5 Fragen an Kevin Kuhn!

© Harald Geil

© Harald Geil

Wie viele junge Schriftsteller ist auch Kevin Kuhn virtuell unterwegs und es lohnt sich einen Blick auf seine Homepage zu werfen. Kevin Kuhn hat Philosophie, Kunstgeschichte und Religionswissenschaft in Tübingen und Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim studiert. Seit 2010 ist er Lehrbeauftragter am dortigen Institut. “Hikikomori” ist sein Debütroman.

1.) Warum wollten Sie Schriftsteller werden?

Ursprünglich wollte ich Philosoph werden, hatte das Schreiben auch mit kurzen Aphorismen und philosophischen Abhandlungen begonnen – die Welt in klaren und kurzen Begriffen zu zeichnen, ohne narrative Schnörkel, schien mir damals das Naheliegendste. Aber die mögliche Leserschaft, wie ich sie in den Kommilitonen witterte, schreckte mich schnell ab, so versuchte ich mich erst in Lyrik, dann an Theaterstücken, dann an einem Drehbuch, dann an Kurzgeschichten. In Kurzgeschichten konnte ich das Gedachte mit Leben füllen, eine Bühne bieten. Aber diese wurde schnell zu klein – der Hikikomori entstand aus einer Miniatur, Till und sein Kosmos stießen schnell an Seitengrenzen, brauchten Raum. Und hier sitze ich nun denke, und diese Gedanken brauchen Leben und Platz. Und das ist der Roman.

2.) Gibt es einen Schriftsteller oder einen Künstler, der Sie auf Ihrem Weg besonders inspiriert hat?

Einer? Eher unheimlich viele! Alles, was ich lese, die Serien, die ich sehe, Ausstellungen – all das fällt in mich hinein. Gerade ist es eine Kombination aus Breaking Bad (meisterliche Plots und Figurenführung) und Ben Brooks (unmittelbare, treffende Sprache), die mich begleiten. Für den Hikikomori waren es John Wray (sein einzigartiger Außenseiter-Protagonist in „Der Retter der Welt“), Haruki Murakami (seine nahtlose Verschmelzung von Realität und Fantasie) und der Künstler Alberto Zamora Ruiz, für dessen Bild ich besagte Miniatur schrieb.

3.) Wann und wo schreiben Sie am liebsten?

Morgens zwischen 8 und 10 Uhr ist mein Kopf noch am klarsten und vom Tag unverschont. Der Schreibtisch ein idealer Ort. Dann braucht es Koffein und ein kleines Frühstück, um bis 12 oder 13 Uhr die Spannung zu halten. Danach ist die Luft raus. Den ganzen Mittag, Nachmittag über beriesele ich mich mit Einflüssen. Neuerdings suche ich am Abend immer dasselbe Café, dieselbe Eckbank mit Blick auf die Straße. Da gibt es kein Internet. Nur klassische Musik und einen Hund. Das hilft – im Idealfall – für einen zweiten Schub.

 4.) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

Ich lese stets mehrere Bücher gleichzeitig und oft auch nur auszugsweise. Gerade aufgeklappt sind: Willy Vlautin: Motel Life, Jean Echenoz: Blitze, Joyce Carol Oates: Über Boxen und die BELLA triste 33.

 5.) Was würden Sie einem jungen Schriftsteller raten?

Ich rate einem jungen Schriftsteller – und das rate ich auch mir – sich in die Welt zu begeben. Die ist unser Stoff. Die Welt gerade auch in ihren Gefahrensituationen, in ihren Ecken und Kanten, im Fernen und Übersehenen. Dinge tun, die das Eigene verlassen, neu modellieren. Aber auch schreiben. Und das Geschriebene zur Diskussion stellen, sich vom Gedanken lösen, dass es nicht besser ginge. Und dann klappt es auch irgendwann.

Herzlichen Dank für die Beantwortung meiner Fragen!

14 Comments

  • Reply
    caterina
    September 27, 2012 at 6:37 pm

    Kluge Antworten. Spannende Antworten. Vor allem auf Frage zwei und fünf.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      September 29, 2012 at 2:17 pm

      Liebe Caterina,
      ich fand die Antworten auch sehr klug und spannend. Breaking Bad wandert nun endlich auf meine Wunschliste – ich bin schon sehr gespannt, wie mir die Serie gefallen wird. In einem Artikel über Jonathan Franzen habe ich gelesen, dass dieser die Serie in einem Rutsch geschaut hat, weil er sie so toll fand.

      Liebe Grüße
      Mara

      • Reply
        caterina
        September 29, 2012 at 2:24 pm

        Ich sollte sie mir wohl auch mal anschauen. Andererseits weiß ich schon, warum ich keinen Fernseher habe: Ich wäre ein totaler Junkie. D.h. wenn ich jetzt mit einer neuen Serie anfange, lasse ich alles andere stehen und liegen und verlieren kostbare Lesezeit 😉

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          September 29, 2012 at 2:27 pm

          Das stimmt! Wir haben zwar einen kleinen Fernseher, aber keinen Fernsehanschluss – wir schauen darauf nur ab und an DVDs, meistens am Abend. Seitdem dies so ist, habe ich das Gefühl viel mehr Lesezeit zu haben als vorher … 🙂

      • Reply
        wortlandschaften
        September 29, 2012 at 4:34 pm

        „Breaking Bad“ ist schon ein Ereignis, das ja noch nicht beendet ist. Ich kenne ein paar Meinungen, die in der ersten Staffel nicht so reingefunden haben, aber gerade der Start macht die Serie für mich so überzeugend.

