Tafelrunde. Schriftsteller kochen für ihre Freunde – Overath/Koch (Hg.)

Das Schriftstellerehepaar Angelika Overath und Manfred Koch hat gemeinsam mit ihrer Tochter Silvia Overath das wunderbar gestaltete Buch “Tafelrunde. Schriftsteller kochen für ihre Freunde” herausgegeben. Angelika Overath, die 1957 geboren wurde, arbeitet als Reporterin, Literaturkritikerin und Dozentin. Zuletzt erschien von ihr “Fließendes Land. Geschichten vom Schreiben und Reisen”. Manfred Koch ist zwei Jahre älter als seine Frau und lehrt Literaturwissenschaft. Zuletzt erschien von ihm “Faulheit. Eine schwierige Disziplin”. Silvia Overath, die 1986 geboren wurde, hat an der Universität Hildesheim Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus studiert. Sie arbeitet gerade an einem Roman.

In “Tafelrunde. Schriftsteller kochen für ihre Freunde” versammeln Angelika Overath und Manfred Koch die Rezepte und Geschichten von insgesamt siebenunddreißig Autoren. Die Idee für dieses Buch entsprang einem Gastgeschenk des Schriftstellers Karl-Heinz Ott, der dem Ehepaar “zwei Dutzend Rezepte, mit schwarzer Spiralheftung in weinrote Kartonblätter gefaßt” mitbrachte.

“Wir blätterten von Spiegelei mit Ingwerpulver zu Entrecote im Gewürzmantel und sahen: wir bekamen hier nicht nur besondere Rezepte geschenkt. Die Art und Weise, wie Karl-Heinz Ott Nahrungsmittel vorstellte und ihre Handhabung nahelegte, zeigte auch etwas vom Temperament und Ton des Schriftstellers.”

Bei der Lektüre dieser Rezeptsammlung entsteht bei den beiden die Idee eines Kochbuchs für Schriftsteller. Angelika Overath und Manfred Koch gehen bei ihrer Idee aber noch einen Schritt weiter, denn sie wollen von ihren Schriftstellerkollegen und -kolleginnen nicht nur Rezepte, sondern auch Geschichte dazu.

“Vermutlich hat jeder die eine oder andere Lieblingsspeise, die zum festen Repertoire seiner kleinen oder großen Küche gehört. Würden Sie/würdet Ihr solch ein Gericht, ein Gebäck, ein Soufflé, eine Suppe, ein Menü mit uns teilen? Wir suchen private, besondere Rezepte. Das ist das eine. Dazu wünschen wir uns aber auch eine Geschichte: wo kommt dieses Rezept her? Wann wird es zubereitet? Und für wen? Und vielleicht entwickelt sich an den konkreten Zutaten zwischen Sellerie und Safran, Anis oder Artischocke ein ganz freier Text über Liebe, Leidenschaft, Angst und Tod oder nur ein Erstaunen.”

Versammelt sind in der “Tafelrunde” ganz unterschiedliche Autoren – bekannte und weniger bekannte, alte und junge, Männer und Frauen: Hans Magnus Enzensberger, Terezia Mora, Hanns Josef Ortheil, Ruth Klüger, Georg Klein, Brigitte Kronauer, Eva Menasse, Alain Claude Sulzer oder auch Olga Grjasnowa. Die eingeschickten Rezepte sind so unterschiedlich wie ungewöhnlich: von Enzensbergers Kaltmamsell, bis zu Moras Hirn-mit-Nier’n-Suppe, über Ortheils Kutteln oder den Haifisch in Ruth Klügers Mikrowelle. Beim Lesen dieser Rezepte erfährt man jedoch nicht nur etwas über den Geschmack der Autoren, sondern durch die dazugehörigen – manchmal kurzen und manchmal längeren – Geschichten auch viele Hintergrundinformationen. Hanns Josef Ortheil entführt den Leser in seinem Text in seine Küche, in der er eine Kochkunst verfolgt, die beinahe an eine Performance grenzt – nebenbei erfährt man, welche Musik er gerne hört und das er leidenschaftlicher Leser des Feuilletons ist. Hanns Josef Ortheil ist immer auf der Suche nach neuen Büchern.

