Vergangene Woche fand am 26. und 27.1. zum zweiten Mal der future!publish Kongress in Berlin statt. Wenn ihr vorher noch nie etwas von diesem Kongress gehört haben solltet, dann wundert euch nicht, es handelt sich dabei nämlich vorrangig um einen Kongress für die Buchbranche, der vor allem Verlagsmitarbeiter oder Unternehmen anspricht, die technische Lösungen rund um die Verlagsbranche erarbeiten. Der Kongress hat es sich auf die Fahnen geschrieben neue, spannende Ideen zur Zukunft der Buchbranche zu präsentieren und ihre Nutzbarkeit für die tägliche Arbeit aufzuzeigen.
Da ich nicht nur Bloggerin bin, sondern auch den Berufswunsch verfolge, in einem Verlag zu arbeiten, war der Besuch des Kongresses natürlich Pflicht! Heute würde ich euch gerne davon erzählen, was ich erlebt und mitgenommen habe – ich hoffe, dass das für euch genauso spannend ist, wie für mich die Veranstaltung war.
1. Keynote von Stephan Porombka
Mit Stephan Porombka wurde die Keynote von jemandem gehalten, der sich selbst nicht der Buchbranche zuordnet. Der Professor für Texttheorie und Textgestaltung hat stattdessen versucht von außen einen Blick auf die drängendsten Themen vom future publishing zu werfen. Einem größeren Publikum bekannt geworden ist Stephan Porombka vor allen Dingen durch seine Kolumne in Die ZEIT, in der er zeigt, wie er Bücher zerlegt, bearbeitet und verschiebt, um in den dadurch entstehenden Lücken und Bruchstellen nach neuen Möglichkeiten und Chancen zu suchen. Er konstatiert, dass die Buchbranche lange Zeit sehr gleichmäßig gewachsen ist, in den vergangenen Jahren jedoch zunehmend in einen Sog der Veränderung geraten ist. Als future publisher ist alles darauf angelegt, immer weitere Innovationen zu entwickeln. Häufig führt das jedoch nur zu Zwischenlösungen, die aus der Phase des Experiments nicht hinaustreten. Die entscheidende Frage für mich ist dabei immer auch, inwiefern Leser überhaupt dazu bereit sind, innovative Veränderungen mitzutragen oder doch gerne einfach ganz klassisch weiterlesen wollen.
Stephan Porombka spannt seinen Vortrag aber noch deutlich weiter, denn für ihn findet future publishing auch auf sozialen Kanälen wie Twitter statt. Angesichts der politischen Entwicklung und der Tatsache, dass Amerika nun einen Präsidenten hat, der vor allem beunruhigende Aussagen twittert, bleibt die Frage nicht aus, wie man sich zu solchen Entwicklungen positioniert. Ist es überhaupt noch möglich, politisch auf Twitter zu diskutieren? Und wie kann man mit Phänomenen wie Fake News und alternativen Fakten umgehen, die sich aus dem Einsatz der neuen Medien entwickelt haben?
In der Keynote, die schon fast einer Art Predigt ähnelte, hat Stephan Porombka einige kluge und inspirierende Gedanken geäußert und mir viel mit auf den Weg gegeben, über das ich weiter nachdenken werde. Die größte und sicherlich wichtigste Frage ist, wie sich jeder einzelne von uns zu dieser Entwicklung positionieren und verhalten möchte und damit auch die Zukunft der Medien, des Journalismus und der Literatur mitgestalten möchte.