        Ja, mit Serien kann man schon sehr viel Zeit verbringen und ich kenne das auch, dass ich eine Serie, wenn die Zeit da ist, in wenigen Tagen verschlinge (also schon nur 1 Staffel und keine 5). Aber ich habe auch keinen Fernseher und das sinnlose Zappen entfällt, also rede ich mir ein, die Zeit besser gefüllt zu haben. 😉 Für mich ist aber auch nicht jede Zeit, die ich nicht mit Lesen verbringe, verlorene Zeit. Leichter zu konsumieren ist eine Serie allemal, aber deswegen nicht unbedingt leichte Kost. 😉

        John Wray habe ich mal bei einer Lesung gesehen, wo er erzählte, dass er seinen Roman in der U-Bahn geschrieben hat, weil er daheim nichts auf die Reihe bekam. Er machte einen sehr sympathischen Eindruck, sein Buch wollte ich danach gleich lesen – und habe es vergessen. Auf diesem Weg ein Dankeschön an den Autor, dessen Name ich mir mit dem von Herrn Wray notiert habe.

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          September 30, 2012 at 10:16 am

          Schon seit Jonathan Franzen “Breaking Bad” erwähnt hat, steht die Serie auf meiner Liste. Nun werde ich sie mir sicherlich bald kaufen. Dass sie dich überzeugt, überzeugt mich dann noch einmal zusätzlich … 😉

          Ich kann mich dem was du über Serien schreibst, nur anschließen. Irgendwie redet man sich tatsächlich ein, Zeit sinnvoller zu verbringen, wenn man nicht nur sinnlos zappt. Früher habe ich mehr Fernsehen geschaut und hatte den Fernseher sogar manchmal beim Lesen an. Nun habe ich schon das Gefühl mehr Zeit und Konzentration für meine Lektüre zu haben und freue mich sehr darüber. Ich glaube auch nicht, dass ich für mich sagen würde, dass Zeit in der ich nicht lese, verlorene Zeit ist. Ich wünschte nur, ich würde meine “virtuelle Zeit” noch etwas reduzieren können: der Blog, Facebook, Twitter – dass sind alles ganz schöne Zeitfresser.

          Ich habe “Der Retter der Welt” von John Wray vor einigen Jahren mir großer Begeisterung gelesen. Es ist ein außergewöhnliches, interessantes und gut geschriebenes Buch, dem stellenweise leider ein wenig Struktur und Klarheit gefehlt hat. Für mich dennoch eine große Leseempfehlung – wenn du bereit dazu bist, auch etwas ungewöhnliches zu lesen. 🙂

      • Reply
        caterina
        October 1, 2012 at 4:55 pm

        So, ich habe mir nun übers Wochenende die ersten drei Folgen von Breaking Bad angeschaut und muss sagen: Sehenswert! Der schwarze Humor gefällt mir ausgesprochen gut, auch die Geschichte dahinter, die beklemmend und zugleich amüsant ist.

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          October 2, 2012 at 7:31 pm

          Das hört sich ja toll an, liebe Caterina! 🙂 Ich wollte diese Woche auf jeden Fall noch los gehen und uns die erste Staffel besorgen und bin nach deinem Kommentar noch gespannter. Ich befürchte aber, dass ich sie alleine schauen muss, da meine Freundin mit “schwarzem Humor” nicht viel anfangen kann … 😉

          • caterina
            October 2, 2012 at 7:34 pm

            Oh, wie schade. Aber glaub mir, man wird auch allein bestens unterhalten. Also nicht, dass man ständig laut auflachen müsste – davor ist das Thema einfach zu ernst -, aber die eine oder andere bitterböse Szene gibt es schon. Und der Soundtrack gefällt mir recht gut.

          • buzzaldrinsblog
            October 4, 2012 at 5:37 pm

            Das klingt sehr verlockend, liebe Caterina. 🙂 Ich werde mir die erste Staffel morgen holen und dann gerne berichten, wie es mir gefallen hat!

  • Reply
    Markus Rybacki
    September 27, 2012 at 6:59 pm

    Stimmt. Kluge und spannende Antworten.
    Ein Schriftsteller mit System, wie mir scheint…

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      September 29, 2012 at 2:18 pm

      Danke für deinen Kommentar, lieber Markus. Wie bereits in meiner Antwort an Caterina geschrieben empfand ich die Antworten von Kevin Kuhn auch als klug und spannend. Freut mich, dass sein Interview dir gefallen hat! 🙂

  • Reply
    cosima1973
    October 1, 2012 at 7:28 am

    Spannender Weg hin zum Roman. Tolles Interview, danke dafür!

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      October 1, 2012 at 2:58 pm

      Bitte, gern geschehen! Ich freue mich, dass es dir gefallen hat! 🙂

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