Verena Güntner im Gespräch!

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Foto: © Stefan Klüter

Verena Güntner ist nicht nur Schauspielerin, sondern auch Schriftstellerin – im vergangenen Herbst hat sie ihren eindrücklichen Debütroman Es bringen veröffentlicht. Ich habe mit ihr über die Arbeit auf der Bühne und über ihr Schreiben gesprochen.

Du hast Schauspiel studiert und viele Jahre als festes Ensemblemitglied gearbeitet, stehst du heutzutage immer noch auf den Theaterbühnen?

Ja, ich habe bis zum letzten Sommer gespielt. In der Zeit, in der ich das Buch zu Ende geschrieben habe, habe ich keine neuen Engagements angenommen, aber wie das halt so ist am Theater: es gibt Stücke, die laufen über mehrere Spielzeiten und die sind dann erst zum letzten Sommer hin ausgelaufen. Bis auf ein einziges Stück! Und zwar spiele ich seit jetzt fast vier Jahren das Gretchen. Das wird immer absurder, da Gretchen ja eigentlich vierzehn ist und ich immer älter werde. Ich vermute mittlerweile schwer, dass ich das wohl dienstälteste Gretchen bin.

Du bist aber nicht nur Schauspielerin – mittlerweile gibt es auch ein Buch von dir. Wie wird aus einer Schauspielerin eine Schriftstellerin?

Ich habe mich schon immer gerne mit Sprache und Texten befasst und mich da im Kleinen immer wieder ausprobiert. Ein paar Jahre lang habe ich sehr intensive Brieffreundschaften mit Menschen gepflegt, die auch gerne schreiben. Für mich waren das nicht nur Briefe, sondern die Möglichkeit, einen speziellen Dialog zu führen – vielleicht sogar in einer literarischen Form. Das habe ich über Jahre gemacht, genauso wie ich ein Tagebuch hatte und kleine Miniaturen und Geschichten geschrieben habe. Irgendwann habe ich gemerkt, dass da mehr ist, dass sich da etwas anzukündigen schien. Dieses Gefühl fiel zusammen mit dem Entschluss, mein Engagement in Bremen zu beenden, das war damals im Jahr 2007 und zu der Zeit habe ich auch das erste Kapitel von „Es bringen“ geschrieben, so in einem Rutsch, es danach jedoch jahrelang nicht mehr angeschaut – ich wusste nicht, wo das herkam. Es war plötzlich da.

Du hast gerade erzählt, dass du 2007 angefangen hast, deinen Roman zu schreiben. Weißt du noch, wann in dir überhaupt ursprünglich der Wunsch entstanden ist, zu schreiben?

Ich glaube, die Auseinandersetzung mit Texten ist durch meinen anderen Beruf sowieso schon da, wird dort verlangt und gehört einfach dazu. Vielleicht habe ich in dieser Arbeit irgendwann gemerkt, dass es auch eigene Geschichten gibt, die ich unterdrücken musste, aber all das war kein wirklich bewusster Prozess nach dem Motto: „Jetzt schreibe ich einen Roman.“ Ich glaube auch, das hätte nicht geklappt, wenn ich mir das vorgenommen hätte. Dass ich den Roman wirklich auch beendet habe, hatte ganz viel mit dem open mike zu tun. Ich habe meinen Text einfach dahingeschickt und nicht damit gerechnet, eingeladen zu werden. Die Resonanz war dann überraschend groß, und ich glaube, dass ich das auch gebraucht habe – so eine Rückmeldung von außen. Man werkelt ja so vor sich hin, und ich habe immer gedacht: so geht das doch eigentlich nicht, so kann man kein Buch schreiben. Als dann plötzlich Leute da waren, die sagten: doch, da ist etwas, war das wohl die notwendige Bestätigung, um das Buch zu Ende bringen zu können.

Hat deine Tätigkeit als Schauspielerin dein Schreiben in irgendeiner Form beeinflusst? Gab es vielleicht Dinge, die du auf der Bühne nicht ausleben konntest, aber dafür beim Schreiben?

Da sprichst du einen ganz wichtigen Punkt an, weil ich schon glaube, dass mir als Schauspielerin irgendwann auch Dinge gefehlt oder nicht mehr genügt haben. Schreiben ist ja erst einmal die totale Freiheit. Auf der Bühne oder bei der Arbeit mit Schauspielkollegen und Regisseuren gibt es gewisse Begrenzungen: es gibt ein Stück und gewisse Vorgaben, an die man sich halten muss. An die muss man sich natürlich auch nicht sklavisch halten, im besten Fall ist das ein großes Miteinander, aber ich denke schon, dass mein Schreiben das Resultat eines empfundenen Mangels war.

