Junge rettet Freund aus Teich – Heinz Strunk

Heinz Strunk ist Schriftsteller, Musiker und Schauspieler. 1962 wurde er in Hamburg geboren. Bekannt wurde er als Teil des Humoristentrios Studio Braun und mit seiner eigenen Fernsehshow auf Viva. “Fleisch ist mein Gemüse” verkaufte sich über 400000-mal und wurde verfilmt, vertont und auf die Theaterbühne gebracht. In den letzten Jahren erschienen von Heinz Strunk “Die Zunge Europas”, “Fleckenteufel” und “Heinz Strunk in Afrika” – alle Bücher waren Bestseller.

Der Name Heinz Strunk ist ein Künstlername, mit bürgerlichem Namen heißt der Autor Mathias Halfpape und so heißt auch die Hauptfigur seines neuesten Romans “Junge rettet Freund aus Teich”. Diese Tatsache wirft natürlich die immer wieder spannende Frage nach dem autobiographischen Anteil an dem Roman auf.

Heinz Strunk erzählt in drei Episoden vom Aufwachsen und Großwerden seiner Hauptfigur. Die Versuchung liegt nahe, “Junge rettet Freund aus Teich”, als ein Drama in drei Akten zu bezeichnen. Die Geschichte beginnt 1966, Mathias ist sechs Jahre alt und wohnt zusammen mit seiner Mutter bei seinen Großeltern. Seine wichtigste Bezugsperson ist seine liebevolle Oma, die mit ihren Kochkünsten vor allem für das leibliche Wohl sorgt. Mathias’ Großvater verbringt seine Zeit in seiner Kellerwerkstatt oder erzählt Mathias Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg, den er als Soldat in Frankreich erlebt hat. Mathias’ Mutter ist meistens außer Haus und wenn sie da ist, ist sie häufig gestresst.

“Meine Mutter arbeitet als Musiklehrerin und hat auch ein paar Privatschüler, die sie am Flügel im Wohnzimmer unterrichtet. Immer wenn ein Stück in Moll gespielt wird, hält sich Opa die Ohren zu und geht in den Garten oder spazieren oder in den Keller. Dur kann er gut hören.”

Mit sechs Jahren ist das Leben von Mathias noch weitgehend unkompliziert, lediglich die französische Kinderschule drückt seine Stimmung und er wünscht sich immer wieder, dass irgendetwas passieren möge, das verhindert, dass er dort weiter hingehen muss.

“Also tu ich immer ganz niedergeschlagen, wenn ich aus der französischen Kinderschule komme, aber den Großeltern fällt das nicht auf, oder sie kommen nicht darauf, dass es wegen der Kinderschule ist. Ich halte es sowieso nicht durch, bis zum Abend traurig zu sein, außerdem denkt Mutter dann, es wäre wegen etwas anderem.”

Mathias Mutter ist erst mit dreißig Jahren von zu Hause ausgezogen und musste dann doch nur kurze Zeit später mit Mathias wieder in ihr Elternhaus zurückkehren. Sie verdient zu wenig, um für sich und ihren Sohn alleine sorgen zu können. Auch wenn Mathias keinen Vater hat, denn der war damals bei seiner Zeugung schon anderweitig verheiratet, fehlt es ihm an nichts.

“Für meine Mutter bin ich ihr Ein und Alles, und meine Großeltern haben mich auch lieb, auch mein Opa, der immer sehr streng war sein ganzes Leben, nur zu mir und Oma nicht.”

1970, vier Jahre später, sieht die Welt schon anders aus. Mathias ist mittlerweile auf die Beobachtungsstufe des Gymnasiums gekommen und quält sich vor allem mit der Mathematik, aber auch die Noten in den anderen Fächern, sind alles andere als berauschend. Die Hölle auf Erden ist die abendliche Hausaufgabenkontrolle. Dazu kommen die Sorgen zu Hause: Opa hatte einen Herzinfarkt und seine Mutter kommt jeden Tag schlechter gelaunt nach Hause. Der eintönige Alltagstrott wird lediglich durch den ersten Urlaub aufgelockert, den Mathias alleine verbringt: er besucht seine Oma Emmi. Dort raucht Mathias mit Manfred zum ersten Mal eine Zigarette und erlebt, was es bedeutet, mit anderen mithalten zu müssen, um genauso cool zu sein.

