Der Schriftsteller Stefan Zweig wurde 1881 in Wien geboren und starb 1942 in Brasilien. Literarisch begegnet bin ich ihm zum ersten Mal bereits vor vielen Jahren, ich habe die Schachnovelle und seinen Roman Die Welt von gestern verschlungen. Nun bin ich ihm in Ostende wiederbegegnet, der lesenswerten Novelle von Volker Weidermann.
Aus Ostende ist mir vor allem eine Stelle im Gedächtnis geblieben, es ist eine Stelle, an der Weidermann über Stefan Zweigs Welt schreibt, die eine Bücherwelt ist: “[…] seine Liebe, sein Wissen, sein Denken, er hat es alles aus Büchern gelernt.” Über diese Bücherwelt hat Stefan Zweig an anderer Stelle auch selbst geschrieben, diese Gedanken sind eingegangen in einen Aufsatz, der den Titel “Das Buch als Eingang zur Welt trägt.” . Es sind höchst lesenswerte und interessante Gedanken, aus denen Zweigs Liebe zur Literatur und zu Büchern spricht, die für ihn mehr als ein reines Genussmittel sind, sondern stattdessen Wegweiser und Entscheidungshilfe in allen Fragen des Lebens.
“Und ich verstand, daß die Gabe oder die Gnade, weiträumig zu denken und in vielen Verbindungen, dass diese herrliche und einzig richtige Art, gleichsam von vielen Flächen her die Welt anzuschauen, nur dem zuteil wird, der über seine eigene Erfahrung hinaus die in den Büchern aufbewahrte aus vielen Ländern, Menschen und Zeiten einmal in sich aufgenommen hat, und war erschüttert, wie eng jeder die Welt empfinden muß, der sich dem Buch versagt. […] Denn wenn wir lesen, was tun wir anderes als fremde Menschen von innen heraus mitzuleben, mit ihren Augen zu schauen, mit ihrem Hirn zu denken?
“[…] Ich erinnerte mich an wichtige Entscheidungen, die mir von Büchern kamen, an Begegnungen mit längst abgestorbenen Dichtern, die mir wichtiger waren als manche mit Freunden und Frauen, an Liebesnächte mit Büchern, wo man wie in jenen anderen den Schlaf selig im Genuß versäumte.”
“[…] je mehr ich nachdachte, umso mehr erkannte ich, daß unsere geistige Welt aus Millionen Monaden einzelner Eindrücke besteht, deren geringste Zahl nur aus Geschautem und Erfahrenem stammt – alles andere aber, die wesentliche verflochtene Masse, sie danken wir Büchern, dem Gelesenen, dem Übermittelten, dem Gelernten.”
Im Handel erhältlich, ist der Aufsatz übrigens leider nicht mehr, außer man ist bereit tiefer in die Tasche zu greifen: bei ZVAB gibt es eine Ausgabe für 227€.
16 Comments
Petra Gust-Kazakos
July 27, 2014 at 2:43 pmHmm, der Aufsatz klingt sehr interessant, liebe Mara, aber der Preis ist mir auch zu heiß. Vielleicht findet sich der Aufsatz ja mal eines Tages in einer Wiederauflage. Liebe Grüße
Petra
Mara
July 27, 2014 at 3:17 pmDer Preis ist wirklich ausgesprochen hoch – aber der Kommentar unter dir hat darauf hin gewiesen, dass der Aufsatz auch in Zweigs gesammelten Werken enthalten ist, die es wohl recht günstig da und dort antiquarisch zu erwerben gibt. Das wäre doch eine Alternative, oder? 🙂
Petra Gust-Kazakos
July 27, 2014 at 3:32 pmAllerdings : )
erand47
July 27, 2014 at 2:50 pmHi,
Den Aussatz gibt es fast geschenkt beim großen,bösen A. (vllt auch woanders). Er ist enthalten in Stefan Zweig – Gesammelte Werke: Ungeduld des Herzens etc. Kosten: elektrisch 99 Cent, in Holz 9,95 Euro. Ich mag es nicht verlinken, findet ja jeder selber.
