Es ist spät am Nachmittag und der erste Tag der Buchmesse neigt sich dem Ende zu. Alina Bronsky, die durch ihren Roman “Scherbenpark” berühmt wurde und in diesem Herbst mit “Nenn mich einfach Superheld” einen weiteren lesenswerten Roman vorgelegt hat, nimmt sich dennoch die Zeit, sich mit mir noch zu einem Interview zu treffen.
Ihr Roman “Scherbenpark” wurde erfolgreich verfilmt, wie intensiv waren Sie an der Produktion beteiligt?
Beteiligt war ich leider gar nicht. Oder – was heißt leider? Es hat sich so entwickelt, dass ich nur einmal kurz zu Besuch bei den Dreharbeiten war und ansonsten aber wirklich nur als Zuschauerin fungierte. Ich war weder am Drehbuch, noch in irgendeiner anderen Form in das Prozedere involviert.
Konnten Sie sich und Ihren Roman in der filmischen Umsetzung denn trotzdem wiederfinden? Waren Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Ja, auf jeden Fall! Natürlich muss ein Drehbuch die Handlung sehr reduzieren und sich für einzelne Handlungsstränge entscheiden, oder auch manche umschreiben – damit konnte ich aber auch gut leben und war eher erstaunt, dass ich das Gefühl hatte, ganze Textstellen wieder finden zu können. Es gab Dialogszenen, aber auch andere Szenen, die wirklich fast wie aus dem Buch und von den Seiten geschlüpft wirkten.
Wie halten Sie es persönlich mit Literaturverfilmungen? Lesen Sie lieber das Buch oder schauen Sie lieber den Film?
Also als Autorin müsste ich natürlich sagen, ich lese viel lieber die Bücher, aber das stimmt überhaupt nicht. Wenn mich ein Buch interessiert hat, gucke ich mir auch sehr gerne die Filme dazu an. Wobei es umgekehrt oft der bessere Weg ist: wenn man zuerst den Film anguckt und dann die Vorlage kennen lernt, ist man meistens zufriedener, als umgekehrt.
Und welches war die letzte Literaturverfilmung, die Sie sich angesehen haben?
“Die Tribute von Panem”! Ich finde, dass das eine großartige Trilogie ist und man kann in diesem Fall auch absolut von Literatur sprechen.
Haben Sie denn Ihren neuen Roman “Nenn mich einfach Superheld” mit der Möglichkeit einer Verfilmung im Hinterkopf geschrieben oder völlig frei davon?
Es war nicht so, dass ich es zielgerichtet darauf angelegt hätte, aber wenn man einmal die Erfahrung gemacht hat und die auch so wunderbar war, dann schreibt man immer ein bisschen – zumindest war das bei mir der Fall – mit dieser Vorstellung im Hinterkopf. Ich habe mich beim Schreiben immer mal wieder gefragt, ob man einzelne Szenen filmisch umsetzen könnte. Beispielsweise die Tatsache, dass bei meinem Protagonisten nicht klar ist, wie er aussieht: er ist ein bisschen maskiert, trägt eine Sonnenbrille und man weiß nicht, wie entstellt er wirklich ist. Wie man das filmisch umsetzen könnte, war schon ein Gedanke, der mir beim Schreiben gekommen ist.
Vom Film zur Literatur, ich würde gerne kurz über Ihren ungewöhnlichen Werdegang sprechen: Sie haben zunächst Medizin studiert, wie sind Sie dann zum Schreiben gekommen?
Schreiben wollte ich eigentlich schon immer. Deshalb war der Übergang gar nicht so abrupt, wie er Außenstehenden vielleicht vorkommen könnte. Ich hatte nach dem Abitur versucht, etwas Konventionelleres zu machen, mit dem Gedanken im Hinterkopf, einen richtigen Beruf zu ergreifen und habe dann das Medizinstudium begonnen. Ich habe es aber abgebrochen, weil mir schnell klar wurde, dass das doch nichts für mich ist.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, für die Veröffentlichung Ihrer Bücher ein Pseudonym zu verwenden und welche Bedeutung steckt hinter dem Namen, den Sie sich ausgesucht haben?
