Gestern ist endlich Karl Ove Knausgårds lang erwarteter Roman Träumen erschienen – es ist der mittlerweile fünfte Teil eines auf sechs Teile angelegten autobiographischen Romanprojekts. Da es immer noch Menschen gibt, die Karl Ove Knausgård nicht kennen, oder sich bisher nicht an sein Werk herangewagt haben, habe ich mir überlegt, ein paar der wichtigsten und drängendsten Fragen rund um diesen genialen Schriftsteller zu beantworten.
1. Wie schreibt man Karl Ove Knausgård richtig und wie spricht man diesen Namen überhaupt aus?
Karl Ove Knausgård (kɑːɭ ˈuːvə ˈknæʉsˌgɔːɾ/) ist gebürtiger Norweger – bei der Schreibweise seines Namens ist der Kreis auf dem a zu beachten. Den Kreis bekommt man ganz einfach über die Tastenkombination Alt + 134 (auf dem Nummernblock). Alternativ kann man das å natürlich auch immer kopieren und wieder einfügen. Ausgesprochen wird das ganze dann übrigens so: Karl Oov-uh K’NOUSE-gourd. Wem das nicht reicht, der kann hier hören, wie der Schriftsteller selbst seinen eigenen Namen ausspricht.
2. Worum geht es eigentlich?
Vor einigen Jahren war Karl Ove Knausgård noch so etwas wie ein literarischer Geheimtipp – als 2007 sein Roman Alles hat seine Zeit erschien, kannten ihn nur eingefleischte Literaturkenner. Heutzutage kann der Autor mit Fug und Recht als literarischer Superstar bezeichnet werden. Doch was ist in der Zwischenzeit eigentlich passiert? Karl Ove Knausgård hat in seinem Heimatland mit dem autobiographischen Projekt Min Kamp für Aufsehen gesorgt. Schonungslos und mit einer kaum zu ertragenden Offenheit schreibt er darin über sein Leben, auf insgesamt mehreren tausend Seiten wird förmlich eine Gedankenflut über den Leser ausgeschüttet. Mittlerweile ist die Knausgård-Begeisterungswelle nicht nur durch Deutschland, sondern auch bis nach Amerika geschwappt. In diesen Tagen erscheint nach Sterben, Lieben, Spielen und Leben endlich der fünfte Band der Reihe: in Träumen geht es um Knausgårds erste Jahre als Schriftsteller – wir dürfen gespannt sein.
3. Muss ich die anderen vier Bände gelesen haben?
Nein, auf gar keinen Fall. Natürlich ist es sinnvoll, die Lebensgeschichte des Autors vom ersten Band an mitzuerleben, doch die einzelnen Bände lassen sich auch als für sich stehende Romane lesen. (Kleiner Tipp am Rande: die ersten Bände gibt es bereits als Taschenbuchausgaben. Sperrt euch über’s Wochenende ein und lest Knausgård).
4. Und warum sollte ich diesen norwegischen Autor nun lesen?
Karl Ove Knausgård spaltet immer ein wenig die Gemüter: die einen lieben ihn, die anderen können mit seinen Büchern nichts anfange. Ich gehöre zur ersten Fraktion und kann euch nur empfehlen, euch heranzuwagen an dieses außergewöhnliche literarische Experiment. Knausgård schreibt über Banalitäten und Alltäglichkeiten, er tut das aber auf eine Art und Weise, der ich mich kaum entziehen kann. Seine Schonungslosigkeit ist ebenso beeindruckend wie verstörend: er schont weder sich noch andere. Während er im ersten Teil die Beziehung zu seinem Vater seziert, nimmt er im zweiten seine Ehe auseinander. Als Leser schaut man dabei bis in die vollgekackte Windel – das ist manchmal schwer auszuhalten. Teilweise ist das sogar ein wenig langatmig – und doch habe ich alle seine Bücher bisher verschlungen. Bei Knausgård lernt man nicht nur viel über sich selbst, sondern auch viel über das Schreiben und das Lesen.
5. Was mache ich, wenn ich mich vor dem Bücherkauf doch noch weiter informieren möchte?
Karl Ove Knausgård gehört zu den Autoren, über die im Moment wohl am meisten geschrieben wird. Es berichten: die Süddeutsche Zeitung, der SPIEGEL und die WELT. Es gibt Essays von Knausgård über Anders Bering Breivik oder Peter Handke, zwischendurch gibt es auch Reiseberichte zu lesen. Viele Informationen gibt es auch auf einem Blog, der sich ausschließlich mit dem norwegischen Schriftsteller beschäftigt.
