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der schrecken verliert sich vor ort

Trümmergöre – Monika Held

Monika Held legt mit Trümmergöre einen lesenswerten Roman über das Wechselspiel von Gegenwart und Vergangenheit vor und erzählt dabei die Geschichte von Jula, die als Trümmergöre im Hamburg der Nachkriegszeit aufwächst und als Erwachsene darüber nachdenkt, in die Vergangenheit zurückzuziehen.

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Böse Geschichten kommen nur zur Ruhe, wenn sie sich irgendwo niederlassen dürfen.

Während sich Monika Held in Der Schrecken verliert sich vor Ort noch mit Auschwitz und dem Holocaust beschäftigt, wendet sie sich in ihrem neuen Roman dem Leben der Nachkriegszeit zu. Jula wächst als Diplomatentochter auf, doch mittlerweile ist sie erwachsen und sucht für sich und ihren Lebenspartner eine gemeinsame Wohnung. Es ist ein Zufall, der sie auf eine ganz besondere Wohnungsanzeige stoßen lässt: das Haus, in dem sie einen großen Teil ihrer Kindheit verbracht hat, steht zum Verkauf. Es ist das Haus, in dem sie mit ihrer Großmutter gelebt hat. Und es ist das Haus, in dem auch ihr Onkel Hans wohnte. All das liegt schon viele Jahre zurück, doch die zufällig entdeckte Anzeige reicht aus, um das Vergangene sofort wieder zurück in das Gedächtnis zu spülen. Jula beschließt die Wohnung zu besichtigen, doch mit dem Moment, in dem sie das Haus betritt, wird aus der geplanten Wohnungsbesichtigung eine schmerzhafte Reise zurück in die Vergangenheit.

Die Reise in die Zeit beginnt mit einer Kartoffel, einem scharfen Messer und der Zeitung von gestern. Ich schäle die Kartoffel wie meine Großmutter. Von oben nach unten, immer im Kreis herum, ohne das Messer abzusetzen. Am Ende liegen zwischen sandigen Girlanden Wortreste, Buchstaben und Silben, aus denen wir kranke Tiere machten. 

Als Jula vier ist, lässt ihr Vater sie bei der Großmutter zurück, um seiner Arbeit als Diplomat nachzugehen. Doch die Großmutter bewohnt das Haus nicht alleine, denn da gibt es auch noch Onkel Hans, der zwar in einem Haus mit seiner Mutter lebt, doch ansonsten nichts mit ihr zu tun haben möchte. Es gleicht einem bedrückenden Kammerspiel, wenn beide immer wieder umeinander kreisen – im Versuch sich so wenig wie möglich zu begegnen, wenn sie sich doch sehen, sprechen sie nicht miteinander. Nur Jula erhält Zutritt zum Zimmer des Onkels, ab und an nimmt er sie auch mit auf den Gebrauchtwagenplatz – dort arbeitet er. Onkel Hans gibt Jula all das, was ihr von ihrem Vater vorenthalten wird, er hört ihr zu, ist für sie da. Doch dem Leben, das er führt, fehlt die kindgerechte Version. Schnell lernt Jula, dass man nicht alles, was man tagsüber erlebt habe, abends erzählen müsse. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold und wer schweigt, kann nicht lügen. Onkel Hans führt sie in eine Welt ein, in der sie auf allerhand seltsame Gestalten trifft, eine Welt mitten im Hamburger Kiez.

Zwei Mal sagte Großmutter streng: Dreh dich um, Rudolf! Tu es für das Kind! Ich flüsterte: Dreh dich um, Vati, du hast mich hier vergessen, bitte dreh dich um. Ich winkte wild mit beiden Händen, das müsste er, dachte ich, im Rücken spüren. Ich schlug die Fäuste gegen die Scheibe. Er verschwand im Schnee, er löste sich vor meinen Augen einfach auf.

