Adams Erbe – Astrid Rosenfeld

Die Schriftstellerin Astrid Rosenfeld wurde 1977 in Köln geboren und hat in diversen Jobs in der Filmbranche gearbeitet, unter anderem war sie als Casterin tätig. Heutzutage lebt sie in Berlin. “Adams Erbe” war ihr Debütroman und war sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik ein großer Erfolg. Im Februar erscheint ihr nächster Roman “Elsa ungeheuer” im Diogenes Verlag.

“Fängt man an zu schreiben, weil es jemanden gibt, dem man alles erzählen will? Fängt man an zu erzählen, weil der Gedanke, dass alles einfach verschwinden soll, unerträglich ist?”

Astrid Rosenfeld erzählt in ihrem Roman “Adams Erbe” die Geschichte von Edward Moss-Cohen. Doch Edwards Geschichte ist nur ein kleiner Teil des Ganzen. Eigentlich wird die Geschichte Adams erzählt. Adam hat Edward “seine Augen, seinen Mund, seine Nase vererbt, und einen Stapel Papier, der seinen wahren Empfänger nicht erreicht hat”. Auf einem Dachboden haben sich die Geschichten der beiden ineinander verschlungen.

“An einem sonnigen Nachmittag im März presste Magda mich heraus und benannte mich nach einem der Protagonisten ihres Lieblingsromans von Jane Austen: Edward. An diesem Frühlingstag sah ich aus wie alle anderen Babys, aber mit jedem Jahr wuchs die Ähnlichkeit. Adams Augen, Adams Mund, Adams Nase.”

Edward hat keinen Vater und wächst alleine mit seiner Mutter und seinen Großeltern auf. Sein Großvater Moses wird mit den Jahren immer seltsamer, zieht sich auf den Dachboden zurück und spricht Edward mit dem Namen seines Bruders Adam an.

“Vor vielen Jahren hat hier schon mal ein Junge gesessen, der sah aus wie du. Er hatte keine Autos, sondern Zinnsoldaten. Er hieß Adam und war mein kleiner Bruder.”

Adam ist Edwards Großonkel, den er nie kennengelernt hat. Das schwarze Schaf der Familie, das einem Schatten gleich über Edwards Existenz schwebt. Familie Cohen wollte nach der Machtergreifung Hitlers nach England ausreisen, doch kurz vor dem Tag der Abreise verschwand Adam mit dem gesamten Familienvermögen. Seine Mutter und Großmutter entschieden sich in Berlin zu bleiben, sie haben ihr Leben lang auf Adams Rückkehr gewartet, der jedoch nie zurückkehren sollte.

An dem Tag, an dem Edwards Leben in tausend Teile zerbricht, betritt er zufällig den Dachboden seiner Großmutter und findet dort ein Stapel Papier, andressiert an Anna Guzlowski: Adams Erbe, sein Nachlass, die Geschichte, die er für einen ganz bestimmten Menschen zurückgelassen hat, die die Empfängerin aber nie erreicht hat.

Adams Geschichte beginnt im Jahr 1938 in Berlin. Adam wächst gemeinsam mit seiner exzentrischen Großmutter Edda Klingmann, seinem Bruder Moses und ihrer Mutter in Berlin auf. Er ist ein verschrobener Junge, der seinen Tagträumen nachhängt. Doch die Machtergreifung Hitlers liegt wie ein dunkler Schatten über seinem Leben, denn die Familie Cohen hat eine jüdische Herkunft. In dem Moment, in dem Adam auf das junge Mädchen Anna trifft, erfüllen sich alle seine bisherigen Träume und Wünsche.

“Anna, als dein Blick mich traf, war alles richtig. Ich habe die ganze Welt in mir getragen. Millionen Vögel sind in mir zum Himmel aufgestiegen. In meinen Adern das Rauschen von Meeren und Flüssen.” 

Halsüberkopf verliebt er sich in Anna und erlebt eine Gefühlswelt, die er sich zuvor nie hätte vorstellen können. Doch Anna verschwindet in der Nacht zum 9. November 1938 spurlos. Adam möchte sie wiederfinden und macht sich auf die Suche …

Edward erfährt beinahe sechzig Jahre später auf dem Dachboden sitzend als erster Adams Geschichte. Eine herzergreifende, rührende Geschichte, die von dem Leben eines jungen Mannes erzählt, der bereit ist, alles aufzugeben um die Liebe seines Lebens in Sicherheit zu wissen.

Astrid Rosenfeld ist mit “Adams Erbe” ein wirklich wunderbarer Roman gelungen, den ich förmlich verschlungen habe, da er mich bis spät in die Nacht hinein noch gefesselt hat. Besonders genossen habe ich die intensiven Beschreibungen der weiblichen Figuren, die diesen Roman für mein Empfinden prägen, auch wenn der Titel auf einen männlichen Charakter zurückgeht. Sowohl die Großmutter von Edward, als auch Edda Klingmann sind spröde und eigenwillige, aber gleichzeitig auch auf ihre ganz eigene Art und Weise liebenswerte Charaktere.

