Jonathan Franzen: Comma-Then

“Comma-Then” ist ein amüsanter und kurzweiliger Essay von Jonathan Franzen, der in seinem vor kurzem erschienen neuesten Essayband “Weiter weg” (eine Besprechung folgt auf diesem Blog in den kommenden Wochen) veröffentlicht wurde. Jonathan Franzen, der Autor von vier Romanen, einigen Essays und einer Autobiographie, schreibt in diesem Essay darüber, warum im Englischen ein Komma, gefolgt von einem then ihm beim Lesen von Büchern immer wieder Magenschmerzen bereitet:

“Es gibt so viel zu lesen, und wir haben so wenig Zeit. Ich suche immer nach einem Grund, ein Buch wegzulegen und es nicht wieder in die Hand nehmen zu müssen. Einer der besten, den ein Schriftsteller mir liefern kann, ist die Verwendung des Wortes then als Konjunktion ohne nachfolgendes Subjekt.”

Jonathan Franzen legt Bücher freiwillig zur Seite, wenn er in ihnen häufiger Sätze liest, wie diesen: “She lit a Camel Light, then dragged deeply.”

“Ich bin aber sicher, dass die Comma-then-Konstruktion keine sinnvolle Gepflogenheit ist – und dass es sich im Unterschied zum heldenhaften Semikolon oder zur ehrenwerten Partizipalkonstruktion um einen ärgerlichen, aus Faulheit geborenen Manierismus handelt – und zwar deswegen, weil sie fast ausschließlich in ‘literarischen’ Texten der letzten paar Jahrzehnte zu finden ist.”

Der Essay von Jonathan Franzen ist kurz, aber der Leser spürt in jeder Zeile seine Ablehnung gegenüber dieser grammatischen Konstruktion und letztendlich auch gegenüber Autoren und Autorinnen, die diese benutzen.

Wie geht es euch bei der Lektüre von Büchern? Gibt es ähnliche grammatische Konstruktionen, die euch so nerven können, dass ihr ein Buch lieber zur Seite legt? Oder andere sprachliche Aspekte, die dazu führen, dass ihr Bücher abbrecht?

Den vollständigen Essay könnt ihr übrigens hier lesen, eine erste Besprechung von “Weiter weg” gibt es bei Laura und Katja.

20 Comments

  • Reply
    ramagens
    January 27, 2013 at 4:08 pm

    Was die Grammatik angeht, bin ich relativ unempfindlich, denn ich gehe davon aus, dass alles Funktion hat oder haben kann. Aber wenn ich ein Buch wirklich nur zum Spaß lese, dann sind nicht-funktionale Wortwiederholungen für mich das Schlimmste! Was ist meine: Wenn es (besonders in Dialogen) Inquit-Formeln gibt, in denen keine Synonyme verwendet werden: “Lalala”, sagte Paula. “Lalala”, sagte darauf Hannes. Paula sagte ihm, dass lalala. Und so weiter. Fürchterlich! 😉

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      buzzaldrinsblog
      January 27, 2013 at 4:17 pm

      Ah, ich verstehe, was du meinst. Beim Lesen von Jonathan Franzen fand ich vor allem seine Abneigung sehr erstaunlich, die ich als extreme Empfindung wahrgenommen habe. Mir fallen in Büchern auch manchmal Dinge auf, die mich stören, ich reagiere darauf aber eigentlich nie damit, dass ich das Buch abbreche. Haben dich diese Wortwiederholungen schon mal so erzürnt, dass du ein Buch wirklich zur Seite gelegt hast.
      Bei deinem Beispiel musste ich übrigens an “Die Logik des Herzens” von Priya Basil denken. Dort gibt es eine Figur, die jeden zweiten Satz mit Jupp beendet oder einleitet. Eine andere Figur beendet ihre Sätze immer mir: Klar soweit?. Wirklich extrem störend, aber eben doch nicht so sehr, dass ich das Buch weg lege.

