Browsing Tag

Uwe Englert

Karl Ove Knausgård bewegt Hamburg

Am Dienstagabend hat Karl Ove Knausgård in Hamburg gelesen – ausgerichtet wurde die Lesung vom Literaturhaus Hamburg, aufgrund des großen Interesses ist man aber in das Rolf-Liebermann-Studio ausgewichen. Gelesen hat der norwegische Autor vor fast fünfhundert Menschen, von denen sich viele schon eine Stunde vor Beginn der Lesung vor den Türen herumdrückten. Ein junger Mann reiste extra aus Göttingen an, ein Ehepaar berichtete, aus der Schweiz gekommen zu sein, um Knausgård lesen zu sehen. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, das Konzert eines Popstars zu besuchen und nicht die Lesung eines Schriftstellers.

kNAUSGARD Lesung

Uwe Englert (Skandinavist und freier Übersetzer), Karl Ove Knausgård und Helmut Mooshammer (Schauspieler)

Der Tisch, der in der Mitte der Bühne platziert war, wurde von drei Herren besetzt: Helmut Mooshammer, Uwe Englert und natürlich Karl Ove Knausgård. Während Helmut Mooshammer die deutschen Passagen las, führte der Skandinavist Uwe Englert gekonnt durch den Abend und gab dabei Einblicke in das Werk des norwegischen Autors. Seine Ausführungen unterbrach er immer wieder, um Knausgård auf Norwegisch Fragen zu stellen und dessen Antworten ins Deutsche zu übersetzen. Zwischendurch las Helmut Mooshammer zwei längere Passagen aus dem zuletzt erschienenen Band Träumen.

Die Atmosphäre während der Lesung war von einer beeindruckenden Konzentration – das Publikum lauschte dem Gespräch zwischen Englert und Knausgård gebannt, vor allen Dingen aber auch den vorgelesen Passagen von Helmut Mooshammer. Ich habe es selten zuvor erlebt, wie sich tatsächlich eine komplette Stille und ein – so fühlte es sich zumindest an – angehaltener Atem in einer Zuschauermenge ausbreitet. Das war unheimlich intensiv und wahnsinnig beeindruckend. Gleichzeitig habe ich mir natürlich auch die Frage gestellt, was eigentlich das so Beeindruckende an Knausgård ist – wenn man ihm selber glaubt, hätte er nie mit diesem Erfolg gerechnet und hat viel mehr für sich selbst geschrieben. Wenn man diese Begeisterung und das Interesse ernst nimmt, muss man daraus schlussfolgern, dass es ein vermehrtes Interesse an Autobiographischem, an Selbstreflexion und Selbstanalyse gibt. Doch woher das kommt, diese Begeisterung für einen Autor, der eben auch ganz viele Banalitäten und Alltagsgeschehnisse beschreibt, konnte auch an diesem Abend nicht endgültig entschieden werden. Mich begeistert wohl am meisten diese Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst

Knausgard Autogramm

Am Ende des Abends las Karl Ove Knausgård noch eine Miniatur aus seinem allerneusten Roman vor (einem Brief an seine ungeborene Tochter, der vergangene Woche in Norwegen erschien) und tat das mit so viel Inbrunst und ansteckender Begeisterung, dass es selbst Helmut Mooshammer die Sprache verschlug. Die anschließende Autogrammschlange zog sich übrigens durch das ganze Foyer und es dauerte fast eine Stunde, bis auch der letzte zufriedene Zuschauer das Gebäude verließ. Auch ich bin zufrieden nach Hause gegangen, voller Gedanken, Fragen und wunderbaren Glücksgefühlen. Wenn ihr (noch einmal) die Chance bekommen solltet, dann lasst euch Karl Ove Knausgård nicht entgehen. Es ist ein Lesungsbesuch, der sich nachhaltig lohnt. Bei mir hat diese Lesung auf jeden Fall dazu geführt, dass ich mir vorgenommen habe, wieder häufiger nach für mich interessanten Autoren zu schauen, die auf Lesereise sind. Wie sieht das bei euch aus? Welche Erfahrungen habt ihr mit Lesungen? Habt ihr mal eine besucht, die euch besonders beeindruckt hat?

Knausgard Lesung

%d bloggers like this: