Georg M. Oswald hat im Dezember aufgehört als Verlagsleiter im Berlin Verlag zu arbeiten, um sich ganz auf seine Arbeit als Autor zu konzentrieren. In diesem Frühjahr ist nach fünf Jahren endlich wieder ein neuer Roman von ihm erschienen: in Alle, die du liebst geht es um einen Familienvater und Anwalt, der vor den Scherben seines Lebens steht.
Sie waren drei Jahre lang Verleger des Berlin Verlags – wie hat Ihnen die Arbeit als Verleger gefallen?
Mir hat es sehr sehr gut gefallen, weil es mir nochmal einen ganz neuen Blick auf das Machen von Büchern gegeben hat. Ich habe unheimlich viel gelernt, vor allen Dingen habe ich gelernt, wie viele Leute an einem Buch arbeiten müssen, damit es ein gutes Buch wird oder vielleicht sogar ein erfolgreiches. Auch wenn man das als Autor theoretisch weiß, ist es sehr heilsam zu sehen, wieviel Herzblut darein fließt – von ganz vielen Leuten, deren Namen nicht auf dem Cover stehen.
Haben Sie Ihren Brotberuf als Ausgleich zum Schreiben als inspirierend oder eher als belastend empfunden?
Beides! Es ist tatsächlich so, dass man – oder, was heißt man, vielleicht gibt es tatsächlich Autoren, die jeden Tag von morgens bis abends schreiben können. Ich brauche auch andere Dinge, andere Inspirationen und Anregungen. Oft finde ich die – das ist sehr interessant – wenn sie nicht aus Büchern kommen, sondern aus dem Leben. Mir hilft es, in unterschiedlichen Lebensbereichen unterwegs zu sein.
Bevor Sie Verleger geworden sind, haben Sie als Jurist gearbeitet – sind Sie denn jetzt nur noch Schriftsteller oder ist Ihnen das zu langweilig?
Ich habe als Anwalt jetzt schon wieder ein paar Fälle übernommen, aber ich will versuchen, den Schwerpunkt beim Schreiben zu behalten, weil mir das einfach sehr großen Spaß macht. Aber es ist natürlich immer interessant, mal wieder in juristische Fälle reinzugehen und da weiter zu arbeiten.
Können Sie im Rückblick noch rekonstruieren, warum Sie sich als Jurist überhaupt dafür entschieden haben, auch zu schreiben?
Zum Schreiben bin ich tatsächlich erst einmal durch das Lesen gekommen. Ich habe irgendwann damit angefangen, Gegenwartsliteratur zu lesen – da war ich 14 oder 15 Jahre alt. Es gab auch eine Schülerzeitung an meiner Schule und irgendwann haben meine Freude und ich gesagt, dass wir dort hinwollen und Artikel veröffentlichen. Das waren damals noch keine Erzählungen, sondern eher politische Kommentare, die ich da geschrieben habe. Während des Studiums habe ich dann als Journalist gearbeitet und nebenher angefangen, erste Erzählungen zu schreiben, die ich dann für Literaturstipendien eingereicht habe. So ging es dann irgendwie weiter – das Schreiben lief aber immer neben der juristischen Ausbildung her.
Vor wenigen Tagen ist erst Ihr neuer Roman „Alle, die du liebst“ erschienen. Wie lang haben Sie daran gearbeitet?
So wirklich an dem Text, wie er da jetzt steht, habe ich ein Jahr gearbeitet. Es ist aber so, dass die Geschichte, die da erzählt wird, ewig weit zurückgeht. Vor mehr als fünfzehn Jahren hatte ich die erste Idee für diese Geschichte und habe darüber eine Kurzgeschichte und ein Theaterstück geschrieben, die unterschiedliche Aspekte des Romans aufgreifen und behandeln. Allerdings auf eine Art, die mir selbst noch nicht so ganz eingeleuchtet hat, weil ich das Gefühl hatte, dass der Text noch nicht ganz so stimmig ist. Vor anderthalb Jahren hatte ich dann das Gefühl, dass ich endlich weiß, wie ich die Geschichte erzählen kann. Ich habe mich dann mit der Erzählstimme des Ich-Erzählers im Hinterkopf rangesetzt und – das ist für mich immer das Entscheidende – einen Ton gefunden, den ich mir selbst glauben konnte. Wenn es diesen Moment gibt, dann geht es meistens auch weiter.
Ähnlich wie in „Alles was zählt“ – der Titel erinnert ja auch schon ein wenig daran – erzählen Sie auch in Ihrem neuen Roman eine Geschichte des Aufstiegs und des Absturz. Was fasziniert Sie an diesen Themen?
Es ist ganz witzig, weil ich bei diesem Titel tatsächlich keinen Gedanken daran verschwendet habe, dass es eine Ähnlichkeit mit Alles was zählt geben könnte. Mein Lektor hat es dann aber auch erwähnt und es sagen so viele Menschen, dass da wohl tatsächlich etwas dran sein muss. Während des Schreibens ist mir aber schon klargeworden, dass die Figur aus Alle, die du liebst in gewisser Weise charakterliche Ähnlichkeiten mit dem Helden von Alles was zählt hat. Mich interessieren diese Geschichten sehr – ich sage das jetzt mal ein bisschen plakativ, aber in unserer Gesellschaft wird so wahnsinnig viel Wert darauf gelegt, Dinge anzuhäufen. Sei es Erfolg, sei es Ruhm, sei es Geld – was auch immer. Ich hatte dagegen immer schon ein tiefes Misstrauen und ich fand den Gedanken wichtig, dass einem diese Errungenschaften weniger gehören, als man so denkt.
Georg M. Oswald: Alle, die du liebst. Piper Verlag, 2017. 18€, 200 Seiten.
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