Spannend sind auch die Einblicke der Autorinnen, die ausländische Wurzeln haben: für Terezia Mora und Olga Grjasnowa bedeutet Essen auch immer Heimat, ein Stück Familie und Erinnerung. Olga Grjasnowa, die in Baku geboren wurde, tischt dem Leser ein ganzes aserbaidschanisches Menü auf, während Terezia Mora sich mit einer Suppe aus Schweinehirn und Nieren ihre Heimat in Erinnerung ruft. Dieser Aspekt des Erinnerns mithilfe von Geschmack oder auch Geruch hat mich natürlich sofort an die berühmte und so oft zitierte Madeleine-Episode erinnert, auf die man in Marcel Prousts Werk “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” stößt. In diesem Fall weckt der Geschmack eines französischen Gebäckstücks in Prousts Hauptfigur längst vergessene Erinnerungen. Ähnliche Funktion hat das Essen auch für Olga Grjasnowa oder Terezia Mora, aber natürlich auch für jeden anderen – in dem Fall der beiden Autorinnen weckt das Essen jedoch Erinnerungen an eine Heimat, die sie mittlerweile verlassen mussten. Die Tatsache, dass Erinnerungen sich nicht nur literarisch verarbeiten lassen, sondern auch in Gerüchen und Geschmäckern stecken und zum Leben erweckt werden können, finde ich eine unheimlich spannenden Aspekt.

“Rezepte sind meist tradierte Texte. Im Geist der kochkundigen Ahninnen steigt vergangene Intensität auf als Kindheitsduft und Erinnerung (kaum zu unterscheiden).”

Einen der unterhaltsamsten Texte hat sicherlich die Autorin Ruth Klüger geschrieben, die das Rezept für Haifisch in der Mikrowelle vorstellt. Der Text ist ein unheimlich humorvoll zu lesendes Plädoyer für die unabdingbare Benutzung einer Mikrowelle.

“In der Mikrowelle lassen sich fabelhafte Mahlzeiten zubereiten, besonders Fische, denn es geht schnell und hinterlässt keinen üblen Geruch in der Wohnung.”

Im Anhang werden die Autoren und Autorinnen nach fünf Dingen gefragt, auf die sie in der Küche nicht verzichten können. Auch diese Frage sorgt für interessante und ganz unterschiedliche Antworten: während viele unterschiedliche Gewürze nennen, fällt Ruth Klüger aus dem Rahmen, da sie vor allem die Mikrowelle, die Spülmaschine und den Müllschlucker für unverzichtbar hält.

Der Titel dieser Sammlung von Rezepten und Geschichten geht auf eine schon lange zurückliegende Idee des Dichters Wace zurück, der in der Geschichte von König Artus über die Tafelrunde schreibt, die der Legende nach eingeführt wurde, um Streitigkeiten um die besten Plätze zu vermeiden.

“Wir wünschen allen, die lesen und kochen, schreiben und essen, gute Stunden mit unserem Buch: für ihre eigene Tafelrunden!”

Angelika Overath, Silvia Overath und Manfred Koch ist ein wunderbares Buch gelungen, das ergänzt wird durch kleine, aber sehr feine Zeichnungen. Es ist wunderschön gestaltet und lädt dazu ein, immer wieder neu aufgeschlagen und entdeckt zu werden. Die Tatsache, dass alle Autoren zu dem Rezept auch eine Geschichte erzählen, macht dieses Buch noch spannender, da es zu einer kulinarischen aber auch literarischen Entdeckungsreise einlädt. Nachgekocht habe ich bisher noch nichts, doch ich habe einige ungewöhnliche, erfrischende und inspirierende Ideen nicht nur für die Küche gesammelt, sondern auch für mein Bücherregal.

15 Comments

  • Reply
    wildganss
    March 27, 2013 at 12:34 pm

    Das werde ich haben wollen müssen. Als Kochbuchsammlerin eh….
    Das ist eine schmackhafte Rezension!

