Dana Buchzik im Gespräch!

dbDana Buchzik ist nicht nur Bloggerin, die unter dem Pseudonym Sophia Mandelbaum auf Ze Zurrealism itzelf schreibt, sondern auch Literaturkritikerin, die u.a. für die Literarische Welt und die ZEIT arbeitet. Auf der Buchmesse in Frankfurt sorgte sie mit ihrem Fotoprojekt #sozialewärme für Aufsehen, außerdem rief sie vor kurzem zu einem #aufschrei in der Literatur auf und schrieb über ein misslungenes Interview mit Benjamnin Lebert.

Du schreibst u.A. für die Literarische Welt, die Süddeutsche und die ZEIT über Literatur und gleichzeitig auch an deinem eigenen Roman. An welcher der beiden Tätigkeiten hast du mehr Freude?

Glücklicherweise macht mich beides glücklich 🙂 Ich liebe die journalistische Arbeit sehr, weil ich nicht zuletzt dafür bezahlt werde, großartige Bücher zu lesen und spannenden Persönlichkeiten zu begegnen. Das literarische Schreiben begleitet mich schon lange und ist eine Art Grundbedürfnis. Wenn ich vor lauter Arbeit längere Zeit nicht dazu komme, fehlt es mir und ich fühle mich nicht mehr vollständig, so kitschig oder esoterisch das klingt/ist.

In Hildesheim hast du am Institut für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft studiert. Wie kam es dazu, dass du den Wunsch entwickelt hast, zu schreiben?

Wahrscheinlich sagt hier jeder das Gleiche, auch ich: Das Schreiben begleitet mich, seit ich denken kann. 2009 war ich an einem Punkt,  an dem ich so konsequent sein wollte, diesem großen Thema meines Lebens auch (m)ein Studium zu widmen – eine Entscheidung, die ich glücklicherweise nicht bereut habe.

Hat das Studium dein Schreiben verändert oder beeinflusst? Was hast du aus der Zeit in Hildesheim mitgenommen?

Kurz nach Studienbeginn sagte man mir: Nach dem ersten Semester wirst du alles wegwerfen und verachten, was du vor diesem Studium geschrieben hast. Ich wollte das nicht glauben, aber er hatte Recht. Das Studium in Hildesheim hat mich weiter gebracht, als ich es je für möglich gehalten hätte. Aber nicht nur das Schreiben selbst hat sich verändert, sondern auch mein Blick darauf. Ich habe gelernt, es ernster zu nehmen, habe begonnen, es als „Arbeit“ zu bezeichnen, nicht nur als kleine, irrelevante Spielerei, über die man nur beschämt oder durchironisiert sprechen kann.

Du schreibst momentan an deinem eigenen Roman und betreibst auch einen eigenen Blog, auf dem du Texte von dir veröffentlichst. Welche Themen treiben dich beim Schreiben um?

Ausgangspunkt sind zumeist Themen, die Freunde, Bekannte oder mich selbst bewegen; von dort aus entwickeln sich kleine Geschichten, Eindrücke, Assoziationen; als virtuelles Tagebuch ist es also nicht gemeint.

Die Artikel in deinem Blog veröffentlichst du unter dem Namen Sophia Mandelbaum, was hat es damit auf sich?

Ich bin ja schon eine ganze Weile im Internet unterwegs und habe immer nach einem Pseudonym gesucht, mit dem ich mich identifizieren kann. Sophia Mandelbaum kam mir spontan in den Sinn und blieb haften. Ich mag das Weiche und Blumige dieses Namens, im Gegensatz zu meinem Klarnamen, der eher hart und kantig klingt.

In den vergangenen Wochen hast du mit zwei Artikeln Aufmerksamkeit erregt: du hast zum einen zu einem literarischen Aufschrei aufgerufen. Was hat dich zu diesem Aufschrei motiviert? War die Veröffentlichung der Longlist der Auslöser oder hat dich das Thema schon länger umgetrieben?