Wenn ich mir deine Laufbahn als Schriftstellerin anschaue, dann fällt mir als erstes auf, dass du – im Gegensatz zu vielen anderen jungen Autoren und Autorinnen – keine Schreibschule besucht hast. Würdest du dich als Autodidaktin bezeichnen?

Faktisch bin ich das wahrscheinlich. Aber ich sage gern, dass mein anderer Beruf meine Ausbildung gewesen ist. Man entwickelt dort natürlich ein Gespür für Spannungsbögen und Dramaturgien, man lernt, sich in Figuren hineinzudenken. Das ist das Handwerk, das man als Schauspieler braucht. Ich empfinde es deshalb nicht so, dass ich keine Ausbildung habe, ich war eben nur nicht auf einer Schreibschule-

2012 hast du dann beim Open Mike gelesen, was war das für dich für eine Erfahrung?

Das war so aufregend, weil es meine erste Lesung gewesen ist. Überhaupt war das mein allererster Auftritt als Autorin, ich hatte mich selbst vorher ja gar nicht so gesehen. Und man liest dort auf einer Art Theaterbühne, ziemlich groß ist die, gemessen am Umstand, dass man da alleine sitzt, und muss auch eine sehr steile Treppe hochsteigen. Vor keiner Theaterpremiere war ich so aufgeregt, wie vor dem open mike. Ich bin der Literaturwerkstatt sehr dankbar, das ist eine so tolle Veranstaltung, und ich hatte das Gefühl, gleich aufgenommen zu werden. Das ist sicherlich nicht bei jedem so, und ich hatte viel Glück. Zu merken, dass und wie die Leute auf meinen Text reagieren, war schön. Dass der Text vor einem Publikum funktioniert, war für mich eine notwendige Erfahrung.

Dein Roman „Es bringen“ ist im vergangenen Herbst erschienen und du hast dich für eine etwas ungewöhnliche Hauptfigur entschieden, für Luis, einen pubertierenden sechzehn Jahre alten Macho. Warum?

Er ist eine adoleszente Bringerfigur, ich vermute, das ist das Ungewöhnliche daran. Man kennt viele Coming-of-Age-Romane, die die Geschichte eines klassischen Losers erzählen. Bei Luis ist das ja alles etwas anders. Erstmal. Denn im Grunde ist er ein sehr verletzlicher Junge und genau das hat mich interessiert, dieses Spannungsfeld: einer, der nach außen hin dieses Mackertum lebt und sehr selbstbewusst daherkommt, auf der anderen Seite aber eine große Zartheit besitzt.

Abschließend würde mich eines noch ganz besonders interessieren: wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus? Schreiben oder Schauspielern?

Ich habe immer große Angst vor endgültigen Antworten, aber jetzt im Moment ist es einfach das Schreiben. Ich habe viel größere Lust, zu schreiben, als zu spielen. Das kann sich ja aber auch wieder ändern. Ich bin da sehr offen.

6 Comments

  • Reply
    Malu
    April 30, 2015 at 9:48 am

    Manchmal ist das doch wirklich mysteriös… Gerade heute habe ich dieses Buch auf meine ‘Lesen?’-Liste gesetzt, und dann kommt dieser Artikel.
    Danke für dieses schöne Interview!
    So wird aus einem ‘Lesen?’ ein ‘Lesen!’.
    Malu

    • Reply
      Mara
      May 3, 2015 at 3:18 pm

      Hallo Malu,

      das ist ja ein wunderbarer und sehr passender Zufall – ich freue mich, dass dich das Interview noch neugieriger auf das Buch machen konnte und bin schon sehr gespannt darauf, wie es dir gefallen wird!

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    dj7o9
    April 30, 2015 at 11:24 am

    Kann ich dem Kommentar von Malu nur anschließen. Aus Lesen? wurde Lesen! 🙂 Und ein sehr interessantes Interview – danke!

    • Reply
      Mara
      May 3, 2015 at 2:59 pm

      Bitte – ich freue mich sehr, dass ich deine Neugier wecken konnte und bin schon gespannt, wie dir das Buch gefallen wird! 🙂

  • Reply
    Constanze Matthes
    May 1, 2015 at 9:26 am

    Ein wirklich sehr schönes, weil persönliches Interview. Man hat den Eindruck, Ihr habt im Café gesessen und geplauscht. Auch das Foto ist ausdrucksstark. Ein rundherum toller Beitrag!

    • Reply
      Mara
      May 3, 2015 at 2:36 pm

      Liebe Constanze,

      ich freue mich sehr über diese schöne Rückmeldung – wir saßen in keinem Café, aber dafür an einem Tisch beim KiWi-Buchmessestand und hatten dort ein tolles Gespräch. Schön, dass das auch im Beitrag so rüberkommt. 🙂

      Liebe Grüße
      Mara

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