Die gestrige Süddeutsche Zeitung titelte auf ihrer ersten Seite mit der Schlagzeile: “Suhrkamp in Not”. Einer der berühmtesten Verlage Deutschlands sah sich nämlich am Montag dazu gezwungen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Gleichzeitig beantragte der Verlag das sogenannte “Schutzschirmverfahren”. Dieses noch recht neue Verfahren sorgt dafür, dass die Geschäftsführung weiter handlungsfähig bleiben kann.
“Doch so dramatisch, wie die Lage ist, so verfrüht, sind die Grabreden.”
Für den Suhrkamp Verlag kann in der scheinbaren Notlage, aber auch eine Chance zu einem Neubeginn liegen und eine Chance dazu, den verfeindeten Gesellschafter Hans Barlach loszuwerden. Darauf verweist nicht nur die Süddeutsche Zeitung, sondern auch der SPIEGEL. Streit und Querelen überschatten den Verlag übrigens schon seit mehr als zehn Jahren und begannen mit dem Tod des Verlegers Siegfried Unselds im Jahr 2002.
Die Süddeutsche Zeitung widmet sich dem Suhrkamp Verlag nicht nur auf dem Titelblatt, sondern auch auf einer ganzen Zeitungsseite des Feuilletons. Sehr lesenswert ist auch der Blick von Lothar Müller in die Herbstkataloge des Suhrkamp Verlages. Dort ist von dem schwelenden Konflikt und der drohenden Krise nämlich nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil: auch in diesem Bücherherbst hat der Suhrkamp Verlag mit Gunther Geltinger, Marion Poschmann, Alber Ostermaier und Andreas Maier spannende Autoren und Autorinnen im Programm. Einen Blick in das Herbstprogramm kann man übrigens hier werfen!
Ich hoffe darauf, dass aus Suhrkamps Not ein Neubeginn werden kann und dass uns dieser spannende und vielfältige Verlag erhalten bleiben wird.


15 Comments
Karo
May 29, 2013 at 12:35 pmIch blicke durch diesen Gesellschafterstreit, der auf dem Rücken des Verlags ausgetragen wird, ehrlich gesagt schon lange nicht mehr durch. Und ich habe das Gefühl, den Medienberichterstattern geht es ähnlich. Ich kenne den Artikel aus der Süddeutschen nicht, aber bis jetzt konnte noch kein journalistischer Beitrag mir die Problematik wirklich begreiflich machen. Ständig lese ich nur die Hard Facts über Paragraphen und den ganzen Juristereikram. Die unzulängliche Berichterstattung beschäftigt mich mittlerweile mehr als dieser Rechtsstreit. Ich warte auf den ersten Journalisten der mal ehrlich (und emotional und meinetwegen subjektiv) schreibt, dass sich hier zwei große Kinder um eine Schippe streiten. Ich wünsche dem Suhrkamp Verlag jedenfalls von Herzen alles, alles Gute für die Zukunft!!!
buzzaldrinsblog
May 29, 2013 at 12:59 pmLiebe Karo,
ich danke dir für deine ehrlichen Worte, da es mir ähnlich geht. 🙂 Bevor der Streit im Dezember so richtig hochgekocht ist, hatte ich von den Auseinandersetzungen auch nur wenig mitbekommen. Seitdem bemühe ich mich darum, mich zu informieren, habe aber nicht unbedingt das Gefühl, wirkliche Einblicke zu gewinnen, geschweige denn zu verstehen, worum es eigentlich geht. Der Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der von Thomas Steinfeld und Andreas Zielcke stammt, erklärt aber in der Tat ganz gut die Problematik, ohne dabei zu juristisch zu werden. Doch dann geht es plötzlich wieder um Unternehmensgewinne, Mehrheitsgesellschafter, Anteile … und mir schwirrt der Kopf. Ich wünschte auch, dass es irgendwann einen verständlichen Artikel geben würde, der auch Lesern ohne juristisches Hintergrundwissen einen guten Überblick über die verfahrene Situation geben könnte. Aber vielleicht hast du recht mit deiner Vermutung, dass es sich im Grunde um einen “Sandkastenstreit handelt, den man nicht verstehen kann und kein Journalist sich traut, dass so direkt zu formulieren. Die Emotionen scheinen ja auch schon sehr hochgekocht zu sein, Peter Handke hat Hans Barlach zum Beispiel als Satan bezeichnet.
