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Am Ende sterben wir sowieso – Adam Silvera

Gestern war eine Kundin im Buchladen, die neue Lektüre für ihre Nichte suchte – wir standen gemeinsam vor dem Jugendbuchregal und ich schwärmte von Büchern wie Nur drei Worte und vielleicht lieber morgen. Ich erwähnte, wie sehr es mich freut, dass wir mittlerweile nicht nur Bücher haben, die Geschichten von Jungen und Mädchen erzählen, sondern auch immer mehr Bücher, in denen homosexuelle Jugendliche vorkommen. Am Ende gab ich ihr Am Ende sterben wir sowieso von Adam Silvera mit und dachte danach, dass ich dieses Buch auch unbedingt hier noch einmal vorstellen muss.

Ich hatte schon immer Angst vor dem Sterben. Ich weiß nicht, warum ich dachte, dass genau diese Angst mich auf magische Art und Weise davor bewahren würde. Natürlich nicht für immer, aber zumindest bis ich erwachsen sein würde.

Am 5. September 2017 – um 00:22 Uhr – wird Mateo von der Todesbotin angerufen, die ihm mitteilt, dass er im Verlaufe des Tages sterben wird. Er weiß nicht, wann und woran er sterben wird, er weiß nur, dass ihm noch maximal vierundzwanzig Stunden Lebenszeit bleiben. Er ist achtzehn Jahre alt, kerngesund und eigentlich viel zu jung, um sich schon aus dem Leben verabschieden zu müssen. Genauso wie Rufus, der in derselben Nacht ebenfalls einen Anruf der Todesbotin erhält – gerade in dem Moment, als er den Jungen verprügelt, wegen den ihn seine große Liebe verließ.

Mateo und Rufus lernen sich im Laufe des Tages über die Letzte-Freunde-App kennen, mithilfe der App können sich Todgeweihte verbinden – sich gegenseitig Trost spenden oder am letzten Tag noch einmal richtig einen drauf machen. Klingt das alles ein bisschen seltsam? Ja, vielleicht – aber ich hatte keinerlei Schwierigkeiten, mich auf dieses Gedankenexperiment einzulassen. Die Welt in der Mateo und Rufus leben, ist eine andere als die, die wir kennen: die Menschen, die sterben müssen, erhalten von den sogenannten Todesboten per Telefonanruf eine Vorwarnung. Der Inhalt dieser Anrufe ist immer derselbe: Euch bleiben noch maximal vierundzanzig Stunden, bis ihr sterben müsst. Adam Silvera hat eine ganze Industrie um diese Idee herum gesponnen: es gibt extra Clubs für Todgeweihte oder auch Orte wie die World Travel Arena, an denen man virtuell noch einmal alle Orte bereisen kann, die man schon immer einmal sehen wollte. Netter Funfact: Die Benutzung der U-Bahn ist übrigens für alle Todgeweihten kostenfrei.

Es ist echt ätzend, dass wir eigentlich nur aufwachsen, um zu sterben. Ja, wir leben, oder bekommen zumindest die Gelegenheit dazu, aber manchmal ist das Leben vor lauter Angst schwierig und kompliziert. Das ist meine Utopie: eine Welt ohne Gewalt und Tragödien, in der alle ewig leben oder zumindest so lange, bis sie ein erfülltes und glückliches Leben hatten und selbst beschließen, dass sie jetzt mal sehen wollen, was als Nächstes kommt.

Adam Silvera hat eine tolle Idee gehabt, mit der ich mich sofort gekriegt hat. Das ganze Buch über habe ich mir Gedanken gemacht: wie würde ich meine letzten vierundzwanzig Stunden verbringen wollen? Wie ist es zu sterben und was erwartet uns nach dem Tod? Wem würde ich gerne nochmal was sagen wollen? Würde ich überhaupt wissen wollen, dass mir noch vierundzwanzig Stunden bleiben? Hätte ich das Gefühl, genug gelebt zu haben? Was würde ich bereuen? Was hätte ich gerne besser gemacht? Als Leser und Leserinnen begleiten wir Mateo und Rufus durch ihren gemeinsamen letzten Tag, beide stellen sich dieselben Fragen. Besonders Mateo hat das Gefühl, dass er viel zu viel verpasst hat, weil er an viel zu vielen Stellen Angst hatte, zu leben.

Was ich besonders schön fand: Mateo und Rufus kommen sich im Verlauf ihrer letzten vierundzwanzig Stunden näher. Diese Annäherung wird von Adam Silvera ganz beiläufig geschildert, aber ich glaube, für viele Jugendliche ist es unglaublich wichtig, diese beiden Figuren zu haben. Mateo und Rufus nehmen sich in den Arm, wenn sie Angst haben. Sie singen, wenn ihnen danach ist und sie wissen, dass sie sich alles erzählen dürfen – auch wenn sie sich erst so kurz kennen.

Zu meiner Kollegin habe ich gesagt, dass ich nicht weiß, wie ich Am Ende sterben wir sowieso empfehlen soll, weil ich eigentlich nur sagen könnte, dass es ein tolles Buch über Tod und Sterben ist – und wer will so etwas schon lesen? Aber ich glaube, dass Am Ende sterben wir sowieso eigentlich noch so viel mehr ist: es ist ein Buch über das Leben und darüber, dass wir uns trauen müssen, wir selbst zu sein – bevor es vielleicht zu spät ist. Adam Silvera hat ein Buch über den Mut geschrieben, zu sich zu stehen, zu dem Leben, das man leben möchte und den Menschen, die man lieben will.

