Frauen, die lesen …

Stefan Bollmann widmet sich in zwei wunderbaren Büchern lesenden Frauen in Malerei und Fotografie und nimmt den Leser dabei mit auf eine großartige Reise quer durch die Jahrhunderte und zu einigen der schönsten Bildern lesender Frauen.

Frauen die lesen

Die kleine Galerie dieses Buches mit Bilder von Leserinnen funktioniert wie ein imaginäres Museum. Vor- und zurückblätternd, kann der Betrachter darin flanieren, Augenblicke erhaschen und Zusammenhänge ersehen. 

Ich liebe es nicht nur, Bücher zu lesen, sondern ich liebe es fast genauso sehr, Bücher über Bücher oder auch Bücher über das Lesen zu lesen. Was kann es denn Schöneres geben? Lesen ist meine größte und meine liebste Leidenschaft und aus diesem Grund ist es für mich auch immer wieder ein ganz großes Vergnügen, nicht nur zu lesen, sondern auch in die Geschichte des Lesens einzutauchen. Bereits vor einem Jahr habe ich Frauen und Bücher von Stefan Bollmann gelesen, das den herrlichen Untertitel Eine Leidenschaft mit Folgen trägt. Wer wirklich an einer weiblichen Kulturgeschichte des Lesens interessiert ist, sollte zu diesem Buch greifen. Allen anderen kann ich zwei weitere Bände von Stefan Bollmann empfehlen: Frauen, die lesen, sind gefährlich und Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug.

In beiden Büchern beschäftigt sich Stefan Bollmann mit lesenden Frauen in der Malerei und Fotografie. Die Tatsache, dass (auch) Frauen Bücher lesen, ist heutzutage nicht mehr außergewöhnlich. Doch früher – wenn man zurück geht in das 18. und 19. Jahrhundert –  mussten Frauen sich den Anspruch auf literarische Lektüre erkämpfen. Der Pädagoge Karl G. Bauer befürchtete 1791 sogar noch schlimme gesundheitliche Konsequenzen für lesende Frauen:

Der Mangel aller körperlichen Bewegung beym Lesen, in Verbindung mit der so gewaltsamen Abwechslung von Vorstellung und Empfindungen führe zu Schlaffheit, Verschleimung, Blähungen und Verstopfungen in den Eingeweiden, die bekanntermaßen bey beyden, namentlich bey dem weiblichen Geschlecht, recht eigentlich auf die Geschlechtstheile wirkt.

Frauen die lesen 1

Frauen, die lesen und schreiben konnten, wurden damals als gefährlich eingestuft. Elke Heidenreich erinnert sich in ihrem Vorwort in Frauen, die lesen, sind gefährlich daran, dass im 18. Jahrhundert in die Einbände mancher Romane noch Faden und Nadel gelegt wurden, damit die Frauen nicht vergessen, was ihre eigentliche Aufgabe ist. Auch wenn ich Elke Heidenreich nicht in allem zustimme, was sie schreibt, ist ihr Vorwort dennoch ein herrliches Sammelsurium an wunderbaren Zitaten über Literatur. Im Gedächtnis geblieben ist mir ein Satz von Montesquieu, der sagte: Ich hatte niemals einen Kummer, den eine Stunde Lesens nicht verscheucht hätte.

Trotz aller Befürchtungen, wurde Europa zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert von einer unbändigen Leselust erfasst – man sollte sicherlich nicht von einer Leserevolution sprechen, aber im Laufe dieser beiden Jahrhunderte fanden ganz sicherlich immer mehr Frauen Zugang zu Büchern und wurden dadurch nicht nur klug, sondern auch gefährlich. Dieser Umstand findet sich auch in der Malerei und Fotografie wieder: von Rembrandt, über van Gogh bis zu Vermeer – sie alle malten lesende Frauen. In diesen Kunstwerken, die in beiden Büchern versammelt sind, wird sichtbar, dass Bücher für Frauen nicht nur ein Genussmittel gewesen sind, sondern ihnen einen ganz neuen Zugang zur Welt ermöglicht haben. Wir sehen Frauen in intimen Momenten, voller Konzentration auf den zu lesenden Text. Wir sehen Frauen, die von Worten verzaubert wurden. Wir sehen empfindsame Frauen, selbstbewusste Frauen. Frauen, die von Worten völlig absorbiert sind und dafür die Hausarbeit auch einmal liegen lassen. Was wir aber auch sehen, ist, dass das Lesen eine einsame Tätigkeit ist, die zwischen dem Text und den Frauen stattfindet – ganz selten befinden sich noch weitere Menschen auf den Bildern.

Um es mit einem schönen Bild von Max Frisch zu sagen, das mir in besonderer Weise in unseren Kontext zu passen scheint: Wer Romane liest, probiert Geschichten an wie Kleider.

