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Alles Abseitige

Leseorte!

“Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne.” – Jean Paul

Der Rhododendron-Park in Bremen präsentiert nicht nur auf 46 Hektar Fläche eine der größten Rhododendron-Sammlungen der Welt, sondern auch wunderbar abgelegene und einsame Plätze und Orte zum Lesen in der freien Natur. Am letzten Wochenende habe ich mit einem lesenswerten Buch (“Scherben” von Ismet Prcic) und meinem Lesebegleiter an meiner Seite einige meiner Lieblingsleseorte aufgesucht.

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Wo lest ihr im Sommer am liebsten? Im Park, auf dem Balkon oder vielleicht sogar in der Hängematte? 🙂

“Ach übrigens, mein Kind ist ein Autist” – David Mitchell über seinen Sohn

David Mitchell

David Mitchell, der als Autor vor allem durch seine Romane “Wolkenatlas” und “Die tausend Herbste des Jacob de Zoet”, bekannt geworden ist, tritt nun zum ersten Mal auch als Übersetzer in Erscheinung. Mitchell, der mit einer Japanerin verheiratet ist, hat den Erfahrungsbericht “The Reason I Jump” von Naoki Higashida aus dem Japanischen ins Englische übersetzt. Higashida hat “The Reason I Jump” mit gerade einmal 13 Jahren veröffentlicht – der japanische Junge gilt als schwer autistisch behindert, hat aber durch eine spezielle “Papptastatur” gelernt zu schreiben und zu kommunizieren.

Auch der Sohn von David Mitchell ist autistisch. Mit drei Jahren wurde die Erkrankung bei ihm diagnostiziert, die Eltern haben die Diagnose mit einer Mischung aus Angst und Erleichterung aufgenommen. David Mitchell und seine Frau haben “The Reason I Jump” zunächst heimlich übersetzt, “nur für die Therapeutinnen” des Sohnes, aber dann haben sie sich gemeinsam mit Mitchells Verleger doch entschieden, das Manuskript zu veröffentlichen, um es einer breiteren Leserschaft zur Verfügung zu stellen.  Das Buch hat David Mitchell dabei geholfen, nicht nur Antworten auf brennende Fragen zu finden, sondern auch als Vater besser und anders mit der Erkrankung seines Sohnes umgehen zu können.

Wer den Erfahrungsbericht von David Mitchell, der am Wochenende in der Literarischen Welt veröffentlicht wurde, in Gänze lesen möchte, kann das hier tun. Im Original gibt es den Artikel hier. Ich habe die Lektüre als sehr lesenswert und interessant empfunden.

 

 

Ingeborg-Bachmann-Preis geht an Katja Petrowskaja!

 

16081_SCALED_800x800Der diesjährige Bachmann-Preis geht an die Autorin Katja Petrowskaja, die für ihren berührenden Text “Vielleicht Esther” ausgezeichnet wird. Der Text der Schriftstellerin, die ukrainische Wurzeln hat, ist eine Auseinandersetzung mit der Besatzungszeit der Nationalsozialisten in Kiew. Einen Blick auf den Text kann man hier werfen. Interessanterweise ist Katja Petrowskaja die dritte Schriftstellerin in Folge, die den Preis gewinnt – über eine Benachteiligung der Frauen, kann hier also nicht gemeckert werden. 😉

Eingeladen wurde Katja Petrowskaja von Hildegard Keller, die in ihrer Rede darauf hinwies, dass das Buch der Autorin im Frühjahr 2014 bei Suhrkamp erscheinen wird – “hoffentlich”. Die weiteren Preise gingen an Nadine Kegele (Publikumspreis), Verena Güntner (Kelag-Preis), Benjamin Maack (3sat-Preis) und Heinz Helle (Ernst-Willner-Preis). Joachim Meyerhoff, der namentlich sicherlich der bekannteste Teilnehmer gewesen ist, geht interessanterweise leer aus.

Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, dass die Existenz des Bachmann-Preises erst einmal gerettet wurde, auch wenn weiterhin nach Sponsoren gesucht wird.

So geht ein spannendes Wettlesen zu Ende, bei dem ich gespannt bin, was wir von den teilnehmenden Autoren noch hören werden. Ich bin während der vergangenen Tage auf einige spannende und unbekannte Schriftsteller und Schriftstellerin aufmerksam geworden, bei denen ich mich schon freue, mehr von ihnen zu entdecken. Ganz oben auf dieser Liste steht der Autor Benjamin Maack, den ich durch seinen Vortrag und ein lesenswertes Interview in der ZEIT entdeckt habe.

Ich freue mich schon auf das nächste Jahr! 🙂

Bachmann-Preis: ein literarisches Event

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Mit einer Rede von Michael Köhlmeier zum Thema “Betrogene Liebe” wird der diesjährige Bachmann-Preis heute Abend eröffnet. Die sogenannten “Tage der deutschsprachigen Literatur” finden in der österreichischen Stadt Klagenfurt in diesem Jahr zum 37.  Mal statt und womöglich auch zum letzten Mal. Über das mögliche Aus dieses prestigeträchtigen Wettlesens wird diskutiert, seitdem angekündigt wurde, dass der ORF überlegt, sich aus der Übertragung der Veranstaltung zurückzuziehen. Eine endgültige Entscheidung wird erst im November fallen. Ich hoffe, dass das Wettlesen in diesem Jahr nicht zum letzten Mal stattfinden wird, da es im deutschsprachigen Raum keine vergleichbare literarische Veranstaltung gibt.

