Gebrauchsanweisung für Zürich – Milena Moser

Vor einiger Zeit habe ich euch ja bereits verraten, dass es für mich Ende Oktober nach Zürich gehen wird, um das dortige Lesefestival als Bloggerin zu begleiten. Da dies mein erster Aufenthalt in der Schweiz sein wird, möchte ich mich im Vorfeld natürlich vernünftig vorbereiten – in den letzten Tagen habe ich aus diesem Grund das Buch Gebrauchsanweisungen für Zürich von Milena Moser gelesen.

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Die Reihe Gebrauchsanweisung für ist schon fast eine Institution im Literaturbetrieb – seit 1978 Watzlawicks Gebrauchsanweisung für Amerika erschien, werden jährlich zwischen sechs und acht neue Bücher veröffentlicht, in denen sich bekannte Schriftsteller mit Städten und Regionen auseinandersetzen. Mittlerweile gibt es mehr als 100 unterschiedliche Gebrauchsanweisungen. Diese Gebrauchsanweisungen sind weit davon entfernt, tatsächliche Reiseführer zu sein, stattdessen ermöglichen sie den Lesern, aus einer ganz anderen – zumeist literarischen – Perspektive auf einen Ort zu blicken. Es war mir schnell klar, dass ich zur Vorbereitung meines Aufenthalts in Zürich keinen klassischen Reiseführer benötige, sondern viel mehr an genau einem solchen Blick auf die mir fremde Stadt interessiert bin.

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Milena Moser ist Schriftstellerin und wurde 1963 in der Schweiz – genauer gesagt in Zürich – geboren. Zuletzt erschien von ihr das Buch Das Glück sieht immer anders aus, das in den USA spielt. In Gebrauchsanweisung für Zürich widmet sie sich dagegen Zürich – der Stadt, in der sie geboren wurde und einige Jahre gelebt hat.

Zürich. Die Stadt, in der ich so lange gelebt habe, dass ich sie wie eine alte Verwandte behandle. Sie ist mir nah und fremd zugleich. Sagen wir, sie ist meine Tante – Tante Turica. Eine angeheiratete Tante, eine, die immer eine gewisse Distanz wahrt, die ihre Geheimnisse hütet.

Wie gesagt: ich gehöre zu denjenigen, die Zürich bisher noch nicht besucht haben und kaum etwas über diese Stadt wissen – abgesehen davon, dass das Leben in der Schweiz so teuer sein soll. Das Buch von Milena Moser habe ich also vor allen Dingen neugierig und interessiert in die Hand genommen, gespannt darauf, etwas über die Stadt zu erfahren. Und schon jetzt kann ich verraten: ich wurde nicht enttäuscht! Milena Moser erzählt durchweg unterhaltsam und mitreißend von einer Stadt, die sie scheinbar liebt: vom Sprüngli und Zwingli, dem Grossmünster und dem Paradeplatz. Sie erzählt von der Spanisch-Brötli-Bahn, vom Sechseläuten, Täschligate, Burghölzli, der Gentrifizierung und Kriminalromanen.

Ihr unbestechlicher grauer Blick ist gnadenlos wie das Licht in der Umkleidekabine einer teuren Boutique. Er bedeutet mir, dass ich nicht wirklich gut genug bin für sie. Nicht erfolgreich genug. Nicht genügend Geld habe. Nicht gut genug aussehe. Und am schlimmsten: nicht die richtigen Schuhe trage.

Ich habe beim Lesen viele kleine Hinweise auf das erhalten, was diese Stadt ausmacht und dabei auch viel über die Bewohner erfahren. Das Buch ist voller Feinheiten, voll von Details und Hintergrundwissen – beides könnte durch einen herkömmlichen Reiseführer wohl nur schwer vermittelt werden! Wusstet ihr zum Beispiel, dass mehr als 200 Kriminalromane in Zürich spielen? Die meisten davon findet man in der Buchhandlung Blex, in die ich hoffentlich auch einen Blick bei meinem Besuch werfen kann. Wer also weder Lust auf Reiseführer noch Gebrauchsanweisungen hat, der könnte auch einfach einen dieser vielen Kriminalromane lesen, um Zürich besser kennenzulernen. Es gibt sogar einen eigenen Zürcher-Krimi-Preis, der alljährlich verliehen wird.

Seit siebzehn Jahren lebe ich nicht mehr in dieser Stadt, die einst für mich das Ende des Regenbogens bedeutete. Ich teile ihren Alltag nicht mehr, ich kann ihn mir auch nicht mehr richtig vorstellen. So vieles hat sich in diesen Jahren verändert.