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 28, 2013 at 6:22 pm

      Liebe Wildgans,
      was für ein passender Name bei diesem Buch, auch wenn – wenn ich mich richtig erinnere – hier keine Gans zubereitet wird. Ich freue mich, dass du meine Rezension als schmackhaft empfindest. Das Buch ist für mein Empfinden ein tolles Buch zum Selberschenken und zum Weiterverschenken. 🙂

  • Reply
    Buchmanie
    March 27, 2013 at 2:55 pm

    Liebe Mara,
    das ist eine ganz tolle Buchempfehlung, vielen Dank. Nachdem ich leidenschaftlich gerne koche und Kochbücher nur allzu oft den Weg in mein Zuhause finden, steht deine Empfehlung schon auf meiner Bucheinkaufsliste.
    Ich habe ja erst vor wenigen Tagen ein Buch von Hanns-Josef Ortheil gelesen, aus dem man eindeutig schließen kann, dass er ein großer Genießer vor dem Herrn ist. Daher umso größer meine Neugierde auf ein neues Rezept und eine neue Geschichte von diesem grandiosen Erzähler.
    Liebe Grüße
    Buchmanie

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 28, 2013 at 6:25 pm

      Liebe Buchmanie,
      ich freue mich wirklich sehr über deinen Besuch und deinen Kommentar und natürlich besonders darüber, dass ich dich mit meiner Besprechung neugierig machen konnte. Wenn du gerne kochst und Kochbücher besitzt, dann ist dieses Buch wohl in der Tat genau das richtige für dich. Ich wünsche dir ganz viel Freunde damit und berichte doch mal, falls du etwas nachkochen solltest. 🙂
      Ich habe in diesem Jahr auch schon etwas von Hanns Josef Ortheil gelesen und war davon unheimlich angetan. “Das Kind, das nicht fragte” habe ich förmlich verschlungen – es war übrigens mein erster Ortheil. Was hast du denn von ihm gelesen? Seine Erzählung in diesem Band hat mir auch besonders gut gefallen, er scheint in der Tat ein großer Genießer zu sein, bei allem was er tut …

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    dasgrauesofa
    March 27, 2013 at 5:22 pm

    Liebe Mara,
    ich glaube, um das Buch werde ich bei meinem nächsten Buchladenbesuch auch nicht drumherum kommen. Hört sich wirklich lecker und anregend an – obwohl: Haifisch aus der Mirkrowelle? Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Und wo kann man hier wohl Haifisch kaufen? 🙂 Naja, ich habe aus Deiner Besprechung auch eher herausgelsen, dass es um die wirklich tolle Idee des Buches geht: Rezept plus Geschichte. Und das ist wirklich spannend. Werde ich mir zulegen. Ganz sicher.
    Liebe Grüße, Claudia

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 29, 2013 at 7:22 pm

      Liebe Claudia,
      es freut mich sehr, dass ich dich neugierig machen konnte auf dieses wunderbare und ungewöhnliche Buch. 🙂 Lecker und anregend war die Lektüre auf jeden Fall, ich wünschte nur, ich hätte mehr Talent in der Küche, um die tollen Rezeptideen auch umsetzen zu können.
      Da wir in einem vegetarischen Haushalt leben, ist der Haifisch in der Mikrowelle bei uns auch nicht wirklich gut angekommen, eine Meinung dazu wollte ich mir in der Besprechung selbst aber verkneifen. Seit einer Lesung von der Autorin in Bremen, schätze ich Ruth Klüger sehr, schon ihr Buch “weiter leben” hatte mich beeindruckt.
      Das beeindruckende an dem Buch ist in der Tat die Idee, dass man Rezept und Literatur, Essen und Geschichte verknüpft und wie unterschiedlich die Autoren und Autorinnen dies tun. Das lädt einfach ein zum Entdecken und Stöbern.
      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    Karo
    March 28, 2013 at 8:46 am

    Jetzt hab ich Hunger 🙂

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 28, 2013 at 6:26 pm

      Schön, dass freut mich! 🙂 So erging es mir auch bei der Lektüre des Buches. Nur bei den Kutteln hatte ich keinen Hunger, die Beschreibung der Zubereitung klingt doch einfach zu ungewöhnlich.