      • Reply
        ramagens
        January 27, 2013 at 7:08 pm

        Dass ich ein Buch weglege, kommt selten vor. Und wenn, dann nicht aufgrund solcher Wiederholungen. Ich würde auch nicht sagen, dass ich dann erzürnt bin, sondern eher genervt und gelangweilt. Meist ist es ja nur passagenweise, so dass ich mich auch jetzt nicht mehr daran erinnern kann. Allerdings muss ich sagen: Soetwas kommt in der Kinder- und Jugendliteratur ziemlich häufig vor. Was mich dann eher als die Wiederholungen vielleicht wirklich verärgert, ist falsche Grammatik. Wenn ich beispielsweise “das Klientel” oder “wegen dem Garten” lese. Denn würden die Verlage ihre Tätigkeit nicht, wie es heute leider meist der Fall ist, auf das Drucken und Vermarkten der Bücher beschränken, sondern auch ein vernünftiges Lektorat finanzieren, müssten diese Fehler nicht zwischen zwei Buchdeckel gepresst werden.

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          January 28, 2013 at 10:36 am

          Hm, also bei den ständigen Wortwiederholungen in “Die Logik des Herzens” war ich doch irgendwann schon erzürnt, aber eben nicht so sehr, dass ich deshalb das Buch zur Seite legen würde. Ich lese kaum Kinder- und Jugendbücher, so dass mir dieses Phänomen dort leider noch gar nicht so genau aufgefallen ist.
          Deinem Ärger über falsche Grammatik stimme ich zu, so etwas ärgert mich auch immer, genauso wie Schreibfehler in Büchern. Vor allem vermeidbare Fehler. Ich erinnere mich an ein Buch, in dem der Name des Protagonisten im Bucheinband falsch geschrieben war, auf einem anderen war der Name eines Autors auf dem Buchrücken fehlerhaft. So etwas finde ich immer sehr ärgerlich, auch wenn Fehler natürlich menschlich sind und dazu gehören.

  • Reply
    laura
    January 27, 2013 at 5:49 pm

    Bei mir sind es auch am ehesten (monotone) Wiederholungen, die mich aufregen – aber wie bei dir selten so sehr, dass ich das Buch ganz weglege. Derzeit ist das in Eugen Ruges Roman die Phrase: “Verblüffende Erkenntnis!”
    Und was mir dazu noch einfällt, sind Formulierungen bei mir selbst! Wenn man viel schreibt, fährt man sich manchmal in bestimmten Mustern fest, die man schwer wieder los wird. Das kann insbesondere bei wissenschaftl. Texten hinderlich sein. Ich schreibe so häufig in “comma, dass”-Satzkonstrukten, dass es mir irgendwann auffiel und mich nervte 🙂

    • Reply
      ramagens
      January 27, 2013 at 10:05 pm

      Da kann ich dir nur zustimmen. Wobei diese im wissenschaftlichen Stil ja nicht ganz unüblich sind, da viele Sätze mit unpersönlichen Formeln wie “Es ist daher anzunehmen” oder “Es konnte gezeigt werden” oder ähnlich eingeleitet werden, um die kritische Distanz zu wahren.

      • Reply
        laura
        January 28, 2013 at 8:51 pm

        Ja, stimmt auch wieder. Im Zweifelsfall bin ich immer dafür, dafür Synonyme zu finden. Aber das ist vielleicht auch nur meine persönliche Meinung 🙂

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      January 28, 2013 at 10:30 am