Ich wünsche Am Ende sterben wir sowieso ganz viele Leser und Leserinnen – ob Jugendliche oder Erwachsene ist egal, denn dieses Buch ist für alle Menschen geschrieben worden, die sich vielleicht gerade noch nicht trauen, der Mensch zu sein, der sie so gerne sein wollen.

Adam Silvera: Am Ende sterben wir sowieso. Aus dem amerikanischen Englisch von Katharina Diestelmeier. Arctis Verlag, 2018. 18€, 360 Seiten. Weitere Rezensionen: Queerbuch und Rainbookworld.

Geschlechterklischees, nein danke!

Ich arbeite seit mehr als eineinhalb Jahren als Buchhändler und eines der Dinge, die mich zu Beginn am meisten überraschten, war, wie stark viele Eltern in Geschlechterrollen verhaftet sind. Wenn Kunden und Kundinnen explizit nach Büchern für Jungen oder für Mädchen suchen, würde ich immer am liebsten sagen Bücher haben doch kein Geschlecht. Aber die Vorstellung bestimmter Rollenerwartungen und Geschlechterklischess scheint einfach fest verankert zu sein. Und das mehr denn je. Für alle Eltern, die etwas außerhalb der klassischen Geschichten über Prinzessinnen und Feuerwehrmänner suchen, habe ich ein paar Empfehlungen zusammengestellt.

(Die Zeichnung stammt aus dem Buch LIED FÜR LOUISE von Amy Novesky und Isabelle Arsenault.)

“Es ist ein Mädchen und da geht es aber um einen Traktor.” – “Ich glaube, dass es für einen Jungen nicht gut sein kann, wenn ein Buch eine weibliche Hauptfigur hat.” – “Sie wissen ja was Jungs mögen – Bagger, Traktoren und die Müllabfuhr. So sind sie halt.”

Vor meiner Arbeit im Buchladen habe ich mich kaum mit Kinderbüchern beschäftigt, abgesehen von dem einen oder anderen Jugendbuch, das ich las. Als ich damit anfing, mich durch die klassischen Kinderbücher zu lesen, schwankte ich zwischen Unglauben und Enttäuschung: die Rollenvorstellungen bei Conni oder Bobo Siebenschläfer sind klassisch und konservativ. Während die Mutter zu Hause bleibt und den Haushalt erledigt, geht der Vater arbeiten – und natürlich macht das Mädchen Mädchendinge und der Junge Jungendinge. Was ich daran besonders schade finde, ist, dass es eigentlich tolle, diverse und vielfältige Alternativen gibt – wir müssen sie alle nur lauter und nachdrücklicher empfehlen. Bücher prägen unser Weltbild und unsere Lebensvorstellung, deshalb glaube ich, dass es unglaublich wichtig ist, dass Kinder auch Bücher über starke handlungsmächtige Mädchen lesen – genauso wie über rollenuntypische Jungen.

Ich hoffe, ihr werdet in meinen Vorschlägen fündig – in allen Büchern geht es um Klischees, die aufgebrochen werden und um Kinder, die irgendwie anders sind!


Schon die Kleinsten verstehen sofort: Hier geht`s um zwei, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sorum ist groß, Anders ist klein. Sie ist aus Watte, er ist aus Stein. Wie praktisch, wenn einer Milchreis liebt und der andere Möhren. Was für ein Glück, dass nur einer laut ist und der andere lieber leise. Und wie spaßig, wenn einer aufrecht und der andere auf Händen läuft!
In knappen Reimen und plakativen, fröhlichen Illustrationen zeigt das neue Pappbilderbuch von Yvonne Hergane und Christiane Pieper, dass es die Unterschiede sind, die das Miteinander bunt und lustig machen. Ein ganz einfaches Plädoyer für die Vielfalt!

Altersempfehlung: 1 -4 Jahre, erschienen im Peter Hammer Verlag.


Ich habe eine Freundin, die ist Notärztin: Anja hat einen Beruf, in dem sie vielen Menschen helfen kann: Sie ist Notärztin. Als Marie sich das Bein bricht, weiß Anja sofort, was zu tun ist. Und für Marie vergeht die Zeit im Krankenhaus ganz schnell, denn sie hat ja ihre Freundin Anja, die ihr alles erklärt …

Altersempfehlung: 2-5 Jahre, erschienen im Carlsen Verlag.


Was magst du? Was mag ich? Diese Fragen drängen sich immer wieder aufs Neue auf, wenn Kleine und Große mit diesem Buch auf Entdeckungsreise gehen. Hier dürfen die Betrachter miterleben, was verschiedenen Kindern dieser Welt besonders wichtig ist: große Baustellen und dicke Kletterbäume, die Farbe Grün und klitzekleine Fundstücke, die vorbeiziehenden Wolken und die fernen Sterne, wunderbare Bücher, warmes Wasser, duftende Blumen, tanzen, schaukeln, malen, backen und bauen … So wird schon Kindergartenkindern auf einfache Art und Weise Toleranz vermittelt und ihr Selbstbewusstsein gestärkt.