Obwohl Jula noch ein kleines Kind ist, als sie ihren Onkel kennenlernt, merkt sie schnell, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Den schönen Erinnerungen an ihre Kindheit haftet ein Schmerz an, für den es kaum Worte gibt. In der Wohnung, in die sie  als junge Frau wieder zurück ziehen möchte, ist sie erwachsen geworden – auf schmerzhafte Art und Weise und viel zu schnell. Monika Held macht deutlich, dass eine Vergangenheit vergangen sein kann, doch manchmal nie ganz vergessen wird. Onkel Hans hat Jula nicht den ersten Schmerz ihres Lebens zugefügt, aber den größten – davon erzählt Monika Held erst sehr viel später, doch das Wissen darum, dass es da eine offene und eitrige Wunde gibt, die nie so ganz verheilen konnte, ist das ganze Buch über präsent.

Lieber Gott, sag ihm, dass er umkehren muss. Wenn er schläft, weck ihn auf. Ich habe noch Schleifen in den Zöpfen und niemand hat mir die Haare gebürstet.

Mit kurzen Sätzen und wenigen Worten gelingt es Monika Held auf beeindruckende Art und Weise die Geschichte von Jula zu erzählen. Es ist eine Geschichte, die mich sehr berührt hat, eine Geschichte, die ich so schnell nicht vergessen werde. Monika Held erzählt nicht einfach nur, sondern schreibt Sätze von einer solchen Kraft und Schönheit, dass sie sich tief in in mein Herz gemeißelt haben. Ihre Figuren sind mit sanften Strichen gezeichnet, man kommt ihnen so nah, dass ihr Schmerz und ihre Verletzlichkeit manchmal nur schwer zu ertragen sind. Jula, ihre Großmutter und Onkel Hans teilen ein Schicksal, ihnen allen wurde Schmerz zugefügt – wenn auch auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Ich glaube, dass Monika Held zu den wichtigsten Autorinnen unserer Zeit gehört – es ist beeindruckend, wie es ihr gelingt, die Schicksale ihrer Figuren mit Leben zu füllen und mit so viel Wärme und Liebe von ihnen zu erzählen.

Monika Held ist mit Trümmergöre ein großartiger Roman gelungen, der mich nicht nur beeindruckt hat, sondern auch tief berührt. Ich hoffe, dass die Geschichte von Jula und ihrem geliebten Onkel Hans noch viele Leser und Leserinnen finden wird. Dieses Buch hätte es verdient.

Ein Jahr in Büchern …

CollageEines der Bücher, das mir in diesem Jahr sehr eindrücklich im Gedächtnis haften geblieben ist, ist “Die Listensammlerin” von Lena Gorelik. Sofia ist eine leidenschaftliche Listensammlerin und – schreiberin. Alles mögliche wird von ihr aufgelistet und in eine lose Rangfolge gebracht. Gerade zum Ende eines Jahres ist das Schreiben von Listen scheinbar eine beliebte Beschäftigung, denn überall wird man erschlagen mit Bestenlisten und anderweitigen Zusammenstellungen, denn häufig werden nicht nur die besten Bücher zusammengestellt, sondern gleichsam auch die enttäuschendsten.

Mir geht es da ganz anders: ich finde Listen grausam, hundsgemein und ungeheuer schwierig. Ich habe die Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe, nicht gezählt und doch hat mich jedes einzelne von ihnen, durch dieses Jahr begleitet. Die Lesestunden, -tage und -wochen, die ich mit ihnen verbracht habe, bedeuten mir mehr, als eine Top Ten der Bücher des Jahres widerspiegeln könnte. Ich habe viele gute Bücher gelesen, einige besondere – vieles ist in mir haften und kleben geblieben. Nach einem gelesenen Jahr fühle ich mich wie ein vollgekritzeltes Notizbuch, voller berührender Worte und Bildern; angefüllt mit schönen und poetischen Sätzen, mit losen Buchanfängen, die sich in mir eingenistet haben und Figuren, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen.

