Petra Hartlieb im Gespräch!

Petra Hartlieb

Foto: © www.sebastianreich.com

Literarisch bekannt geworden ist Petra Hartlieb vor allen Dingen als Teil eines Krimiduos, nebenbei betreibt sie aber auch noch zwei Buchhandlungen mitten in Wien und hat jetzt sogar noch darüber geschrieben. Doch wie kam es eigentlich dazu? Genau darüber habe ich mit ihr gesprochen: über Buchhandlungen und den Mut, den eigenen Traum zu leben.

Ursprünglich haben Sie angefangen Psychologie und Geschichte studiert, um dann viele Jahre im Literaturbetrieb tätig zu sein. Wie ist aus Ihnen schließlich eine Buchhändlerin geworden?

Ein bisschen durch Zufall. Ich bin wegen der Liebe nach Hamburg gezogen – mein Mann war bei Rowohlt und ich war bei einem kleinen Verlag in Wien und bin dann zu ihm nach Hamburg gezogen. In eine fremde Stadt und ohne Job. Da ich nichts fertig studiert habe, konnte ich nichts und habe lange überlegt, was ich nun machen könnte. In Wien war ich sehr aktiv in der literarischen Szene und viele Leute haben mich gekannt, in Hamburg hatte ich dann plötzlich das Gefühl, dass mich niemand kennt, dass niemand weiß, wie toll ich bin. Mein Mann kennt viele Buchhändler, deshalb habe ich dann begonnen in einer kleinen Buchhandlung zu jobben. Erst einmal nur einen Tag die Woche, irgendwann dann zwei Tage die Woche und ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich das gut kann: ich kann gut mit Leuten, ich kann gut Geschichten erzählen.

Mittlerweile betreiben Sie seit 2004 mit Ihrem Mann eine Buchhandlung in Wien und erzählen in Ihrem neuen Buch „Meine wundervolle Buchhandlung“ von ihrem Leben als Buchhändlerin. Woher kam die Idee, ein Buch darüber zu schreiben?

Ich muss an dieser Stelle immer gestehen, dass die Idee nicht von mir ist. Die Idee ist eigentlich von Jo Lendle gekommen, dem ehemaligen Verleger des DuMont Verlags. Das ist ein guter Freund von mir, der auch eigene Bücher schreibt, die er dann immer bei uns in der Buchhandlung vorstellt. Er kennt unser Leben, unsere Wohnsituation über der Buchhandlung und wie das alles immer so ein bisschen chaotisch ist. Die eigentliche Idee kam dann von ihm: magst du nicht mal eine Geschichte über eine verrückte Buchhändlerin schreiben, die über ihrer Buchhandlung wohnt? Darüber habe ich lange nachgedacht, ohne etwas zu schreiben und irgendwann hatte ich dann doch das Gefühl: „Warum eigentlich nicht, ich kann das doch mal versuchen“.

In Ihrem Buch kann man dann auch herauslesen, dass es eher eine spontane Entscheidung gewesen ist, die Buchhandlung zu übernehmen. Haben Sie den Schritt zur eigenen Buchhandlung jemals bereut?

Ich bereue die Entscheidung jedes Jahr wieder im Weihnachtsgeschäft. Nein, im Ernst: bereuen tue ich es nicht. Ich bin kein Mensch, der in hätte ich und wenn ich denkt. Es ist das passiert, was wir gemacht haben. Es ist gut gegangen, wir haben viel Glück gehabt und machen einen guten Job. Ob mein Leben besser oder anders wäre, wenn wir uns vor zehn Jahren dagegen entschieden hätten, weiß ich nicht. So etwas weiß man nie. Ich bereue es nicht, auch wenn die ersten zwei Jahre schon sehr, sehr hart gewesen sind. Wenn mir jemand am Anfang gesagt hätte, wieviel ich dort in den ersten zwei Jahren – mit einem kleinen Kind – arbeiten werde, dann hätte ich wahrscheinlich gesagt: das kann ich nicht, das geht nicht. Ich habe es dann aber einfach durchgezogen.