      Liebe Laura,
      was liest du gerade von Eugen Ruge? Ich kenne von ihm nur “In Zeiten des abnehmenden Lichts”, das mich leider nicht fesseln konnte. Dass dich so eine Phrase wie “Verblüffende Erkenntnis” nervt, kann ich verstehen. Wie erwähnt ist mir die extreme Wiederholung von phrasenhaften Sätzen in keinem anderen Buch so sehr aufgefallen, wie bei Priya Basil.
      Ich finde es auch interessant, dass du eigene Formulierungen erwähnst, denn da geht es mir genauso wie dir: ich neige auch dazu, mich in bestimmten Mustern festzufahren und immer wieder dieselben Sprachklischees zu verwenden. Leider merkt man dies ja nicht immer selbst, deshalb ist es wahrscheinlich gut, die eigenen Texte auch ab und an gegenlesen zu lassen. Ich finde, dass Jonathan Franzens Essays, nicht nur der “Comma-then”-Essay, sehr viele interessante Einblicke vermitteln in das literarische Schreiben. Mein Traum wäre es wohl, irgendwann mal bei ihm einen Creative-Writing-Kurs zu besuchen. 😀

      • Reply
        laura
        January 28, 2013 at 8:55 pm

        Oh ja, das wäre toll mit dem Creative-Writing-Kurs 😉
        Was Eugen Ruge betrifft; ich lese “In Zeiten des abnehmenden Lichts”: Ich finde auch keinen Weg hinein. Sogar stelle ich an mir eine gewisse Leseunlust fest. Ein bißchen halte ich noch durch, mal sehen. Es ist mir irgendwie zu trocken. Zu wirr. Zu unpersönlich. Und ich dachte immer, dies Buch fanden alle gut *verwirrt guck*

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          January 29, 2013 at 10:00 am

          Liebe Laura,
          also mich konnte das Buch leider nicht wirklich begeistern. Mir erging es bei der Lektüre ähnlich wie dir: unpersönlich und wirr, ich habe mich überhaupt nicht angesprochen gefühlt. Im Vorfeld hatte ich hohe Erwartungen, aber dann habe ich mich doch eher mehr oder weniger durch das Buch hindurchgequält. Ich bin gespannt, wie lange du noch durchhalten wirst. 😉 Das Buch habe ich übrigens als einer der ersten auf meinem Blog besprochen, mir jetzt die Rezension anzuschauen, ist mir schon fast ein bisschen unangenehm: http://buzzaldrins.wordpress.com/2011/09/11/hhh/ 😀

      • Reply
        laura
        January 29, 2013 at 9:03 pm

        Tatsächlich habe ich Herrn Ruge erstmal beiseite gelegt *puhhh*. Dabei wurde er mir wirklich empfohlen. Naja, mich beruhigt ja ein wenig, dass es dir da auch so ging. Deine ganz frühe Rezension hatte ich schon erstöbert – hihi. Vor allem die Kürze ist ungewöhnlich… aber das macht ja nichts. Hast du schonmal überlegt, alte Besprechungen zu überarbeiten, wenn du sie im Nachhinein so unangenehm findest 😉 ?

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          January 31, 2013 at 1:26 pm

          Die Kürze ist noch ein Relikt aus meiner Zeit in einem Bücherforum, da waren eher kurze Besprechungen gewünscht und gefragt. Die Länge hat sich dann automatisch dur meinen Blog und dass ich hier alles so machen kann, wie ich es möchte, eingeschlichen. 😉 Eine Überarbeitung wäre sicherlich sinnvoll, aber dazu müsste ich das Buch wohl noch einmal lesen, um auch angemessen darüber schreiben zu können. Dafür ist mir meine Lesezeit dann doch zu schade. 😉

  • Reply
    Eva Erdnussbutter (@1Jahr52Buecher)
    January 28, 2013 at 12:53 pm

    Die verschwenderische Aneinanderreihung von Adjektiven macht mich wahnsinnig.
    Das erzeugt so eine erstickende, gewollte Leseatmosphäre. Und, ja ich weiß, keine große Literatur, aber nichtsdestotrotz unfassbar erfolgreich: Twilight ist ein gutes Beispiel für diese schwülstige Adjektivierung.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      January 29, 2013 at 10:19 am

