Die Spannung und Vorfreude steigt so langsam – gleich werde ich im Zug auf der Fahrt nach Zürich sitzen und bin schon jetzt gespannt darauf, was mich dort erwarten wird. Wie bereits erwähnt, habe ich meinen Aufenthalt auf der Frankfurter Buchmesse auch ein wenig dafür genutzt, mir einen Überblick über die Schweizer Verlagslandschaft zu verschaffen. Dort gab es einen großen Gemeinschaftsstand, der am Freitag für alle Interessierte ein gemeinsames Frühstück anbot – natürlich stilecht mit Bircher Müsli – und damit auch die tolle Möglichkeit, mit Verlagsmitarbeitern ins Gespräch zu kommen. In das Lesefestival Zürich liest selbst sind fünf Schweizer Verlage aus Zürich eingebunden, die man an Nachmittagen der offenen Tür besuchen kann. Ich habe mir die fünf Verlage mal etwas genauer angeschaut und stelle euch nun meine Highlights aus deren vielfältigem Programm vor.
Der Dörlemann Verlag wurde von Sabine Dörlemann im Jahr 2003 in Zürich gegründet und verlegt seitdem vor allen Dingen Übersetzungen ausländischer Autoren, die zwar renommiert sind, aber in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Dank des Dörlemann Verlags habe ich beispielsweise schon Autoren wie Pat Barker oder Lydia Tschukowskaja entdeckt. Zu den meist verkauften Titeln des Verlags gehört übrigens der Roman Ein unbekannter Freund von Iwan Alexejewitsch Bunin. Der Dörlemann Verlag ist mir nicht nur wegen der ungewöhnlichen Literatur aufgefallen, die verlegt wird, sondern auch aufgrund der wunderschönen und aufwendigen Gestaltung – und der Tatsache, dass der Dörlemann Verlag einer der wenigen Verlage ist, die die Übersetzer bereits auf dem Cover nennen.
Der Verlag Nagel & Kimche wurde 1983 von Renate Nagel und Judith Kimche in Zürich gegründet. Auch heute noch sitzt der Verlag in Zürich, gehört aber mittlerweile zur Verlagsgruppe der Hanser Literaturverlage. Der Verlag bringt jährlich mehr als zehn Titel heraus und gehört damit nicht nur zu den größten Schweizer Verlagen, sondern auch zu einem der angesehensten. Kern des Verlagsprogramms ist bis heute die Schweizer Belletristik – ergänzt von Sachbuchtiteln, aber auch Übersetzungen aus dem amerikanischen und englischen Sprachraum. Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder Titel bei Nagel & Kimche entdeckt, zuletzt den Roman Kastelau von Charles Lewinsky, der 2014 auch auf der Longlist des Deutschen Buchpreis stand.
Der Rotpunktverlag wurde bereits 1976 gegründet und hat seinen Sitz ebenfalls in Zürich. Der Schwerpunkt des Verlags liegt auf der Veröffentlichung politischer Schriften – daneben finden sich im Programm aber auch belletristische Titel von Schweizer Autoren. Einen weiteren Schwerpunkt bildet Literatur aus Lateinamerika. Der Verlag feiert in diesem Jahr vierzigjähriges Jubiläum – spannend dabei ist, dass die Verlagsgeschäfte lange Zeit vermehrt in der Freizeit geführt wurden: der Rotpunktverlag war bis in die neunziger Jahre hinein ein Freizeit- und Freiwilligenprojekt. Heutzutage ist es nur noch schwer vorstellbar, dass ein anerkannter Verlag auf der Basis freiwilliger Mitarbeit geführt wird. Auf den Besuch des Verlagshauses freue ich mich bereits jetzt!
Der rüffer & rub Sachbuchverlag ist ein Verlag, der mir ohne das Festival Zürich liest wohl nie begegnet wäre – es handelt sich dabei um einen kleinen Verlag, der sich auf Sachbuchtitel spezialisiert hat, die sich mit den Fragen unserer heutigen Zeit beschäftigen. Im Programm findet man ein breites Spektrum an Themen: von der Krebserkrankung, über die Demenz bis hin zu unserem Umgang mit dem Tod. Ich lese viel zu wenig Sachbücher und nehme mir immer vor, dies endlich mal zu ändern – bei rüffer & rub habe ich nun einige spannende Titel entdeckt, die ich mir auf jeden Fall mal notiert habt.