2. Gleichstellung in der Buchbranche
Auf die Podiumsdiskussion zum Thema Gleichstellung in der Buchbranche habe ich mich am meisten gefreut – gemeinsam auf dem Podium saßen Yvonne de Andrés, Elisabeth Ruge und Valeska Henze. Valeska Henze gab in einer kurzen Präsentation zunächst eine Einführung in das Thema Gleichstellung in der Buchbranche. Auch wenn die Zahlen, die präsentiert wurden, aus einer Studie stammen, die bereits 2009 durchgeführt wurde, waren sie doch erschütternd: zusammengefasst arbeiten in der Buchbranche zu 80% Frauen, von denen 69% kinderlos sind – der Gender Pay Gap liegt bei 28%. In der Präsentation wird dies auf den erschreckenden Slogan Feminisierung ist Prekarisierung gebracht – denn steigt der Frauenanteil in einem Beruf um 10%, sinkt das Gehaltsniveau um 4%. Das Resultat dieser Zahlen ist die Tatsache, dass viele Frauen sich einen Branchenwechsel wünschen, da es für sie in der Verlagsbranche keine Perspektive und zu wenig Geld gibt, um das eigene Leben finanzieren zu können. Im Anschluss an die Präsentation wurde auf dem Podium angeregt über mögliche Gründe für diese Situation, aber auch über eventuelle Lösungsansätze diskutiert. Elisabeth Ruge, die in Berlin eine Literaturagentur leitet, fordert Maßnahmen innerhalb der Unternehmen oder auf der Ebene des Gesetzgebers – auch wenn sie den Begriff Frauenquote erniedrigend findet, hält sie sie dennoch für wünschenswert, nicht im Sinne einer Frauenquote, aber als Gendergerechtigkeit. Ebenso forderte sie dazu auf, dass sich die schon bestehenden Frauenorganisationen im Buchbereich noch stärker zusammenschließen und gemeinsam versuchen Lösungen zu erarbeiten. Das Ziel dabei sollte es sein, den Frauen ein besseres Leben zu ermöglichen und ihnen die Chance zur Entscheidungsfreiheit zu geben.
Da ich selbst eine Frau bin und momentan versuche als junge qualifizierte Berufseinsteigerin den Weg in die Buchbranche zu finden, hat mich diese Diskussion am stärksten berührt und interessiert. Ich glaube, dass es nicht reicht, Frauen dazu aufzufordern, nicht mehr zu jammern, sondern dass konkrete Maßnahmen im Unternehmen nötig sind, um an der bestehenden Situation etwas zu ändern. Ich habe während der Diskussion auf jeden Fall den Beschluss gefasst, Mitglied der Bücherfrauen zu werden.
3. Schnäppchen aus Tonga: Besuch auf der dunklen Seite der eBook-Welt
Thomas Pyczak, Autor und ehemaliger Chefredakteur von Chip, hat in seinem Vortrag über die dunkle Seite der eBook-Welt gesprochen. Aufmerksam geworden ist er auf dieses Thema, als sein eigenes Buch auf einer illegalen Plattform zum Download angeboten wurde – für einen geringen Cent-Betrag. Für ihn war das Anlass dazu, nachzuforschen, wie diese Plattformen entstehen und wer daran eigentlich verdient. Die Länder, mit den aktivsten eBook-Piraten sind China, Russland, Holland und Deutschland – in Russland wird bereits der eReader beim Kauf mit über 1200 Titeln ausgeliefert. Die Domains dieser Plattformen befinden sich zumeist in Tonga, dort kostet diese zwar 199€, man kann seine Website dann aber fast völlig im rechtsfreien Raum betreiben.
Durch diese Plattformen – auf denen brandneue eBooks zum Preis von 18 Cent, 21 Cent oder 50 Cent angeboten werden – entsteht der Buchbranche ein täglicher Schaden im fünfstelligen Bereich. Besonders perfide daran ist, dass der Bezahlvorgang über einen Amazongutschein abgewickelt wird. Obwohl Thomas Pyczak Amazon um eine Stellungnahme gebeten hatte, hat sich das Unternehmen dazu nicht zu Wort gemeldet. Ich bin aus diesem Vortrag entsetzt herausgegangen, da es natürlich erschütternd ist, wie viele eBooks illegal verscherbelt werden – gerade auch dann, wenn man ein Bewusstsein dafür hat, wieviel Arbeit in diese Bücher fließt. Ebenso interessant ist es natürlich, was das eigentlich für Menschen sind, die Bücher immer günstiger und in immer größeren Mengen erwerben wollen.
4. Unternehmen & Impulse, die ich von der Future Publish mitgebracht habe
In der Reihe future!inspiration haben sich im Laufe des Kongresses auch einige neue und digitalausgerichtete Unternehmen vorgestellt – besonders überzeugen konnten mich log.os social, ein Digitalprojekt von Volker Oppmann, und der Streamingdienst Voice Republic.
