Die diesjährige Leipziger Buchmesse hat unter dem Motto buchmesse:blogger zum allerersten Mal auch Literaturblogs in den Fokus gerückt – für die Blogger und Bloggerinnen gab es nicht nur eine eigene Bloggerlounge, sondern es gab auch die Aktion der Bloggerpaten. Fünfzehn Blogger und Bloggerinnen haben die fünfzehn nominierten Titel aus den Kategorien Belletristik, Sachbuch und Übersetzung gelesen und rezensiert. Für mich war die Bloggerpatenschaft gleichsam Ehre wie Vergnügen, auch wenn ich im ersten Moment etwas entsetzt über mein Patenkind gewesen bin, das mit 1500 Seiten nicht gerade schmal ist. Ich hatte drei Beweggründe dafür, mich für eine Bloggerpatenschaft zu bewerben: ich habe erstens darauf gehofft, ein Buch zu entdecken, das ich ansonsten wohl nicht entdeckt hätte. Ich habe mich aber zweitens auch bewusst für die Kategorie Übersetzung beworben, weil ich glaube, dass die Arbeit von Übersetzern und Übersetzerinnen eine überaus wertvolle Arbeit ist und dafür viel zu wenig Beachtung findet. Da ich bereits drei Interviews mit Übersetzern geführt habe, war mein dritter Beweggrund die Hoffnung, dass ich den Übersetzer meines Patenkindes möglicherweise so gut kennenlerne, dass ich mit ihm in ein Gespräch finden kann.
All das, was ich mir erhofft hatte, hat sich mehr als erfüllt: ich hatte mit Horcynus Orca eine schwierige Lektüre, die mich herausgefordert hat, die mir aber auch viel gegeben hat. Abend für Abend saß ich hier und las mir einzelne Textpassagen laut vor, um ein Gefühl für die Sprache und den Rhythmus zu finden. Es ist lange her, dass ich ein Buch so intensiv erforscht und nicht nur gelesen habe. In den kommenden Wochen hoffe ich darauf, Zeit dafür zu finden, um weiterzulesen. Darüber hinaus ist mir mit Horcynus Orca noch einmal klar geworden, was für eine Arbeit in einer Übersetzung stecken kann, wie wenig diese Arbeit gewürdigt wird und wie wichtig es wäre, dass diese Arbeit angemessen entlohnt wird.
Meine dritte Hoffnung hat sich insofern erfüllt, dass ich Moshe Kahn, dem Übersetzer meines Patenkindes, tatsächlich begegnet bin. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass das Schreiben meiner Rezension mir nicht wirklich leicht gefallen ist. Anschließend war ich nicht nur freudig überrascht von euren zahlreichen und hochinteressanten Wortmeldungen, sondern auch davon, dass sich der Übersetzer selbst zu Wort gemeldet hat. Die Motivation hinter seinem Kommentar war es, uns allen die Angst vor seinem Mammutwerk zu nehmen.
Ich glaube, dass genau das eine ganz große Chance und Möglichkeit von Literaturblogs sein kann – nirgendwo sonst kann der Austausch zwischen Lesern und Autoren so direkt, schnell und unkompliziert erfolgen. Natürlich können Autoren sich auch auf Rezensionen in Zeitungen hin melden, doch wer schreibt heutzutage schon noch Leserbriefe? Und wie viele davon werden veröffentlicht? Einige der nominierten Autoren und Autorinnen haben im Vorfeld leider nicht von ihren bloggenden Paten gewusst, doch dafür wissen sie jetzt von uns. Beispiele gelungener Patenschaften finden sich auch bei Tobias Nazemi, der auf seinem Blog Buchrevier ein Interview mit Jan Wagner geführt hat oder bei Tilman Winterling, der nachträglich einen schönen und sehr lesenswerten E-Mailaustausch mit Klaus Binder hatte. So sollte es doch sein.
Während der Messe hatte ich schließlich noch das Vergnügen, tatsächlich ein paar Wort mit Moshe Kahn zu wechseln. Einige der nominierten Autoren und Autorinnen kamen am vergangenen Freitag in die Bloggerlounge, um sich unseren Fragen zu stellen. Ich kann nicht verschweigen, dass ich sehr stolz darauf gewesen bin, dass Moshe Kahn sagte, dass meine Rezension für ihn Sinn und Verstand gehabt hat. Im Anschluss an die Diskussion konnte ich ihm noch kurz mitteilen, dass das Buch für mich eine spannende, wenn auch immer mal wieder frustrierende Leseerfahrung gewesen ist. Er wiederum wünschte mir noch schöne Lesestunden nach dem Messetrubel. Er war übrigens erstaunt darüber, tatsächlich auf echte Menschen zu treffen – bei der Ankündigung einer Diskussionsrunde mit Bloggern befürchtete er bereits, vor einem Computer sitzen zu müssen. Ich glaube, wir haben in der letzten Woche bewiesen, dass es uns alle leibhaftig gibt.
Für mich war diese Begegnung einer der schönsten Messemomente und da ihr so sehr mit mir mitgefiebert habt, freue ich mich, euch daran teilhaben zu lassen.