Schöne Sätze:

“Ich wünsche mir plötzlich, dass alles immer so leer bleibt und alles Überflüssige verschwindet, sich nie bei mir einnistet. Was brauche ich wirklich? Welche Farben machen mich glücklich? Und warum? Den Dingen auf den Grund gehen, das will ich tun, nicht einfach immer nur alles sammeln und ablegen.” (aus: Marica Bodrožić – kirschholz und alte gefühle)

“Die Erinnerung ist ein sturer Hund. Sie lässt sich nicht rufen oder wegschicken, aber ohne dich kann sie nicht überleben. Sie kann dich stärken oder von dir zehren. Sie kommt, wenn sie hungrig ist, nicht wenn du es bist. Sie hat ihre eigenen Zeiten, die du nie kennen wirst. Sie kann dich vereinnahmen, dich in die Enge treiben oder dich befreien. Sie kann dich zum Heulen bringen und zum Lächeln.” (aus: Elliot Perlman – Tonspuren)

“Meine Mutter war sehr hässlich. Alles andere hätte ihr mein Großvater nie erlaubt.” (aus: Sarah Stricker – Fünf Kopeken)

“Wie den Augenblick, da das Blatt sich wendete, wie den Moment erkennen? War man denn in der Lage, einen Augenblick zu erkennen? Das hieße doch, sich auf den Zeitpunkt gefasst zu machen, da nichts mehr blieb, wie es eben noch war.” (aus: Mirko Bonné – Nie mehr Nacht)

“Unsere Geschichten sind auch die Geschichten unserer Eltern, die Geschichten unserer Großeltern. Selbst wenn wir keine Väter haben oder keine Großeltern, keine Schwestern und keine Brüder, sind die Geschichten dieser Abwesenden auch und vor allem unsere Geschichten.” (aus: Katharina Hartwell – Das fremde Meer)

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Manchmal sind es keine Sätze, sondern Figuren, die mich berührt haben, während ich sie begleitet habe. Die nicht nur ein Buch lang bei mir geblieben sind, sondern auch lange darüber hinaus. Auch jetzt muss ich immer mal wieder an Nini und Jameelah denken, die beiden jungen Mädchen aus “Tigermilch” und was wohl aus ihnen werden wird. Dieselbe Frage stelle ich mir bei Tessa, die mit dem Zuklappen der letzten Seite nicht aus mir verschwunden ist, sondern über die ich immer noch nachdenke. Auch Lena und Heiner, die von Monika Held in “Der Schrecken verliert sich vor Ort” als Paar gegen jeden Widerstand beschrieben werden, besuchen mich und meine Gedanken ab und an.

Es sind diese Worte, Sätze und Figuren, die ich in mir bewahre, um immer wieder darauf zugreifen zu können. Das nächste Jahr beginne ich wieder mit einem neuen Notizbuch im Kopf und ich bin gespannt darauf, mit welchen Worten dieses befüllt werden wird …

Der Schrecken verliert sich vor Ort – Monika Held

Monika Held, die 1943 in Hamburg geboren wurde, arbeitet als Autorin und Journalisten. Einer ihrer Themenschwerpunkte ist das Kriegsrecht in Polen und die Hilfstransporte zu den Überlebenden von Auschwitz. Für diese publizistische Arbeit wurde sie mit einer Dankbarkeitsmedaille ausgezeichnet. Heutzutage lebt die Autorin in Frankfurt. Im Eichborn Verlag sind von ihr bereits die Romane “Augenbilder” und “Melodie für einen schönen Mann” erschienen.

“Das Lager wollte er überleben, um Zeuge zu sein. Er hatte das Lager überlebt – wo war der Sinn?”

Monika Held erzählt in ihrem neuesten Roman “Der Schrecken verliert sich vor Ort”, der im Frühjahr dieses Jahres im Eichborn Verlag veröffentlicht wurde, die Geschichte einer schwierigen Beziehung. Lena und Heiner lieben sich und leben doch in getrennten Welten, denn Heiner wird die Schrecken seiner Vergangenheit nicht los. Eine Vergangenheit, die an ihm klebt, wie eine zweite Haut und auch Jahrzehnte danach immer noch alles beeinflusst, was er erlebt und wahrnimmt. Heiner ist im Konzentrationslager gewesen, in Auschwitz.

Als er nach dem Krieg in die verwaiste Wohnung seiner Eltern zurückkehrt, liegt auf dem Nachttisch in seinem Zimmer Senecas Buch “Vom glückseligen Leben”. Das Lesezeichen steckt immer noch in dem Kapitel “Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf”.