Das Ziel von Volker Oppmann ist es mit log.os social die perfekte Lesemaschine zu bauen – quasi ein Facebook für Bücher. Am ehesten könnte man log.os wahrscheinlich als social reading Plattform bezeichnen: Nutzer können – ähnlich wie bei Lovelybooks – Bücher in ihre Bibliothek stellen, aber auch Textstellen markieren und diese Zitate dann auf den eigenen sozialen Kanälen teilen. Ebenso soll es möglich sein, dort direkt eBooks zu erwerben, die gemeinsam gelesen werden können. Ich bin gespannt, was sich weiterhin aus dieser Idee entwickeln wird, an der Volker Oppmann bereits seit einigen Jahren arbeitet.
Voice Republic versteht sich als Podcasting Anbieter für die Publishing Branche. Konferenzen, Veranstaltungen und Lesungen können vom Team aufgezeichnet und somit auch für die Zuhörer zu Hause angeboten werden. Es geht also um das gesprochene Wort und Voice Republic hat es sich zum Ziel gesetzt, eine kostengünstige und effiziente Lösung anzubieten, mit denen relevante Inhalte weiter verbreitet werden können. Schon jetzt bietet Voice Republic ein umfangreiches Archiv von über 1000 Redebeiträgen an – beispielsweise Aufnahmen der Blogger Sessions von der vergangenen Leipziger Buchmesse.
Darüber hinaus habe ich von der Future Publish den Wunsch mit nach Hause gebracht, mich stärker zu engagieren – die Situation für Frauen in der Buchbranche hat mich schockiert. Vielleicht gelingt es uns ja doch noch gemeinsam etwas an dieser Situation zu ändern, bevor qualifizierte Frauen der Buchbranche den Rücken zuwenden oder Berufseinsteiger, sich gleich in anderen Bereichen engagieren. Passend für dieses Gefühl, die Zukunft selbst auch ein Stück in die Hand nehmen und mitgestalten zu wollen, steht auch das Leitmotto, unter der die Future Publish ausgerichtet wurde – “The best way to predict the future is to invent it”.
Abschließend hoffe ich, dass ich die eine oder andere interessante Informationen für euch mitbringen konnte – wenn ihr nun neugierig geworden seid, dann könnt ihr euch schon einmal den 25. und 26.1.2018 notieren, da findet nämlich die dritte Future Publish statt. Ich freue mich schon darauf!
11 Comments
comp_lit_se
January 31, 2017 at 3:04 pmLiebe Mara, vielen Dank für den spannenden Artikel. Ich hatte auch überlegt, zur future!publish zu gehen, es war mir aber dann zu teuer. Schön, jetzt auf anderem Wege etwas über die Inhalte zu erfahren!
Mara
February 6, 2017 at 1:21 pmLiebe Eva,
preislich ist der Besuch tatsächlich nicht gerade kostengünstig! Ich freue mich, dass ich dir auf diesem Wege dennoch ein wenig über die Veranstaltung erzählen konnte!
Liebe Grüße
Mara
Erika Mager
January 31, 2017 at 3:59 pm“…inwiefern Leser überhaupt dazu bereit sind, innovative Veränderungen mitzutragen oder doch gerne einfach ganz klassisch weiterlesen wollen.” Interessanter Gedanke, der mich schon länger umtreibt.
Mara
January 31, 2017 at 4:10 pmLiebe Erika,
der Gedanke kam mit bei der Veranstaltung zwangsläufig, da ich z.B. ein Facebook für Bücher natürlich vom Konzept her interessant finde, doch auf der anderen Seite sagen muss, dass es eigentlich nichts gibt, was mir wirklich fehlt beim Lesen – ich weiß also nicht, ob es eigentlich wirklich einen Bedarf für diese ständigen Veränderungen und Entwicklungen gibt. Es ist klar, dass auch die Buchbranche mit der Zeit gehen muss und das tut sie zum Teil ja auch schon, aber ich hänge dann doch noch sehr klassisch am gedruckten Buch, das ich alleine für mich lese.