      Hallo Eva,
      erst einmal: willkommen auf meinem Blog, ich freue mich sehr über deinen Besuch.
      Das, was du beschreibst, ist mir – um ehrlich zu sein – noch gar nicht so häufig aufgefallen. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich vor vielen Jahren selbst Twilight gelesen habe. Ich finde es immer wieder interessant, worauf man beim Lesen sein Augenmerk richtet, was einem auffällt und was nicht. Bei meinen nächsten Büchern werde ich versuchen mehr auf die Verwendung von Adjektiven zu achten. 😀

  • Reply
    frauziefle
    January 30, 2013 at 9:06 am

    Das erleichert mich nachgerade (soeben ausgegrabenes schönes Wort). Das mit Herrn Ruge, denn mir ging es ebenso wie Euch. Kein Zugang, keine Motivation, keine fesselnden Handlungsbögen und vor allem keine Resonanz. Obwohl ich mich sehr bemüht habe und vielleicht auch wegen der hohen Erwartungen.
    Mich ärgern, und da fasse ich mich an meine eigene Nase, vor allem Formulierungen, die die Arbeit des Autor abkürzen. Etwas wie “Sie tat x, weil….”
    Das ist schade für den Leser, weil ich glaube, auf diese Weise wird eine andere Ebene angesprochen – es klingt nach einer rationalen bzw. logischen, zwingenden Begründung, der der Leser folgen muss.
    Viel schöner ist es, zu zeigen (show, don’t tell), dass die Entscheidung, Handlung, Reaktion hier unausweichlich ist. Sie geschehen zu lassen, statt sie nur zu behaupten.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      January 31, 2013 at 1:42 pm

      Liebe Pia,
      nachgerade ist ein tolles Wort, ich liebe so etwas altertümliche Worte. Seit einem Interview mit dem Schriftsteller Ralph Dohrmann sage ich auch immer gerne späterhin. 🙂 Ich freue mich auch, dass ich mit meinen Gefühlen bezüglich des Buches von Eugen Ruge nicht ganz alleine dastehe. Die Begeisterung war damals ja sehr groß, so dass ich lange Sorge hatte, irgendwas nicht begriffen zu haben. In diesem Jahr erscheint übrigens was neues von Eugen Ruge – unverbesserlich wie ich bin, werde ich da wohl auch einen Blick reinwerfen.
      Deine Anmerkungen zu “Formulierungen, die die Arbeit des Autors abkürzen” finde ich sehr spannend und nachvollziehbar, auch wenn ich selbst beim Lesen bisher noch nicht so häufig auf diese Stellen geachtet habe. Ich empfand den Essay von Jonathan Franzen als sehr spannend, weil er mich als Leser aufmerksamer gemacht hat, sowohl bei dem, was ich selbst schreibe, als auch bei anderen Texten. 🙂

  • Reply
    Bücherphilosophin
    February 6, 2013 at 10:57 am

    Ich kann mich aufregen, über Schriftsteller, die ihre Figuren “zustimmend nicken” oder “verneinend den Kopf schütteln” lassen – das ist so überflüssig, wird aber beim redigieren gerne mal übersehen.

    Die von Frantzen so gehasste Satzkonstruktion stammt glaub ich aus der Word-Korrektur. Zumindest wird mir das beim Schreiben ständig vorgeschlagen. Ich mag’s aber auch nicht so gern und hab bisher immer “ignoriert” 😉

    LG, Katarina 🙂

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      February 6, 2013 at 6:47 pm

      Oh ja, so etwas finde ich auch immer anstrengend! Überhaupt stören mich häufig diese vielen standardartigen Beschreibungen, beispielsweise “sie zog die Nase kraus”. Wer macht denn so etwas? 😉
      In dem Aufsatz von Franzen finde ich es sehr spannend, dass er nicht nur seine Abneigung ausdrückt, sondern diese auch begründet. Die Aufsätze von ihm zu literarischen Themen finde ich sehr spannend und hilfreich.
      Liebe Grüße,
      Mara

  • Reply
    Ken Takel
    August 8, 2013 at 1:52 pm

    Muss ich dann wohl auch noch lesen!

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