Vier weitere Jahre vergehen und mittlerweile ist nichts mehr so, wie es mal war. Mathias und seine Mutter ziehen aus und wohnen von nun an alleine in einem Hochhaus. Oma lassen sie einfach alleine zurück, denn Opa muss in ein Pflegeheim. Die Stimmungsschwankungen von Mathias’ Mutter werden immer wechselhafter und unberechenbarer.

“Obwohl ich genau beobachte, bleibt es rätselhaft, wieso und warum das so ist. Ich weiß nur eins: Verlassen kann ich mich auf sie nicht mehr. Den einen Tag bin ich ihr Bundesgenosse, und am nächsten Tag behandelt sie mich, als wäre ich ihr Gefangener.”

“Wenn sie jetzt noch ein falsches Wort sagt, kriegt sie alles zurück: von wegen Bundesgenossen! Sie ist eine total beknackte, durchgedrehte, humorlose Kuh, für die ich mich schäme bis ins Mark und mit der ich bis zu meinem achtzehnten Geburtstag so wenig wie möglich zu tun haben möchte.”

Obwohl Mathias erst vierzehn ist, gerät er bereits mächtig ins Straucheln, plant gemeinsam mit einem Freund einen Einbruch in einem Waffengeschäft und fängt neben dem Rauchen auch bereits damit an zu trinken. Die unbeschwerte Zeit, die Mathias noch mit sechs Jahren erlebt hat, ist endgültig vorbei.

“Ein trauriges Häuflein Rumpffamilie hockte stumm um den Weihnachtsbaum, und alle hatten die Bilder von früher im Kopf. […] Die ganze Familie saß da wie eingefroren, und ich fühlte mich, als wäre ich bis oben voll mit Kleister. Ungefähr das traurigste Weihnachtsfest, das sich vorstellen lässt.”

“Junge rettet Freund aus Teich” wird auf knapp 280 Seiten erzählt. Eine tragische Komödie in drei Akten, die mit ihrem Höhepunkt am Schluss des Romans mit einem traurigen und beklemmenden Gefühl und einer Träne im Knopfloch endet. Heinz Strunk hat mit seinem Alter Ego Mathias Halfpape eine wunderbare Figur erschaffen, einen sensiblen und intelligenten Jungen, dem deutlich spürbar der Halt im Leben verloren geht. Unprätentiös und authentisch wird der Roman aus der Sicht von Mathias erzählt und dem Autor gelingt es dabei hervorragend in den unterschiedlichen Altersstufen von Mathias einen immer passenden Ton zu treffen. Besonders schön ist dabei auch der norddeutsche Dialekt, der im Roman immer wieder anklingt. Da heißt es dann plötzlich fünsch, stratzt oder auch krüsch.

Heinz Strunk erzählt in “Junge rettet Freund aus Teich” eine Geschichte voller Tragik und Witz, voller Traurigkeit und Humor. Die humorvolle Betrachtung des Lebens, nimmt der Geschichte ein Stück weit die traurige Schwere, ohne jedoch zu etwas klamaukhaftem zu werden. Heinz Strunk ist eine wunderbare und ernsthafte Geschichte gelungen, bei der ich sowohl lachen als auch weinen musste. Ein   fabelhafter Roman, der mich neugierig darauf macht, weitere Bücher dieses Autors entdecken zu wollen.

15 Comments

  • Reply
    Ken Takel
    March 18, 2013 at 11:42 am

    klingt gut! Von “Fleisch ist mein Gemüse” war ich jedenfalls ziemlich begeistert.
    http://awesomatik.com/2011/07/18/von-akne-und-menschen/

    Das hört sich mindestens genauso spannend an.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 18, 2013 at 1:28 pm

      Danke für die Verlinkung deiner Besprechung von “Fleisch ist mein Gemüse” – ich muss gestehen, dass ich es vor langer Zeit mal angelesen, aber dann wieder abgebrochen habe. Jetzt habe ich Lust darauf, das Buch noch einmal zu entdecken. Thematisch scheint es ja genau an “Junge rettet Freund aus Teich” anzuschließen.
      Ich bin gespannt, wie dir der Roman gefällt, falls du ihn lesen solltest. Ich war unheimlich angetan und sehr positiv überrascht.

