Mutterbild in amerikanischem Rahmen – Miklós Vajda

http://www.braumueller.at/shop/catalog/images/cover/9783992000463_hotlist.jpgMiklós Vajda wurde 1931 geboren und hat lange Zeit als Übersetzer aus dem Deutschen und Englischen ins Ungarische gearbeitet. Während einer politischen Säuberung, verlor Vajda seine Stelle als Lektor und arbeitete in der Folge freiberuflich als Übersetzer und Kritiker. Zwischen 1989 und 2005 war er als Herausgeber der Zeitschrift “The New Hungarian Quarterly” tätig. Sein Romandebüt “Mutterbild in amerikanischem Rahmen” veröffentlichte Vajda mit bereits 78 Jahren.

“Ich bin maßlos; mich interessiert auch ihr Dasein außerhalb von mir, das private, vor und nach mir, ohne mich, auch das versuche ich, aus den aufgeklaubten Mosaiksteinchen zusammenzufügen, aber, ich kann nichts dafür, egal, was sie in letzter Zeit macht, alles ist – genauer gesagt war – immer für mich, wegen mir, durch mich und mit mir verbunden.”

Was ist “Mutterbild in amerikanischem Rahmen” eigentlich? Womit haben wir es zu tun? Handelt es sich um ein Geschichtsbuch, einen Familienroman oder vielleicht doch eher um einen autobiographischen Roman, wenn nicht sogar um eine Autobiographie? Der Text verweigert sich einer eindeutigen Zuordnung, auch wenn der Eindruck nahe liegt, dass es sich um einen autobiographischen Roman handeln könnte. Ich habe den Text lange als Familienroman gelesen, als eine Mutter-Sohn-Geschichte, doch die Zweifel an der Fiktionalität der beschriebenen Ereignisse mehrten sich mit der Zeit. Genährt wurden diese dann vor allen Dingen zum Abschluss des Buches, denn Vajda fügt seinem Buch einen Anhang hinzu, der historische Dokumente enthält.

Im Mittelpunkt von “Mutterbild in amerikanischem Rahmen” steht die Beziehung zwischen Mutter und Sohn, deutlich wird dies schon daran, dass die Mutter im Titel auftaucht und dem Text ein Gedicht von Rainer Maria Rilke mit dem Titel “Der Sohn” vorangestellt ist. Der Erzähler des Romans erinnert sich an seine mittlerweile verstorbene Mutter. Die Erinnerungen folgen keiner Chronologie, es gibt immer wieder zeitliche Sprünge. Der Erzähler ruft sich Momente mit seiner Mutter ins Gedächtnis, beschreibt Begegnungen mit ihr, seziert das gemeinsame Verhältnisse.

Die beschriebenen Erinnerungen sind immer mal wieder humorvoll und mit Ironie gefärbt, doch es überwiegt eine melancholische Grundstimmung, die stellenweise mit Ärger auf die verstorbene Mutter durchsetzt ist. Die Mutter wird als kühle Frau beschrieben. Der Erzähler hat sie nie weinen gesehen, “selbst beim Tod” des Vaters und der Schwester weinte sie nicht.

“Gefühle kann sie nicht, konnte sie nicht oder wollte sie nicht direkt, in Worten, geschweige denn in Gefühlsausbrüchen ausdrücken.”

Der Erzähler beschreibt seine Mutter als wenig mütterlich, die meisten Aufgaben tritt sie an das Dienstmädchen ab. In einem gemeinsamen Gespräch fragt der Erzähler seine Mutter, ob sie ihn denn überhaupt selbst gestillt habe und kommt zu dem Fazit: “Wenn ich ehrlich bin, haben meine Eltern und ich uns kaum gesehen”. Erst mit vierzig Jahren wird dem Erzähler von seiner Mutter angeboten, sie zu duzen.

“Wir verstummen. Überhaupt unterhalten wir uns oft ziemlich schwer oder oberflächlich. Wir sind keine gesprächigen Menschen. Miteinander irgendwie nicht.”