Altersempfehlung: ab 2 Jahren, erschienen im Carlsen Verlag


Die Wikingerin Freyja sticht mit den anderen Kriegerinnen in See, um reiche Beute zu machen. Ihr Mann Sigurd bleibt zu Hause: Dort kümmert er sich um die Kinder Frida und Aki, bestellt den Acker und versorgt die Tiere. Doch auch Sigurd und die anderen Männer möchten einmal mit auf große Fahrt. Als sie eines Tages wilde Berserker aus dem Dorf vertreiben können, beginnen sie an der bisherigen Rollenverteilung zu zweifeln. Aber wollen tatsächlich alle Männer in den Kampf ziehen? Und sind denn alle Frauen zur Kriegerin geboren?
Warum macht eigentlich nicht jeder einfach das, was er am besten kann?

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erschienen im Tulipan Verlag


Frau Bär mag es gemütlich. Sie isst fürs Leben gerne Honigbrote und hinterlässt mit ihren großen Tatzen auch hier und da mal ein paar klebrige Spuren. Sehr zum Missfallen von Herrn Hase. Denn Herr Hase ist ausgesprochen ordentlich. Kann eine solche Hausgemeinschaft gut gehen? Zuerst nicht. Aber dann merken die beiden, dass unterschiedliche Gepflogenheiten durchaus auch ihren Vorteil haben können.

Altersempfehlung: 4 – 6 Jahre, erschienen im Nord-Süd Verlag.


Ihr Schloss überfallen und ihren Prinzen klauen? Nicht mit Prinzessin Lissy! Auch nicht, wenn es ein Drache war. Mit nichts als einer Papiertüte macht sie sich auf zu seiner Höhle. Listig-schlau fordert die Prinzessin den Drachen solange heraus, bis er vor Erschöpfung einschläft. Prinz Roland ist gerettet. Aber anstatt dankbar zu sein, meckert er über Lissys Aussehen. Da lässt sie ihn einfach stehen und geht ihrer Wege.

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erschienen bei Ravensburger.


Du siehst aus wie ein Mädchen’, ‘Das ist falsch, was du anhast’, rufen ihm die Kinder in der neuen Kita zu. Sie grenzen ihn aus, hänseln ihn. Jungs tragen keine Röcke. Jungs tragen dunkle Farben, Power-Ranger-T-Shirts und spielen mit Baggern. Röcke sind für Mädchen, genau wie Rosa und Prinzessin Lillifee. So vermittelt es zumindest unsere Gesellschaft und ist damit äußerst erfolgreich: Es gibt klare Vorstellungen davon, was männlich und was weiblich ist und wer was anziehen soll.

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen bei minedition.


‘He, Paul, pass den Ball zu mir!’, rufen die anderen Jungs immer. Aber jeden Tag Fußballheld zu sein, das nervt langsam. Auch die kindergartenüblichen Jungenspiele mit Lasermessern, Kampfrobotern oder die Kleinen zu ärgern, werden echt langweilig. Heute will Paul lieber mit den Barbies spielen: Kinderkriegen, Monster verjagen, tanzen und all das. ‘Cool’, sagt Anton.

Pointiert, frech und witzig erzählt Lindenbaum von Kinderspielen und erfrischend rollenunspezifischem Verhalten.

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erhältlich bei fembooks.


Nicos Eltern staunen nicht schlecht, als ihm die schrullige Tante bei ihrem Besuch ausgerechnet eine Puppe mitbringt. »Das ist doch kein Spielzeug für Jungen!«, sind sich die Eltern einig, doch Nico schließt das Geschenk sofort ins Herz. Am liebsten würde er sein neues Lieblingsspielzeug mit in die Schule nehmen, aber da hat Papa ernste Bedenken. »Am Nachmittag gehen wir ins Geschäft und kaufen dir ein super Spielzeug. Ein richtiges Spielzeug für Jungen.«

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen im Picus Verlag.


Zwei Brüder reden abends im Bett über Mädchen. Voll langweilig sind die, kämmen den ganzen Tag ihre Puppen, machen sich vor Angst in die Hosen beziehungsweise ins Nachthemd. Und glauben doch tatsächlich an Gespenster!!! Sowas Blödes, die gibt’s doch gar nicht! Oder? Oder doch? Plötzlich müssen die beiden dringend Pipi machen. Und danach finden sie ihr Bett nicht mehr, sondern flüchten zitternd zum friedlich schlafenden Schwesterchen, das nicht im Traum daran denkt, sich vor Gespenstern zu fürchten…

Altersempfehlung: 5-7 Jahre, erschienen im Beltz Verlag.


Teddy Tilly möchte eine Teddybärin sein. Doch sie traut sich lange Zeit nicht, ihrem besten Freund davon zu erzählen. Doch dann stellt sie fest, dass sie mit Finn über alles reden kann – und Finn versichert ihr, dass er sie immer lieb haben wird, ob als Bär oder als Bärin.

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erschienen im S. Fischer Verlag.


Raffi ist ein kleiner Junge, der gerne Fußball spielt und Sporttrikots trägt. Er liebt aber nicht nur Sport, sondern auch seine Lieblingspuppe und sein pinkes Tutu. Das Tutu trägt er aber aus Angst vor der Reaktion seiner Mitschüler nur zu Hause. Eines Tages entschließt er sich allerdings es in der Schule zu tragen. Doch es wird kein schöner Tag für ihn und er wird schnell ausgegrenzt. Aber mit der Unterstützung seiner Eltern, fasst er Mut und die anderen Kinder erkennen, dass »Anderssein« nichts Schlimmes bedeutet. Im Gegenteil: Es macht einen zu etwas besonderem!