Bei beiden Büchern liegt der Schwerpunkt auf den Kunstwerken – zwar gibt es einmal ein Vorwort von Stefan Bollmann und einmal ein Nachwort, in dem er ganz kurz die weibliche Geschichte des Lesens streift, doch hauptsächlich geht es um die Bilder. Zu allen abgebildeten Kunstwerken gibt es einen kurzen erläuternden Text. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich – anders als bei dem geschrieben Wort – nur schwer einen Zugang zur Malerei finde. Das war schon immer so; als Kunstkennerin würde ich mich also ganz sicherlich nicht bezeichnen. Die zusätzlichen Erklärungen, die die Kunstwerke etwas genauer unter die Lupe nehmen und dabei auch bezüglich Gattung und Epoche einordnen, waren für mich also unheimlich hilfreich.

Stefan Bollmann legt mit Frauen, die lesen, sind gefährlich und Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug zwei Bücher vor, die kleinen Schatzkisten gleichen. Schatzkisten voller wunderbarer Bilder von lesenden Frauen. Beim Lesen habe ich mich ein bisschen gefühlt, wie bei einem Streifzug durch ein Museum – ergänzt werden beide Bücher mit ausführlichen Literaturhinweisen. Für all diejenigen, die gerne weiterlesen wollen. Ob Frauen, die lesen, nun wirklich gefährlich sind, das weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass diese beiden Büchlein zwei ganz besondere Bücher sind – zum Selberlesen, aber auch zum Verschenken.


Bollmann, Stefan: Frauen, die lesen, sind gefährlich. 160 Seiten und 60 Abbildungen, Elisabeth Sandmann Verlag.
Bollmann, Stefan: Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug. 160 Seiten und 100 Abbildungen, Elisabeth Sandmann Verlag.

23 Comments

  • Reply
    aldame
    February 10, 2015 at 12:20 pm

    Hallo Mara.
    Ohne die Werke von Stefan Bollmann schmälern zu wollen, die ich gerade erst vom Hörensagen kennengelernt habe, möchte ich anmerken, dass alle lesenden Menschen “gefährlich” werden können; vielleicht besonders Frauen. In meinem Fall halfen meine diversesten und ausschweifensten Lektüren, mir eine Brücke zu bilden aus einem engen Dorf hinaus in die weite Welt. Übrigens: Ich sehe hier in Barcelona öfter auf der Strasse Menschen, die im Gehen lesen (ich meine damit keine smart-phones). Vier von fünf sind Frauen. Salut.

    • Reply
      Mara
      February 13, 2015 at 4:59 pm

      Liebe Aldame,

      deiner Wortmeldung kann ich mich nur anschließen – jeder der liest kann gefährlich werden, da er die bestehende Ordnung in Frage stellen kann oder auch einfach andere Perspektiven kennen lernt. Ich vermute nur, dass Frauen es vor allen Dingen im 18. und 19. Jahrhundert noch schwerer hatten, an Lektüre zu kommen und die Gefahr von lesenden Frauen deshalb umso größer gewesen ist.
      Im Gehen lesen tue ich übrigens nicht und habe ich so auch noch nie beobachtet – ich stelle mir das sehr herrlich vor! 🙂

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    jancak
    February 10, 2015 at 12:25 pm

    Ja das ist sicher interessant und spannend und interessant ist auch, daß sich die Männer soviel mit dem Lesen der Frauen beschäftigen. Ich habe einige Bücher über das Lesen, Bibliotheken, Buchhandlungen, etc, gerade habe ich “Tojstoi und der lila Sessel” ausgelesen, da wäre ich aber fast ein bißchen skeptisch und denke mir, lieber selber lesen und klug sein, ob ich gefährlich sein will, weiß ich gar nicht, kompetent und selbstsicher ist wahrscheinlich der für mich richtigere Ausdruck und daher Romane, Gedichte, Sachbücher etc, lesen und vielleicht auch selber schreiben, statt das fünfzigste Buch über lesende Frauen aus Männerhand.
    Bücher über lesende Männer scheint weniger zu geben, wo man sie im Anzug und mit der Pfeife mit dem Buch auf dem Sofa posieren sieht. Wenn man aber so in die Jurien und auf die Hochschulen schaut, findet man höchstwahrscheinlich viel mehr Professoren, Jruysprecher etc, als Professorinnen und Jurysprecherinnen, ein Beispiel wäre da auch Daniela Strigl, die den Vorsitz bei der Bachmannjury trotz aller Kompetenz, dann leider doch nicht bekommen hat, die dann aus ihrer Elitepostion ihren Senf über die lesende Hausfrau etc verspritzen.

    • Reply
      Mara
      February 13, 2015 at 5:02 pm

      Liebe Eva,

      ich finde es auch spannend, dass sich mit Stefan Bollmann ausgerechnet ein Mann aufgemacht hat, die weibliche Geschichte des Lesens zu erforschen. Dieses Buch habe ich vor allem aus dem Grund genossen, dass es eine wunderbare Hinführung an die Kunst ist – von der ich, muss ich gestehen, wenig Ahnung habe.
      Die männliche Geschichte des Lesens scheint nicht ganz so interessant zu sein, sicherlich auch aus dem Grund, weil Männer nie so stark um das Recht kämpfen mussten, Bücher lesen zu dürfen. Hier kannst du aber mal einen Blick auf lesende Männer werfen, wenn du magst: http://www.boredpanda.com/hot-dudes-reading-books-instagram/