Im Roman von Miklós Vajda spielen jedoch nicht nur die privaten Erinnerungen des Erzählers eine Rolle, sondern auch die Politik. Aufgewachsen ist der Erzähler in einer großbürgerlichen Familie, mit seinen Eltern lebte er lange in einer Villa. Erst nach und nach beginnt in den vierziger Jahres des zwanzigsten Jahrhunderts diese Fassade zu bröckeln und Risse zu bekommen. Die Mutter offenbart dem Sohn, dass der Vater eine jüdische Herkunft verbirgt – verzweifelt versuchen sie ihn, als er schwer erkrankt, zu retten. 1949 wird die Mutter des Erzählers wegen “Gerüchtemacherei” verhaftet. Als sie sieben Jahre später vorläufig entlassen wird, flieht sie nach Amerika und lässt ihren Sohn, der mittlerweile fünfundzwanzig Jahre ist, im zerstörten Ungarn zurück.

“Sie muss sich und mir jetzt und immer wieder beweisen, dass es eine richtige Entscheidung war, mich, ihren damals fünfundzwanzig Jahre alten Sohn, der endlich erwachsen zu sein schien, unter argen Gewissensbissen verlassen zu haben und ausgewandert zu sein. […] Ich muss beweisen, ebenfalls ihr und mir, dass es die richtige Entscheidung war, zu Hause geblieben zu sein. Ich dachte damals, nicht ohne ein gewisses Pathos, ich dürfe mein geschundenes Heimatland nicht verlassen, was würde denn aus ihm werden, wenn alle weggingen?”

Die Erinnerungen in dem Roman drehen sich um gegenseitige Besuche, der Erzähler reist zum ersten Mal mit vierunddreißig Jahren nach Amerika, um seine Mutter wiederzusehen. Später kehrt seine Mutter für einen Besuch in das gemeinsame Herkunftsland zurück. Die Begegnungen der beiden sind immer wieder spürbar verkrampft, die Entfernung, die zwischen ihnen liegt, scheint manchmal kaum zu überwinden.

“Ja, das ist sie, zweifellos, sie ist nicht nur die amerikanische Lady, sondern unter ihrer Verkleidung meine Mutter, die ihr Amerikanischsein behaltend, ja, sogar krampfhaft betonend, für zwei Wochen ihren mir bereits bekannten, billigen, aber stabilen amerikanischen Plastikrahmen verlassen hat, aber in den hier leer hinterlassenen, kostbaren, stark mitgenommenen historischen Rahmen nicht mehr tritt, nicht mehr treten kann und auch nicht will, denn er passt nicht mehr zu ihr.”

Die Mutter des Erzählers scheint aus dem Rahmen gefallen zu sein: ihre Heimat ist ein Land, in das sie kaum zurückkehren kann, in dem sie sich nicht länger aufhalten möchte. Zu groß die Angst, wieder ins Gefängnis gehen zu müssen. Doch auch ihre Wahlheimat bietet ihr einen nur äußerlich stabilen Rahmen, der im Laufe der Geschichte immer stärker seine Brüchigkeit offenbart.

“Mutterbild in amerikanischem Rahmen” ist ein faszinierender Roman, der mich begeistert und bewegt hat und dabei unheimlich viele Facetten besitzt. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, diese Facetten Schicht um Schicht freizulegen. Seite für Seite wurde die Geschichte vielfältiger: hinter der Mutter-Sohn-Geschichte verbirgt sich ein beeindruckendes Porträt der Geschichte Ungarns. Stück für Stück entfaltet sich ein wahnsinniges und erschreckendes Panorama, eine Zeit, die von Verbrechen und Unmenschlichkeiten geprägt wurde. Ergänzt werden diese historischen und politischen Beschreibungen durch den Anhang am Ende des Romans, durch den aus einem beeindruckenden Roman ein authentisches Zeitzeugnis wird. Es handelt sich um die Briefe der Schauspielerin Gizi Bajor, die 1950 mehrmals den ungarischen Ministerpräsidenten Mátyás Rákosi anschrieb und verzweifelt um eine vorzeitige Haftentlassung der Mutter des Erzählers bat. Die ungarische Schauspielerin taucht in Miklós Vajdas Roman nur als Nebenfigur auf, besitzt aber eine so ungewöhnliche Geschichte, das man schon fast einen eigenen Roman über sie, die schließlich von ihrem psychisch kranken Ehemann ermordet wurde, schreiben könnte.