Edward und Adam sind zwei liebenswerte Tagträumer, die sich nicht nur aufgrund der Nase und des Mundes ähneln. Beide verkörpern ähnliche Charakterzüge und schließlich verschlingen sich ihre Geschichten auf dem Dachboden ineinander. Adams Geschichte hat mich tief berührt und aufgewühlt zurückgelassen. Viele Passagen aus dem Teil seiner Geschichte habe ich als unheimlich intensiv empfunden.

“Wir weinten um die unvollendeten Geschichten, um verpasste Chancen, um die Worte, die wir nie gesagt hatten, um alles, was wir niemals verstehen würde. Wir weinten um die Scham, um die Angst und um die Liebe. Wir weinten um uns selbst.”

Trotz des ernsthaften Themas, Adams Geschichte spielt während der Machtergreifung der Nationalsozialisten, ist die Erzählung an vielen Stellen von einer Leichtigkeit geprägt. Es gibt immer wieder Stellen, an denen ein ganz eigener Witz mitschwingt, eine wunderbare Ironie, die mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht hat. Neben den herausragenden sprachlichen Aspekten, hat mich Astrid Rosenfeld aber vor allen Dingen auch mit der großartigen Komposition des Romans überzeugen können. Die Erzählung ist auf mehreren Ebenen miteinander verbunden, förmlich verschlungen, doch jede Ebene konnte mich gleichermaßen überzeugend erreichen.

Ich habe “Adams Erbe” mit einem Kloß im Hals, einer Träne im Augenwinkel und einem Lächeln auf den Lippen zugeklappt. Für mein Empfinden ist Astrid Rosenfeld ein großartiger Roman gelungen, der durch seine Poetik, seinen tiefsinnigen Witz und seine Komposition zu überzeugen weiß. Ich freue mich bereits jetzt sehr auf den neuen Roman der Autorin.

15 Comments

  • Reply
    Klappentexterin
    January 3, 2013 at 4:29 pm

    Liebe Mara,

    es überrascht mich nicht, dass dich dieses Debüt ebenfalls begeistert hat. Die Freude ist groß und mein eigenes Leseerlebnis schwappte aus den hintersten Winkeln meines Kopfes nach draußen, dank deiner schönen Rezension. Dieser Roman ist rundum perfekt und bleibt unvergesslich. Schön, dass du jetzt auch zu den Menschen gehörst, die ein Leuchten in den Augen haben, wenn sie von diesem großartigen Buch sprechen.

    Liebe Grüße,

    Klappentexterin

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      January 3, 2013 at 8:21 pm

      Liebe Klappentexterin,

      ich bin ja lange um das Buch herumgeschlichen, doch selbst positive Rezensionen konnten mich irgendwie nicht ganz von der Lektüre überzeugen. Jetzt bin ich so froh, dass ich mich doch endlich entschieden habe, ihn in die Hand zu nehmen. Ich konnte ihn kaum noch aus der Hand legen. Ich freue mich, dass ich mit meiner Besprechung Erinnerungen an dein Leseerlebnis in dir wecken konnte. Das Buch ist wirklich großartig und ich bin schon sehr gespannt, wie mir “Elsa ungeheuer” gefallen wird. Ich werde es mit viel Vorfreude, großen Erwartungen, aber auch mit den etwas kritischen Stimmen im Kopf in die Hand nehmen … 🙂

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    il_libraio
    January 3, 2013 at 6:15 pm

    Da bin ich ganz deiner Meinung. Ein unglaublich tolles Buch. Der Nachfolger liegt hier auch schon bereit…

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      January 3, 2013 at 8:11 pm

      Ja, der Nachfolger liegt hier auch bereits bereit und ich bin schon sehr gespannt 🙂 Die Erwartungen sind bei mir natürlich nach “Adams Erbe” sehr hoch und ich freue mich darauf, ob “Elsa” diesen standhalten kann.

  • Reply
    Susanne Haun
    January 3, 2013 at 9:13 pm

    “Fängt man an zu schreiben, weil es jemanden gibt, dem man alles erzählen will? Fängt man an zu erzählen, weil der Gedanke, dass alles einfach verschwinden soll, unerträglich ist?”

    Dieses Zitat gefällt mir besonders. Die Frage nach dem “Warum” beschäftigt jeden mindestens einmal im Leben und die selbe Frage kann man sich natürlich auch in Bezug auf die Malerei stellen!

    Auf jeden Fall bin ich neugierig und das Buch bereichert meine Wunschliste.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      January 4, 2013 at 3:36 pm

      Liebe Susanne,

      das Zitat hat auch mir ganz besonders gut gefallen. Stellenweise hatte ich aber auch das Gefühl, das gesamte Buch zitieren zu können, so gut haben mir einzelne Passagen gefallen. Diese Sätze sind bei mir aber ganz besonders hängengeblieben. Im Kontext mit der Geschichte des Romans erhalten diese Fragen auch noch einmal eine ganz besondere Bedeutung.