Die Longlist war sicherlich ein Auslöser, aber das Thema Sexismus im Literaturbetrieb beschäftigt mich schon länger und ich war (und bin) froh, dass sich die Gelegenheit auftat, ein paar grundsätzliche Gedanken zu dem strukturellen Ungleichgewicht zu formulieren, das ich im Betrieb wahrnehme. Die „Old Boys Networks“, wie Annina Luzie Schmid sie im Artikel genannt hat, sind ein sehr reales Problem, das Frauen im Mittelfeld festhält und Männer nach oben katapultiert. Dieses Thema muss auf den Tisch, wieder und wieder, bis sich etwas geändert hat, zum Besseren, hin zu mehr Chancengleichheit. Ich fordere übrigens keine Quote, auch wenn Journalistenkollegen mich mehrheitlich damit „zitieren“, sondern ich plädiere für mehr Transparenz, für mehr Nach- und Hinterfragen und für offene(re) Diskussionen. Ich möchte gern darauf vertrauen, dass wir auch ohne Quotendruck in der Lage sind, veraltete Denk- und Verhaltensmuster aufzubrechen.

Der Artikel ist nicht nur in der gedruckten Ausgabe erschienen, sondern auch online. Soziale Netzwerke haben es an sich, dass Menschen viel unmittelbarer reagieren können. Hast du alle Kommentare gelesen, die zu deinem Artikel eingegangen sind?

Nein, das wäre zum Einen angesichts der schieren Menge kaum machbar gewesen – zum Anderen halte ich die Lektüre von Onlinekommentaren nicht für sonderlich produktiv.

Was hast du für Methoden, um dich vor dieser Öffentlichkeit schützen zu können?

Online-Kommentare lese ich, wie gesagt, nicht; wenn man bei Facebook verlinkt oder direkt angeschrieben wird, poppt das natürlich auf und ins Bewusstsein. Mich haben teils genau solche Anfeindungen erreicht, wie ich sie im Artikel geschildert hatte, was mich anfangs hat schlucken lassen, aber, um Helen Lewis zu zitieren: „The comments on any article about feminism justify feminism” – und bis der nächste Artikel erscheint, der Facebook„freunde“ und –fremde zu Respektlosigkeiten inspiriert, trainiere ich einfach meine Block-Kompetenz 🙂

Der Artikel über das misslungene Interview mit Benjamin Lebert habe ich als etwas Außergewöhnliches im Literaturbetrieb empfunden. Warum hast du dich entschieden, den Artikel zu veröffentlichen und nicht über das Gespräch zu schweigen?

Ich glaube, dass auch im scheinbar Missglückten etwas aufscheinen und sichtbar werden kann. Das Interview mit Benjamin Lebert habe ich, auch wenn das paradox erscheinen mag, als sehr positiv in Erinnerung. Man reibt sich aneinander, manchmal scheitert man auch aneinander, und gerade deswegen können Begegnungen besonders und lehrreich sein. Wieso soll man über etwas schweigen, nur weil es nicht perfekt gelaufen ist?

Wie ergeht es dir da überhaupt als Literaturkritikerin? Ich muss gestehen, dass ich eindeutig mehr Freude daran habe, Bücher zu loben. Fallen dir Verrisse schwer?

Am schwersten fallen mir Besprechungen von Büchern, die ich als langweilig, als mittelmäßig erlebe; Loben oder Verreißen finde ich nicht schwierig. Ich schätze mich glücklich, in meiner journalistischen Arbeit nichts schönreden zu müssen, sondern klar und ehrlich sein zu dürfen. Daniela Strigl hat unlängst etwas sehr Schönes zu diesem Thema gesagt:

 „Ich glaube, dass man als Literaturkritiker auch Verrisse schreiben muss. Das bin ich den herausragenden Büchern schuldig. Wenn ich alles lau und mittelgut bewerte, ist alles eins. Kritik heißt Farbe bekennen.“

Kannst du uns abschließend noch deine drei Büchertipps für den Literaturherbst verraten?

Sehr gern! Stephanie Bart: Deutscher Meister, Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt und Wolfgang Herrndorf: Bilder deiner großen Liebe.