Der Name war mir irgendwann einfach so als Ganzes eingefallen und in dem Moment – ich glaube, es war Nachts im Traum, aber ich kann mich nicht genau erinnern – hatte ich das Gefühl, einen Namen gefunden zu haben, der auch noch sehr gut zu mir passt. Er passte auch sehr gut zu dem Buch “Scherbenpark”, das damals bald erscheinen sollte. In dem Namen sind viele Assoziationen versteckt: zum Teil persönlicher Natur, zum Teil aber auch allgemein – beispielsweise der Name Bronsky, der ein alter Immigrantenname ist. Bronsky ähnelt auch meinem richtigen Namen. Da hatte ich dann einfach das Gefühl, der Name passt.
Hatte die Entscheidung, ein Pseudonym zu verwenden einen besonderen Hintergrund?
Ich wollte mich gerne ein Stück weit dahinter verstecken. Ich hatte damals das Gefühl, dass ein Buch etwas ist, mit dem ich mich öffne und exponiere und das so sehr, dass ich das nicht unbedingt persönlich tun muss, also mit dem eigenen Namen. Wenn auf dem Buch wirklich noch mein eigener Name draufstehen würde, wäre das für mich irgendwie zu viel gewesen. Wobei ich mich heute frage – gerade auch, weil es zu einer Art Doppelleben führt, das mich auch anstrengt – ob ich diese Entscheidung noch einmal so treffen würde.
Haben Sie damals bereits Ihr Manuskript mit dem Pseudonym eingereicht?
Nein, nein – das habe ich noch mit meinem richtigen Namen eingereicht. Erst während des Lektorats hat sich der Wunsch nach einem Pseudonym entwickelt.
War dieser Wunsch für Ihren Verlag etwas Ungewöhnliches?
Ich weiß gar nicht mehr ganz genau, wie das damals war. Vielleicht hat es sogar für etwas Erstaunen gesorgt, weil die meisten Autoren veröffentlichen dann doch unter ihrem richtigen Namen. Vielleicht hat man sich kurz gewundert, es war aber kein Problem.
Noch einmal zu Ihrer persönlichen Geschichte: Sie wurden in Russland geboren, veröffentlichen aber Ihre Texte auf Deutsch, wie kam es zu dieser Entscheidung?
Das hat sich einfach ergeben, weil ich in Deutschland lebe und damals auch schon lebte und auch gerne in dem Umfeld veröffentlichen wollte, in dem ich lebte und nicht in dem fernen Russland. Da hat sich das Deutsche natürlich angeboten.
Wie ist Ihr Verhältnis zur deutschen Sprache? Gibt es Aspekte, die Sie daran besonders faszinieren?
Es war nicht direkt eine bewusste Entscheidung für diese Sprache, sondern meine Familie ist nach Deutschland emigriert und deshalb habe ich auch Deutsch gelernt. Aber was ich an der Sprache schätze, ist die Präzision: man kann die Dinge sehr klar ausdrücken und das ist für mich als Autorin natürlich sehr schön.
Ihr neuer Roman ist pünktlich zur Buchmesse erschien. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie ein Buch abgeschlossen haben und es endlich in den Läden liegt?
Es dauert immer eine gewisse Zeit, bis das Buch wirklich im Buchladen ausliegt. Wenn ein Roman abgeschlossen ist, geht er erst einmal in das Lektorat und irgendwann dann in die Produktion und das dauert häufig alles Monate lang. Das bedeutet, das Buch liegt nicht plötzlich in den Läden, sondern ich arbeite viele Monate daraufhin. Und im Laufe dieser Zeit gibt es immer wieder Stationen, wo ich einen Punkt setze und denke “Okay, jetzt ist das abgeschlossen” und man entfernt sich immer weiter davon und arbeitet immer mehr auf ein Endergebnis hin. Wenn ein Buch abgeschlossen ist, ist da keine Leere, aber ich habe schon das Gefühl, ziemlich viel Arbeit geleistet zu haben – natürlich auch zusammen mit anderen.