Miklós Vajda hat diesen Roman erst sehr spät in seinem Leben geschrieben und veröffentlicht, geschadet hat dies seinem Text jedoch keinesfalls. “Mutterbild in amerikanischem Rahmen” ist eine großartig erzählte Mutter-Sohn-Geschichte, die von Timea Tankó sehr gelungen ins Deutsche übertragen wurde. Die Geschichte ist berührend, läuft aber nie Gefahr, sentimental zu werden. Vajda erzählt mit einem besonnenen und zurückhaltenden Ton, dem ich gerne zugehört habe.

Ein Buch, das ich nur weiterempfehlen kann, da es eine Lektüre enthält, die mit dem Zuklappen der letzten Seite nicht endet, sondern weiter in einem rührt und dazu einlädt, zu recherchieren, sich zu informieren und weiterzulesen.

20 Comments

  • Reply
    Herr Palomar
    December 3, 2012 at 5:05 pm

    buzzaldrin, ich finde, Du hast das Buch mit treffenden Worten beschrieben, denen ich mich nur vollkommen anschließen kann.
    Ein faszinierndes Buch.

    Der Autor war dieses Jahr auch auf der Frankfurter Buchmesse im Lesezelt und hat sein Buch vorgestellt. So wurde ich darauf aufmerksam.
    Viele Grüße
    Herr Palomar

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      December 4, 2012 at 2:22 pm

      Hallo Herr Palomar,
      für die Eulen hast du es aber noch nicht besprochen, oder? Ich schaue in unregelmäßigen Abständen immer nach deinen Besprechungen, konnte zu diesem Buch aber keine entdecken.

      Danke für deine netten Worte zu meiner Besprechung. Mich hat der Roman absolut begeistert, es ist ein in der Tat faszinierendes Buch. Ich stelle es mir sehr beeindruckend vor, den Autor live zu erleben, das muss ein tolles Erlebnis gewesen sein.

      Viele Grüße
      Mara

  • Reply
    Susanne Haun
    December 3, 2012 at 5:27 pm

    Ich habe es auf meine Wuschliste gesetzt.
    Ich bin Mutter eines Sohnes und sehr neugierig auf das Buch.
    Du zitiertest: “Sie muss sich und mir jetzt und immer wieder beweisen, dass es eine richtige Entscheidung war, ….”
    Es ist so schwer, Entscheidungen für ein Kind zu treffen! Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie schwer der Mutter es gefallen ist, Ungarn zu verlassen und ihr Kind zurückzulassen.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      December 4, 2012 at 2:27 pm

      Ich bin gespannt, wie es dir gefallen wird, falls du es lesen solltest, Susanne.
      Ich habe keine Kinder, kann mir aber in ungefähr ausmalen, wie schwer es sein muss, Entscheidungen zu treffen, die nicht nur dich, sondern auch dein Kind betreffen. Der Mutter ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen, aber nach ihrer Flucht haben sich Mutter und Sohn nur noch schwer annähern können. Zu viel lag zwischen ihnen, nicht nur die Entfernung.
      EIn wirklich sehr beeindruckendes Buch, das mich auch jetzt immer noch gedanklich umtreibt und beschäftigt.

      • Reply
        Susanne Haun
        December 5, 2012 at 5:53 am

        Guten Morgen, Mara,
        ich habe mir das Buch gerade im Bibliotheksverbund bestellt, es wird in meine Bibliothek geliefert und von dort aus kann ich es mir dann ausleihen.
        Alles online, ich habe es das erste Mal probiert und bin gespannt, ob es klappt.
        Einen schönen Mittwoch wünscht dir Susanne

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          December 6, 2012 at 8:23 pm

          Liebe Susanne,
          ich drücke dir ganz feste die Daumen, dass deine Bestellung online funktionieren wird. 🙂 Berichte doch bitte! Erstaunlich, was heutzutage online alles möglich ist – bald wird einem das Buch dann wahrscheinlich noch nach Hause geliefert!

          Viele Grüße
          Mara

  • Reply
    Bücherphilosophin
    December 4, 2012 at 10:28 pm

    Die Frage wie viel Autor im Buch steckt stelle ich mir oft, besonders wenn sich autobiografische Daten mit den Geschehnissen im Buch decken. Hier hat Miklós Vajda wohl eine Art persönliches Manifest geschaffen in dem er sowohl fabuliert als auch offenbart.
    Ob ich persönlich mit der nicht linearen Erzählstruktur klar kommen würde ist die Frage. Die Abschnitte, die Du in Deiner Rezension zitierst lesen sich jedenfalls sehr schön in ihrer Nachdenklichkeit.