Altersempfehlung: ab 4 Jahren


In diesem Buch erzählt Marlon Bundo von einem Tag aus seinem Leben. Marlon ist ein Kaninchen, das bei seinem Großvater Mike Pence, dem Vizepräsidenten der USA, lebt. Und Marlon war immer sehr einsam – bis zu diesem einen Tag, an dem sich sein Leben für immer verändern sollte …

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erscheinen im RIVA Verlag.


Rosa Monster war schon immer anders als die anderen. Deshalb fühlt es sich in seinem Dorf fehl am Platz und träumt lieber davon, andere Orte zu entdecken. Eines Tages traut es sich schließlich, loszuziehen und die Welt zu erkunden. Was für eine tolle Idee!

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erhältlich bei fembooks.


Luzie Libero liebt ihren Lieblingsonkel sehr. Solange ihre Eltern auf Mallorca sind, geht sie mit ihm in Cafés und Schwimmen und alles ist wunderbar. Doch eines Tages sitzt noch jemand anderes in der Küche des Onkels: Günther aus Waldwimmersbach. Luzie Libero findet, dass er sofort wieder nach Waldwimmersbach zurück gehen sollte. Luzie Libero ist enttäuscht und wütend und eifersüchtig. Aber dann lernt sie den Freund des Onkels näher kennen – und ist froh, weil er nämlich sehr gut Fußball spielt!

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen im Beltz Verlag.


Otto hat vier Brüder. Jeder ist etwas ganz Besonderes. Und zusammen haben sie immer viel Spaß. Gemeinsam mit Ottos großer Kuscheltiersammlung schlafen sie alle unter einer Decke. Doch als Riesenkuschelschwein Elke auch noch mit ins Bett soll, gibt es Protest. Das Gedränge nervt, nörgeln die Brüder. Schnell muss eine Lösung her, denn Otto braucht sie alle – auch seine Brüder. Wie gut, dass Bertil die Bären-Brüder-Bettmaschine erfindet!

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erschienen im Sauerländer Verlag.


Eines Tages geht zwei befreundeten Kindern ihr WIR-Gefühl verloren, weil sie sich zuviel gestritten und weil sie immer zuviel “ICH!” gesagt haben. Das WIR ist scheu und hat sich versteckt. Die beiden Kinder vermissen es sehr. Ohne das WIR bleibt alles grau und ohne Freude. Und so machen sie sich auf die Suche nach ihm. Wo steckt das WIR? Die beiden Kinder schreiben ihm Briefe und bitten es, zu ihnen zurückzukommen. Und schließlich ist das WIR wieder Teil ihres Lebens – und die Freude ist groß.

Altersempfehlung: 4-7 Jahre, erschienen im Carlsen Verlag.


So sehr er sich auch bemühte wie die anderen zu sein, Irgendwie Anders war irgendwie anders. Deswegen lebte er auch ganz allein auf einem hohen Berg und hatte keinen einzigen Freund. Bis eines Tages ein seltsames Etwas vor seiner Tür stand. Das sah ganz anders aus als Irgendwie Anders, aber es behauptete, genau wie er zu sein…

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen im Oetinger Verlag (online gibt es zusätzliches Material für Erzieher und Erzieherinnen).


Alle Welt erwartet, dass eine Märchenprinzessin den Märchenprinzen heiratet. Doch Prinzessin Pfiffigunde hat überhaupt keine Lust zum Heiraten. Um sich der lästigen Bewerber um ihre Hand zu erwehren, greift sie zu einem bewährten Mittel: Sie stellt ihnen knifflige Aufgaben. Doch die allerkniffligste Aufgabe muss sie schließlich selbst lösen …

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen im Carlsen Verlag.


Keine Lust auf Tüll! Olivia macht nie, was andere Schweinekinder tun.

Olivia weiß zwar nicht so richtig, was oder wer sie sein will. Aber eins steht fest: ganz bestimmt keine Prinzessin! Immer wollen alle Prinzessinnen sein, mit rosa Tüllröcken und Glitzerkrönchen. An Pippas Geburtstag und auch bei der Halloween-Feier wimmelt es von Prinzessinnen – nur Olivia verkleidet sich als Warzenschwein. Warum wollen bloß immer alle gleich sein? Es gibt doch so viele Möglichkeiten!

Altersempfehlung: 4-5 Jahre, erschienen im Oetinger Verlag.


“A is for activist” ist ein zauberhaftes Bilderbuch zum Durchblättern und Erklären. Die Idee dahinter ist schnell erklärt: zu einzelnen Buchstaben des Alphabets, gibt es Begriffserklärungen – alle Begriffe drehen sich um das Thema Aktivismus. Es geht um den Banner, der bei Demonstrationen aufgehängt werden kann – aber auch um Malcom X. Es gibt nur wenig Text, die Worte und Begriffe sollen zu Erklärungen und Gesprächen anregen.

Altersempfehlung: ab 4 Jahren


Luzie Loda hat mit PS: Es gibt Lieblingseis ein kluges, wichtiges und liebevolles Bilderbuch zum Thema Intergeschlechtlichkeit veröffentlicht. Gleichzeitig greift sie damit ein Thema auf, das nicht aktueller und wichtiger sein könnte – und über das so viele Menschen trotzdem viel zu wenig wissen, weil es in der Literatur nicht vorkommt und auch in vielen Lebensrealitäten noch nicht.