Foto: © Christopher Weber

 

20 Comments

  • Reply
    madameflamusse
    November 3, 2014 at 3:34 pm

    Das war für mich ein sehr spannendes Interview und interessante Links. 🙂

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:35 pm

      Da freue ich mich sehr drüber! 🙂

  • Reply
    Kathrin
    November 3, 2014 at 3:34 pm

    Ein sehr interessanter Beitrag! Mir gefällt Dana Buchziks Ansicht über das Lebert-Interview. Ich habe ihren Artikel über das weniger geglückte Gespräch mit Benjamin Lebert damals sehr genossen und als unglaublich erfrischend empfunden – diesen Mix aus Interview und Portrait in Verbindung mit dem Einblick in die nicht immer nach Plan/Wunsch verlaufende journalistische Arbeit.

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:35 pm

      Liebe Kathrin,

      mir erging es ähnlich wie dir, auch ich habe sehr gerne über ihre Begegnung mit Benjamin Lebert gelesen und fand ihren Text darüber unheimlich erfrischend. Ich hoffe, so etwas wird es noch häufiger geben.

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    dasgrauesofa
    November 3, 2014 at 4:55 pm

    Liebe Mara,
    und ich würde gerne einmal selbst erfahren, wie es ist, in Hildesheim zu studieren und einen ganz anderen Blick auf das Geschrieben zu bekommen. Vielleicht bieten die Macher dort ja noch ein Fernstudium an, ich wäre sofort dabei.
    Viele Grüße, Claudia

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:33 pm

      Liebe Claudia,

      oh ja! Ich bin ja schon dank Prosanova für eine kurze Zeit in diese Schreibschulwelt eingetaucht, ich würde Hildesheim aber auch wahnsinnig gerne mal als Gasthörerin besuchen und in alle Kurse hineinschnuppern. Vielleicht wird so etwas ja doch noch mal angeboten!

      Liebe Grüße
      Mara

    • Reply
      madameflamusse
      November 8, 2014 at 9:44 pm

      Vielleicht wenn Wir genug Leute zusammen bekommen für einen Fernstudiengang 🙂 also ich wäre auch dabei!

  • Reply
    zeilentiger
    November 4, 2014 at 7:17 am

    Da sage ich doch mal danke für das spannende Interview.

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:29 pm

      Und ich freue mich über das Interesse, deinen Besuch und deinen Kommentar! 🙂

  • Reply
    muetzenfalterin
    November 4, 2014 at 7:34 am

    Schönes Interview, sehr gute Fragen. Danke.

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:28 pm

      Gerne, ich freue mich sehr über deine Worte und dein Lob! 🙂

  • Reply
    fraupixel
    November 4, 2014 at 8:21 am

    Was für eine interessante Person! Wie wählst du deine Interview Partner aus? Ist es schwer als Blogger in Anfragen ernst genommen zu werden?

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:28 pm

      Ich freue mich, dass das Interview bei dir auf Interesse gestoßen ist! 🙂

      Meine Interviewpartner wähle ich aus reinem Interesse aus, wenn ich jemanden gerne lese, dann möchte ich ihn häufig auch interviewen. Ich habe das erste Mal vor mehr als zwei Jahren schon mal etwas von Dana Buchzik gelesen und verfolge seitdem sehr genau, was sie bespricht und schreibt! Ganz sicher ist sie mir ein großes Vorbild! 🙂 In Anfragen wurde ich bisher immer sehr ernstgenommen – ich glaube, dass sich Autoren häufig freuen, wenn ein ernstgemeintes Interesse an ihrer Arbeit vorhanden ist.

  • Reply
    dj7o9
    November 4, 2014 at 6:46 pm

    Sehr interessant – hat großen Spaß gemacht zu lesen 🙂

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:25 pm

      Da freue ich mich doch sehr! 🙂

  • Reply
    Thomas Brasch
    November 4, 2014 at 10:51 pm

    Danke für die Vorstellung von Dana Buchzik/Sophia Mandelbaum, der ich ab jetzt auch gerne folge. Was das Argument für Verrisse betrifft, mag ich nicht folgen. Ein Buch zu ignorieren ist für mich schon herbe Kritik genug. Verrisse verleiten die Kritiker oft zu eitler, selbstgefälliger Nabelschau. Dem Kritikerleser rauben sie Zeit oder geben ihm bestenfalls ein wenig Genugtuung für seine Enttäuschung. Doch für den Autor ist es nur destruktiv, da Kritiker nur selten das Talent zu konstruktiver Kritik haben. Bei den Ausnahmen sind es ja schon keine Verrisse mehr, sondern Hoffnungsäußerungen.