Ich blicke auf jeden Fall kaum durch dieses Schlamassel durch und hoffe einfach nur, dass uns der Suhrkamp Verlag erhalten bleiben wird. 🙂
Karo
May 29, 2013 at 1:54 pmWahrscheinlich wird jeder verklagt, der ein böses Wort schreibt 😉 Ich sehe es aber auch als Aufgabe der Zeitungsmacher dem Leser Orientierung und Einordnung in ein so hochkomplexes Verfahren zu geben. Und auch eine eigene Meinung zu vertreten – die muss man ja als Leser nicht unbedingt teilen. Auf jeden Fall sind wir uns einig, dass Suhrkamp erhalten bleiben MUSS!!! Also hoffentlich findet sich ein Investor!
buzzaldrinsblog
May 31, 2013 at 10:10 amLiebe Karo,
einen ganzen guten Überblick bietet die gesammelte Presseschau zu Suhrkamp beim Buchreport:
http://www.buchreport.de/nachrichten/verlage/verlage_nachricht/datum/2013/05/31/spekulationen-um-suhrkamp.htm
Dort wird übrigens auch über mögliche Investoren spekuliert. Michael Krüger bringt mit einem Augenzwinkern unter anderem Uli Hoeness ins Spiel. 😉 Ich hoffe auch, dass sich ein Verleger finden wird.
Das Interview von Jo Lendle, auf das du, Eva, dich beziehst, findet sich übrigens hier: http://www.literaturcafe.de/kuenftiger-hanser-verleger-jo-lendle-verlage-sind-schon-heute-nicht-mehr-noetig/ Die Headline, die sich zu diesem Interview danach über all verbreitet hat, ist sicherlich etwas überspitzt formuliert gewesen.
Liebe Grüße
Mara
Karo
May 31, 2013 at 12:12 pmLiebe Mara,
ganz lieben Dank für die zwei Links! Der Buchreport-Artikel zu Suhrkamp ist wirklich hilfreich und enthält für mich den entscheidenden Hinweis von Michael Krüger: Nämlich, dass Hans Barlach solange nicht aussteigt, bis er sein Geld (durch einen Investor) zurückbekommt. Wobei die Frage ist, ob er nicht doch wieder Verlegerambitionen zurückentwickelt, sobald Suhrkamp wieder flüssig ist…
Was den Vortrag von Jo Lendle angeht, so verstehe ich die Aussage “Verlage sind nicht mehr nötig” eben so, dass jeder heute dank digitaler Medien publizieren kann – auf faktischer Ebene ist das einfach eine Wahrheit. Die Frage bleibt dann halt, inwiefern sich das auf die Qualität der Texte auswirkt…Verlage sind natürlich kein Allheilmittel für Qualität, sondern nur gegen Quantität – sie selektieren. Das ist vielleicht nicht immer die ideale Lösung, aber das einzige Modell, das wir bisher kennen.
buzzaldrinsblog
May 31, 2013 at 4:26 pmLiebe Karo,
gern geschehen! Ich freue mich, dass beide Links etwas weiterhelfen konnten. Die Rolle von Hans Barlach ist für mich wirklich undurchsichtig, vor allem auch sein eigentliches Interesse am Verlag oder am Verlegen von Büchern – das scheint ja nicht ganz so groß zu sein. In der SZ las ich von seiner Idee, dass Suhrkamp keine neuen Bücher mehr veröffentlichen sollte, sondern nur noch Titel von der Backlist. Eine solche Idee kann doch nur von jemandem kommen, der mit Büchern und Verlagen nix am Hut hat. 😉
In der SZ von heute wird auch über die Rede von Jo Lendle berichtet und Lothar Müller fokussiert sich dabei vor allem auf den schon so häufig zitierten Satz: “Verlage sind nicht mehr nötig”. Schade, dass die interessante Rede von Jo Lendle lediglich auf diese reißerische Schlagzeile reduziert wird. Ich verstehe den Satz genauso wie du: die Möglichkeiten ohne Verlage zu produzieren wachsen stetig, daraus sollte jedoch nicht unbedingt der Schluss gezogen werden, dass Verlage nicht mehr nötig sind, sondern ganz im Gegenteil: die Verlage sollten noch viel stärker um ihre Funktion und Daseinsberechtigung kämpfen. Die Filterfunktio der Verlage sorgt zumindest ein Stück weit dafür, dass wir nicht überschwemmt werden von irgendwelchen selbsternannten Bestsellerautoren.
jancak
May 29, 2013 at 2:28 pmIch denke auch, daß man das Ganze durch die Zeitungsberichterstattung nicht wirklich mitbekommen wird, noch dazu wenn man sich nicht wirklich dafür interessiert und sich viel Zeit für die Recherchen nimmt, so verfolge ich das Ganze nur ein bisschen durch die http://www.buecher.at Seite und kenne mich viel zu wenig aus, als daß ich irgendjemand was wünsche würde und verfolge nur ganz allgemein, wiees weitergeht.