    LG, Katarina 🙂

    • Reply
      Susanne Haun
      December 5, 2012 at 5:38 am

      Ich habe gelernt, dass jeder eine bestimmte Sicht der Dinge hat, seine eingene Wahrnehmung, und wenn zwei unterschiedliche Personen eine wahre Geschichte erzählen, so werden es zwei verschiedene Geschichte. Aber beide Personen glauben, die Wahrheit erzählt zu haben.
      So habe ich mir oft die Frage gestellt, wieviel in den Büchern der Autoren “Eingenerlebtes” ist. Auch wenn sie nicht unter Biografie laufen.
      Beim zeichnen ist es genauso. In jedem der Portraits, die ich zeichne ist ein kleines Stück Ansicht von mir enthalten.
      LG Susanne

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      December 6, 2012 at 8:26 pm

      Liebe Katarina,

      das hast du sehr schön zusammengefasst. 🙂 Mich hat der Roman sehr positiv überrascht, da im Klappentext nichts darauf hindeutet, dass es sich um einen autobiographischen Roman handeln könnte. Beim Lesen haben sich dann aber die Puzzleteilchen zusammengesetzt und ich habe immer häufiger gedacht: der Erzähler hat aber doch ganz schön viele Parallelitäten mit Miklós Vajda. So etwas finde ich immer sehr interessant und spannend. Die lineare Erzählstruktur ist mir nicht negativ aufgefallen, man findet sich schnell in seine Form der Chronologie ein. Ich kann dir den Roman wirklich nur von Herzen empfehlen! 🙂

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    Die Humboldt Bibliothek und Titelrahmen – Bericht – Fotos – Zeichnungen von Susanne Haun « Susanne Haun -> Drawing -> Zeichnung -> Dibujo -> 水彩画
    December 5, 2012 at 5:01 pm

    […] kommen lassen, um sie dort abzuholen. Das kostet nur 2 Euro. Heute Morgen habe ich das von Mara in ihrem Blog vorgestellte Buch  “Mutterbild in amerikanischem Rahmen” in der Amerika […]

  • Reply
    Susanne Haun
    December 17, 2012 at 7:48 am

    Liebe Mara,

    ich bin bei der Hälfte des Buches und habe eine völlig andere Wahrnehmung als du. Ich habe selten eine größere Odé, die soviel Liebe zwischen Mutter und Sohn zeigt, gelesen.

    Mein Sohn sagt auch immer, er hätte mich selten gesehen als er klein war und er wirft mir heute noch den Kindergarten und Hort vor. Aber Mara, Frauen gehen arbeiten und ihren Kindern gefällt das nicht. Ich hatte neben meiner Arbeit als Künstlerin als einzige Freizeitbeschäftigung meinen Sohn. Als mein Sohn älter wurde und seine eigenen Wege ging, mußte ich erst wieder lernen mit der Freizeit umzugehen.

    Sicher, die Mutter im Buch mußte nicht arbeiten gehen aber darf ein Kind die gesamte Zeit der Eltern vereinnahmen? Eltern haben auch ein eigenes Leben.

    Ich lese große Bewunderung für seine Mutter aus dem Buch heraus.

    Zur Erziehung gehört zu vermitteln, dass Kinder selbstständig denken. Sobald sie das tun, werden sie mit ihren Eltern diskutieren, was alles besser zu handhaben wäre. Und das ist gut so!

    Selbst die Annäherungsschwierigkeiten in Amerika sehe ich anders. Es ist als erzählt der Sohn völlig neutral von seiner Mutter. Ich mag besonders die “Antennen-Szene”!

    Leider habe ich keine Zeit, das Buch in einem Rutsch zu lesen. Ich stehle mir jeden Morgen ein Kapitel…..

    Du hast recht, ich sehe es durch die Augen der Mutter und du hast es sicher durch die Augen des Sohnes gesehen. Ist das nicht spannend!

    Danke nochmals für die gute Empfehlung ….
    Ich werde mir das Buch sicher irgendwann für mein Bücherregal kaufen.

