Henning Mankell hat gestern auf seiner eigenen Homepage bekannt gegeben, dass er an Krebs erkrankt ist: “Ich hatte einen Tumor im Nacken und außerdem einen Tumor in der linken Luge. Außerdem war zu erahnen, dass der Krebs bereits auf andere Körperteile gestreut haben könnte.” Diese niederschmetternde Diagnose erhielt der erfolgreiche Schriftsteller vor nicht gerade einmal zwei Wochen, dennoch ist er bereits jetzt dazu bereit, über seine Krebserkrankung in einer Kolumne zu schreiben. Die Perspektive möchte er dabei nicht auf den drohenden Tod legen, sondern auf das Leben und darauf, weiterzuleben. Diese Kolumnen werden in der FAZ in loser Folge veröffentlicht, aus dem Schwedischen übersetzt von Matthias Hannemann.
Hennig Mankell ist nicht der erste Schriftsteller, der seine Erkrankung öffentlich thematisiert: vor ihm taten dies bereits Christoph Schlingensief, Wolfgang Herrndorf und Jeff Jarvis, neben einigen anderen. Dabei taucht immer wieder die Frage auf, warum treten diese Menschen überhaupt mit ihrer Krankheit in die Öffentlichkeit? In der FAZ wird diese immer wiederkehrende Frage als “K-Frage” bezeichnet. Manche fordern sogar rigoros, dass über diese Krankheiten geschwiegen werden sollte. Henning Mankell beschreibt die Motivation zu seiner Kolumne mit dem Anliegen, dass es sich um Schmerzen handelt, “die auch viele andere Menschen beträfen”.
Natürlich gibt es mittlerweile eine ganze Industrie der Krebsliteratur und die Frage, warum es diese gibt, ist berechtigt. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass es Menschen gibt, die ihre Sorgen und Nöte in Bezug auf ihre Krebserkrankung thematisieren. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass es Menschen gibt, wie Wolfgang Herrndorf, die zeigen, dass es auch andere Wege geben kann. Die Erkrankung Krebs ist da, überall ist jemand betroffen und doch bleibt diese Erkrankung seltsam fremd. Für Christoph Schlingensief oder Wolfgang Herrndorf ist das Schreiben die nächstliegendste Ausdrucksform, denn sie sind beide Autoren gewesen und ich finde es gut, dass sie geschrieben haben. Genauso gut finde ich es, dass Henning Mankell sich entschieden hat, darüber zu schreiben ….
18 Comments
magguieme
January 30, 2014 at 5:36 pmEin “Gefällt mir” ist diesbezüglich eigenartig, doch ich bedanke mich damit für diese Nachricht. Ich hoffe, dass jede und jeder den ganz eigenen Weg findet, mit einer solchen Diagnose umzugehen. Dass Autoren schreiben, scheint mir schlüssig und doch nur eine Variante.
buzzaldrinsblog
January 30, 2014 at 5:39 pmDas Schreiben ist für Autoren wohl das Naheliegendste. Ich glaube einfach, dass es für Angehörige und Erkrankte wichtig sein kann, an diesen Krankheitsgeschichten teilnehmen zu können. Das muss nicht einmal Krebs sein, letzte Woche habe ich den Dokumentarfilm “vergiss mein nicht” gesehen, in dem David Sieveking die Demenzerkrankung seiner Mutter dokumentiert. Ich finde solche Berichte aus dem Leben immer sehr interessant, man kann von den Erfahrungen anderer häufig nur profitieren – in der ein oder anderen Form.
Nebenbei: danke für deinen Besuch und deine Wortmeldung. 😀
Dina
January 30, 2014 at 5:42 pmDanke für die Nachricht, liebe Mara!
Herzliche Grüße von uns vier in Cley
Dina
buzzaldrinsblog
January 30, 2014 at 5:45 pmLiebe Dina,
gerne! Man kann die Kolumne sicherlich auch online nachlesen, ich besorge mir nur altmodischer Weise gerne noch die Papiervariante.