26 Comments
dasgrauesofa
March 20, 2015 at 3:23 pmLiebe Mara,
die Berichte der Bloggerpaten, die “Ihre” Autoren auf der Messe getroffen oder zumindest mit ihnen korrespondiert haben, habe ich von all den vielen tollen Messeberichten am liebsten gelesen. Aus ihnen allen geht diese ganz besondere Freude hervor, die sich wohl wirklich – und so ist letztendlich der Begriff der Patenschaft auch gut gewählt – aus der engen, ja auch mitfiebernden, Beschäftigung und der daraus erwachsenen Beziehung mit dem einen Buch, seinem Autor und/oder Übersetzer entstanden ist. Und die Reaktionen der Autoren und Übersetzer auf Euch und Eure Texte spiegeln das ja auch von der anderen Seite wider. – Und dass nun einige bis viele Menschen erfahren haben, dass Blogger ganz lebendig sind, ist auch eine schöne Nebenwirkung.
Viele Grüße, Claudia
Mara
March 21, 2015 at 7:13 pmLiebe Claudia,
leidet ist die Begegnung ja nicht bei allen so positiv gelaufen, aber ich finde, dass mitunter ganz wunderbare Patenschaften entstanden sind. Auch die Betreiberin vom Lesekreis war erst ganz unglücklich über ihr schwer zugängliches Sachbuch und dann sehr glücklich über die persönliche Begegnung und den Austausch mit dem Autor.
Ich finde es nicht erstaunlich, dass nicht alle Autoren und Autorinnen im Vorfeld von uns gewusst haben – eine ehrliche Antwort finde ich da auch erfrischender, als wenn sie vorher gebrieft worden wären. Nun wissen sie immerhin jetzt von uns – das ist doch auch toll!
Liebe Grüße
Mara
literatwo
March 20, 2015 at 5:04 pmLiebe Mara, ich kann mir vorstellen, wie bewegend die Zeit gewesen sein muss. Eine große Chance, schöne Begegnungen und einfach viel Zeit in der buchigen Welt. Danke für deine Worte.
Ich habe mich sehr gefreut, dich getroffen zu haben. Danke dafür.
Bini
Mara
March 21, 2015 at 7:14 pmLiebe Bianca,
dir danke für deinen lieben Kommentar und unser schönes Zusammentreffen, in Frankfurt hoffentlich mit etwas mehr Zeit und Ruhe. 🙂
Liebe Grüße
Mara
caterina
March 20, 2015 at 6:17 pmDas ist ein wahrlich schöner und persönlicher Bericht, und Moshe Kahns Worte zu deiner Leistung sind schlichtweg wunderbar. Ich freue mich für dich, dass du diese Erfahrung machen konntest und einen so bereichernden Austausch mit dem Übersetzer hattest. Besser kann es nicht gehen.
Mara
March 21, 2015 at 7:18 pmLiebe Caterina,
danke für deinen Kommentar – ich habe mich auch sehr gefreut, nicht nur über den kurzen persönlichen Austausch, sondern vor allen Dingen auch darüber, dass Moshe Kahn so viel mit meinem Beitrag anfangen konnte. Für mich war diese Patenschaft in der Tat ein kleines Wunder, denn ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich mit meinem Patenkind zuerst sehr unglücklich gewesen bin und nun hat sich daraus dann doch so ein interessantes Leseprojekt entwickelt.
Liebe Grüße
Mara
booksandmore81
March 20, 2015 at 6:47 pmHallo 🙂
ich habe dieses Buch auch auf der Messe bestaunt und der Umfang hat mich doch etwas abgeschreckt. Dass du dich eines solchen Wälzers angenommen hast – Respekt. Und Gratulation zu den Worten von Moshe Kahn 🙂
Mara
March 21, 2015 at 7:19 pmIch danke dir für deinen Besuch und den Kommentar, den du mir hinterlassen hast. Der Umfang ist wirklich enorm und hat mich zunächst auch erschlagen, ich habe mich dann aber Stück für Stück in den Text hineinarbeiten können. 🙂
Schade, dass wir uns auf der Messe gar nicht begegnet sind – ich hoffe, dass wir das nachholen werden!
booksandmore81
March 22, 2015 at 9:03 amIch hoffe auch, dass ich nächstes Jahr mehr Gelegenheit habe, mich mit anderen zu treffen 🙂 man merkt eben, dass 4 Tage doch zu kurz sind… aber nächstes Jahr sollten wir uns auf jeden Fall für ein Treffen vormerken 🙂 würde mich auch freuen 🙂
Mara
March 27, 2015 at 6:56 amDabei erscheinen vier Tage ja eigentlich schon recht lang, denn im vergangenen Jahr war ich sogar nur einen Tag in Leipzig, aber irgendwie bringt man in dieser Zeit dann doch nicht alles unter, was man unter bringen möchte! 😉 Ich freue mich schon jetzt auf die kommende Buchmesse.
booksandmore81
March 27, 2015 at 10:18 amIch auch 🙂 und das Schönste ist ja, wenn man von den Verlagen etc. noch im Nachhinein gewürdigt wird 🙂 siehe der Motte-Verlag, der mich wohlwollend in einem Artikel erwähnt hat – stell ihn heute online 🙂
Mara
March 31, 2015 at 2:18 pmOh, wie schön – da freue ich mich sehr für dich und muss mir das gleich noch mal anschauen! 🙂
buecherliebhaberin
March 20, 2015 at 7:42 pmLiebe Mara,
du glaubst gar nicht, wie sehr mich diese Berichte – auch DEINER! – erfreuen. So war es doch gedacht. Diese Begegnung und sein Kommentar hast du dir redlich verdient. Und jetzt frag ich mal ganz neugierig: Wird es ein Interview geben?