      Liebe Grüße
      Mara

      • Reply
        jancak
        February 13, 2015 at 10:11 pm

        Vielen, vielen Dank für den Link, was soll ich sagen, ich finde die Fotos schön und interessant, wahrscheinlich finde ich lesende Männer sehr faszinierend, denn lesende Frauen kenne ich ja

  • Reply
    Philipp Elph
    February 10, 2015 at 1:05 pm

    Lesende Frauen (und auch Männer) zeigten im 14./15. Jahrhundert, dass sie es konnten. Ich habe das in wenigen Worten mal hier festgehalten:
    https://philipp1112.wordpress.com/2010/11/16/das-beutelbuch-seltene-buchformen-teil-5/

    • Reply
      Mara
      February 13, 2015 at 4:54 pm

      Oh, danke für den Hinweis auf diesen sehr interessanten Beitrag! 🙂

  • Reply
    perlengazelle
    February 10, 2015 at 9:17 pm

    Ich liebe auch Bücher über Bücher und Bücher über das Lesen. Aber genauso die Malerei. Und so habe ich gleich den großartigen Ramon Casas i Carbó im obersten Photo entdeckt. Eine Zeitlang habe ich Bilder von Frauen, die lesen, gesammelt – im Computer, nicht an der Wand 😉 Es gibt so eine unglaubliche Fülle.
    Beide Bücher hätte ich gern, schon lange.

    • Reply
      Mara
      February 13, 2015 at 4:53 pm

      Liebe perlengazelle,

      wie schön, dass es mir nicht allein so geht mit meiner Leidenschaft für Bücher über Bücher und über das Lesen. Ich habe eine ganze Reihe dieser Bücher und liebe sie alle heiß und innig. Von der Malerei habe ich ja etwas weniger Ahnung – wie bereits erwähnt – aber die beiden Bücher waren eine tolle Annäherung an Leserinnen in der Kunst. Ich wusste vorher gar nicht, dass es da so viele Bilder gibt – du schreibst es ja so schön: eine unglaubliche Fülle.

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    guenterkeil
    February 11, 2015 at 9:48 am

    Toll, dass du Bollmanns Bücher unter die Lupe genommen hast! Ja, das sind Schatzkisten! Wer noch mehr über den Autor wissen will – hier der Link zu meinem Interview: https://guenterkeil.wordpress.com/2013/12/12/stefan-bollmann-interview-guenter-keil-frauen-und-buecher/

    • Reply
      Mara
      February 13, 2015 at 4:51 pm

      Lieber Günter,

      danke für deinen Kommentar – die Bücher sind in der Tat wunderbare Schatzkisten, ich habe die Lektüre sehr genossen. Danke auch für den Hinweis auf das Interview, da lese ich gleich mal rein.

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    durchleser
    February 12, 2015 at 8:41 am

    Lesen ist gefährlich – wie man weiss, gefährdet Lesen auch die Dummheit. Spannend ist aber auch, wo Frauen ihre Bücher nicht nur lesen, sondern auch schreiben. Dazu eine Empfehlung:

    https://durchleser.wordpress.com/2015/01/02/durchgeblattert-wo-frauen-ihre-bucher-schreiben-v-tania-schlie/

    Literarische Grüsse, Durchleserin

    • Reply
      Mara
      February 13, 2015 at 4:47 pm

      Liebe Durchleserin,

      danke für die Empfehlung – das Buch habe ich bereits zu Hause liegen und schon einige Male durchgeblättert, demnächst werde ich es auch hier vorstellen. 🙂

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    Beatrix Petrikowski
    February 12, 2015 at 4:19 pm

    Ich habe von diesem Autor “Frauen, die denken, sind gefährlich und stark” gelesen und war von dem Buch recht beeindruckt.

    • Reply
      Mara
      February 13, 2015 at 4:47 pm

      Liebe Beatrix,

      danke für deinen Besuch und deinen Kommentar – das von dir erwähnte Buch kenne ich noch nicht, es wandert nun aber gleich auf meine Wunschliste.

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    Isabel Julikind
    February 13, 2015 at 11:15 am

    Es sind schon viele Bücher, die Du vorgestellt hast, auf meine Wunschliste oder in den Warenkorb gewandert. Vielen Dank! … Ich bin eine fleißige Blogleserin, aber leider eine lausige Kommentiererin :-/.

    • Reply
      Beatrix Petrikowski
      February 13, 2015 at 3:28 pm

      Dafür kannst du dich seit heute bei uns am Voting beteiligen, welches Buch am Jahresende die meisten Punkte bekommen hat. Viele liebe Grüße!

    • Reply
      Mara
      February 13, 2015 at 4:41 pm

      Liebe Isabel,

      über deinen Kommentar habe ich mich sehr gefreut über fleißige und stille Blogleser und -leserinnen freue ich mich immer sehr, ich freue mich aber noch mehr, wenn sie sich auch mal zu Wort melden. Wie schön, dass meine Besprechungen dich immer wieder neugierig machen können. 🙂

      Liebe Grüße
      Mara

  • Reply
    Warum Lesen glücklich macht - Stefan Bollmann
    July 19, 2015 at 10:22 am

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