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:23 pm

      Hallo Thomas,

      gerne, ich freue mich, dass du Dana Buchzik folgen möchtest – du kannst nicht nur tolle Besprechungen bei ihr entdecken, sondern auch schöne Texte.

      Ob ich dir bei den Verrissen zustimmen kann, weiß ich nicht. Ich glaube, dass auch gut gemachte Verrisse ihre Berechtigung haben können, auch wenn es mir selbst schwer fällt, diese zu schreiben.

      Liebe Grüße
      Mara

      • Reply
        Kathrin
        November 9, 2014 at 12:58 pm

        Über Verrisse kann man wohl ewig diskutieren. Ich selbst verstehe beide Ansichten.

        Grundsätzlich erachte ich es für wichtig, dass auch negative Kritiken/ Verrisse veröffentlicht werden. Journalisten haben einen öffentlichen Auftrag und sollen vermitteln. Kulturjournalisten sollen also nicht nur über neue Bücher informieren, sondern uns als Lesern auch eine Orientierung geben, welchen Büchern man sich näher widmen soll und bei welchen man vielleicht zweimal überlegen sollte, ob man sie kauft. Wenn nur die positiven Kritiken erscheinen, ist das auf Dauer wenig hilfreich. Zudem finde ich es wichtig, dass Autoren auch erfahren, was an ihren Büchern nicht gefällt. Dazu bedarf es aber, wie Thomas ja anspricht, KONSTRUKTIVER Kritik. Nur wenn ein Rezensent nachvollziehbare Argumente liefert, was weniger gelungen ist, hilft es dem Autor, seine Schreibe zu verbessern und mir als Leser bei der Buchauswahl. Doch nicht immer liefern Rezensenten (egal, ob Blogger oder Journalisten) diese konstruktive Kritik. In den USA und GB gab es beispielsweise in den vergangenen Wochen auch Diskussionen über Verrisse, weil dort wohl einige Journalisten den Autor recht persönlich angriffen und ziemlich beleidigend werden – mit dem Grundtenor “Autor XY kann nicht schreiben und sollte besser keine Bücher mehr veröffentlichen”. Wenn Verrisse SO aussehen, finde ich das vom Rezensent doch sehr anmaßend. Kein Buch kann den Geschmack aller treffen und das Schreibtalent mag bei jedem Autor auch durchaus unterschiedlich stark ausgeprägt sein, doch wenn ein Buch erfolgreich die prüfenden Augen eines Verlags passiert hat, kann man – denke ich – schon sagen, dass der Autor schreiben kann, denn immerhin hat seine Schreibe ja die Verlagsleute überzeugt. Als Journalist dann den Autor als untalentiert zu betiteln, geht zu weit. Wird die Kritik zudem noch nicht einmal begründet, wird ein Journalist auch seinem Auftrag nicht mehr gerecht – wenn ich als Leser nur wissen möchte, ob ein Buch anderen gefallen hat, ohne die Kritik nachvollziehen zu können, kann ich auch einfach die Sterne-Bewertungen in Online-Shops und Communities ansehen; von einem journalistischen Beitrag erwarte ich eine vielschichtigere Auseinandersetzung.

  • Reply
    cafegaenger
    November 5, 2014 at 6:18 am

    “Ich glaube, dass auch im scheinbar Missglückten etwas aufscheinen und sichtbar werden kann.”

    Wohl wahr.
    Was nicht missglückt, kann nicht gelingen, nicht die Facetten ausbilden, nicht Nuancen wiedergeben. Manche sehen im Scheitern das Glück…

    • Reply
      Mara
      November 8, 2014 at 9:19 pm

      Den Satz fand ich auch besonders schön und kann mich deinen Ergänzungen nur anschließen, wäre doch schade, wenn man das Scheitern immer nur verschweigen würde.

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