So. Wer noch Fragen hat, immer her damit. Ich lese derweil Träumen und freue mich darauf, bald die Lesung von Karl Ove Knausgård in Hamburg zu besuchen.
19 Comments
Muromez
September 18, 2015 at 8:56 amBin ihm auch verfallen und mag seinen Stil unheimlich. Gerade im Urlaub “Lieben” gelesen und es bringt einen weiter. Zwar hinke ich etwas hinterher, aber alle Teile werde ich noch verschlingen müssen. Gerade die essayistischen Passagen begeistern mich, gleichzeitig die Detailtreue, obwohl diese eine Langatmigkeit mitbringt, die häufig dennoch stört. Die Stärken liegen insbesondere darin, wie er seine eigenen Zweifel formuliert und wie er mit der eigenen Person immer kritisch umgeht. Das hat was und so etwas liest man selten woanders, bzw. habe ich noch nicht bei einem anderen Autor derartig wahrgenommen. Danke für den Artikel!
Mara
September 22, 2015 at 8:39 amGerne, ich freue mich, dass du ähnlich begeistert bist! In vielem von dem, was du schreibst, erkenne ich mich mit meiner eigenen Begeisterung auch wieder. Die essayistischen Passagen bei Knausgard begeistern mich auch sehr – ich könnte mir gut vorstellen, reine Essaybände von ihm zu lesen. Überhaupt war ich erleichtert darüber, im “Welt”-Interview zu lesen, dass Knausgard weiter schreibt – er ist für mich einfach ein unheimlich spannender Autor.
Muromez
September 22, 2015 at 8:57 amHast du übrigens mal Video-Interviews von ihm gesehen? Das ist erstaunlich! Da trifft man auf genau den Menschen mit diesen “Einsiedler-Merkmalen” aus den Büchern. Haargenau! Der zweifelt, der abgekämpft und müde wirkt. Eine Kippe nach der anderen ansteckt. Der behauptet, dass Glück nichts für ihn, sondern für andere sei. Da wurde mir noch einmal bewusst, dass er tatsächlich exakt sein Leben und seinen “Kampf” beschreibt. Anfangs habe ich noch vermutet, dass es ein Spiel ist, eine Mixtur aus Fiktion und Realität, dem ist wahrscheinlich nicht so. Irgendwo habe ich mal gehört, dass jemand behauptet, dass er mittlerweile mehr über Knausgård als über sein eigenes Leben wisse – erstaunlich, aber manchmal denke ich ähnlich.
Dorte
September 18, 2015 at 8:58 amSchöner Bericht. Eine andere Schreibweise, die sich häufig findet, ist die mit mit der Verdopplung des Vokals, also Knausgaard.
Anlässlich der deutschen Erstausgabe von “Träumen” wird es eine kleine Lesereise geben, die Knausgaard am 29.September 2015 u.a. auch nach Hamburg führen wird.
Damit die Zeit bis dahin sinnvoll überbrückt werden kann, gibt es hier einen bemerkenswerten Artikel zu lesen: http://www.nytimes.com/2015/03/01/magazine/karl-ove-knausgaard-travels-through-america.html
Liebe Grüße
Dorte
Mara
September 22, 2015 at 8:36 amLiebe Dorte,
genau zu der Lesung werde ich auch gehen, die Karte habe ich mir bereits vor Monaten gekauft und ich bin schon total gespannt darauf, Knausgard live erleben zu dürfen. Danke auch für deinen Linktipp, da schaue ich gleich mal rein.
Liebe Grüße
Mara
jancak
September 18, 2015 at 12:56 pmDas ist ein Autor, der noch immer an mir vorbeigegangen ist, bin gespannt, ob ich ihn einmal in den Schränken finde und was ich dann zu ihm sage
Mara
September 22, 2015 at 8:35 amIch wünsche dir viel Glück bei der Büchersuche und bin gespannt, ob du Knausgard auch noch für dich entdecken wirst! 🙂
Ulli
September 18, 2015 at 2:56 pmschön zu wissen, dass jetzt das 5. Buch raus ist, habe schon gewartet, obwohl ich sagen muss, dass ich sein 4. Buch ziemlich langweilig fand, (Leben) – begeistert war ich von Lieben und Spielen … Sterben ging mir unter die Haut- ich glaube an ihm scheiden sich ein bisschen die geister, für manche ist es ein bisschen viel Nabelschau … und obwohl mich Leben genervt hat, werde ich mir dann wohl jetzt bald Träumen kaufen …
viel Spass bei der Lektüre und danke für deine Ausführlichkeit
herzlichst
Ulli
Mara
September 22, 2015 at 8:34 amLiebe Ulli,
da hast du Recht: an Knausgard scheiden sich tatsächlich ein wenig die Geister – ich bin schon lange sehr begeistert, schon seinen Debütroman habe ich sehr gerne gelesen. Mein Favorit ist wohl “Sterben”, das mich auch aus persönlichen Gründen sehr berührt hat. “Lieben” und “Spielen” haben mir auch gut gefallen – nun bin ich schon sehr gespannt auf “Träumen” und freue mich vor allen Dingen auf die Lesung, die ich besuchen werde. 🙂
Liebe Grüße
Mara
Silvia
September 18, 2015 at 4:40 pmDie ersten drei Bände stehen schon bei uns im Refal, aber ich habe immer ein wenig Abstand gehalten, obwohl alle begeistert sind. Nach diesen Argumenten von Dir muss ich es wohl endlich mal packen!