LG
Mara
July 27, 2014 at 2:53 pmHallo und herzlich Willkommen auf meinem Blog! 🙂 Danke für den Hinweis, ich muss gestehen, dass ich beim bösen Amazon nicht geguckt habe, aber vielleicht ist der Aufsatz auch noch auf anderen Seiten antiquarisch erhältlich, hoffentlich auch für etwas weniger Geld. Danke auf jeden Fall für den Hinweis! 🙂
kai60
July 27, 2014 at 5:29 pmLiebe Mara,
das ist ein interessanter Hinweis, passend zu dem, was ich in meinem Kommentar zu Ostende gerade geschrieben habe, also noch ein Grund mehr, sich mit dem Mann zu beschäftigen. Lustig, wie sich das manchmal ergänzt…
Liebe Grüsse
Kai
Mara
July 29, 2014 at 3:12 pmLieber Kai,
mittlerweile gab es ja auch schon einen Hinweis auf das Projekt Gutenberg, dort ist der Text online nachzulesen – das ist wohl die kostengünstigste Variante. 🙂
Liebe Grüße
Mara
SilkeM
July 28, 2014 at 11:40 amDen Aufsatz findet man auch beim Projekt Gutenberg: Stefan Zweig – Rezensionen 1902 – 1939
Den Text habe ich auch gleich im Anschluss von “Ostende” gelesen. 🙂
Viele Lesegrüße
Silke
Mara
July 29, 2014 at 3:11 pmLiebe Silke,
danke dir für diesen großartigen Tipp, dort werde ich gleich selbst mal nachlesen – das ist ja klasse!
Hat dir Ostende auch so gut gefallen, wie mir?
Liebe Grüße
Mara
SilkeM
July 29, 2014 at 3:39 pmHallo Mara,
ja, Ostende hat mir sehr gefallen. Ich war ganz gefangen in der Zeit, in den Lebensgeschichten und Schicksalen der Schriftsteller. Ich habe außer diesem Aufsatz von Stefan Zweig danach auch “Die Welt von Gestern” von ihm gelesen, das ich noch nicht kannte – welch ein Buch! – und die in Ostende erwähnte Erzählung von Hermann Kesten (“Die Tote von Ostende”, veröffentlicht in “Die Sammlung”). Kestens Buch “Meine Freunde die Poeten” wartet auf dem Lesestapel … (naja, noch mehr von Zweig und Roth sowieso 🙂 ).
Und falls es (noch) nicht allgemein bekannt ist: Es gibt online einen epub-Generator, mit dem man die Gutenberg-Texte ganz einfach in ein ebook “umwandeln” kann (wie der Name schon sagt im ePub-Format).
Viele Grüße – Silke
7o9
July 28, 2014 at 12:51 pmOh, Stefan Zweig liegt auch noch auf meinem SUB. Bin schon sehr gespannt. Habe bisher 1-2 Kurzgeschichten gelesen, aber noch keinen Roman.
Mara
July 29, 2014 at 3:10 pmBei den Romanen könnte ich dir “Die Welt von gestern” empfehlen, das mir ausgesprochen gut gefallen hat – ansonsten kenne ich auch nur die Schachnovelle, werde aber nun auf jeden Fall auch noch diesen Aufsatz lesen. 🙂 Dir auf jeden Fall viel Spaß beim Entdecken von Stefan Zweig!
wildgans
July 29, 2014 at 5:14 amEin wenig Urvertrauen in diese Welt muss er auch von seinen Eltern mitbekommen haben, denn ein von Anbeginn vernachlässigtes, verwahrlostes Kind kann nicht so einer von Weltenruhm werden…?
Mara
July 29, 2014 at 3:09 pmDa stimme ich dir zu, liebe wildgans! 🙂 Und dennoch finde ich seine Gedanken zur Literatur und zum Stellenwert, den Bücher bei ihm haben, grundsätzlich spannend und nachvollziehbar.
juneautumn
July 29, 2014 at 9:14 amDer Herr Zweig spricht mir aus der Seele! Vielen Dank für die Vorstellung, ich werde dann mal beim Projekt Gutenberg nachsehen…
Einen schönen Tag, June
Mara
July 29, 2014 at 3:02 pmLiebe June,
auch mir hat er in den Zitaten aus der Seele gesprochen – ich hoffe, du findest den Text und ich wünsche dir ein großes Lesevergnügen damit. Ich finde es immer spannend, Gedanken von Autoren über Bücher und Literatur zu lesen …
Liebe Grüße
Mara