“Ein Unwetter droht, ehe es heranzieht; die Häuser krachen, ehe sie zusammenstürzen; der Rauch verkündet einen Brand voraus; aber plötzlich kommt das vom Menschen ausgehende Verderben und verbirgt sich umso sorgfältiger, je näher es herantritt. Du irrst, wenn du den Gesichtern derer traust, die dir begegnen. Sie haben die Gestalt von Menschen, aber die Seele von wilden Tieren …”

Es sind die Worte von Seneca, die so treffend, wie kaum eine andere Stelle im Buch, das beschreiben, was Heiner erlebt haben muss.  Als junger Mann und Kommunist wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager in Auschwitz gesperrt. Jahre später sagt er in einem Kriegsverbrecherprozess gegen die Menschen aus, die ihn damals beinahe umgebracht hätten. Im Rahmen dieses Prozesses lernt Heiner am 5. Juni 1964 Lena kennen.

“Der Schrecken verliert sich vor Ort” ist in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt schildert Monika Held die erste Begegnung von Heiner und Lena, die vorsichtige Annäherung und das Leben Lenas mit einem Versehrten. “Wer einen Mann wie Heiner heiratet, muss auf die Südsee verzichten.”

Im zweiten Abschnitt reisen Lena und Heiner an den Ort des Schreckens, nach Auschwitz. Sie besuchen andere Überlebende und das ehemalige Konzentrationslager, das heutzutage zu einem Museum geworden ist. Es sind vor allem die Begegnungen mit den anderen Überlebenden, mit den Freunden Heiners, zu denen er ein intensives Verhältnis hat, die in Lena ein Gefühl der brennenden Eifersucht wecken. Ihre eigene Beziehung erscheint zu gewöhnlich, als könnte sie eine ähnliche Intensität erreichen. Gleichzeitig fühlt Lena sich schlecht bei dem Gedanken, auf diese fürchterlichen Erinnerungen eifersüchtig zu sein. Im dritten Abschnitt leben Heiner und Lena an der Küste, das Klima dort soll Heiners Gesundheit helfen, die seit Auschwitz angeschlagen ist. Mittlerweile liegen bereits mehrere Jahrzehnte zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, doch Heiner trägt sie immer noch mit sich herum.

Monika Held hat mit “Der Schrecken verliert sich vor Ort” einen Roman vorgelegt, der nichts ausspart, nichts beschönigt. Der Leser erfährt alles über Heiners Leidenszeit im Konzentrationslager. Schwer auszuhaltende, schwer ertragbare Details. Es sind 1860 Menschen, mit denen Heiner auf den Transport nach Auschwitz geschickt wird – vier von ihnen haben überlebt.

“Heiner spuckte grünen Schleim. Es gab keinen Namen für diese Krankheit. Es war Verzweiflungskotzen. Panikkotzen. Schmerzkotzen, Mitleidskotzen. Wutkotzen. Er hielt sich die Ohren zu. Die Schreie der Opfer waren hoch und spitz, es zerriss ihm den Kopf. Wenn es im Himmel einen Herrgott gibt, muss er diese Schreie gehört habe.”

Die Autorin thematisiert durch die Schilderung des Kriegsverbrecherprozesses gleichzeitig aber auch die Rolle der Täter und die Frage, was Menschen damals dazu getrieben hat, zu Tätern zu werden.

“Die Täter waren nicht krank im Kopf, nicht verrückter als Sie und ich. Ohne den mörderischen Tummelplatz in Polen, wenn ich das mal so sagen darf, wäre Klehr Tischler geblieben und Kaduk Krankenpfleger. Oder Feuerwehrmann. Dirlewanger Jurist, der fette Jupp ein tumber Gangster, Palitzsch, wäre er nicht im Krieg gefallen, Polizeipräsident oder Minister und Boger Abteilungsleiter bei der örtlichen Krankenkasse. Oder Studienrat mit heimlich-geiler Lust beim Abstrafen der Kinder. Er hätte die Bogerschaukel nicht gebaut. Die Täter, Hohes Gericht, waren jung und ehrgeizig. Sie wollten ihre Sache gut machen, welche Sache, war egal. Sie verhielten sich wie Angestellte, sie waren hungrig nach Lob und Karriere. Das Gefährlichste ist nicht der Sadist. Das Gefährlichste ist der normale Mensch.”