  • Reply
    Eva Jancak
    March 28, 2013 at 11:35 am

    Eine spannende Idee, das Kochen mit der Literatur und den Schriftstellern zusammenzubringen. Essen tun alle und die Kochbücher sind, glaube ich, auch immer ein Verkaufserfolg.
    Berühmte Namen, die da mitgekocht und mitgeschrieben haben, das zieht dann bei den Literaturinteressierten…
    Wahrscheinlich gibt es auch schon einige solcher Anthologien, ich kan mich jedenfalls an eines aus dem Sonderzahl Verlag, ein kleiner österreichischer, wahrscheinlich Indie, Verlag, erinern, der die österreichische Autorenschaft in das Wiener Integrationshaus schickte und dort mit den Asylwerbern kochen, bzw ihre Geschichten aufschreiben ließ. Rezepte gab es dazu’natürlich auch. Rolf Schwendter, der österreichische GAV-Präsident, auch ein Feinschmecker und Vielesser, als er noch jung und gesund gewesen ist, hat mehrere Kochbücher und darunter einige über die “Arme Leute Küche”,verfasst und Lojze Wieser vom Wieser Verlag ist auch ein begnadeter Koch, der auf der Buch-Wien aufkochte, wie ich ja überhaupt bemerkte, daß ich auf der Buch-Wien, wo es eine Koch-Bühne gibt, wo die Haubenköche und ihre Ghostwriter aufkochen, sehr oft dort zu finden bin.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      March 29, 2013 at 7:29 pm

      Ja, Kochbücher sind glaube ich wirklich immer ein Verkauferfolg. Mittlerweile machen ja auch viele Prominente Kochbücher, erst letztens stolperte ich in der Buchhandlung über ein Backbuch von Enie van de Meiklokjes und war erstaunt, dass die nun auch auf diesem Bereich tätig sind.
      Ich kannte solche Anthologien bisher noch nicht, an dieser finde ich besonders spannend, dass sie eben nicht nur Rezepte vereinigt, sondern man auch durch die Texte ganz unterschiedliche Autoren entdecken kann. Ich kannte vorher zum Beispiel Brigitte Kronauer noch gar nicht und bin nun sehr neugierig auf sie geworden. Auf jeden Fall eine sehr schöne Idee von diesem literarischen Trio, die mich daran erinnert hat, das ich nun auch endlich mal das Buch von Angelika Overath entdecken möchte, das schon so lange ungelesen in meinem Regal steht: “Alle Farben des Schnees”.

  • Reply
    B.ee
    March 29, 2013 at 8:42 am

    Das ist ja mal eine schöne Entdeckung! Leider gibt es das in der Bibliothek derzeit nicht. Aber ich habe es auf meine “Schnüffelliste” geschrieben und werde es im Auge behalten.
    Beim Suchen im OPAC der Bücherei habe ich jedoch ein Werk den dreien entdeckt, das “Genies und ihre Geheimnisse” heißt. Das klang auch spannend und ich werde es mir beim nächsten Besuch mal besorgen.

  • Reply
    Elke
    March 30, 2013 at 9:20 pm

    Hallo und guten Abend! Ich habe dieses Buch vor ca. einem Vierteljahr “verschlungen” (das passt doch oder?) und war wirklich sehr angetan a) über die sehr schönen Geschichten zu den Rezepten und b) über die Rezepte an sich. Sehr empfehlenswert und ich werde es sicherlich auch verschenken. Ein Tipp von mir und auch sehr lesenswert: “Schlaraffenland” von Stevan Paul, sehr schöne short stories und an jede Geschichte das entsprechende Rezept! Stevan Paul betreibt auch einen Blog: http://www.nutriculinary.com. Beim nächsten Besuch in der Buchhandlung mal danach Ausschau halten! Und nun allen ein frohes Osterfest!

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 2, 2013 at 10:23 am

      Liebe Elke,
      erst einmal freue ich mich sehr über deinen Besuch bei mir und heiße dich herzlich willkommen! Aber gleichermaßen freue ich mich natürlich auch über deinen Kommentar und darüber, dass dir dieses zauberhafte Buch ähnlich gut gefallen hat wie mir – “verschlungen” ist in diesem Zusammenhang sicherlich ein sehr passendes Wortspiel. Von Schlaraffenland und dessen Autor habe ich bisher noch nie gehört, ich habe mir den Titel aber sofort notiert und werde mir das Buch mal anschauen! Danke für diesen tollen Tipp! 🙂

  • Reply
    Petra Gust-Kazakos
    April 3, 2013 at 10:23 am

    Klingt wirklich gut – kommt auf die Liste : )

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      April 4, 2013 at 2:45 pm

      Freut mich, ich glaube, du könntest Spaß an dem Buch haben! 🙂

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