  • Reply
    guenterkeil
    March 18, 2013 at 3:04 pm

    Klingt sehr interessant, was Strunk da abgeliefert hat! Übrigens: Adam Johnson lese ich auch gerade… bin gespannt, was wir dazu sagen…

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 19, 2013 at 4:54 pm

      Schön, ich freue mich sehr über Deinen Besuch hier! 😀 “Junge rettet Freund aus Teich” ist ein wirklich lesenswerter Roman, der mich sehr positiv überrascht hatte – ich muss gestehen, dass ich “Fleisch ist mein Gemüse” damals nicht durchgelesen habe. Mit diesem Roman hat Heinz Strunk aber in der Tat etwas literarisch höchst ansprechendes und lesenswertes abgeliefert … 🙂 Die Meinungen zu Adam Johnson scheinen ja etwas gespalten zu sein, mir hat es gefallen – mehr dazu morgen!

  • Reply
    Mariki
    March 19, 2013 at 10:38 am

    Mit diesem Buch hab ich schon geliebäugelt, und jetzt ist es wieder nähergerückt dank deiner Rezension … wie soll das nur weitergehen, woher nehm ich all die Zeit zum Lesen?!

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 19, 2013 at 4:52 pm

      Liebe Mariki,
      oh ja, genau die selbe Frage stelle ich mir auch im Moment … ich bin noch nicht einmal richtig im Frühjahrsprogramm angekommen und am Horizont nahen schon die Herbsttitel. Wer soll denn da noch hinterher kommen? 😉

  • Reply
    aboutsomething
    March 19, 2013 at 8:14 pm

    In Heinz Strunks Büchern wird viel gewichst, besonders in “Fleisch…” und “Fleckenteufel …”, aber hier vor allem mit skurrilem Witz. =) Hier lernt man die männliche pupertierende Seele ganz plastisch kennen. Ich mag Heinz Strunks absurden Humor sehr gern und bin gespannt, wie er in diesem Buch seine autobiographischen Erlebnisse umdichtet und wieviel Humor in der Tragik liegt … Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu traurig wird. Das würde nicht zu Heinz Strunk passen. Hast du dir den “Fraktus”-Film angeschaut? Ins Kino hab ichs nicht geschafft, aber es gibt ja Blurays…. Katja grüßt.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 20, 2013 at 12:06 pm

      Liebe Katja,

      ach, schön hier auch einen Kommentar einer “Heinz-Strunk-Expertin” zu finden. Ich kannte nämlich vor meiner Lektüre nicht die “Fleckenteufel” und “Fleisch ist mein Gemüse” habe ich vor Jaaaaahren mal entnervt zur Seite gelegt. Zu traurig wird es nicht, auch in “Junge rettet Freund aus Teich” wird gewichst (um mal mit deinen Worten zu sprechen). Ich würde jedoch sagen, dass der Humor nicht überhand nimmt – es ist kein Klamauk, sondern eine – trotz allem Humor und Spaß – ernsthafte und streckenweise melancholisch, traurige Lektüre. Für mich war dies ein unheimlich überraschendes Leseerlebnis – positiv überraschend. Möglicherweise sind eingefleischte Fans von Heinz Strunk aber eher enttäuscht, da der Humor hier schon eher fein und leise ist.