Mara
March 21, 2015 at 7:10 pmIch freue mich sehr, dass du dich an diesen Berichten erfreust! 🙂 Für mich hatte diese Patenschaft viele positive Aspekte und ich fände es schade, wenn die so untergehen. Deine neugierige Frage kann ich noch nicht beantworten, ich habe Herrn Kahn das Foto geschickt und um ein Interview gebeten … mal schauen! 🙂
LeseMaus
March 21, 2015 at 10:05 amWow, das ist ja wirklich ein enormer Umfang. Aber es ist doch auch wichtig, dass Bücher einen eine Zeitlang begleiten. Und das kann ein Buch von nur 300, 400 Seiten Umfang halt nicht leisten.
Einen schönen Artikel hast du da geschrieben!
LG
Bina
Mara
March 21, 2015 at 7:05 pmLiebe Bina,
da hast du natürlich wirklich recht – Horcynus Orca ist wahrscheinlich ein Buch, das einen ein ganzes Leben lang begleiten wird und ich finde es toll, dass es solche Bücher gibt.
Danke auch für dein Lob, darüber freue ich mich sehr!
Liebe Grüße
Mara
nettebuecherkiste
March 21, 2015 at 10:42 amIch bin selbst Übersetzerin (allerdings keine Literaturübersetzerin) und habe höchsten Respekt vor Übersetzern, denen wirklich gute literarische Übersetzungen gelingen. Ich weiß, wie schwierig, bei manchen Stilmitteln quasi unmöglich das ist.
Mara
March 21, 2015 at 7:04 pmIch kann mir nur so in etwa vorstellen, wie schwierig und vor allen Dingen langwierig es sein muss, Bücher gut zu übersetzen. Deshalb finde ich es auch so wichtig, dass Übersetzer und Übersetzerinnen wahrgenommen werden für das, was sie tun! 🙂
Lesestoff
March 21, 2015 at 10:44 amEin schöner Bericht. Um ehrlich zu sein, habe ich mich mit Übersetzungen bisher auch nicht so beschäftigt, dabei ist die Arbeit von großer Bedeutung,
Und Respekt, dass du dich durch den Wälzer durchschlägst/durch geschlagen hast.
Lg
Mara
March 21, 2015 at 6:25 pmDanke für deinen Besuch bei mir und deine freundliche Wortmeldung. 🙂 Auch mir war irgendwie nie so richtig klar, wie wichtig Übersetzer und Übersetzerinnen eigentlich sind, wenn es sie nicht geben würde, würden wir viele Bücher einfach nicht entdecken können.
Ein bisschen was habe ich noch vor mir, aber es macht auch viel Freude! Ich werde berichten, wenn ich durch bin.
Liebe Grüße
Mara
madameflamusse
March 21, 2015 at 10:33 pmEinfach nur WOW, wie toll!! Volle Kanne Seelenbusiness
Buchkolumne 08/2015: Der Indiebookday erobert Buchläden & Internet
March 22, 2015 at 1:30 pm[…] von Tilman Winterling + “Und tschüss” von Jacqueline Böttger + “Mein Messehighlight” von Mara Giese + “Bücher, Eulen, Emotionen” von Arndt Stroscher + “Ein […]
Petra Gust-Kazakos
March 22, 2015 at 5:37 pmAch, das glaub ich gern, liebe Mara, das war bestimmt sehr sehr schön … Danke, dass du uns daran teilhaben lässt! Gut gefällt mir auch den Beweggrund, warum du dich für die Kategorie Übersetzung entschieden hast … Liebe Grüße
Petra
Mara
March 25, 2015 at 7:47 pmLiebe Petra,
ich danke dir für deine Rückmeldung! 🙂 Ich finde es einfach immer wieder auffällig, wie wenig Übersetzer und Übersetzerinnen gewürdigt werden und nehme mich da selbst auch nicht aus – auch ich vergesse häufig, sie in meinen Besprechungen zu erwähnen. Da finde ich übrigens die Idee des Dörlemann Verlags ganz schön, die Namen der Übersetzer auf das Cover zu drucken.
Liebe Grüße
Mara
Petra Gust-Kazakos
March 31, 2015 at 3:04 pmStimmt, das ist eine schöne Würdigung.
irveliest
March 23, 2015 at 10:13 am….”kein literarisches Fast-Food”….da spricht bzw. schreibt er ein wahres Wort!