Sharon Dodua Otoo hat 2016 mit ihrem Text Herr Gröttrup setzt sich hin den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen – eingeladen wurde sie damals von der Literaturkritikerin Sandra Kegel, die einen Text der Autorin auf Englisch gelesen hatte und sofort begeistert war. Mit die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle und Synchronicity sind zwei Novellen von ihr kürzlich im Fischer Verlag erschienen. Ich habe mit ihr über den Ingeborg-Bachmann-Preis und ihr politisches Engagement gesprochen.
Sie haben 2016 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen – können Sie kurz erzählen, wie es dazu kam, dass Sie dort gelesen haben?
Ich hatte das Buch die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle geschrieben und der Literaturkritiker Dietmar Dath hatte es gelesen und sehr wohlwollend in einem Artikel in der FAZ erwähnt. Außerdem hat er seiner Kollegin Sandra Kegel davon erzählt – sie hat mich dann kontaktiert und gefragt, ob ich eventuell auch eine Geschichte auf Deutsch hätte, die ich dann tatsächlich zufällig hatte.
Sandra Kegel hat mir erzählt, dass – als sie Sie anrief – Sie gar nicht wussten, was der Bachmann-Preis eigentlich ist. Stimmt das?
Nein, ich hatte tatsächlich keine Ahnung. Ich hatte den Literaturbetrieb davor fast gemieden, da ich geglaubt hatte, dass sich dort keiner für meine Inhalte interessieren würde und ich dort auch nicht so ganz reinpassen würde. Das war auch völlig in Ordnung für mich.
Der Bachmann-Preis ist dafür bekannt, dass sich die Autoren der direkten Kritik der Jury aussetzen müssen. Hatten Sie Angst davor und wie ist es Ihnen dann damit ergangen?
Ich hatte tatsächlich keine Angst davor, weil ich generell so schreibe, dass ich mir von anderen Menschen häufig Feedback und Rückmeldungen hole. Wenn ich auf Deutsch schreibe, bin ich sogar ein bisschen darauf angewiesen. Mich interessiert, was mein Schreiben bei Menschen bewirkt. Ich möchte wissen, was ich für Emotionen bei meinen Lesern auslöse. Die Reaktion, die man erhält, sagt sehr viel über die Person aus, von der sie kommt und deren Beziehung zu dem, was ich geschrieben habe. Deswegen empfand ich das als eine richtig tolle Chance, Rückmeldungen von Kritikern zu bekommen. Dass sie sich wirklich mit meiner Literatur auseinandersetzen, war für mich ein Geschenk. Glücklicherweise ist es dann auch ganz gut gelaufen, denen hat die Geschichte gefallen und die Diskussion war fruchtbar.
Können Sie vielleicht ganz kurz sagen, inwieweit sich ihr Leben seit dem Gewinn des Bachmann-Preis verändert hat? Hat es sich überhaupt verändert?
Ja, es gab sogar ziemlich viele Veränderungen: es gibt seitdem viele Interviewanfragen, Lesungsanfragen, Veranstaltungseinladungen und auch Angebote, Texte zu schreiben. Die Resonanz war so groß, dass ich sogar die Möglichkeit hatte, meinen full time job aufzugeben und hauptberuflich als freischaffende Autorin zu arbeiten.
Englisch ist Ihre Muttersprache und Sie selbst bezeichnen sich als schwarze britische Mutter – Ihre Texte veröffentlichen Sie aber mittlerweile auf Deutsch. Was bedeutet Heimat für Sie?
Ich bekomme diese Frage sehr oft gestellt und meine Antwort darauf ist: meine Heimat ist in den Beziehungen zu den Menschen, mit denen ich gerne zusammen bin. Wir müssen nicht einmal unbedingt im selben Land wohnen, aber diese Beziehungen und das Zugehörigkeitsgefühl zu anderen Menschen ist für mich Heimat.
Ich erlebe Sie als politisch sehr engagierte Autorin – könnten Sie zum Abschluss ein wenig davon erzählen, welche politischen Themen Ihnen besonders am Herzen liegen?
Ich setze mich sehr viel mit Rassismuskritik auseinander, in der Kultur, in der Literatur und auch in der Bildung. Mein zweites großes Thema ist der Feminismus, für mich wird der Feminismus zu häufig als eine Sache der weißen Frauen gesehen und ich wünsche mir, dass das Thema breiter aufgefasst werden würde: dass wir auch Rassismus mit einbeziehen, genauso wie Kritik an Heterosexismus oder die Diskriminierung von behinderten Menschen. Wir haben im Feminismus noch viel Arbeit vor uns.
Sharon Dodua Otoo: die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle und Synchronicity – zwei Novellen. S. Fischer Verlag, 2017. 9,99€, 256 Seiten.