Altersempfehlung: ab 5 Jahren


Immer wenn Wanda ins Wasser springt, lachen die anderen. Ich bin zu schwer zum Schwimmen, sagt Wanda. ? Nein, sagt der Schwimmlehrer, du musst nur denken, was du sein möchtest! Wanda probiert es aus, und der Trick funktioniert. Sie denkt Känguru ? und springt im Turnunterricht ganz hoch. Sie denkt Hase ? und mag sogar Karotten. Und beim nächsten Schwimmunterricht denkt Wanda sich leicht. Sie schwimmt wie ein Hai, eine Sardine, gar wie ein Segelboot und ein Kajak. Aber wagt sie sich auch vom Sprungturm? Davide Cals unbeschwerte Geschichte knüpft an kindliche Erfahrungen an; im Wasser fühlt.

Altersempfehlung: 5-7 Jahre, erschienen im dtv Verlag.


Eines Morgens liegt unter Hannas Bett ein Zebra. Ein lebendiges Zebra! Einfach so. Hanna ist mit ihren beiden Papas neu in die Gegend gezogen und so ist es ihr recht, dass Bräuninger, so heißt das Zebra, sie in die Schule begleitet. Ein Zebra im Unterricht? Das geht nicht! Da Bräuninger aber verflixt gut schreiben, rechnen und turnen kann, darf er bleiben – zumindest fürs Erste. Diesen Schultag werden die Kinder nie vergessen: Schreiben lernen auf Bräuningers Streifen! Bocksprünge über seinen Rücken! Traumstunde! Doch plötzlich geht die Tür auf: Zwei Zoowärter erscheinen und führen Bräuninger ab. Was soll Hanna jetzt machen? Markus Orths erzählt witzig und tiefsinnig von Andersartigkeit und Fremdsein. Dass Hanna bei zwei Vätern aufwächst, wird herrlich unaufgeregt thematisiert.

Altersempfehlung: 6-8 Jahre, erschienen im Moritz Verlag.


In dieser kleinen Geschichte steht die Welt der Klischees Kopf und parodiert die real existierenden Klischees unserer gesellschaftlichen Geschlechterbilder. „Alle fragen immer: Was stimmt denn nicht mit dem Jungen?”. Denn David will lieber mit den Mädchen raus, wild spielen und sich schmutzig machen.
Er muss aber wie normale Jungs zuhause bleiben und malen. Die anderen Kinder finden es komisch, wenn er zu Fasching als Superheld verkleidet kommt und überhaupt wird von Jungs nun mal erwartet, dass sie sich rosa anziehen.

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen im Jaja Verlag.


Hilda liebt es, die verwunschenen Täler ihrer nordischen Heimat zu durchstreifen und Freundschaft mit den skurrilsten Geschöpfe zu schließen. Die Suche nach einem Bergtroll aber erweist sich als gefährliches Abenteuer – die blauhaarige Entdeckerin wird inmitten der Wildnis von einem heftigen Schneesturm überrascht. Auf ihrer Suche nach dem Heimweg entgeht Hilda nur um Haaresbreite dem mächtigen Fuß eines ahnungslosen Riesen und trifft schließlich auf ein einsames Holzmännchen…

Eine charmante, unerschrockene Heldin und eine liebevoll-fantastische Welt machen Luke Pearsons „Hilda“ zum aufregendsten All-Ages-Comic der letzten Jahre.

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen bei Reprodukt.


Ada Lovelace (1815–1852), Tochter des Dichters Lord Byron und einer Mathematikerin, beschäftigt sich schon früh mit Mathematik. Das fantasievolle Mädchen begeistert sich für die technischen Erfindungen der Industrialisierung und lernt mit 16 Charles Babbage kennen, den Erfinder der »Analytical Machine«. Für diesen Vorläufer des modernen Computers entwickelt Ada ein komplexes Programm und gilt so als erste Programmiererin der Welt. Diese Bilderbuchbiografie ist das fesselnde Porträt einer Frau, die in Zahlen das kreative Potenzial gesehen hat.

Altersempfehlung: 6-8 Jahre, erschienen bei Knesebeck.


In der Textilwerkstatt der Eltern lernt Louise alles über Blüten, Tiere, Farben und Gewebe. Sie erfährt, dass Purpurrot von Schnecken stammt, Gelb von Pflanzen, schwarze Wolle vom Schaf, alles Leben aber aus dem Fluss. Als ihre Mutter stirbt, beschließt Louise, Naturwissenschaftlerin zu werden. Doch das Blau, die Farbe des Flusses aus Kindertagen, zwickt ihr Herz . Wird Louise die Fäden der Erinnerung wieder aufnehmen und zu etwas ganz Besonderem spinnen?

“Louise studierte noch, da starb ihre Mutter, der Tod brauch ihr das Herz. Sie fühlte sich völlig verlassen. Wie ein abgerissener Faden. Sie kehrte dem Mond und den Sternen den Rücken und verschrieb sich der Malerei. Darüber hatte sie schon so viel gelernt.”

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen im Verlag Seemann & Henschel.


Im Golf von Mexiko tauchte Sylvia Earle mit dreizehn Jahren zum ersten Mal. Von da an kannten ihre Liebe zum Meer und ihr Forscherdrang keine Grenzen mehr. Sie tauchte immer tiefer und blieb immer länger in der Unterwasserwelt. Schwamm zwischen Walen, Engelhaien und winzigsten Geschöpfen, die in der Dunkelheit der Meerestiefe glühen.