Nach so viel Arbeit denken Sie jetzt wahrscheinlich noch nicht an neue Projekte?
Nein. Diesmal möchte ich mir auch wirklich eine Pause nehmen, weil ich jetzt in den letzten Jahren relativ viele Bücher in kurzer Zeit veröffentlicht habe und das war keine bewusste Entscheidung, sondern es hat sich so ergeben. Die Geschichten kamen. Aber jetzt wäre eine Pause wohl mal angesagt.
21 Comments
Nanni
October 23, 2013 at 12:02 pmEin sehr interessantes Interview.
Ich lese Alina Bronskys Bücher sehr gerne. Letztes Jahr auf der BM habe ich eins ihrer Bücher von ihr signieren lassen und sie hat einen wirklich sehr sympathischen Eindruck gemacht.
LG Nanni
buzzaldrinsblog
October 25, 2013 at 7:10 pmLiebe Nanni,
ich freue mich über deinen Besuch und deinen Kommentar! 🙂 Einen sehr sympathischen Eindruck hat Alina Bronsky auf mich auch gemacht, in ihren Antworten war sie sehr freundlich, aber auch sehr überlegt. Habe ich erwähnt, dass ich ihren neuen Roman auch empfehlen kann? Kaufen! 😀
Liebe Grüße
Mara
Klappentexterin
October 23, 2013 at 12:31 pmEin schönes Interview, liebe Mara, und spannend dazu, wie ein gutes Buch. Bei der Biographie musste ich gleich ein bisschen an Lena Gorelik denken, weil sie auch aus Russland stammt und so wunderbar erfrischende Bücher schreibt. Weißt du zufällig, ob sich die beiden kennen?
Viele Grüße
Klappentexterin
buzzaldrinsblog
October 25, 2013 at 7:06 pmLiebe Klappentexterin,
ob sie sich kennen, weiß ich leider nicht – lustigerweise hat Lena Gorelik aber ihren aktuellen Büchertipp, nachdem ich sie gefragt hatte, mit einem Hinweis auf das neue Buch von Alina Bronsky beantwortet. 🙂 Eine schöne Empfehlung, bei der ich ihr nur beipflichten kann!
Liebe Grüße
Mara
Linus Oskari
October 23, 2013 at 5:33 pmIch glaube die genannte Pause hat sie sich verdient 🙂
buzzaldrinsblog
October 25, 2013 at 6:56 pmOh ja, ich glaube auch – nach so vielen erfolgreichen Büchern, in so kurzer Zeit! 😀
macg82
October 24, 2013 at 12:00 pmEin sehr schönes Interview und in meinen Augen auch sehr authentisch gehalten. Keine Floskeln, sondern ehrliche Antworten, bei denen ich beim ersten Lesen etwas erschrocken bin, da sie mir etwas schroff vorkamen. Doch bei mehrmaligem Durchgehen des Interviews relativiert sich dieser Punkt. Bitte mehr davon.
buzzaldrinsblog
October 25, 2013 at 7:02 pmDanke für das viele Lob, ich freue mich sehr, dass das Interview auf Interesse stößt – ich sitze gerade schon an der Transkription der nächsten Interviews, leider ist das immer sehr aufwendig, die schönen Rückmeldungen hier beflügeln mich jedoch, noch schneller zu sein! 😀
Zeilenkino
October 24, 2013 at 4:27 pmEin sehr interessantes Interview! Bei “Scherbenpark” sollte man auf jeden Fall erst den Film gucken, bevor man das Buch liest. Sonst wird man nach meiner Einschätzung enttäuscht sein (auch wenn Alina Bronsky mit der Verfilmung zufrieden ist. ;-))
buzzaldrinsblog
October 25, 2013 at 6:55 pmIch habe bisher nur das Buch gelesen, die Verfilmung von “Scherbenpark” kenne ich selbst noch nicht, möchte mir den Film aber unbedingt noch anschauen und hoffe sehr darauf, danach nicht enttäuscht zu sein. 🙂
Karo
October 24, 2013 at 6:13 pmLiebe Mara, da du ja bereits angekündigt hast, dass du in Frankfurt einige Autoreninterviews geführt hast, war ich schon ganz gespannt. Dieses Interview hat sich wirklich gelohnt, weil es super gesprächig ist und man viel Neues erfährt. Ich bin gespannt, was da noch kommt 😉 Lg, Karo
buzzaldrinsblog
October 25, 2013 at 6:52 pmLiebe Karo,
ich danke dir für deine lobenden Worte, über die ich mich besonders gefreut habe, da ich mir mit Interviews häufig immer noch etwas unsicher bin, ob das auch auf das Interesse meiner Blogleser stößt oder nur mich selbst interessiert. 😉
Liebe Grüße
Mara
Buecherphilosophin
October 24, 2013 at 7:38 pmDu hast Alina Bronsky getroffen?! Mensch, jetzt bin ich aber ein klein wenig neidisch. Sie ist nämlich seit “Scherbenpark” und der “tatarischen Küche” eine meiner deutschen Lieblingsautorinnen. Ihren neuen Roman muss ich allerdings noch lesen.