Liebe Grüße
Mara
Erika Mager
January 31, 2017 at 4:33 pmE-Books finde ich auch nicht schlecht, aber auch da möchte ich mit dem Leseerlebnis erst einmal alleine sein.
Liebe Grüße zurück
Mara
January 31, 2017 at 5:16 pmLiebe Erika,
auch ich bin dem eBook gegenüber aufgeschlossen – auch wenn ich es noch nicht allzu häufig nutze. Mit dem Gedanken gemeinsam zu lesen, kann ich mich dagegen nur schwer anfreunden. Natürlich diskutiere ich gerne über Bücher, die ich gelesen habe, ich habe aber nicht das Bedürfnis Bücher gemeinsam am Computer lesen zu müssen.
Es wird auf jeden Fall spannend, was da noch für Entwicklungen auf uns zukommen werden!
Liebe Grüße
Mara
Julia | Literameer
January 31, 2017 at 5:19 pmHallo Mara,
vielen Dank für diesen spannenden Einblick. Über Twitter habe ich ein bisschen was von dieser Veranstaltung mitbekommen und fand es gerade sehr interessant, mehr darüber zu erfahren.
LG
Julia
Mara
February 6, 2017 at 1:19 pmLiebe Julia,
das freut mich sehr – die Veranstaltung richtete sich vor allem an Branchenkenner, ich fand es dennoch interessant einen Einblick in die Themen zu erhalten und an euch das Spannendste weiter zu geben!
Liebe Grüße
Mara
Dorte
January 31, 2017 at 7:27 pmHallo Mara,
vielen Dank für diesen Beitrag.
Bereits kürzlich hörte ich im DLF ein Gespräch mit Elisabeth Ruge, in der es um diese Thematik ging.
http://www.deutschlandfunk.de/zukunft-der-buchbranche-das-analoge-und-digitale-werden.691.de.html?dram:article_id=377296
Du schreibt in Deinem Beitrag:
“Die entscheidende Frage für mich ist dabei immer auch, inwiefern Leser überhaupt dazu bereit sind, innovative Veränderungen mitzutragen oder doch gerne einfach ganz klassisch weiterlesen wollen.”
Über diesen Aspekt habe ich mir schon vor Jahren Gedanken gemacht. Prinzipiell war ich als Leserin bereit, Veränderungen mitzutragen. Was in den Anfängen für mich allerdings noch nicht absehbar war, war der mit den neuen Medien einhergehende Qualitätsverlust und die Kurzlebigkeit von Literatur, siehe beispielsweise das Remittieren von Taschenbüchern innerhalb eines Zeitraums von teilweise zehn Monaten.
Die Branche hat sich verändert, meines Erachtens nicht zum besten. Es sollte wieder auf Qualität und eine Haltbarkeitsdauer von Büchern gesetzt werden; denn dann ist es letzten Endes unbedeutend, ob klassisch , mit dem Lesegerät, Smartphone oder am Computer gelesen wird.
Liebe Grüße
Dorte
P.S. Nachträglich alles Gute.
Mara
February 6, 2017 at 1:18 pmLiebe Dorte,
vielen Dank für die Glückwünsche und deine Wortmeldung. Ich kann dir eigentlich nur zustimmen: ich verstehe einerseits, dass Verlage immer auf der Suche nach neuen Erlösmodellen sind, auf der anderen Seite finde ich es sehr bedauerlich, wie schnell Bücher remittiert werden und auf dem Ramschtisch landen. Vor fünf oder sechs Jahren habe ich dieses so extrem noch nicht erlebt – alles muss schnelllebig, neu und gut verkäuflich sein. Die wahren Perlen in den neuen Programmen zu finden, wird dadurch immer schwieriger.
Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie sich das weiter entwickeln wird und wohin uns das noch führt.
Liebe Grüße
Mara
future!publish 2017 in Berlin - Pinkfisch
February 7, 2017 at 6:16 pm[…] Ebenfalls auf der future!publish war meine Buchbloggerinnen-Kollegin Mara von Buzzaldrins Bücher. Sie hat bereits ausführlich auf ihrem Blog über den Kongress berichtet. […]