Es gibt diesen etwas abgegriffen Satz, wenn Beruf von Berufung kommt … würden Sie sagen, dass Sie mit dem, was Sie machen, Ihren Traum leben?

Das auf jeden Fall! In einer Buchhandlung zu arbeiten, war auf jeden Fall immer ein Traum von mir, vielleicht sogar von meinem Mann und mir. Für uns beide war immer völlig klar, dass wir etwas mit Büchern machen möchten. Es gibt nichts anderes. Ich bin keine geborene Verkäuferin und könnte nichts anderes verkaufen. Es sollten Bücher sein, ob in einem Verlag oder in einer Buchhandlung, war erst einmal egal. Dass es dann eine Buchhandlung wurde, ist auch ein großer Zufall gewesen. Natürlich ist eine Buchhandlung, wie wir sie haben, eine alte Buchhandlung mit hohen Decken schon ein Traum. Manchmal fühle ich mich bei uns wie in einer Filmkulisse. Es ist ein echter Traum, dass es uns noch gibt, dass wir uns behaupten können und dass wir erfolgreich sind: Dieser Traum hat aber auch einen hohen Preis.

Die Geschichte von Hartliebs Büchern ist mehr als ungewöhnlich, denn Sie arbeiten nicht nur in einer Buchhandlung, sondern leben auch darin. Wie lebt es sich in einer Buchhandlung und wie häufig laufen Sie nach Feierabend die Wendeltreppe doch noch mal runter?

Die ersten Jahre haben wir immer durchgearbeitet. Das hat damals aber auch unser Familienleben gerettet. Wir haben immer bis sechs Uhr gearbeitet, dann zugesperrt, Familienleben gehabt und wenn das Kind geschlafen hat, haben wir das Babyphone angemacht und sind wieder runtergegangen und haben weitergearbeitet. So schlimm ist es mittlerweile nicht mehr, aber es ist nach wie vor so, dass wir im Weihnachtsgeschäft wirklich die halbe Nacht arbeiten. Du gehst nicht schlafen, wenn du weißt, dass sich da unten die Kisten türmen, die eigentlich noch ausgepackt werden müssen. Inzwischen schaffe ich es besser – wenn ich mal einen freien Tag habe, dann gehe ich da auch wirklich nicht runter.

Mittlerweile haben Sie bereits eine zweite Buchhandlung eröffnet. Woher nehmen Sie den Mut und die Zeit dafür?

Mein Mann und ich sind beide sehr ähnlich: wir lassen uns immer sehr von unserem spontanen Gefühl und von unserem Herzen leiten. Wenn wir das Gefühl haben, dass wir etwas unbedingt machen müssen, weil sich das irgendwie gut anfühlt, dann machen wir das. Das machen wir im Privatleben so, aber auch im Arbeitsleben. Ich habe meinen Mann auf der Buchmesse in Leipzig kennengelernt, im Oktober bin ich zu ihm gezogen und im November haben wir geheiratet. Genauso treffen wir auch die Entscheidung für neue Mitarbeiter. Wir machen keine siebentausend Auswahlrunden, sondern wenn sich jemand vorstellt, bei dem wir das Gefühl haben, dass passt, dann lassen wir den zwei Tage zur Probe arbeiten und nehmen ihn dann. So machen wir es auch im Geschäft, da gibt es kein großes Konzept. Die zweite Buchhandlung war vom Zusperren bedroht, wir fanden den Raum toll und zufälligerweise wurde sie uns dann sehr günstig angeboten. Wir haben dann gesagt: „Komm, dass schaffen wir doch noch.“

Eigentlich müsste man ja annehmen, dass die Zukunft des Buchhandels düster aussieht. Macht Ihnen die aktuelle Entwicklung Angst oder sehen Sie auch positive Zeichen, die Sie weitermachen lassen?