Neben vielen literarischen Highlights ist der Bachmann-Preis vielen Menschen aber vor allen Dingen auch wegen dem legendären Auftritt von Rainhald Goetz in Erinnerung geblieben, der sich 1983 beim Lesen mit einer Rasierklinge die Stirnaufschnitt.

Ein lesenswertes Special zum Bachmann-Preis gab es in der vergangenen Ausgabe der Literarischen Welt, in der nicht nur Keywords zu Klagenfurt gesammelt wurden (über die Häschenschule bis zum Babyficker), sondern mit Daniela Strigl auch noch eine meiner Lieblingskritikerin vorgestellt wurde.

Insgesamt vierzehn Autoren und Autorinnen werden in den kommenden beiden Tagen lesen, 3sat wird sowohl Donnerstag als auch Freitag die Lesungen und Diskussionen live übertragen. Eine Übersicht über die Teilnehmer und Teilnehmerinnen findet sich hier. Ich freue mich vor allem auf Hannah Dübgen und Roman Ehrlich; bei beiden können wir uns mit “Strom” und “Das kalte Jahr”  auf Veröffentlichungen im kommenden Bücherherbst freuen.

Zuletzt gewannen den Preis mit Maja Haderlap und Olga Martynowa zwei Frauen; ich bin gespannt, wer dieses Jahr gewinnen wird und freue mich schon auf die Lesungen und spannenden Diskussionen der nächsten beiden Tage.

Sommerbücher und Urlaubslektüre

Sommer Bücher

In der Beilage der in dieser Woche erschienen ZEIT (Nr. 26 vom 20. Juni 2013) stellt die Literaturredaktion unter dem Motto “Nicht ohne diese Bücher” acht Titel für den diesjährigen Sommerurlaub vor. Im Sommer steigen die Temperaturen, zumindest meistens, auch wenn der Regen auf die warmen Tage immer viel zu schnell folgt – die wenigen Sonnenstrahlen laden dazu ein, im Freien zu lesen, in der Hängematte, auf dem Balkon oder auf der Parkbank.

Die Literaturredaktion empfiehlt für diese Sonnenstunden die folgenden Titel:

Von den empfohlenen Büchern habe ich mit “Sommer in Maine” bisher erst eines gelesen, habe aber von den anderen sieben Büchern einige auf meiner Wunschliste notiert – ein Blick in das sommerliche Feuilleton lohnt sich also in jeglicher Hinsicht.

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Dieses Wochenende lohnt sich darüberhinaus jedoch auch ein Blick in die “Literarische Welt”, die 1925 gegründet wurde und jeden Samstag als Beilage der Tageszeitung “Die Welt” erscheint. Die Redaktion der “Literarischen Welt” versorgt den Leser passend zum Sommerurlaub mit einer literarischen Weltkarte und den zum Urlaubsland passenden Lektüretipps, nur für die Berlinreisenden muss der Roman erst noch geschrieben werden.

Was habt ihr für Tipps bezüglich Sommerbüchern und Urlaubslektüre? 🙂

Ich lebe ich schreibe

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In der gestrigen Ausgabe der Literarischen Welt gab es ein wunderbares und lesenswertes Interview der Schriftstellerin Friederike Mayröcker. Das Gespräch führte Paul Jandl. Beide sprechen über die Lust am Schreiben; der Schreibprozess ist für Friederike Mayröcker beinahe schon ein Erlebnis mit einer einhergehenden physischen Ergriffenheit. Ihr atemloser Satz “Ich lebe ich schreibe” steht symbolisch für diesen Schreibprozess. Paul Jandl spricht mit der Schriftstellerin aber auch über den Tod, vor dem sich Mayröcker fürchtet.

“Der Tod ist ja wirklich ein Tyrann, Weil man doch nicht weg will, man muss aber, weil er es will. Man hat noch nicht alles gemacht, was man noch machen will. Und ich will ja noch so viel.”

Ein lesenswertes Interview mit der Autorin gab es auch bereits vor einigen Monaten im Magazin der Süddeutschen Zeitung.

Das neue Buch von Friederike Mayröcker erscheint am 21.10.2013 im Suhrkamp Verlag.

Die Kraft der Poesie …

poetry-on-the-road-logoGestern Abend wurde im Kleinen Haus des Theater Bremens das 14. Internationale Literaturfestival „poetry on the road“ eröffnet. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt und die Veranstalter hätten noch sehr viel mehr Karten verkaufen können – so groß war am gestrigen Abend das Interesse der Bremer an Dichtung und Kultur.