      Liebe Grüße
      Mara

      • Reply
        katja1982
        March 20, 2013 at 9:34 pm

        Also ich würde mich jetzt nicht als Heinz-Strunk-Fan bezeichnen, schon gar nicht “eingefleischt” (obwohl es vom Wort her hier super passt ;)), Fan bin ich von keinem Autor oder Künstler … Aber ich mag diesen Klamauk-Humor bei Strunk, der wie du schon beschreibst, immer einen ernsten Sinn hat, eine gewisse Melancholie und Traurigkeit. Guter Humor hat viel mit Tiefgründigkeit zu tun, reiner Witz um des Witzes oder Unterhaltens wegen, nervt schnell oder wird klischeehaft. Der Witz funktioniert nicht ohne ernsten Kern, denn der Begriff des Witzes setzt sich immer mit Gegensätzlichem auseinander und möchte durch Verlachen dieses aufzeigen. Heinz Strunk hat was übrig für Außenseiter, für Randthemen, vielleicht weil er selber dieses Gefühl kennt – er mag die Menschen, die Nebenschauplätze, die Kleinstadtgeschichten und in seiner Betrachtung der traurigen Dinge liegt viel Schönes und Lustiges. Daher würd ich nicht annehmen, dass die Lektüre eines Strunk-Romans, bei dem Ernsthaftes überwiegt, Liebhaber von Heinz enttäuschen würde … Er schreibt nicht für das große Tam-Tam oder den nächsten Schenkelklopfer, es geht ihm um die kleinen abseitigen skurrilen Dinge und Menschen, die in ihrer Art ganz liebenswert sind.
        Ich bin gespannt auf das Buch, werde es mir aber erst ein wenig später zulegen. Vorerst gibt es anderes zu lesen … Gute Nacht!

  • Reply
    privatkino
    March 20, 2013 at 11:51 am

    Amüsant. In der Buchhandlung notiere ich mir immer wieder Buchtitel, bei denen ich mir unsicher bin, ob ich sie kaufen soll und scheinbar arbeitest du diese Liste brav für mich ab 🙂
    Katja wirft es auf und mich würde es ebenso interessieren, ist das Buch mit Humor gespickt? Ich glaube, mich hat der Autor “abgeschreckt”, weil er eben “Fleisch ist mein Gemüse” geschrieben hat und ich mit dieser Geschichte nicht viel anfangen konnte, aber scheinbar hat jeder Autor eine zweite Chance verdient. Deine Rezension lässt das Buch zumindest mal auf die Wunschliste wandern.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 20, 2013 at 12:09 pm

      Hach, was für ein schöner Zufall, dass ich dir scheinbar passende Einkaufsratgebertipps gebe mit meinen Besprechungen – das freut mich natürlich sehr. 😉
      Auf die Humorfrage bin ich bereits in meiner Antwort an Katja etwas eingegangen – das Buch hat sicherlich humorvolle Passagen, doch diese überwiegen für mein Empfinden nicht unbedingt. Heinz Strunk gelingt eine ganz feinsinnige Mischung aus Witz und Melancholie. “Fleisch ist mein Gemüse” hat mir auch nicht gefallen, ich habe es damals abgebrochen. Vielleicht solltest du dem Autor also in der Tat noch einmal eine zweite Chance geben. 😉

  • Reply
    Frühlingsanfang | euredurchlaucht
    March 20, 2013 at 2:43 pm

    […] dazu versinkt Norddeutschland im Schnee und es gibt ein neues Buch von Heinz Strunk, über das Buzz Aldrin so schön schreibt, dass man es möglichst bald lesen […]

  • Reply
    Dina
    March 20, 2013 at 4:20 pm

    Eine schöne Empfehlung, liebe Mara! Ganz herzlichen Dank dir.
    Dina

  • Reply
    Chris (booknerds.de)
    March 24, 2013 at 7:15 pm

    Ich bin auch sehr begeistert von diesem Buch, hab es auf booknerds.de besprochen
    -> http://www.booknerds.de/2013/03/heinz-strunk-junge-rettet-freund-aus-teich-buch/
    …und auch als Hörbuch grandios:
    -> http://www.booknerds.de/2013/03/heinz-strunk-junge-rettet-freund-aus-teich-hoerbuch-autorenlesung/
    Sehr schön, deine Besprechung!

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 27, 2013 at 10:12 am

      Hallo Chris,
      danke für deine Links, ich werde auf jeden Fall mal einen Blick in deine Besprechung werfen. Ich freue mich auch, dass du ähnlich begeistert gewesen bist wie ich – in der Tat ein tolles Buch! 🙂

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