Ich bin eher ein Mensch, der relativ im Augenblick lebt. Wenn ich danach gefragt werde, wie ich das sehe und ob es in zehn Jahren noch Buchhandlungen geben wird, dann kann ich nur sagen, dass ich das nicht weiß. Ich kann das einfach nicht beantworten. Wir arbeiten von Jahr zu Jahr, wir gucken, dass wir das Jahr positiv abschließen und das Geld verdienen, um unser Personal und unsere Miete zu bezahlen und auch noch die Schulden zurückzuzahlen. Was aber in zwei oder drei Jahren sein wird, das kann ich nicht beeinflussen. Es macht mir aber natürlich auch Angst. Ich kann nur schauen, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe, dass ich das richtige Konzept fahre und meine Kunden nicht verliere. Ob es uns in fünf Jahren noch geben wird, dass weiß ich nicht, aber ich denke, dass überlege ich mir dann. Ich bin aber ganz sicher keine, die in ihrem eigenen Laden sitzt und dabei zuschaut, wie das alles immer schlechter wird. Lieber ein Schrecken mit Ende, dann muss ich mich eben mit 55 Jahren noch einmal neu erfinden. Oder ich werde reiche Bestsellerautorin.

Ja, warum denn nicht? Sie arbeiten mittlerweile seit mehr als zehn Jahren in Ihrer eigenen Buchhandlung. Inwieweit haben sich in dieser Zeit die Anforderungen an Buchhändler verändert? Sehen Sie da eine Entwicklung?

Vor zehn Jahren ist es noch so gewesen, dass die Feinde der kleinen Buchläden die großen Buchhandelsketten gewesen sind. Da war mein Albtraum immer, dass ein Thalia gegenüber aufmachen wird und wir dann zusperren müssen, weil alles ganz schrecklich wird und die dort eine riesige Filiale mit fünf Stockwerken hinbauen. Davor habe ich inzwischen keine Angst mehr.

Das hat sich eher umgedreht, oder?

Ja, das hat sich total verändert. Die tun mir nix mehr. Die Leute, die zu mir gehen, die würden nicht in einen Thalia gehen. Dafür hat sich alles ins Internet verschoben. Das haben wir vor ein paar Jahren gemerkt, als man plötzlich das Gefühl hatte, Amazon ist die Richtschnur für alles geworden. Ich hatte dann als Buchhändlerin plötzlich ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich ein Buch nicht da hatte und dann ein Kunde kommt und sagt: „Aber bei Amazon gibt’s das.“ Man macht sich dann ganz klein und hat das Gefühl, man genügt nicht, während Amazon so toll ist, sind wir nur eine verstaubte und blöde Buchhandlung. Das wiederum hat sich im letzten Jahr total geändert. Durch das schlechte Image und die schlechte Presse, die Amazon sich selbst zuzuschreiben hat, hat man im Buchmilieu schon das Gefühl, dass die Kunden doch eher Leute sind, die denken, intellektueller sind und durchaus Dinge in Frage stellen. Wir merken einfach, dass immer wieder neue Kunden kommen und es für viele nicht mehr so sexy ist, bei Amazon zu bestellen.

12 Comments

  • Reply
    Kaffeehaussitzer
    March 2, 2015 at 2:10 pm

    Schönes Interview, gute Fragen und sympathische Antworten. Und das Buch dazu ist einfach großartig: http://kaffeehaussitzer.de/buchhaendlers-traum/

    • Reply
      Mara
      March 6, 2015 at 3:25 pm

      Danke dir für das Lob und den Link, dank dem ich noch einmal in dieses wunderbare Buch eintauchen konnte. 🙂

  • Reply
    Karo
    March 2, 2015 at 6:04 pm

    Ein inspirierendes Gespräch, das ermutigt, einfach mal aufs Bauchgefühl zu hören 🙂

    • Reply
      Mara
      March 6, 2015 at 3:27 pm

      Liebe Karo,

      so ähnlich erging es mir selbst auch, als ich das Gespräch mit Petra Hartlieb geführt habe – für einen Moment habe ich mich sehr mutig und inspiriert gefühlt, wenn man sich dieses Gefühl nur etwas länger erhalten könnte.