Der Unionsverlag wurde bereits 1975 gegründet und wird seitdem von Lucien Leitess geleitet. In den vergangenen vierzig Jahren wurden mehr als 280 Autoren und Autorinnen verlegt – zumeist aus dem arabischen und asiatischen Raum. Den größten Erfolg feierte der Verlag, als ihr Autor Nagib Machfus 1988 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde – seitdem wurde das Verlagsprogramm stetig weiterentwickelt. Mittlerweile nimmt auch die türkische Literatur einen wichtigen Platz ein, ebenso ist der Verlag auch den Schritt in die digitale Produktion gegangen und bietet zahlreiche Titel auch als eBook an. Entdeckt habe ich den Verlag durch den wunderbaren Roman von Barbara Gowdy. Ich greife immer wieder gerne auf Titel aus dem Unionsverlag zurück, um in andere Länder zu reisen.
Nach diesem kleinen Ausflug durch die Schweizer Verlagslandschaft fühle ich mich ganz beseelt angesichts der Tatsache, wie zahlreich – auch eher kleinere – Verlage abseits der großen Publikationshäuser vielseitige und spannende Titel veröffentlichen. Auf jeden Fall bin ich gespannt auf meinen Besuch in Zürich und welche Eindrücke ich von den dortigen Lesungen aber auch den Verlagshausbesuchen mitbringen werde.
12 Comments
Jochen
October 26, 2016 at 7:48 amLiebe Mara,
schau mal, ob du in Zürich in Kontakt mit dem Verlag »Der gesunde Menschenversand« (ja, die heißen wirklich so) kommen kannst. Deren Verlagsprogramm ist sehr nahe an der PoetrySlam-Szene und verbindet gedruckten Text mit Performance (oder umgekehrt). Könnte dir vielleicht gefallen.
Hier ein Beispiel, das ich mal besprochen habe: http://lustauflesen.de/michael-fehr-simeliberg/
So oder so: viel Spaß ander Limmat.
lg_jochen
Mara
November 4, 2016 at 2:03 pmLieber Jochen,
ich habe in Zürich eine Diskussion mit Michael Fehr und Raul Schrott besucht und war beeindruckt von diesem jungen Mann – Michael Fehr hat sehr unterhaltsam und enorm schlagfertig das Publikum unterhalten. Sein Buch werde ich mir jetzt auf jeden Fall mal genauer ansehen, vielen Dank für den Link zu deiner Besprechung.
Liebe Grüße
Mara
simonsegur
October 26, 2016 at 7:55 amVielen, vielen Dank für diesen schönen verlegerischen Überblick. Wünsche eine gute Reise!
Mara
November 4, 2016 at 2:02 pmVielen Dank, die hatte ich! Von meinen Eindrücken werde ich demnächst noch ausführlicher erzählen!
Dorte
October 26, 2016 at 9:07 am“Schnee” kommt gleich auf meine Leseliste. Vielen Dank!
Nochmals eine gute Reise! Dorte
Mara
November 4, 2016 at 2:01 pmLiebe Dorte,
sehr gerne, ich habe es mir auch direkt bestellt! 🙂
Liebe Grüße
Mara
Paul Hübscher
October 26, 2016 at 6:01 pm“Nach diesem kleinen Ausflug durch die Schweizer Verlagslandschaft fühle ich mich ganz beseelt angesichts der Tatsache, wie zahlreich – auch eher kleinere – Verlage abseits der großen Publikationshäuser vielseitige und spannende Titel veröffentlichen. Auf jeden Fall bin ich gespannt auf meinen Besuch in Zürich und welche Eindrücke ich von den dortigen Lesungen aber auch den Verlagshausbesuchen mitbringen werde.”
Klingt irgendwie, wie wenn die Schweiz ein verlegerisches Entwicklungsland wäre, sorry. Die süssen kleinen Schweizer, die sogar Bücher machen können…
Mara
November 4, 2016 at 2:01 pmLieber Paul,
ich hatte schon versucht auf Twitter über deinen Kommentar ins Gespräch zu kommen, was leider nicht gelungen ist. In Zürich habe ich ja einige der Verlagshäuser besucht und dies hat meinen Eindruck bestätigt: mit wie wenig Personal und auf wie kleinem Raum so viele spannende und außergewöhnliche Bücher produziert werden, ist wirklich beeindruckend.
Liebe Grüße
Mara
Fräulein Julia
October 27, 2016 at 7:13 amIch bin ja ein großer Fan vom Dörlemann Verlag und diesen hübsch gemachten, kleinen Büchern im Leineneinband. Viel Spaß!
Mara
November 4, 2016 at 1:59 pmDanke! Ich mag den Dörlemann Verlag auch sehr gerne und kann mich bei der Auswahl immer kaum entscheiden, die machen so viele tolle Bücher.
nomadenseele
October 27, 2016 at 4:42 pmDen Hauptverlag gibt es noch: http://www.haupt.ch/
Zürich liest 2016: meine Highlights! | Buzzaldrins Bücher
December 18, 2016 at 11:46 am[…] meiner Reise stellte ich noch einige Verlage aus Zürich auf meinem Blog vor, als ich endlich dort war, konnte ich zumindest einige davon auch […]