Herzliche Grüße von den beiden Geburtstagskindern,
Mara und Bandit 😀
Kathrin
January 30, 2014 at 6:39 pmIch hatte durch Mankells Facebook-Profil davon erfahren und war überrascht,dass er so kurz nach der Diagnose die Kraft gefunden hat,die Erkrankung an die Öffentlichkeit zu bringen und regelmäßig darüber zu schreiben.Leider wusste ich bislang nicht,ob es auch für Nicht-Schweden die Möglichkeit geben wird,seine Kolumne zu verfolgen. Dank dir bin ich diesbezüglich nun besser informiert und werde die FAZ (die ich sonst nie lese) im Auge behalten 🙂
buzzaldrinsblog
February 1, 2014 at 8:44 amLiebe Kathrin,
ich lese die FAZ übrigens auch nicht, werde nun aber immer ein Auge auf die kommenden Kolumnen haben. Ich finde es auch “überraschend”, dass Henning Mankell bereits so kurz nach der Diagnose Worte findet, aber als Schriftsteller, ist es wahrscheinlich etwas Zwangsläufiges, Worte für ein Geschehen zu finden.
Liebe Grüße
Mara
Kathrin
February 1, 2014 at 9:03 amDa hast du recht – Schreiben ist für Autoren vermutlich der beste Weg, um mit solchen Diagnosen umzugehen. Mich hat eigentlich auch nur überrascht, dass er so früh nach der Diagnose schon loslegt. Natürlich ist Krebs heutzutage kein Todesurteil mehr, doch bei ihm ist die Krankheit schon arg fortgeschritten und da ich selbst erst im vergangenen Jahr einen Lungenkrebsfall in der Familie hatte, weiß ich, was auf Mankell zukommt und dass hier die Chancen auf ein noch langes Leben sehr gering sind. Daher bewundere ich, dass er schon so früh (wieder) Kraft gefunden hat. Ich wünsche Henning Mankell alles erdenklich Gute und vor allem weiterhin so viel Kraft und Lebensfreude für den schwierigen Weg, der ihn erwartet.
Hermia
January 30, 2014 at 8:05 pmIch sehe diese ganze Krebsliteratur auch etwas kritisch. Ich verstehe es vollkommen, wenn ein Autor diese Krankheit so bewältigen will – schreiben gehört einfach dazu. Andererseits ist daraus ein solche Masse an Büchern geworden, das es irgendwie auch abstumpft.
Viel schlimmer als solche Aufarbeitungen der eigenen Krankheit finde ich aber oft Romane, die sich mit dem Thema beschäftigen. Es gibt ein paar, die wirklich gut sind, aber in vielen Fällen ist mein Eindruck, das es einfach nur benützt wird, um damit auf die Tränendrüse zu drücken.
Vielleicht sehe ich das ganze aber auch nur so kritisch, weil ich selber in der Palliativpflege arbeite – ich sehe die Auswirkungen in der Realität so oft, das ich darüber nichts mehr lesen mag.
buzzaldrinsblog
February 1, 2014 at 8:42 amLiebe Hermia,
die Gefahr des Abstumpfens ist bei der Masse natürlich da. Dennoch glaube ich, dass es richtig ist, darüber zu schreiben. Ich finde ein Buch wie das von Herrndorf wichtiger, als eine romanhafte Auseinandersetzung mit Krebs, wie das in dem Roman von John Green der Fall gewesen ist. Ich glaube, dass jeder für sich entscheiden muss, wie viel er über den Tod und das Sterben lesen möchte – ich lese nicht häufig darüber, aber die Bücher, die ich bisher gelesen habe, haben mich sehr beeindruckt, übrigens auch meine letzte Lektüre von Linda Benedikt.
Für deine Arbeit wünsche ich dir ganz viel Kraft, ich kann mir vorstellen, dass das eine sehr harte und intensive Tätigkeit sein muss.
Liebe Grüße
Mara
Hermia
February 1, 2014 at 12:33 pmWas mich einfach ein bisschen an den ganzen Büchern stört, ist die Tatsache, das es sich eben im Krebs handelt. Es gibt so viele andere Krankheiten, die sehr einschränkend wirken – Parkinson, Multiple Sklerose, chronische Lungenerkrankungen, Demenz etc., aber es scheint so, das nur Bücher über Krebs liebend gerne veröffentlicht werden. Auf mich wirkt das recht einseitig.
Gut, Demenz wird langsamer etwas häufiger und es natürlich auch schwierig ein Buch zu schreiben, wenn man vergisst, wer man ist. Aber es muss doch mehr Angehörige und Schriftsteller wie Arno Geiger geben, die einen daran erkrankten Angehörigen haben.
buzzaldrinsblog
February 2, 2014 at 8:47 amLiebe Hermia,
da stimme ich dir zu! In Bezug auf Demenz kann ich dir übrigens den Dokumentarfilm “vergiss mein nicht” von David Sieveking empfehlen. Ich habe ihn vor kurzem gesehen und war sehr beeindruckt, wie er die Krankheit seiner Mutter dokumentiert.