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    juttareichelt
    March 3, 2015 at 10:08 am

    Tolles Gespräch – habe ich sehr gerne gelesen!

    • Reply
      Mara
      March 6, 2015 at 3:36 pm

      Das freut mich sehr! Mir hat es auch sehr viel Spaß gemacht, das Gespräch zu führen! 🙂

  • Reply
    sylvi29
    March 3, 2015 at 4:02 pm

    Ich glaube daran, dass gute Gespräche und fachliche Beratung immer Bestand haben werden. Wenn ich mit “meinen” Buchhändlerinnen durch den Laden schlendere, gehe ich glücklich und meistens mit mehr als einem Buch nach Hause, bin immer bereichert worden. Bei einem Amazon-KLICK ist das nicht so. Bei Petra Hartlieb und ihrem Mann anscheinend schon. Weiter schöne Erfolge und anregende Kunden.

    • Reply
      Mara
      March 6, 2015 at 3:37 pm

      Liebe Sylvi,

      genauso ergeht es mir auch, wenn ich hier vor Ort durch meine Lieblingsbuchhandlung schlendere. Das ist doch ein ganz anderes Gefühl, als mal eben mit einem Mausklick einzukaufen und ich hoffe sehr, dass wir diese Möglichkeit noch lange bekommen werden. Ohne meine Buchhandlung würde mir auf jeden Fall etwas fehlen.

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    dasgrauesofa
    March 3, 2015 at 4:57 pm

    Die Bedeutung des Bauchgefühls, auf das wir doch mal – allem betriebswirtschaftlichen Instrumentenwahn zum Trotz – häufiger hören sollten, ist mir, wie Karo, im Interview auch noch einmal besonders aufgefallen. Petra Hartlieb hat dazu ja auch in ihrem Buch immer wieder etwas erzählt, was ich ja da schon sehr beeindruckend fand. Es geht halt auch ohne Konzept, ohne Prognosen, ohne Assessment-Center. Wunderbar! Und die Zukunft bekommen wir sowieso nicht in den Griff, wer weiß auch in anderen Bereichen schon, was in fünf Jahren sein wird.
    Viele Grüße, Claudia

  • Reply
    Mara
    March 6, 2015 at 3:42 pm

    Liebe Claudia,

    ich finde die etwas unorthodoxe Herangehensweise von Petra Hartlieb auch herrlich erfrischend, ich glaube, dass sich viele Unternehmen ein bisschen was abschneiden könnten von ihrem Mut auf ihr Gefühl zu hören.
    Was die Buchläden betrifft, habe ich übrigens ein ganz gutes Gefühl – in fünf Jahren wird es vielleicht nicht mehr jeden Thalia geben, aber diese kleinen und individuellen Läden werden sich hoffentlich halten können.

    Liebe Grüße
    Mara

  • Reply
    Thomas
    January 30, 2016 at 2:33 pm

    Liebe Mara,
    danke für das tolle Interview, habe ich gerade erst entdeckt. Da ich kürzlich die Taschenbuchausgabe gelesen habe passt da ja perfekt. Ich beneide Petra Hartlieb um ihren tollen Job, obwohl man tnach der Lektüre des Buches weiss, dass die Brötchen in der Buchbranche hart verdient werden müssen.
    Liebe Grüße
    Thomas

    • Reply
      Mara
      January 31, 2016 at 8:19 pm

      Lieber Thomas,

      ich hoffe, du hattest Spaß mit dem Buch – ich erinnere mich noch sehr gut an das Gespräch mit Frau Hartlieb und die beeindruckende Lektüre ihrer Buchhandlungsgeschichte. Ich bewundere sie sehr für das, was sie geschafft hat.

      Liebe Grüße
      ;ara

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