In eindrucksvollen Bildern erzählt Claire A. Nivola die Lebensgeschichte der weltbekannten Meeresforscherin und Umweltschützerin, die ganz nebenbei auch einen Rekord im Tauchen aufstellte, was ihr den Titel ihre Tiefheit eintrug.

Altersempfehlung: 6-8 Jahre, erschienen im Verlag Freies Geistesleben.


Josephine Baker brachte tanzend den Jazz und Charleston nach Europa und engagierte sich für die Rechte von Schwarzen. Tove Jansson, Schöpferin der Mumins, lebte offen die Liebe zu ihrer Lebenspartnerin. Und die liberianische Bürgerrechtlerin Leymah Gbowee setzt sich in gewaltfreiem Kampf für die Sicherheit von Frauen ein. Unerschrocken schreiten diese eigensinnigen Frauenfiguren der Weltgeschichte durchs Leben. Vorreiterinnen, Querdenkerinnen und jede eine Heldin auf ihre ganz eigene Art. Ob Schamanin oder Entdeckerin, Leuchtturmwärterin oder gefeierte Leinwandhexe – diese Frauen haben ihre Bestimmung gefunden.

Altersempfehlung: ab 15 Jahren, erschienen bei Reprodukt.


„Kaum jemand weiß: Rosie ist eine wahre Erfinderin. Nichts liebt sie mehr als heimlich nachts die unglaublichsten Apparate zu basteln, wie etwa einen Hotdog-Spender oder die Helium-Hose. Doch still und schüchtern, wie sie ist, spricht sie lieber nicht über ihren Traum, eine große Ingenieurin zu werden. Als dann auch noch die Bruchlandung ihres Käsekopters für Gelächter sorgt, ist sie drauf und dran, das Erfinden aufzugeben – wäre da nicht ihre Tante Rose. Sie bringt Rosie bei, dass man erst dann wirklich versagt, wenn man aufgibt und dass Scheitern dazu gehört. In humorvollen Reimen wird so nicht nur Rosie Mut gemacht, an die eigenen Träume zu glauben.“

Altersempfehlung: 5-7 Jahre, erschienen im Knesebeck Verlag.


Leo hat einen schönen neuen Namen: Jennifer. Woher sie ihren echten Namen kennt, weiß Jennifer selbst nicht. Aber sie ist sehr froh, eines Tages endlich mit ihm aufgewacht zu sein. Wie mit etwas, mit dem man besser atmen kann.

Nur die Erwachsenen kapieren es erst mal nicht. Die glauben tatsächlich immer noch, sie sollte weiterhin Leo sein, ein Bub. Ganz und gar nicht, finden der dicke Gabriel, Anne und Stella, weltbeste Freunde und treue Begleiterinnen beim Schuleschwänzen, Kleiderprobieren und Sichselbstfinden. Sie sollten sich lieber ein Beispiel an der Katze nehmen. Die ist weder froh noch traurig über Leos neuen Namen. Er ist ihr ganz egal.

Altersempfehlung: ab 9 Jahren, erschienen bei Klett Kinderbuch.


Wer heißt denn schon Gertrude?! Gertrude ist neu in Inas Klasse und sie ist anders als alle Mädchen, die Ina kennt: Sie trägt Westklamotten, ihr Lächeln haut einen um und niemand hat so klare blaue Augen. Aber Gertrude ist auch deshalb anders, weil ihr Vater Dichter ist und die Familie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Damit sind sie in den späten 70er-Jahren in der DDR Staatsfeinde. Nicht nur die Schule ist gegen ihre Freundschaft, auch Inas Mutter macht sich große Sorgen. Alles gerät aus den Fugen. Was soll man machen, wenn man die Freundin fürs Leben gefunden hat, aber alles so kompliziert ist? Ina und Gertrude schmieden einen Plan: Kommando Rose, um ihre Freundschaft gegen alle Widerstände leben zu können.

Altersempfehlung: 10-12 Jahre, erschienen im Gerstenberg Verlag.


Es ist höchste Zeit, die Weltgeschichte zu ergänzen: um all ihre vergessenen Heldinnen. Jenseits der üblichen Klischees – die schöne Kleopatra, die grausame Lucrezia Borgia, die mutige Jeanne d’Arc – erzählt dieses Buch von Frauen, die Geschichte machten und die trotzdem kaum jemand kennt: von Sitt-al-Mulk, die in den WIrren des Streits zwischen Schiiten und Sunniten das Amt des Kalifen von Kairo übernahm. Von Malintzin, ohne deren Hilfe die Spanier Mexiko nicht erobert hätten. Von Wu-Zetian, die als »chinesischer Kaiser« dazu beitrug, den Buddhismus in China zu verbreiten. Und von Ada Lovelace, die das erste Computerprogramm schrieb und damit nicht nur das digitale Zeitalter einläutete, sondern auch Fragen zur künstlichen Intelligenz stellte.

Altersempfehlung: 12-16 Jahre, erschienen im Kein & Aber Verlag. Ergänzend eine kritisch einordnende Rezension dazu.


