Vor fast genau vier Wochen wurde die Shortlist bekannt gegeben, im Laufe des heutigen Abends wird schließlich ein Gewinner gekürt. Oder wird es vielleicht sogar eine Gewinnerin? Mit Angelika Klüssendorf und ihrem Roman April steht nur eine einzige Frau zur Auswahl. Ich habe in den vergangenen vier Wochen fünf der sechs nominierten Titel gelesen und auf meinem Blog vorgestellt. Eine Besprechung des sechsten Romans, Panischer Frühling von Gertrud Leutenegger, findet sich auf dem Blog Das graue Sofa.
Für mich war das diesjährige Longlistlesen, aus dem in den letzten Wochen ein Shortlistlesen wurde, ein spannendes Projekt. Ich habe durch die Longlist viele großartige Bücher entdecken dürfen, mein großer Favorit für die heutige Preisverleihung ist wohl Lutz Seilers Roman Kruso, der mich thematisch und auch sprachlich überzeugen konnte. Doch auch die anderen Bücher der Shortlist waren mal eine berührende, mal eine spannende und mal eine unterhaltsame Lektüre. Dadurch, dass ich die Titel der Shortlist nacheinander verschlungen habe, ist möglicherweise so etwas wie eine literarische Kettenreaktion entstanden. Ich habe beim Lesen immer wieder nach Verbindungslinien und Bezügen zwischen all den Büchern gesucht.
Die sechs Autorinnen und Autoren der Shortlist 2014 führen uns mit sprachlicher Brillanz ihre Figuren in all ihrer Würde vor Augen, sie erweitern dabei unseren Blick auf das Leben und unsere Gegenwart und justieren ihn neu.
Dies sagte Jurysprecherin Wiebke Porombka bei der Bekanntgabe der Shortlist und ich kann mich diesen Worten nur anschließen: das, was mich an den fünf Büchern der Shortlist wohl am stärksten beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass in allen Büchern Figuren beschrieben werden, die durch ihr Leben taumeln. Eds Leben bricht in Kruso in tausend Scherben und statt zu promovieren, arbeitet er als Abwäscher auf Hiddensee. Die Zwergin Marie lebt unglücklich auf der Pfaueninsel, durch ihre körperliche Behinderung ist es ihr verwehrt am wahren Leben teilzunehmen. Auch April, die aus schwierigen Verhältnissen kommt, steht am Rand der Gesellschaft und kämpft sich durch ihr Leben, immer im Versuch ein klein wenig Glück festzuhalten. In 3000 Euro verkörpern Denise und Anton die moderne Version der am Leben Gescheiterten. All diese Figuren werden uns näher gebracht und wir dürfen an ihren Leben teilnehmen. Einzig und allein der Roman von Heinrich Steinfest passt für mein Empfinden nicht in diese thematische Reihung, denn Sixten Braun ist zwar eine ungewöhnliche Figur, doch im Vergleich zu den anderen Titeln fehlt es diesem Roman an der drängenden Ernsthaftigkeit und Tiefe.Wer auch immer heute Abend gewinnen mag, die Figuren der Shortlisttitel mögen vielleicht die wahren Gewinner sein. Den Buchpreis sollten Marie und Ed erhalten, die starke April und Denise und Anton, denn alle von ihnen habe während der Lektüre in mein Bücherherz geschlossen.
Die Preisverleihung könnt ihr übrigens im Livestream hautnah mitverfolgen!
3 Comments
Tom
October 6, 2014 at 11:20 amLiebe Mara, danke für die Zusammenfassung. Ich denke auch, dass Kruso gewinnen wird – das ist auch ein würdiger Preisträger. Gleichwohl würde ich persönlich den Preis an Thomas Hettche vergeben für die ‘Pfaueninsel’. Schauen wir mal.
Mara
October 6, 2014 at 2:41 pmIch bin auf jeden Fall schon gespannt, lieber Tom. Auch ich sehe die Pfaueninsel als würdigen Preisträger, beide Bücher lagen für mein Empfinden gleich auf – Thomas Hettche erzählt vielleicht sogar etwas eleganter, Lutz Seiler für mein Empfinden dagegen sprachmächtiger. Mal schauen, wer es werden wird!
• Deutscher Buchpreis 2014
October 6, 2014 at 4:55 pm[…] war es soweit. Der Deutsche Buchpreis wurde vergeben! Auf Buzzaldrings Bücher findet ihr eine tolle Zusammenfassung der […]