Tolles Interview übrigens! Es muss schön sein mal von Angesicht zu Angesicht Fragen stellen zu können. Abgesehen von Vea Kaiser machst Du deine Interviews über Email, oder nicht? Im nächsten Jahr möchte ich auch unbedingt zur Messe fahren… mal sehen ob das klappt.
LG, Katarina 🙂
buzzaldrinsblog
October 25, 2013 at 6:51 pmLiebe Katarina,
genau, das Interview mit Alina Bronsky war erst das dritte “live” Interview, wenn man das so sagen möchte und dementsprechend aufgeregt war ich auch. Sie ist aber wirklich sehr freundlich und sympathisch und es war ein schönes Gespräch! 🙂 Auch ich habe “Scherbenpark” verschlungen, aber auch ihr neuester Roman ist anders, aber dennoch sehr lesenswert!
Liebe Grüße
Mara
mickzwo
October 25, 2013 at 1:40 pmDu schreibst nicht nur wie der Teufel, Du hast auch noch Alina Bronski kennen gelernt. Zu Beidem sei Dir auch von mir herzlich gratuliert. Den Titel Scherbenpark habe ich verschlungen und so auch besporchen. Das neue Buch kommt wegen dem Interview und Deiner Besprechung ganz nach oben auf meine Leseliste. Danke für den Tipp und danke für Deine Arbeit!!!
Alles Liebe, mick 🙂
buzzaldrinsblog
October 28, 2013 at 7:55 pmLieber mick,
und ich danke dir für all das Lob und die lieben Worte – über solche Rückmeldungen freue ich mich sehr. 😀 Bei der Lektüre von Alina Bronskys neuem Roman wünsche ich dir ganz viel Spaß und Freude und bin schon gespannt auf deine Meinung.
Liebe Grüße
Mara
mickzwo
October 25, 2013 at 1:41 pmBronsky bitte mit “y”. mick.
Ilja
October 29, 2013 at 6:02 pmSchönes Interview! 🙂
Hätte ja vermutet, dass das Pseudonym vielleicht an Joseph Brodsky anlehnt 😉 Ansonsten hast du interessante Fragen gestellt. Ich hätte eventuell noch gefragt, wie sie ihre Literatur mit der Familie untere einen Hut bekommt (mal gelesen, dass sie vierfache Mutter ist). 😉
Ihr Neues liegt bereits auf meinem Stapel. „Scherbenpark“ fande ich toll.
buzzaldrinsblog
October 30, 2013 at 11:53 amLieber Ilja,
schön, dass dir das Interview gefallen hat! 🙂 Ja, deine Frage danach, wie Alina Bronsky ihren Alltag als vierfache Mutter und Schriftstellerin bewältigt, wäre sicherlich noch ein spannende Frage gewesen. Ich habe sie mir für das nächste Interview notiert. 😉
Ich bin gespannt, wie dir ihr neuer Roman gefallen wird.
Liebe Grüße
Mara
Alina Bronsky – Nenn mich einfach Superheld | Muromez
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