Liebe Grüße
Mara
Eva Jancak
January 30, 2014 at 9:55 pmWarum sollte man das nicht? Eine solche Diagnose trifft wahrscheinlich jeden, der sie bekommt und jeder muß damit fertig werden.
Es ist wahrscheinlich das Privileg des Schriftstellers sich damit auseinanderzusetzen und das, was er sein Leben lang praktiziert hat.
Toll für ihn, das er das auch jetzt tut, weil eine Chance damit fertig zu werden und vielleicht auch interessant für die anderen, die das lesen.
Für mich wäre es das, ob es mir bei einer eigenen Diagnose hilft, wei ich nicht, ich würde dann wahrscheinlich auch darüber schreiben und FAZ würde es nicht drucken.
Mir würde es wahrscheinlich helfen.
Andere fühlen sich dadurch, wie ich heute schon bei “Literaturen” lesen konnte, belästigt und das ist etwas, was ich eigentlich nicht verstehen kann. Denn ich denke auch, man muß es nicht lesen, wenn man sich nicht damit nicht beschätigen will.
Das kann ich verstehen, das das Angst macht. Das muß auch nicht sein.
Aber jemanden vorzuwerfen, daß er das tut, verstehe ich eigentlich nicht. Denn ich denke wir alle sollten uns mehr mit unseren Gefühlen befassen und es ist eigentlich sehr schade, wenn vielleicht nur die sprachlich Priveligierten, die Chance dazu haben.
buzzaldrinsblog
February 1, 2014 at 8:36 amLiebe Eva,
“Denn ich denke auch, man muß es nicht lesen, wenn man sich nicht damit nicht beschäftigen will.”
diesen Satz kann ich so eigentlich nur unterschreiben. Ich kann Menschen immer nur schwer verstehen, die sich durch so etwas wie Krebsliteratur belästigt fühlen und bei dem Buch von Herrndorf “Weihnachtsmarketing” unterstellen. Wenn man sich mit dieser Literatur nicht wohlfühlt, Zweifel an den Motiven hat oder am Zeitpunkt des Erscheinens, zwingt einen ja niemand, das Buch zu lesen oder sich damit zu beschäftigen.
Ich habe aus den beiden Büchern von Schlingensief & Herrndorf viel gelernt und bin dankbar, dass sich beide entschlossen haben über ihren Umgang mit der Krankheit, aber auch mit dem Tod, zu schreiben. Wer das nicht lesen möchte, muss das ja auch nicht tun.
Liebe Grüße
Mara
juttareichelt
January 31, 2014 at 9:14 amEs ist zu dieser Frage ja in der letzten Zeit vor allem im Zusammenhang mit Wolfgang Herrndorfs “Arbeit und Struktur” vieles geschrieben worden – und das meiste davon habe ich mit einer gewissen Beklommenheit gelesen. Diesen Beitrag zum Thema fand ich hingegen sehr abgewogen und informativ:
http://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/h/wolfgang-herrndorf-arbeit-und-struktur.htm
buzzaldrinsblog
February 1, 2014 at 8:26 amLiebe Jutta,
danke für diesen Link, bisher bin ich noch nicht dazu gekommen, aber am Wochenende werde ich mal einen Blick in den Artikel werden. Ich mag die Besprechungen bei Glanz & Elend immer sehr gerne.
Liebe Grüße
Mara
juttareichelt
February 1, 2014 at 10:35 amLiebe Mara, ich finde die gemeinsamen Vorlieben nehmen allmählich erschütternde Ausmaße an – ich sage nur Micoud 😉
Dir ein schönes Wochenende! Jutta
buzzaldrinsblog
February 2, 2014 at 8:48 amLiebe Jutta,
ach, teilst du etwa meine Vorliebe für diesen großartigen Fußballspieler? Wie schön! 😀
juttareichelt
February 2, 2014 at 10:52 amEs ist nicht nur der einzige, bei dem ich je erwogen habe, mir ein mit seinem Namen versehenes Trikot zu kaufen, ich war auch beim Abschiedspiel in Oldenburg und freue mich noch immer an seinem Vergleich von Fußball und Literatur: Beides müsse den Eindruck von Leichtigkeit erwecken – so dass man die dahinter stehende Arbeit nicht wahrnehme …
Das vielleicht nachträglich als kleiner Geburtstagsgruß: Jutta