kurzer Zeit? Wie ist es möglich, dass ein Autor, dessen Arbeiten die Verlorenheit des Zeitalters der Angst veranschaulichen, genauso treffend wie die Arbeiten von Fitzgerald es mit dem Jazz-Zeitalter getan haben, ein Autor, der Ikonen der amerikanischen Literatur wie Raymond Carver und Andre Dubus beeinflusst hat, ein Autor, der in seiner Prosa und der Wahl seiner Charaktere so gerade und direkt ist – wie kann es sein, dass ein solcher Autor jetzt nur noch über Sonderbestellungen oder am staubigsten hinteren Ende im Erdgeschoß der Antiquariate, wo die Belletristik-Abteilung sich versteckt, gefunden werden kann? Und wie kommt es, dass das niemand weiß? Wie kommt es, dass niemand etwas dagegen tut?”
Stewart O’Nans flammender Appell stellt so etwas wie den Startschuss der Wiederentdeckung von Richard Yates und seinen Werken dar.
Rainer Moritz setzt in seiner Einführung unterschiedliche Schwerpunkte: zum einen setzt er das Leben von Yates sehr stark mit dessen Werken in Bezug, zieht Verbindungen, weist Ähnlichkeiten und Parallelitäten auf. Diese Abschnitte habe ich als sehr spannend empfunden, da es Rainer Moritz gelingt, deutlich zu machen, wie erstaunlich hoch der autobiographische Anteil in den Texten von Richard Yates ist – eine Tatsache, die mir vorher nicht bewusst gewesen ist. Zum anderen stellt Rainer Moritz Richard Yates in all seiner tragischen Existenz dar:
“Er tat sich schwer, selbst kurze Distanzen zu Fuß zurückzulegen; für Notfälle stand ein Rollstuhl für den weißhaarigen und weißbärtigen Mittsechziger bereit. Er trank wie eh und je, rauchte, vier Packungen Zigaretten am Tag, litt unter furchterregenden Hustenanfällen und Atembeschwerden, sodass er gezwungen war, sich regelmäßig Sauerstoff zuzuführen, und er wohnte in bescheidensten Verhältnissen.”
Er berichtet über die Lehrtätigkeit von Richard Yates, der an der Universität nie wirklich glücklich wurde, immer eine “kuriose” Randfigur blieb und am liebsten mit seinen Studenten Werke von Gustave Flaubert, F. Scott Fitzgerald oder auch Ford Madox Ford besprach.
Durch die Einführung von Rainer Moritz wird deutlich, dass das Leben von Richard Yates ein stetiger Wechsel aus Hoffnungen, Enttäuschungen und dem verzweifelten Versuch wieder Fuß zu fassen, waren. Nach jeder Enttäuschung – seine Abstecher in die Politik und nach Hollywood stechen dabei heraus – hat sich die Situation immer weiter verschlimmert und dennoch hat Richard Yates, alleine in seinem chaotischen, verdreckten, kleinen Zimmer, nie aufgehört zu arbeiten. Sein Leben war das Schreiben – Schreiben war sein Leben. Richard Yates ist sicherlich kein einfacher Mensch gewesen und doch wünschte ich mir, dass ich ihn hätte kennenlernen dürfen.
Rainer Moritz bietet in seinem Buch eine interessante und vielschichtige Einführung in das Leben und Werk von Richard Yates, über den man viel erfährt. Beim Lesen ist mir immer wieder das Herz schwer geworden, da Richard Yates ein stellenweise wirklich miserables, erbarmungswürdiges Leben geführt hat. Toll fand ich auch die kleinen “Querverweise”; ich wusste nicht, dass Yates zum Beispiel auch in den Romanen von Nick Hornby und Benedict Wells erwähnt wird. Trotz vieler Fakten, schreibt Rainer Moritz sehr flüssig, sehr lesbar, beinahe schon als würde man einen Richard Yates Roman lesen – so wie Yates beschrieben wird, wirkt er fast wie eine Figur aus seinen eigenen Büchern. Ich habe auch immer wieder die eigene Begeisterung für Richard Yates bei Rainer Moritz herausgelesen.
“Der fatale Glaube an das Glück” ist ein informativer Einstieg in das Leben und Werk von Richard Yates und ich kann nur jedem empfehlen, es zu lesen. Lest “Der fatale Glaube an das Glück” und lest Yates – unbedingt und sofort.
7 Comments
Brigitte
September 16, 2012 at 12:30 pmVielen herzlichen Dank für diese schöne Rezi, das Buch werde ich mir wohl zulegen müssen.
Da habe ich immer und immer wieder auf das Cover geschaut und überhaupt nicht realisiert, dass der Autor derjenige ist, der auch “Die Überlebensbibliothek” zusammengestellt hat. Man wird eben älter.
Übrigens: In der “Überlebensbibliothek” würdest Du noch so manche Leseperle entdecken können.
buzzaldrinsblog
September 17, 2012 at 5:42 pmLiebe Brigitte,
ich hoffe sehr, dass dir das Buch genau gefallen wird, wie mir. Ich finde, Richard Yates ist ein ganz besonderer, außergewöhnlicher Schriftsteller und ich freue mich darüber, dass er nun endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient.
Ich habe bereits gestern “Die Überlebensbibliothek” gegoogelt, weil sie mir kein Begriff war. Ich finde die Idee sehr schön und glaube, dass das ein Buch ist, dass ich unbedingt haben muss … ich freue mich immer darüber, neue Leseperlen entdecken zu dürfen!
Karin Braun
September 18, 2012 at 7:53 amRobert Yates ist ganz sicher einer der wichtigsten Autoren der Gegenwart. Danke für die Rezension. Meine Wunschliste wächst und wächst. Alles Liebe Karin
buzzaldrinsblog
September 18, 2012 at 1:32 pmRobert? 😉 Da scheint ein freudscher Verschreiber vorzuliegen. Ansonsten kann ich dir nur zustimmen – obwohl er bereits seit zwanzig Jahren tot ist, hat Yates nichts von seiner Aktualität und Wichtigkeit verloren. Ich wünsch ihm viele Leser …
Karin Braun
September 18, 2012 at 6:14 pmRobert +vordemkopfschlag* es gibt wirklich Tage da bin ich noch dämlicher als sonst. Alles Liebe Karin
buzzaldrinsblog
September 20, 2012 at 4:24 pmAch Karin, solche Tage hat doch jeder Mal – was meinst du, was ich schon alles an wirklich unangenehmen und peinlichen Verschreibern hatte, da es dein Robert dagegen noch harmlos. 😉
Eine strahlende Zukunft - Richard Yates |
July 16, 2014 at 2:12 pm[…] Zukunft” ist die letzte Veröffentlichung von Richard Yates gewesen, dem die große Anerkennung zu seinen Lebzeiten verweigert wurde. Auch in diesem Roman widmet er sich erneut seinen zentralen […]