Francis führt in der Schule ein einsames, unglückliches Leben, denn er ist der einzige Junge, der sich für Mode interessiert und selbst Kleidung näht. Das perfekte Opfer. In Jessica findet er zum ersten Mal eine Freundin. Doch Jessica ist ein Geist, der seit über einem Jahr in der Stadt herumschwebt – bisher allerdings vollkommen unsichtbar. Wieso nicht für Francis? Auch die kleinwüchsige, «unmädchenhafte» Andi und der übergewichtige Roland können Jessica sehen und hören. Bald schon verbindet die vier Außenseiter eine Freundschaft, die keiner von ihnen zuvor gekannt hat. Die Frage ist: Was haben sie alle gemeinsam? Und warum ist Jessica überhaupt als Geist unterwegs?

Altersempfehlung: ab 12 Jahren, erschienen im Rowohlt Verlag.


Der Song “California Dreamin”, war 1965 Millionenseller der Band “The Mamas and the Papas”. Die Graphic Novel beschreibt den holprigen Weg der Sängerin Cass Elliott zum Erfolg.
Sie wird als Kind jüdischer Einwanderer in Baltimore geboren und hat schon früh den Traum, ein Star zu werden. Aber sie ist dick – und was schon in der Schule schwierig ist, wird im Showgeschäft zum Hindernis. Dank einer großen Stimme, solidem Selbstvertrauen und Freunden, die sie so lieben, wie sie ist, schafft sie es.

Altersempfehlung: ab 14 Jahren, erschienen im Carlsen Verlag.


Ich hoffe, dass das eine oder andere Buch auch für euch und eure Kinder dabei ist – und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr meine Auswahl mit eigenen Tipps ergänzen könntet. Es gibt bestimmt noch so viel mehr, dass ich nur noch nicht entdeckt habe.

Wer noch weiter stöbern möchte, der kann das gerne tun: auf meinem Blog gibt es noch Empfehlungen für Kinderbücher über Regenbogenfamilien und außerdem Büchertipps zum Thema trans. Zudem gibt es die Broschüre Himmelblau und Rosarot mit vielen weiteren tollen Büchertipps. Auch auf dem Blog mama-notes gibt es schöne Tipps für feministische Kinderbücher und mehr Diversity in Kinderbüchern.


Ergänzung aus Gründen der Transparenz: ich habe unter meinen Empfehlungen auch das Bilderbuch König & König aufgelistet – ich wurde darauf hingewiesen, dass sich das Buch kolonialrassistischer Stereotype bedient und habe die Empfehlung deshalb wieder gestrichen.

Warum ich so lange keine Jugendbücher gelesen habe. Und warum ich jetzt damit anfange.

Jugendbuchstapel

1. Erwachsene, die Jugendbücher lesen

Ich habe jahrelang keine Jugendbücher mehr gelesen. Einen wirklichen Grund dafür gab es nicht. Damit verbunden war vielleicht die Vorstellung, dass man als Erwachsener nur noch das tut, was für Erwachsene vorgesehen ist. Ich treibe mich schließlich auch nicht mehr auf Spielplätzen herum oder auf der Rutsche im Schwimmbad. Aber warum eigentlich nicht? Erstaunlicherweise habe ich als Jugendliche zwar auch Jugendbücher gelesen, mich aber vorwiegend in der Bibliotheksecke für Erwachsene aufgehalten. Es war mir so wichtig erwachsen zu sein, da war es dann auch zweitrangig, dass ich den Roman von Proust eigentlich gar nicht wirklich verstanden habe. In den letzten Wochen hat sich das umgekehrt: ich bin endlich erwachsen, greife aber immer häufiger zu Jugendbüchern. Aus diesem Bedürfnis, Bücher in die Hand zu nehmen, die eigentlich für Jugendliche geschrieben wurden und von Jugendlichen erzählen, haben sich für mich einige Fragen ergeben: warum habe ich eigentlich so lange keine Jugendbücher gelesen, warum fange ich plötzlich damit an und muss mir dieses Bedürfnis etwa unangenehm sein?

2. Ein paar Theorien dazu

Eine wirkliche Theorie zu der Frage, warum ich keine Jugendbücher gelesen habe, habe ich eigentlich gar nicht. Ich glaube, dass ich mich – als Erwachsene – einfach nicht angesprochen gefühlt habe. Erst jetzt habe ich festgestellt, dass es sich auch als Erwachsene sehr passend anfühlen kann, zu Jugendbüchern zu greifen oder auch einmal ein Kinderbuch in die Hand zu nehmen. Zu der Frage, warum ich – und viele andere Erwachsene – zu Jugendbüchern greifen, habe ich dagegen mehrere Theorien:

  1. Jugendbücher haben einen Nostalgiefaktor
  2. Jugendbücher sind leichter zu konsumieren
  3. Jugendbücher geben einem die Chance, die eigene Kindheit aus der sicheren Perspektive des Erwachsenen noch einmal zu erleben
  4. Jugendbücher bieten kleine Lesefluchten

Für mich ist die Frage danach, warum man als Erwachsener Jugendbücher liest keine Frage, die sich um die Qualität dieser Bücher dreht. Für mich ist dies viel mehr eine sozial-psychologische Frage: was findet ein erwachsener Leser in Geschichten, die über und für Jugendliche geschrieben werden? Was geben mir Jugendbücher? Wenn ich von mir persönlich spreche, dann treffen alle Theorien ein wenig zu, aber die vierte Theorie ganz besonders: ich bin endlich erwachsen, darf in meiner eigenen Wohnung leben und Rechnungen bezahlen – eben all das, was Erwachsene tun. Aber so leicht ist das Leben als Erwachsene gar nicht. Ich bin zum Beispiel schon lange auf Jobsuche und das ist eine Suche, die nicht einfach und sehr frustrierend ist. Vielleicht kommt das Bedürfnis nach Jugendbüchern daher, dass ich nach einem Ausgleich suche: nach einer kleinen Leseflucht aus meinem erwachsenen Alltag.