Das letzte Kapitel der Gebrauchsanweisungen ist eines der schönsten, denn dort lässt Milena Moser zahlreiche Bewohner der Stadt zu Wort komme: alle von ihnen erklären, warum sie gerne in Zürich leben und ich muss gestehen, dass viel von der Liebe, Begeisterung und Faszination für diese Stadt, die ich in diesem Buch spüre, auch schon auf mich übergesprungen ist – ich kann meinen Besuch kaum noch abwarten.

Wenn ihr übrigens auch vor dem Besuch einer neuen Stadt stehen solltet, dann kann ich euch die Gebrauchsanweisungen nur ans Herz legen! Hier findet ihr eine Übersicht aller bisher erschienen Titel: Gebrauchsanweisungen, beim Piper Verlag erschienen.

Milena Moser: Gebrauchsanweisung für Zürich. Piper Verlag, München 2015. 221 Seiten, €14,99. 

7 Comments

  • Reply
    schonhalbelf
    October 16, 2016 at 3:55 pm

    Wenn du irgendwie noch Zeit haben solltest, besuche das Thermalbald in Zürich (http://www.thermalbad-zuerich.ch/), das sich übrigens in einer ehemaligen Brauerei befindet. 😉 Nachdem du dich drinnen entspannt hast, kannst du mit dem Aufzug auf das Dach fahren und dort im beheizten Außenbecken vom Wasser aus über die gesamte Stadt sehen. Der Besuch lohnt sich in meinen Augen definitiv. Auch den Rest der Stadt fand die wunderbar. 😉
    Viele Grüße und viel Spaß dort!

    • Reply
      Mara
      October 18, 2016 at 3:34 pm

      Oh, vielen Dank für diesen tollen Tipp – bei fünf so anstrengenden Tagen könnte ein Besuch im Thermalbad wohl tatsächlich nicht schaden, ich werde sehen, was sich machen lässt! 🙂

  • Reply
    Dorte
    October 17, 2016 at 8:02 am

    Als alter Fan dieser Reihe kann ich auch die Gebrauchsanweisung für die Schweiz wärmstens empfehlen.
    Freu Dich auf Zürich, auf Limmat, China-Garten, Chagall-Fenster …
    Viel Freude in Zürich!

    • Reply
      Mara
      October 18, 2016 at 3:32 pm

      Liebe Dorte,

      vielen Dank für den Tipp – dann werde ich mir den Band auch noch besorgen! Und ich freue mich tatsächlich schon sehr – erstaunlicherweise ist das meine erste Auslandsreise seit Jahren, damals ging es nach Prag ins Franz-Kafka-Museum.

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    buechermaniac
    October 17, 2016 at 4:27 pm

    Liebe Mara

    Ich hoffe, dass du überhaupt Zeit findest, neben all den literarischen Anlässen, die du besuchen wirst, auch noch etwas von Zürich sonst zu sehen. Aber wenn ich dein vorgesehenes Programm anschaue, kommst du fast automatisch an die schönsten Orte in der Innenstadt. Schon allein wenn du beim Strauhof um die Ecke biegst, bist du schon auf dem Platz bei der St. Peter Kirche, die das grösste Zifferblatt Europas hat. Und gleich davor ist die Buchhandlung Beer, die es schon seit 1832 in der Stadt gibt. Und schlenderst du dann durch die Gassen ans Limmatufer hinunter, bist du mitten in der Literaturstadt, in der schon so viele Literaten gelebt haben. Schau doch mal meinen “Zürich liest Teil III” Bericht von 2011 an https://lesewelle.wordpress.com/2011/10/30/zurich-liest-iii/, oder diesen Beitrag https://lesewelle.wordpress.com/2012/02/20/logbuch-i-zu-milas-wanderbuch/ dann muss ich dich hier nicht vollquatschen und einen zusätzlichen Reiseführer hast du gleich mit. Ich wünsche dir vor allem auch, dass du schönes Wetter in Zürich geniessen kannst und am Zürichsee eine tolle Fernsicht in die verschneiten Alpen haben wirst.
    Ich wünsche dir echt viel Spass und vielleicht laufen wir uns ja über den Weg.

    Liebe Grüsse
    buechermaniac

    • Reply
      Mara
      October 18, 2016 at 3:31 pm

      Liebe buechermaniac,

      danke für die beiden Linktipps – da schaue ich auf jeden Fall vorbei! Deine Beschreibungen klingen übrigens traumhaft schön, ich freue mich vor allen Dingen auch darauf, in ein paar Buchläden reinzuschnuppern. Sind Bücher in der Schweiz eigentlich bezahlbar oder sollte ich lieber nur stöbern und nichts kaufen?

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    buechermaniac
    October 24, 2016 at 6:18 pm

    Liebe Mara

    Es kommt drauf an, was du willst. Bücher sind auf alle Fälle teurer als in Deutschland, aber vielleicht lässt du trotzdem ein paar Franken in Zürich dafür liegen… Kannst du in einen Buchladen rein und mit leeren Händen wieder raus? Ich schaffe das selten!

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