Bücher wird es wahrscheinlich immer geben, aber vielleicht in E-Book Form und vielleicht braucht man dann Verlagskonzerne, wie Suhrkamp etc nicht mehr, zumindestens hat Jo Lendle, der neue Hanser-Verleger, im literaturcafe.de neulich so was anklingen lassen und für den allerschlimmsten Notfall haben wir wohl alle noch genügend Bücher in den Regalen aufgestapelt, aber im Ernst, Norbert Gstrein hat ein Buch über “Suhrkamp”- “Die ganze Wahrheit”, einen sogenannten Schlüsselroman geschrieben, der zwar schon ein paar Jahre alt ist, mit dem man sich beschäftigen kann, während man abwartet, wie die Sache weitergeht.
Karo
May 29, 2013 at 6:18 pm@jancak: Bei Suhrkamp gibt es sicher viel Geklüngel – das ist in altehrwürdigen Verlagshäusern leider so und irgendwie ärgerlich. Natürlich ist es jedem selbst überlassen, ob er dem Unternehmen das Überleben wünscht oder nicht. Für mich ganz persönlich steht Suhrkamp immer noch für Anti-Mainstream, E-Literatur und Qualität.
Zu deiner Aussage: “Bücher wird es wahrscheinlich immer geben, aber vielleicht in E-Book Form und vielleicht braucht man dann Verlagskonzerne, wie Suhrkamp etc nicht mehr”
Da muss ich leider vehement widersprechen, weil du hier zwei Sachen durcheinanderwirbelst: E-Books werden sicher immer mehr an Stellenwert gewinnen. Da hast du sicher Recht. Verlage wie Suhrkamp stellen ihr Programm deshalb immer mehr auf Digitalisierung um – es gibt sogar reine E-Book-Publikationen bei Suhrkamp zu aktuellen Sachthemen. Aber warum brauchen wir deshalb bitte keine Verlage mehr??? Wer berät, betreut, unterstützt, lektoriert und korrigiert dann in Zukunft die Autoren und ihre Romane? Ich persönlich habe keine Lust halbgare Erzählstoffe mit Rechtschreibfehlern zu lesen. Selbst ein Pulitzer-Preisträger ist auf ein gutes Lektorat angewiesen!
Soll jeder Autor in Zukunft seine Lesereisen, Pressetermine, die Buchgestaltung seiner Bücher selbst organisieren? Ich habe wirklich überhaupt nichts gegen die Self Publisher-Bewegung, aber professionalisierte Verlage sind essentiell für die Qualität von Literatur und die Organisation des Buchmarktes! Ich finde es sehr schade, dass das viel zu häufig nicht honoriert wird.
jancak
May 29, 2013 at 9:02 pmWar nicht wirklich meine Meinung, da ich die Veränderungen, die sich in nächster Zeit im Buchmarkt ergeben werden, nicht abschätzen kann, ich habe mich eher auf den Artikel mit Jo Lendle bezogen, der hier eine etwas prokovative Meinung hatte. Ich warte ab was passieren wird und wie kritisch Suhrkamp ist oder nicht ist, kann ich auch nicht abschätzen, habe aber schon einige interessante Bücher gelesen. Vielen Dank für die lange Antwort
Karo
May 30, 2013 at 7:42 amEine Glaskugel, mit der man in die Zukunft schauen kann, hat ja keiner (oder etwa doch?) Es gibt da sicher verschiedene Meinungen, aber ich habe halt eine sehr entschiedene, die ich immer wieder flammend vertrete 😉
B.ee
May 30, 2013 at 7:42 pmLiebe Mara,
danke für den Einblick in den Artikel. Ich wollte mir die Süddeutsche an dem Tag noch holen und dann ging es irgendwie unter.
buzzaldrinsblog
May 31, 2013 at 9:48 amLiebe Bee,
gern geschehen! 🙂 Lustigerweise hat die FAZ am selben Tag ja mit dem gleichen Titelbild aufgemacht – ein interessanter Zufall. 😉 Der ausführliche Artikel war wirklich ganz lesenswert und gut dazu geeignet, sich mal einen Überblick zu verschaffen. Vielleicht stößt du ja noch online darauf!
B.ee
June 2, 2013 at 9:28 amIn der akutellen Zeit habe ich jetzt auch den Beitrag drüber entdeckt. Werde berichten, sobald ich ihn gelesen habe.
buzzaldrinsblog
June 3, 2013 at 2:26 pmOh ja, ich bitte darum! 🙂 In der Literarischen Welt gab es auch ein ganz unterhaltsames fiktives Interview von den Beteiligten – das Thema scheint im Moment überall eine große Rolle zu spielen und ich bin gespannt, wie es weitergehen wird.
Suhrkamp – Streit um Streit und das was bleibt | skyaboveoldblueplace
June 29, 2013 at 5:56 pm[…] noch einige weiterführende Links zum Suhrkamp-Rauschen im Blätterwald, auf das Mara im Mai auf buzzaldrins Bücher schon hingewiesen […]