Die Außenseiter – Jaimy Gordon

Download Außenseiter“Mit dem Glück war es genauso. Es kam, weil man es rief, weil man danach pfiff, weil es merkte, man würde kein Nein akzeptieren. Glück, das war die Welt, die einem über einen breiten Graben und trotz schlechter Quoten in die Arme sprang. Es war Liebe, die nie verdient wird; alles andere war Plackerei.”

In Jaimy Gordons Roman “Die Außenseiter”, der  im Jahr 1970 in West Virginia spielt, spielt Glück eine zentrale Rolle. Wie wird man glücklich? Was braucht man um glücklich zu sein? Wann hat man Glück?

Aufmerksam wurde ich auf den Roman durch einen Artikel auf SPIEGEL online, in dem der Roman als “Roman des Monats” eingestuft wurde. Besonders fasziniert hatte mich dabei die Entstehungsgeschichte des Romans, der in einem kleinen Verlag erschienen ist und zunächst kaum besprochen worden war.

Der Großteil der Geschichte spielt auf der Pferderennbahn Indian Mound Downs, einer drittklassigen Rennbahn in West Virginia. Jaimy Gordon hatte in ihrer Jugend auf einer ähnlichen Bahn gearbeitet. Es geht um Pferde (die alle tolle typische Pferdenamen haben wie Pelter, Little Spinoza, Lord of Misrule und The Mahdi) Jockeys, Stalljungen, Wetten und Geld. Es geht um’s Gewinnen und Verlieren. Um’s Glück. Und darüberhinaus sicherlich auch darum, wer es wieder weg von diesem Ort schafft und wer in Indian Mound Downs hängenbleibt. Die meisten der Pferde dort sind überwiegend schon abgehalftert, alt, verletzt, lahm oder einfach nur störrisch. Ähnlich wie das menschliche Personal des Buches.

Die Geschehnisse in Indian Mound Downs verändern sich und nehmen schlagartig Fahrt auf, als Tommy Hansel mit seinen vier Pferden auf der Rennbahn aufkreuzt. Keiner weiß, was er eigentlich plant. Dabei hat er auch noch seine Freundin Maggie, die sich um die Pferde kümmert.

“Am letzten Außenposten des Menschlichen, wo man durch Nebelfetzen ins Nichtmenschliche starrte, wo man eigentlich nichts mehr sehen, geschweige denn hinübersetzen durfte, da fühlte sie sich wie zu Hause.”

Das ist einer der Sätze, die über die junge Frau Maggie gesagt werden. Maggie scheint irgendwie von Anfang an nicht auf die Rennbahn zu passen, an diesen Ort zu gehören. Sie hatte einen guten Job und eine solide Ausbildung, bevor sie ihr ganzes Leben aufgab um mit Tommy ins Pferdegeschäft einzusteigen. Sie entwickelt schnell eine tiefe Zuneigung und Liebe zu den Tieren. An einem Ort, wo gute Behandlung der Pferde nicht unbedingt im Vordergrund steht. Trotzdessen fühlt sich Maggie in Indian Mound Downs zu Hause und scheint mit unbändiger Hartnäckigkeit und Ausdauer ihre Berufung gefunden zu haben.

“Einmal war sie in einer Tierhandlung aus Versehen gegen einen Käfig gestoßen, und der kleine Affe drinnen hatte einen ihrer Blusenknöpfe gepackt und nicht wieder losgelassen. Sie zog ihn weg.  Der Affe hatte sie mit der ganzen ernsten Verzweiflung seiner Langeweile angeschaut und den Knopf noch fester zu sich gezerrt. Sie hatte die Finger des Affen zu lösen versucht, doch es war klar, sie würde Gewalt anwenden, seine kleinen Finger einzeln brechen müssen, um sich zu befreien. Schließlich musste sie ihre Bluse zerreißen. Das machte ihr nichts aus. Sie war gerührt. Sie wusste, dieser Affe war wie sie.”

Als Leser merkt man jedoch schnell, dass es Spannungen und atmosphärische Störungen zwischen Tommy und Maggie gibt, die im Laufe des Buches immer stärker zunehmen. Neben Tommy und Maggie gibt es eine Vielzahl an weiteren Personen: die Pflegerin Deucy, der allein lebende Two-Tie und seine Schäferhundin Elizabeth, der rabiate Tiertrainer Joe Dale Bigg und der dunkelhäutige Pferdepfleger Medicine Ed.

“Scheint fast, als ob das seit ewigen Zeiten Medicine Eds größtes Vergnügen war, jeden Tag wieder drüber nachzugrübeln, wie alles Gute runtergekommen ist und wie das, was mal gut für ihn lief, ihm in den Händen zerbröselt ist. Bis er sich selbst nicht mehr ausstehen konnte.”

Jaimy Gordon erzählt eine interessante und faszinierende Geschichte über gestrandete Außenseiter, die ihre eigene Version – oder das, was noch davon übrig geblieben ist – des amerikanischen Traums leben. Auf einer Pferderennbahn im Niemandsland Amerikas. Sprachlich spiegelt das Buch originell und überzeugend die Art von Milieu wider, das sich auf der Pferderennbahn tummelt. Bei mir hat die verwendete Sprache fast schon einen unbändigen Sog beim Lesen ausgelöst. Die besondere Sprache und die Art und Weise über die Gedankenwelt der Charaktere zu berichten, hat mich zum Teil mehr überzeugt, als die Geschichte selbst, die zwischen Pferderoman, Milieustudie und Kriminalroman schwankt und kaum einem Genre wirklich zuzuordnen ist. Die beschriebenen Charaktere – vor allem Maggie, Two-Tie und Medicine Ed – sind mir in ihrer verschrobenen Art sehr nahe gekommen und ans Herz gekommen. Am Ende des Romans nimmt die Geschichte noch einmal Fahrt auf und verläuft nicht für alle Beteiligten positiv. Ich glaube, ich hätte jedem der drei von Herzen gewünscht, dass sie ihr Glück finden mögen …

2 Comments

  • Reply
    haushundhirschblog
    February 10, 2012 at 7:18 pm

    Vielen Dank für Deinen Artikel!

    • Reply
      maragiese
      February 15, 2012 at 12:00 pm

      Gern geschehen … ich freue mich, dass ich scheinbar dein Interesse wecken konnte! Ich wäre gespannt auf andere Meinungen zu Jaimy Gordons Roman … ein bisschen unsicher bin ich mir schon, wie mir das Buch nun eigentlich gefallen hat.

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