Margaret Mazzantini wurde 1961 als Tochter eines italienischen Vaters und einer irischen Mutter in Dublin geboren. Sie begann ihre Karriere als Theaterschauspielerin. Bekannt wurde sie durch ihre Romane „Das schönste Wort der Welt“, „Die Zinkwanne“ und „Geh nicht fort“, von denen zwei mit der Schauspielerin Penélope Cruz verfilmt wurden.
Das Thema das im Mittelpunkt des Romans “Das Meer am Morgen” steht ist in der Literatur bis jetzt noch ein eher ungewöhnliches Thema. Margaret Mazzantini beschäftigt sich mit dem Bürgerkrieg, der im vergangenen Jahr in Libyen ausgebrochen ist und zu einer Spaltung der politischen Führung und zahlreichen Toten führte.
“Farid schaut auf Meer und denkt ans Paradies.”
Margaret Mazzantini erzählt in “Das Meer am Morgen” von zwei unterschiedlichen Schicksalen, die doch miteinander verknüpft sind. Sie erzählt von der Mutter Jamila, die gemeinsam mit ihrem Sohn Farid im Sommer 2011 im letzten Moment vor den Truppen Gaddafis flüchten konnte. Doch auf einem überfüllten Flüchtlingsboot nimmt die gemeinsame Flucht von Mutter und Sohn eine schreckliche Wendung. Erzählt wird auch die Geschichte des achtzehnjährigen Vito, der am Strand von Sizilien spazieren geht und eine Kette findet. Ihm gehen Gedanken an seine Mutter Angelina durch den Kopf, die aus Libyen flüchten musste, als Gaddafi an die Macht kam.
“Hin und zurück auf diesem Stück Meer, das war die Geschichte seiner Familie.”
Angelina erlebt die momentane Revolution in Libyen aus einer ganz anderen Perspektive. Der Tod Gaddafis ist für sie nicht nur eine Befreiung, sondern auch die Möglichkeit endlich mit der Vergangenheit abschließen zu können. Vito hat keine Erinnerungen mehr an die Zeit in Libyen, seine Mutter hat ihm mit ihrer Flucht ein sicherlich leichteres Aufwachsen in Italien ermöglicht. Trotz den Möglichkeiten, die sie in Italien haben, ist es nicht leicht glücklich zu sein und etwas aus dem eigenen Glück zu machen. Vor allem für Vito.
“Er hatte mal eine Familie gehabt. Nun hatte er nur noch Ungewissheiten und das Geld, das sein Vater ihm gelegentlich zukommen ließ, für den iPod, für Kleidung. Er stellte sich vor, dass er die bis auf den Boden reichende Scheibe zertrümmerte und sich hinausstürzte. Aber garantiert war sie aus bruchsicherem Glas.”
Verknüpft werden beide Erzählstränge durch die Kette, die Vito am Strand findet: Farid hat sie während seiner Flucht im Meer verloren.
Mit “Das Meer am Morgen” hat Margaret Mazzantini einen schmalen, gerade einmal 130 Seiten umfassenden, Roman vorgelegt. Ihr Stil ist komprimiert und doch gleichzeitig üppig, farbenprächtig. Ihre Erzählung lebt von knappen, aber sehr eindringlichen Bildern.
“Ihm weht schwarzer Dieselqualm ins Gesicht. Seine Mutter hält ihn fest im Arm. Er sucht diese Berührung, diesen Geruch. Doch Jamila riecht durch und durch nach Diesel. Das ist der Geruch der Reise, der Hoffnung.”
Eines der wichtigsten Motive des Romans ist – wie bereits im Titel angedeutet – das Meer, das immer wieder aufgegriffen und in unterschiedlichen Formen und Bildern beschrieben wird.
“Nur Wind und Wellen, die wie wütende Bestien an den Felsen hochspringen, sie haben eine Pranke und schäumen, dann ziehen sie sich zurück. Vito mag das Meer bei Sturm. […] Die Badehose voller Sand, die Augen wund, rot, die Haare wie Algen. Das waren seine schönsten Erinnerungen. Zu einem gewichtslosen Fetzen zu werden. Vor Glück und Angst zu beben. Die Lippen blau, die Finger tot.”
Margaret Mazzantini widmet sich in ihrem neuen Roman “Das Meer am Morgen” einem politisch wichtigen und gleichzeitig hochaktuellem Thema. Stellenweise wirkt ihr Roman aber leider zu bemüht, beinahe schon verkrampft. Ich hätte mir gewünscht, mehr Seiten über das Schicksal von Mazzantinis Figuren lesen zu dürfen. “Das Meer am Morgen” wirft lediglich kurze Schlaglichter. Die Bilder des Romans sind an vielen Stellen sehr eindrücklich, sehr intensiv. Ich habe sie stellenweise aber fast schon als zu intensiv empfunden. Das Schicksal der Figuren, das Leben von Jamila, Vito, Farid und Angelina verschwindet hinter einem Schwall von Bildern und Metaphern, die dazu führen, dass das Thema des Romans an Schärfe verliert. Mazzantini schreibt sehr poetisch, beinahe schon lyrisch und generiert wunderschöne und gleichzeitig bedrückende Bilder. All diese Bilder und Metaphern und die ganze Poetik kippt sie über diesen schmalen Text aus, was für mein Empfinden für eine Verwässerung, für eine Verdünnung sorgt. Die Sprache steht im Vordergrund, das Schicksal der Figuren verschwindet leider etwas dahinter.
Ich habe “Das Meer am Morgen” mit einem schalen Gefühl zugeklappt, wirklich erreichen konnte es mich leider nicht. Doch von Margaret Mazzantini besitze ich bereits den im letzten Jahr erschienenen Roman “Das schönste Wort der Welt” und hoffe, dass mir dieser besser gefallen wird.
17 Comments
lesesilly
October 24, 2012 at 6:02 pmLiebe Mara,
mir erging es ähnlich. Die Sprache ist wirklich toll, aber die Geschichte konnte mich auch nicht ganz erreichen. “Das schönste Wort der Welt” dagegen hat mich begeistert. In diese Geschichte bin ich eingetaucht und wollte sie nicht mehr verlassen. Auch hier diese schöne beeindruckende Sprache und dazu noch eine tolle Geschichte. Eine absolute Empfehlung!
LG
lesesilly
buzzaldrinsblog
October 26, 2012 at 10:41 amLiebe Lesesilly,
ich bin erleichtert, dass ich mit meinem Gefühl scheinbar nicht alleine bin. Ich hatte zuvor mitbekommen, dass einige sehr begeistert von dem Buch waren, genauso wie von anderen Büchern der Autorin, so dass meine Erwartungen im Vorfeld recht hoch waren. Du machst mir aber Mut, was das Buch “Das schönste Wort der Welt” betrifft, das ich auf jeden Fall bald möglichst lesen möchte – ich werde berichten, wie es mir gefallen hat.
Viele Grüße
Mara
buechermaniac
October 25, 2012 at 7:56 amDas neue Buch von Mazzantini habe ich nicht gelesen, werde es auch nicht, denn Eindrücke, die ich durch diverse Rezensionen gewonnen habe, vermitteln mir, dass der Roman zu oberflächlich ist. “Das schönste Wort der Welt” geht unter die Haut, es war eindrücklich und beklemmend zugleich. Ich glaube, du wirst begeistert sein.
Liebe Grüsse
buechermaniac
buzzaldrinsblog
October 26, 2012 at 10:44 am‘Oberflächlich’ trifft es sehr gut, liebe Buechermaniac. Mazzantini benutzt das wichtige Thema des Bürgerkriegs in Libyen lediglich als Folie für ihre poetische Sprache. Das war mir einfach zu wenig. Ich hoffe, dass mir “Das schönste Wort der Welt” besser gefallen wird, bin aber nach deinem und Lesesillys Kommentar sehr positiv gestimmt! 🙂
Viele Grüße
Mara.
caterina
October 25, 2012 at 6:00 pmIch schließe mich buechermaniac an: Das neue Buch werde ich wohl nicht lesen, irgendwie reizt es mich nicht. Das schönste Wort der Welt steht hingegen schon seit langem auf meiner Wunschliste, die Klappentexterin hatte dazu eine hinreißende Rezension geschrieben. Falls du den Roman demnächst in die Hand nehmen solltest, bin ich sehr gespannt auf deine Meinung.
buzzaldrinsblog
October 26, 2012 at 10:47 amJa, die zauberhafte Rezension von der Klappentexterin hatte ich damals auch gelesen. Als ich dann das neue Buch von Margaret Mazzantini sah, musste ich es sofort haben, weil ich dachte: ‘Das ist doch die tolle Autorin, die die Klappentexterin so sehr empfohlen hat.’ Die Lektüre war dann doch eine herbe Enttäusch. 🙁
Die Stapel der abzuarbeitenden Bücher hier ist leider sehr groß und dazu kommt das etwas unbefriedigende Leseprojekt “Gordimer lesen” – in diesem Jahr wird es also mit der Lektüre wohl leider eher nicht mehr klappen.
Liebe Grüße
Mara
caterina
October 26, 2012 at 11:05 amOh, unbefriedigend? Wie kommt’s? Ich gestehe, dass ich mich noch nicht wirklich mit dem Gordimer-Projekt befasst und eure Gedanken dazu gelesen habe…
buzzaldrinsblog
October 27, 2012 at 5:04 pmDie Unzufriedenheit resultiert zum einen sicherlich aus dem Buch selbst. Es ist mein erstes von Nadine Gordimer und ich bin mittelschwer entsetzt. Es wirkt klischeebeladen, weltfremd – ihre Lieblingsthemen sind Homesexualität (homesexuelle Männer bezeichnet sie als Delphine) und Analsex. Dazu kommt auch das Format, in dem das Projekt stattfindet: die täglichen Portionen lesen, Notizen anfertigen und Idealfall bei den anderen mitdiskutieren zerrt ganz schön an den Nerven. Mittlerweile sind wir bereits auch nicht mehr komplett. 😉
Liebe Grüße
Mara
Klappentexterin
October 28, 2012 at 5:26 pmOje, liebe Mara, du hattest keine große Lesefreude mit Margaret Mazzantini, anders als es bei mir gewesen ist. Wirklich schade. Dennoch möchte ich dich an “Das schönste Wort der Welt” erinnern, ein wunderschönes und zutiefst eindrucksvolles Buch, das auch als Taschenbuch nichts von der Schönheit einbüßt. Ein Buch, das ich zu gerne verkaufe und hier nochmals empfehlen möchte.