    Liebe Grüße und einen schönen Wochenbeginn wünscht dir Susanne

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      December 18, 2012 at 8:37 am

      Liebe Susanne,

      ich musste eine Weile über deinen Kommentar nachdenken und finde es unheimlich interessant, dass wir das selbe Buch gelesen haben und dies doch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachtet haben. Vielleicht werfe ich über die Feiertage noch einmal einen zweiten Blick in das Buch, überprüfe meine Wahrnehmung, an der ich jetzt doch Zweifel.

      Ich habe keine Sekunde darüber nachgedacht, die Perspektive des Sohnes einzunehmen. Ich habe mir vorgestellt, dass er unter dem Weggang der Mutter gelitten hat und die schwierigen Wiederbegegnungen mit ihr in Amerika und in Ungarn habe ich geprägt von einer doch von Vorwürfen und Rechtfertigungen vergifteten Atmosphäre gelesen. Auch die Frage des Sohnes an seine Mutter, ob sie ihn denn jemals selbst gestillt habe, ist doch eine Frage des Vorwurfs … zumindest habe ich dies so gelesen. Natürlich haben Eltern auch ihr eigenes Leben und müssen dies auch haben und doch habe ich intuitiv stärker mit dem Sohn gelitten, als mit der Mutter, was sicherlich daran liegt, dass ich selbst noch ein Stück weit Kind bin und noch lange nicht Mutter.

      Ich freue mich, dass du das Buch dennoch als gute Empfehlung empfindest und wünsche dir ganz viel Vergnügen beim Weiterlesen. 🙂

      Liebe Grüße
      Mara

      • Reply
        Susanne Haun
        December 18, 2012 at 6:02 pm

        Liebe Mara,

        ich denke, dass es völlig normal ist, dass man die Perspektive desjenigen einnimmt, in dessen Lebensphase man sich gerade befindet.

        Ich stehe gerade wieder vor einem Lebens – Abschnitts – Wechsel, mein Sohn und ich haben die letzten 10 Jahre alleine zusammen gewohnt. Er ist nun 18 geworden, macht im nächsten Sommer sein Abitur und wird in die Welt hinaus zum Studium ziehen. Die absolut normale Trennung steht also kurz bevor und ich bin sofort in die Rolle der Mutter geschlüpft.

        Im Luftschutzkeller verzichtet sie auf ihr essen, damit ihr Sohn nicht hungert und von Amerika aus versorgt sie ihn und seine Familie mit Dingen des täglichen Lebens, obwohl sie dafür hart arbeiten muss.

        Ich denke, diese doch sehr neutral nicht wertend berichtende Erzählung animiert uns dazu, unsere Sicht der Dinge so stark auszuprägen.

        Vajda wertet nicht, er berichtet. Er erzählt ohne Emotion von den 3 Umarmungen seiner Mutter. Möchte er nun mehr umarmt werden oder schätze er diese 3 Umarmungen besonders hoch ein? Ich denke mir, er schätzt sie besonders hoch ein. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn ist sehr besonders und gerade in dieser Hinsicht schwierig.

        Ich habe keine Tochter, aber ich habe den Eindruck, mein Bruder und ich benehmen uns unserer Mutter gegenüber völlig unterschiedlich und wir haben ein völlig anderes Verhältnis zu unserer Mutter.

        Es hört sich sehr nach Klischee an, ich kann es schwer erklären.

        Ich freue mich schon sehr darauf, morgen früh die nächsten Seiten zu lesen. ich bin sehr diszipliniert, es laufen einige Ausschreibungen zu Kunst zum Jahresende aus, ich schreibe an einem Buch und habe jeweils im Januar und im Februar eine Ausstellungseröffnung. Wenn ich mich jetzt hinsetze und das Buch in einem Rutsch auslese, fehlt mir die Zeit. … leider…

        Jetzt kehre ich zu meiner Projektbeschreibung zurück und wünsche dir einen schönen Abend,

        Susanne

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          December 20, 2012 at 1:52 pm

          Liebe Susanne,

          wahrscheinlich liegt es in der Tat nahe, jeweils die Perspektive desjenigen einzunehmen, dem man sich zeitlich näher fühlt. In meinem Fall ist das der Sohn, in dessen Alter ich bin, als er von seiner Mutter alleine in Ungarn zurückgelassen worden ist.