Eine zentrale Position im Roman nimmt aber vor allem die Beziehung zwischen Lena und Heiner ein. Lena, die zehn Jahre jünger ist, teilt keine Erinnerungen mit Heiner. Zumindest keine Erinnerungen an den Schrecken der damaligen Zeit. Ihr Glaube, dass die Liebe, die Kraft dazu haben könnte, solche Erinnerungen überwinden so können, erscheint zugleich naiv und herzergreifend. Doch für Heiner funktioniert das nicht. Die Liebe zu Lena wischt die Erinnerungen an das Erlebte und Erlittene nicht weg, macht es nicht ungeschehen oder leichter zu ertragen.

“[…] es gibt Tage, an denen möchte ich nicht mit mir befreundet sein. Mir steckt das Lager in jedem Körperteil und die Forschung arbeitet, so viel ich weiß, nicht an einem Gegengift.”

Lena liebt Heiner, aber sie weiß nicht, “wie lange ihre Liebe für den Teil des Mannes reichte, der im Lager geblieben war.” Ein Teil von Heiner ist dort geblieben, dieser Teil überschattet alles, was er in der Gegenwart erlebt. An einer Stelle im Roman wird dies als “kranker Nebel der Vergangenheit” bezeichnet, der sich in sekundenschnelle über alles Schöne legen kann.

“Er besteht aus einem Leitmotiv mit endlosen Variationen. Was ich sagen will: Er sieht einen Backsteinschornstein und sagt: Schau, Lena, Birkenau. Er sieht dünnen, weißen Rauch aufsteigen und sagt: Sie haben dort nicht viel zu tun, sonst wäre der Rauch dick und schwarz. Weiß du, wie oft das Wort Rampe im Alltag vorkommt? Die Post hat eine Rampe, die Bahn hat eine Rampe, jedes Warenhaus hat eine Rampe und Heiner denkt nur an die eine. Du kaufst dir einen schönen Mantel und was sagt er: Schau. Lena, der Markenname ist Selection. Nichts ist ohne doppelten Boden und an jeder Ecke warten Erinnerungen.”

Bücher über den Holocaust, Bücher über Auschwitz und Bücher über den Zweiten Weltkrieg gibt es viele. Dieses sollte man jedoch gelesen haben. Monika Held gelingt es nicht nur, eine zutiefst rührende Geschichte zu erzählen, sondern sie wirft gleichzeitig auch wichtige Fragen auf: Fragen nach der Täterschaft, aber auch Fragen nach der psychologischen Verarbeitung von so tiefsitzenden Traumata. “Der Schrecken verliert sich vor Ort” ist ein wichtiges Buch, ein Buch, das sich in das Fleisch seines Lesers einschneidet und dort tiefe und markante Abdrücke hinterlässt.

Angesichts der Thematik des Romans ist es sicher schwer und auch nicht angemessen von Begeisterung zu sprechen. Der Roman hat mich gerührt, umgetrieben, beschäftigt und lange nicht mehr losgelassen.

Abgerundet wird die Lektüre von einem lesenswerten Nachwort von der Psychoanalytikerin, Ärztin und Autorin Margarete Mitscherlich, aus dem ich abschließend folgende Stelle zitieren möchte:

“Was geschehen ist, ist geschehen, ausgeübt von einem Kulturvolk. Und dass es geschehen ist, bedeutet, dass es wieder geschehen kann. Menschen, und zwar kultivierte, kluge Menschen, sind zu Taten fähig, die wir ihnen nicht zugetraut haben. Und wo es irgendein Anzeichen, einen Hauch davon wieder geben könnte, müssen wir eingreifen. Unsere gottverdammte Pflicht nach Auschwitz ist, das niemals zu vergessen. Es bleibt ein ewiges Thema. Ich glaube nicht, dass wir aufhören sollten, uns damit beschäftigen.”

Lektüretipp:

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