Eröffnet wurde der Abend von Regina Dyck, der Veranstalterin von „poetry on the road“ und der Staatsrätin Carmen Emigholz. „poetry on the road“ begrüßt in diesem Jahr 26 Dichter aus 18 Nationen, die von insgesamt vier Kontinenten anreisten. Bei diesen Dimensionen wird Sprache zu einem multi-lingualem Konzept. Regina Dyck wünschte in ihrer Eröffnungsrede allen Besuchern viele spannende und poetische Begegnungen und eines kann ich an dieser Stelle vorwegnehmen: es gab einige wunderbare Begegnungen, sowohl mit bekannten Stimmen, auf die ich mich schon im Vorfeld gefreut hatte, als auch mit neuen und unbekannten Stimmen.

Gelesen und performt haben am gestrigen Abend Michael Augustin, Olga Martynowa, Lars Gustafsson, David Grossman, Wolf Biermann, Bas Böttcher, Eckhard Henscheid und Jorge Drexler. Die poets haben in ihrer Muttersprache gelesen, während eine Powerpoint-Präsentation im Hintergrund für die deutsche Übersetzung sorgte. Olga Martynowa las auf Russisch, David Grossman auf Hebräisch, Michael Augustin auf Englisch und Jorge Drexler sang auf Spanisch. Die Möglichkeit, diesen unterschiedlichen Sprachen und Sprachmelodien zu lauschen, war eine ganz besondere Erfahrung an diesem Abend.

Auf ein Highlight des vergangenen Abends kann und will ich mich gar nicht festlegen, fast alle Auftritte haben mich durch ihren ganz eigenen Charme begeistern können.

Etwas ganz besonderes war für mich der Auftritt von David Grossman, dessen beeindruckendes Buch „Aus der Zeit fallen“ ich bereits auf meinem Blog vorgestellt habe. Mit wenigen englischen Worten hat Grossman die Entstehungsgeschichte seines experimentellen Romans geschildert und dabei spürbar eine Beklemmung unter den Zuhöreren verursacht. Er schreibt, um gegen die Sprachlosigkeit nach dem Tod seines Sohnes anzugehen. Gestern hat er aus eben diesem Roman, „Aus der Zeit fallen“, gelesen und bei dem beeindruckten Publikum für eine Gänsehautatmosphäre gesorgt. Der anschließende Applaus fiel dementsprechend laut und wohlwollend aus und seine Bücher waren nach der anschließenden Pause am Büchertisch bereits fast ausverkauft. Ich habe mir zum Glück noch eines gesichert und freue mich schon auf die Lektüre.

Auch der spanischsprachige Songwriter und Oscargewinner Jorge Drexler, wusste das Publikum – nicht nur durch seine Deutschkenntnisse – zu begeistern, so dass den spanischen Refrain des letzten Liedes alle zusammen sangen. Auch Wolf Biermann griff zur Gitarre und trug dem Publikum zwei von seinen Liedern vor. Eckhard Henscheid („Das einzige, das sich auf Menschheit reimt, ist Henscheid.“) brachte die Zuschauer mit seinem trockenen und spöttelnden Humor nicht nur einmal zum Lachen und sorgte mit seinem Gedicht zu Ehren des Fußballers Bum Kun Cha für Erheiterung. Michael Augustin, der auf Englisch vortrug, stellte eine Vielzahl an spannenden, unterhaltsamen und schwermütigen Fragen, die alle in irgendeiner Form mit dem Gedicht zusammenhingen.

Ein Auftritt stach für mich dann völlig unerwartet und überraschend doch heraus: der Bremer Bas Böttcher brachte mit seinen humorvollen und poetischen Sprachspielen das zurückhaltende norddeutsche Publikum förmlich zum Kochen.

Bas Böttcher wurde 1974 geboren und gehört zu den bekanntesten deutschen Rap-Poeten. Das, was er mit Sprache macht, ist wohl am ehesten dem Poetry Slam zuzuordnen. Es geht um Authentizität,  Rhythmus, Sprachgefühl und allen möglichen Themen aus dem Alltag. Im Veranstaltungsheft wird sein Umgang mit Lyrik als Rap-Poesie bezeichnet. Sein gestriger Auftritt war einfach nur in jeglicher Hinsicht großartig: seine Vorträge waren nicht nur humorvoll, sondern spielten auch auf einer ungeheuer feinen Ebene mit Sprache.

“Aus falsch mach ich Flash
Aus Fehler mach ich Flair.”

Ich kenne leider nur wenige Poetry Slammer, geschweige denn Rap-Poeten, doch diesen Auftritt habe ich als unheimlich inspirierend empfunden. Ich hoffe sehr, dass dies nicht meine letzte Begegnung mit Bas Böttcher gewesen ist. Auf seiner Homepage kann man sich weiter über den jungen Sprachkünstler informieren. “Syntax Error”, mein Lieblingsstück des vergangenen Abends, kann man sich hier in voller Länge anhören.

Ich habe gestern einen großartigen Abend verbracht, der aufzeigen konnte, dass Poesie und Dichtung immer noch leben, immer noch gebraucht werden und immer noch eine gewaltige Sprachmacht entfalten können. Ich nehme für mich viele neue Eindrücke und Entdeckungen mit und die Hoffnung, dass es immer noch möglich ist, Menschen mit Sprache zu bewegen und zu erreichen.

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