      Ich freue mich sehr, dass “Adams Erbe” den Weg auf deine Wunschliste gefunden hat und bin gespannt, wie es dir gefallen wird. 🙂

      • Reply
        Susanne Haun
        January 5, 2013 at 7:52 am

        Liebe Mara,
        ich kann mich nur Laura anschliessen, du stellst so viele tolle Bücher vor, dass man gar nicht anders kann als seien Wunschliste wachsen und wachsen zu lassen!
        Einen schönen Tag sendet Susanne

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          January 5, 2013 at 6:29 pm

          Liebe Susanne,
          danke für deine lieben Worte, über die ich mich sehr gefreut habe. Mir ist es eine Freude, wenn ich andere durch meine Besprechungen inspiriere oder Büchern näher bringen. Deshalb freue ich mich immer unheimlich über so eine Rückmeldung wie von dir. Danke! 🙂
          Einen schönen Abend dir!

  • Reply
    Nanni
    January 4, 2013 at 1:49 pm

    Eine wunderschöne Rezi zu einem großartigen Buch. Ich weiß noch, dass ich es auch innerhalb kürzester Zeit gelesen habe. Auch ich habe es mit einem Kloß im Hals und Gänsehaut beendet, allerdings muss ich gestehen, dass mir gerade aufgefallen ist, dass ich von dem eigentlichen Ablauf der Handlung nicht mehr so ganz viel weiß. Schade.

    LG Nanni

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      January 4, 2013 at 3:33 pm

      Liebe Nanni,
      vorweg: ich freue mich sehr über deinen Besuch und deinen Kommentar bei mir. 🙂
      Ich kenne das selbst leider auch, dass mir nach einer gewissen Zeit Handlung und Inhalt eines Buches auch mal schnell wieder entfallen können. Andere Bücher brennen sich dagegen ins Hirn, auch wenn die Lektüre bereits schon länger zurückliegt. “Adams Erbe” wird mir wohl noch eine ganze Weile durch den Kopf spuken.

      Viele Grüße
      Mara

      • Reply
        Nanni
        January 4, 2013 at 4:31 pm

        Bitte gern 🙂 Ich schaue eigentlich öfter hier vorbei, aber scheinbar war ich bisher Kommentier-faul 😉
        Ich freue mich immer wieder über Blogs auf denen keine / nicht nur Jugendbücher / Romantasy rezensiert wird. Ich lese zwar auch gerne Bücher dieses Genres, aber es schadet nicht seinen Horizont zu erweitern.
        Zu “Adams Erbe”: Ich habe das Buch damals auch als sehr intensiv empfunden. Umso erstaunlicher eben, dass ich nicht mehr so viel vom Inhalt weiß. Ich freue mich aber auch schon auf Astrid Rosenfelds neues Buch, das ja schon bald erscheinen wird.

        LG

        • Reply
          buzzaldrinsblog
          January 5, 2013 at 6:38 pm

          Liebe Nanni,
          ich freue mich immer über Besucher, aber auch über Kommentare und finde es toll, dass du deine Kommentar-Faulheit überwunden hast. 😉 Ich greife auch ab und an zu einem Jugendbuch, aber doch eher selten. John Green ist mir aus dem letzten Jahr aber positiv im Gedächtnis geblieben.
          Das neue Buch von Astrid Rosenfeld liegt hier schon bereit und ich freue mich sehr darauf, es hoffentlich bald zu lesen.

          Viele Grüße
          Mara

  • Reply
    laura
    January 4, 2013 at 2:21 pm

    Liebe Mara, das kannst du doch nicht machen 🙂 Ich hab mir doch vorgenommen, nicht mehr soviele Bücher zu kaufen und erstmal das zu lesen, was schon hier steht… Ein Vorhaben, das ich glaub ich mit vielen teile zum Jahreswechsel. Und das wohl nicht nur bei mir scheitern wird… *ein nettes Grummeln* Diese Empfehlung geht direkt in mein bücherliebendes Herz.

    • Reply
      buzzaldrinsblog
      January 4, 2013 at 3:29 pm

      Liebe Laura,
      tut mir wirklich leid, dich in Versuchung geführt zu haben. 😉 Ich kenne diese Vorsätze übrigens auch, breche sie aber regelmäßig schon nach kürzester Zeit, ist also gar nicht schlimm. Das Buch ist der Wahnsinn und ich kann gar nicht mehr verstehen, wie ich es so lange ignorieren konnte. Lies es, du wirst es lieben. 🙂

  • Reply
    Elsa ungeheuer – Astrid Rosenfeld | buzzaldrins Bücher
    August 17, 2013 at 1:04 pm

    […] Filmbranche gearbeitet, unter anderem war sie als Casterin tätig. Heutzutage lebt sie in Berlin. “Adams Erbe” war ihr Debütroman und war sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik ein großer Erfolg. In […]

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