In guten wie in schlechten Tagen – Tayari Jones

Was kann eine Liebe alles aushalten? Das ist die große Frage, die Tayari Jones in ihrem Roman In guten wie in schlechten Tagen stellt – sie ist damit über Nacht zu einer der erfolgreichsten amerikanischen Autorinnen geworden, stand auf Platz 2 der New York Times-Bestsellerliste und stieg sofort in die Indie-Bestseller-Liste ein. Meine Erwartungen waren hoch, als ich das Buch in die Hand nahm – und wurden nicht enttäuscht.

Es gibt zwei Arten von Menschen auf der Welt, die, die von zu Hause weggehen, und die, die es nicht tun. Ich bin stolzes Mitglied der ersten Kategorie. Meine Frau, Celestial, hat immer behauptet, im Grunde meines Herzens wäre ich ein Junge vom Land, aber ich konnte mit der Bezeichnung nie viel etwas anfangen.

Was kann eine Liebe alles aushalten? Und wie übersteht eine Beziehung nicht nur die guten, sondern auch die schlechten Tage? Diesen Fragen widmet sich Tayari Jones in ihrem Roman. Celestial und Roy sind seit eineinhalb Jahren verheiratet: sie streiten und sie lieben sich, aber egal was auch passiert, am Ende vertragen sie sich doch immer wieder. Celestial und Roy sind jung, genauso wie die gemeinsame Beziehung – die noch in den Kinderschuhen steckt. Beide loten noch aus, was den anderen ärgert und worauf man Rücksicht nehmen muss.

Als die beiden Roys Eltern besuchen und die Nacht gemeinsam in einem Hotel verbringen, passiert das Unfassbare: eine Frau bezichtigt Roy fälschlicherweise der Vergewaltigung, dabei hat er die ganze Nacht neben Celestial verbracht. Roy ist schwarz und er hat Pech: er ist zur falschen Zeit am falschen Ort und das amerikanische Justizsystem ist gnadenlos. Eine Jury verurteilt ihn trotz fehlender Beweise zu einer Haftstrafe. Für zwölf lange Jahre soll er ins Gefängnis geschickt werden – für eine Tat, die er nie begangen hat.

Celestial, ich liebe Dich. Ich vermisse Dich. Ich will zu Dir nach Hause. Sieh nur, wie ich Dir Dinge erzähle, die Du schon weißt. Ich versuche, etwas aufs Papier zu bringen, das Dich an mich erinnert – an mich in echt, nicht den Mann, den Du in einem heruntergekommenen Provinz-Gerichtssaal gesehen hast, selbst ganz heruntergekommen. Ich habe mich zu sehr geschämt, um mich nach dir umzusehen, aber jetzt wünschte ich, ich hätte es getan, denn in diesem Moment würde ich alles für einen weiteren Blick geben.

Der Roman ist in drei Teile gegliedert und wird abwechselnd aus der Perspektive von Roy und Celestial erzählt. Wir erfahren viel über die Kindheit der beiden, wie sie aufwuchsen, wie sie sich kennenlernten, wie sie sich ineinander verliebten. Es wird aber auch von den Streiterein erzählt, von Meinungsverschiedenheiten. Roy hat Geheimnisse, die er selbst Celestial nicht erzählt. Und er hat Wünsche, die sie ihm nicht erfüllen möchte – Roy möchte ein Kind, Celestial will sich erst einmal eine eigene Karriere aufbauen. Auch der verhängnisvollen Nacht, in der Roy verhaftet wird, geht ein großer Streit voraus.

Wir erfahren viel über das Leben von Roy im Gefängnis – für ihn bleibt von einem Moment auf den anderen die Zeit stehen, er hat nur noch die vier Wände, in denen er eingesperrt ist. Das Leben für Celestial geht weiter: sie hat Träume, Wünsche, Ziele. Sie ist jung und ehrgeizig. Wie lange kann man auf jemanden anderen warten? Wie lange kann man sein eigenes Leben zurückstellen? Wie lange kann man auf den Mann Rücksicht nehmen, den man liebt und der unschuldig im Gefängnis sitzt? Am Anfang besucht Celestial ihn regelmäßig, aber die Fahrt ist weit und ihr Leben in Freiheit geht weiter – ohne Roy.

Als ich dich das erste Mal Georgia nannte, war es, weil ich Dir ansah, dass du Heimweh hattest. Jetzt nenne ich Dich so, weil ich derjenige bin, der sein Zuhause vermisst, und mein Zuhause bist Du.

Im Roman von Tayari Jones geht es natürlich auch um Diskriminierung: wäre ein weißer Mann ebenfalls für zwölf Jahre ins Gefängnis geschickt worden? Wäre einem weißen Mann ebenfalls ein Prozess gemacht worden? Ganz ohne Beweise und Indizien? Was sagt das aus über das amerikanische Justizsystem? Roy ist zur falschen Zeit am falschen Ort – und sein Leben ist vorbei.

In guten wie in schlechten Tagen ist ein vielschichtiger, spannender und rasant geschriebener Roman, der mich mit auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle genommen hat: ich habe mit Roy und Celestial gelitten und für beide irgendwie Verständnis gehabt. Tayari Jones erzählt eine starke und mitreißende Geschichte: es geht um die Liebe, das Leben, das Überdauern von Beziehungen und die Ungerechtigkeit des amerikanischen Justizsystems.

Tayari Jones: In guten wie in schlechten Tagen. Aus dem amerikanischen Englisch von Britt Somann-Jung. Arche Verlag, 2019. 349 Seiten, 22€.

1 Comment

  • Reply
    packingbooksfromboxes
    April 24, 2019 at 2:09 pm

    Oh, da schleiche ich auch schon eine ganze Weile drum herum… nach Deiner Rezension noch ein wenig mehr- Danke!

    LG, Vanessa

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