Mara
September 22, 2015 at 8:32 amOh ja – so langsam solltest du wirklich heranwagen! Ich wäre sehr gespannt darauf zu erfahren, wie es dir gefallen wird. 🙂
macg82
September 19, 2015 at 11:48 amLiebe Mara
vielen Dank für diesen kleinen Einblick in das Wirken von Knausgård. Der erste Band steht schon bei mir bereit, leider warten noch andere Leseprojekte. Ich freue mich aber schon ungemein auf die Lektüre. Einzig die Angst, dass durch das Warten die Erwartungshaltung an dieses Buch ins unermessliche steigt und ich dann enttäuscht bin, wird mit solchen Beiträgen nicht kleiner 😉
Liebe Grüße
Marc
Mara
September 22, 2015 at 8:27 amHallo Marc,
das mit der Erwartungshaltung ist natürlich immer so eine Sache, ich habe Knausgard entdeckt, als es noch gar keinen Hype um ihn gab – vor vielen Jahren habe ich nämlich als aller erstes “Alles hat seine Zeit” entdeckt. Ich weiß nicht, wie ich heutzutage an die Lektüre herangehen würde, da es mittlerweile ja doch einen großen Hype um ihn gibt. Wenn du den ersten Band irgendwann lesen solltest, wäre ich gespannt darauf zu erfahren, wie es dir gefällt.
Liebe Grüße
Mara
Christian
September 21, 2015 at 1:50 pmHi Mara,
die beste TV-Doku zum Phänomen Knausgard hat der SFR im vergangenen November (kurz nach LEBEN) veröffentlicht. Sie hat nur einen einzigen Schönheitsfehler. Sie macht Zadie Smith zur Amerikanerin. Ansonsten das Ausführlichste, das ich bisher zu seinem Werk gesehen habe. Es geht unter anderem zu seinem Originalverleger in Oslo, bei dem das Originalmanuskript als große Loseblattsammlung unter einem Schreibtisch dahinvegetiert!
http://www.srf.ch/sendungen/kulturplatz/das-phaenomen-karl-ove-knausgaard
Mara
September 22, 2015 at 8:23 amHallo Christian,
herzlichen Dank für diesen tollen Hinweis – ich kenne die Dokumentation noch gar nicht und freue mich schon darauf, heute Abend einen Blick rein zu werfen. 🙂
Liebe Grüße
Mara
Talking about Karl Ove Knausgård und Tomas Espedal. | Klappentexterin
September 25, 2015 at 9:31 am[…] Wer noch mehr über Karl Ove Knausgård erfahren möchte, wird bei Mara von Buzzaldrins Bücher fündig. Kürzlich gab es bei ihr ein Karl Ove Knausgård FAQ. […]
Tasmetu
October 2, 2015 at 8:28 amSchöner Artikel 🙂 Ich habe “Lieben” noch ungelesen im Regal stehen und liebäugle auch mit Sterben. Bin schon sehr gespannt ob mir sein eigentümlicher Stil gefallen wird 🙂
Mara
October 2, 2015 at 8:44 amDann bin ich auch schon sehr gespannt darauf, wie dir Knausgard gefallen wird – bitte berichte doch unbedingt, wenn du dich an eines seiner Bücher herangewagt hast. 🙂
"Ich wünsche mir für die Literaturblogger mehr Selbstbewusstsein und Professionalität" - www.adibumag.ch
October 29, 2015 at 8:05 am[…] dass ich so bald nicht zum Lesen seines neuen Romans kommen würde. Da habe ich dann halt über häufige Fragen zum Autor geschrieben. Ich bemühe mich schon darum, am Ball zu bleiben und die Leser nicht zu […]