          Immer noch interessant finde ich die Tatsache, wie stark sich unsere Lesart an bestimmten Stellen unterscheiden kann. Ich habe aus den 3 Umarmungen herausgelesen, dass der Erzähler sich mehr Körperkontakt gewünscht hätte, mehr Nähe zu seiner Mutter, die ihm ein Leben lang fremd geblieben ist. Nicht umsonst hat er sie ja auch unheimlich lange gesiezt – eine Tatsache, die wahrscheinlich automatisch Distanz zwischen Mutter und Sohn schaffen kann.

          Das Verhältnis zu einer Mutter ist wahrscheinlich immer unterschiedlich und deine Beobachtung, dass eine Tochter ein anderes Verhältnis zu ihrer Mutter haben kann, als ein Sohn, finde ich sehr nachvollziehbar. Das beobachte ich auch bei mir und meinem Bruder. Zu meiner Mutter habe ich ein sehr enges Verhältnis.

          Ich wünsche dir ganz viel Glück für den bevorstehenden Lebens-Abschnitts-Wechsel, der bestimmt viele Veränderungen mitsichbringen wird. 🙂 Für dein diszipliniertes Arbeiten bewundere ich dich und kann dir zu deinen Ausstellungseröffnungen nur gratulieren. Sag doch bitte Bescheid, wenn du eine Ausstellung in der Nähe von Bremen eröffnest – ich würde gerne mal schauen kommen.

          Viele Grüße und vielen Dank für deinen Kommentar aber auch für deine lieben Worte bei Dina und Klausbernd. 🙂
          Mara

      • Reply
        Susanne Haun
        December 20, 2012 at 6:44 pm

        Danke für die Gratulation, Mara, ich bin so gerne Künstlerin, es ist mir ein anliegen. So fällt mir das disziplinierte Arbeiten nicht so schwer.
        Bisher habe ich noch keine Verbindungen zu Bremer Galerien und Ausstellungsorte. Aber wsa nicht ist, kann ja noch werden…
        Das ist der letzte offenen Kommentar für heute, ich werde mich jetzt in die Madonna Pazzi vertiefen und mir überlegen, wie ich heute Maria mit Kind zeichnen würde. …. liebe Grüße sendet dir Susanne

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          December 21, 2012 at 12:26 pm

          Liebe Susanne,
          schade, dass es noch keine Verbindungen zu Bremer Galerien und Ausstellungsorten gibt, ich würde mich freuen, wenn das in der Tat irgendwann einmal etwas werden könnte. 🙂
          Mein Traum ist es auch, irgendwann selbstbestimmt zu arbeiten. Am liebsten im Bereich Literatur. Und doch – auch wenn ich das, was ich tue sehr gerne mache – fällt es mir häufig immer noch schwer, mich zu organisieren. Aber daran arbeite ich.
          Ich hoffe, du warst bei deinen Überlegungen erfolgreich.
          Viele Grüße Mara

          • Susanne Haun
            December 21, 2012 at 3:17 pm

            Liebe Mara,

            bis 2002 habe ich 15 Stunden die Woche zusätzlich zu meiner künstlerischen Tätigkeit beim rbb gearbeitet. Aber ich konnte nicht zwei Sachen gleichzeitig gut machen. 15 Stunden die Woche klingt wenig, es war für mich schwer zu koordinieren und mit sehr vielen Dienstreisen verbunden.
            So bin ich vor 10 Jahren ganz in die freischaffende Tätigkeit gewechselt.
            Ich habe es nie bereut,!!!!!

            Liebe Grüße sendet Susanne

  • Reply
    Susanne Haun
    December 20, 2012 at 6:45 pm

    P.S. Ich habe schon einen Blogbeitrag zur Mutter im Rahmen angefangen … irgendwann ist er fertig….

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      December 21, 2012 at 12:23 pm

      Liebe Susanne,
      ich freue mich bereits sehr darauf, auf deinem Blog über deine Eindrücke zu dem Buch lesen zu können. 🙂

  • Reply
    Mutter im grünem Rahmen und die Pazzi Madonna 1425 – Bericht und Zeichnung von Susanne Haun « Susanne Haun -> Drawing -> Zeichnung -> Dibujo -> 水彩画
    December 27, 2012 at 4:21 pm

    […] Das Buch ist eine Empfehlung von buzzaldrins Bücher von Mara Giese. […]

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