Liebe Grüße,
Klappentexterin
buzzaldrinsblog
October 28, 2012 at 5:39 pmSo etwas passiert. Mariki hatte das Buch ja sehr überschwänglich besprochen und ich hatte auf ihrem Blog gesehen, dass es ihr Buch des Monats ist. Auch deine Besprechung von “Das schönste Wort der Welt” hatte ich noch im Kopf, als ich zu lesen begann. Vielleicht hatte ich dadurch auch zu hohe Erwartungen. “Das schönste Wort der Welt” befindet sich übrigens schon in der schönen Hardcoverausgabe in meinem Besitz und ich freue mich darauf, es möglichst bald zu lesen. 🙂
Dir einen schönen Abend und einen angenehmen Start in die Woche! 🙂
Mara
elephant
November 3, 2012 at 2:17 pmZum Inhalt des Romans kann ich leider nichts sagen, doch ich bin beim wilden Bloglesen auf das abgebildete Cover aufmerksam geworden. Es kommt mir vor als habe die Dumont-Grafikerin da bei Rowohlt geklaut: “Die Glücksparade” von A. M. Widmann hat ja fast das gleiche Cover, auch wenn ich meine dass das Buch deutlich besser ist, eines meiner Lieblingsbücher 2012. — Schöner Blog übrigens!
buzzaldrinsblog
November 3, 2012 at 8:06 pmDas stimmt in der Tat, die Ähnlichkeit zwischen beiden Covern ist mir auch sofort aufgefallen – wobei ich sagen muss, dass mir das Cover der Glücksparade besser gefällt. 😉 Ich habe es übrigens auch auf meinem Blog rezensiert und der Autor war sogar dazu bereit, meine fünf Fragen zu beantworten. Mir hat sein Roman auch ausgesprochen gut gefallen!
Und danke für dein Kompliment für meinen Blog, darüber freue ich mich sehr, genauso wie über deinen Besuch! 🙂
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December 31, 2012 at 11:40 am[…] Das Meer am Morgen, Margaret Mazzantini […]
Beatrix Petrikowski
June 13, 2014 at 1:12 pmDa sieht man, wie unterschiedlich die Geschmäcker sein können. In meiner Besprechung habe ich geschrieben, dass die Autorin den Leser mit viel Liebe zum Detail zu fesseln vermag. Vielleicht, so glaube ich, kommt es auch auf den Zeitpunkt an, zu dem wir einen Roman lesen. Einmal spielt sicher das eigene Alter eine Rolle, aber auch die momentane Stimmung scheint da Einfluss zu nehmen. Wie dem auch sei, ich war von dem Buch begeistert.
buzzaldrinsblog
June 13, 2014 at 4:31 pmLiebe Beatrix,
ein wenig ist das doch auch das schöne am literarischen Geschmack: Bücher werden von jedem anders empfunden und dabei spielen Stimmungen und andere Dinge sicherlich auch eine nicht wenig wichtige Rolle. Mich hat der Roman nicht begeistern können, ob das am Alter liegt, vermag ich nicht zu sagen – ich befürchte, er wäre mir auch in zwanzig Jahren inhaltlich dann doch zu oberflächlich. 😉
Liebe Grüße
Mara
Beatrix Petrikowski
June 14, 2014 at 7:14 am@ Mara: Ich habe beispielsweise kürzlich “Liebling, kommst du?” von Gaby Hauptmann gelesen und aktuell “Zwölf Leben” von Ayana Mathis. Zumindest das letzte Buch hätte ich sicher vor zwanzig Jahren als stinklangweilig empfunden, weil es mir nichts gesagt hätte und in einigen Szenen aus dem ersten Titel habe ich mich nur wiederfinden können, weil ich im Laufe der Jahre reicher an Lebenserfahrungen geworden bin.
Ganz herzliche Grüße sendet auf diesem Weg Beatrix
buzzaldrinsblog
June 17, 2014 at 2:30 pmLiebe Beatrix,
vielleicht hast du Recht, dass man Leseerfahrungen manchmal anders beurteilt – je nach Alter und Lebenserfahrung und je nach Stimmung und Lebensphase. Vielleicht sollte ich “Das Meer am Morgen” einfach noch einmal lesen, vielleicht in fünf oder zehn Jahren und schauen, wie es dann auf mich wirken wird. Das wäre sicherlich spannend! 🙂
Liebe Grüße
Mara