Was ich – trotz aller Theorien feststellen muss ist, dass ich keine wirklichen Antworten finde, sondern sich immer mehr Fragen ergeben.

3. Kurze Geschichte der Jugendliteratur

EasyIntroductionTitleEine Frage, die sich ebenfalls ergeben hat, ist die Frage danach, ob eine Trennung zwischen Jugendliteratur und Erwachsenenbüchern überhaupt notwendig ist. Woher kommt eigentlich der Begriff Jugendliteratur?

Bei Jugendliteratur handelt es sich um fiktionale Literatur für Jugendliche zwischen zwölf und achtzehn Jahren, in denen es häufig jugendliche Protagonisten gibt. In der Jugendliteratur sind alle möglichen Genres vertreten, vom Liebesroman bis hin zur Fantasy. Die Unterscheidung zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur ist auf Sarah Trimmer zurückzuführen, die Jugendliche im Jahre 1802 zum ersten Mal als eigenständige Lesergruppe ansah. Seit vielen Jahren ist die Jugendliteratur nicht mehr aus den Buchläden wegzudenken. Dabei verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur: ein Buch wie zum Beispiel die Bücherdiebin ist keines, das nur für Jugendliche vermarktet wird, sondern Leser und Leserinnen aller Altersstufen anspricht.

4. Das Entdecken einer neuen Welt

Eine eindeutige Antwort auf die Frage, warum ich so lange keine Jugendbücher gelesen habe und warum ich damit jetzt wieder anfange, werde ich wohl nicht finden. Vielleicht brauche ich die auch nicht. Für mich ist das momentane Entdecken von Jugendbüchern wie das Entdecken einer neuen Welt. Erst letzte Woche war ich zum allerersten Mal in der Jugendbuchabteilung meiner Lieblingsbuchhandlung, die ich zuvor nur ignoriert hatte. Eine freundliche Buchhändlerin hat mich ganz wunderbar beraten und mich dabei aufmerksam gemacht auf den Magellan Verlag und Königskinder Verlag. Mein Stapel Jugendbücher ist erst einmal noch hoch genug, aber ich glaube, dass das nicht mein letzter Besuch dort gewesen ist. Da habe ich noch viel zu entdecken.

Abschließend bleibt mir nur noch übrig, euch alle zu ermutigen, auch mal ein Jugendbuch in die Hand zu nehmen. Ihr müsst keine falsche Scheu haben. Ganz im Gegenteil: ihr werdet sehen, dass es eine wahnsinnig spannende und aufregende neue Welt zu entdecken gibt. Wer von euch liest denn bereits Jugendbücher und warum? Und wer von euch hat vielleicht sogar noch tolle Tipps für mich?

Eleanor & Park – Rainbow Rowell

Eigentlich lese ich keine Jugendbücher und Romane über die erste große Liebe gehören auch nicht zu meinem bevorzugten Genre. Doch nachdem ich Eleanor & Park erst einmal in die Hand genommen hatte, konnte ich es kaum noch zur Seite legen: Rainbow Rowell legt einen berührenden Liebesroman vor, voller Tragik und bittersüßem Humor.

Eleanor und Park

Am selben Morgen fiel Park im Englischunterricht auf, dass Eleanors Haar in einem weichen roten Punkt im Nacken endete.

Eleanor ist sechzehn Jahre alt und neu in der Stadt. Sie hat ein Jahr lang nicht mehr zu Hause gelebt, weil der Stiefvater sie rausgeschmissen hatte. Nun zieht sie doch wieder zurück zu ihrer Familie, zu einer Mutter, die sie nicht beschützt und einem Stiefvater, der zu viel trinkt und die ganze Familie in Angst und Schrecken versetzt. Einziger Lichtblick sind ihre kleinen Geschwister. In der neuen Schule ist Eleanor eine Außenseiterin: ihre Eltern haben wenig Geld, neue Kleidung oder ein Termin beim Friseur ist da auf gar keinen Fall drin. Dazu kommt, dass Eleanor auch nicht die schlankeste ist und mit roten Haaren und in seltsam zusammengestellten Outfits – häufig mit Herrenhemd und Krawatte – durch die Schulflure läuft. Auch Park ist ein Außenseiter, auch wenn er ein ganz anderer Außenseitertyp ist als Eleanor. Er ist gutaussehend, aber zurückhaltend. Seine Muter ist Koreanerin, sein Vater ein Kriegsveteran. Von seinen Mitschülern wird er zwar akzeptiert, aber doch auch seltsam beäugt.

Es ist also kein Zufall, dass Park den leeren Platz neben ihm im Schulbus ausgerechnet Eleanor  anbietet. In diesem Moment finden sich zwei, die außerhalb der geschlossenen Gesellschaft stehen. Zwei, die anders sind und deshalb von allen als seltsam abgestempelt werden. Das sich aus dieser Begegnung eine wunderschön-tragische Liebesgeschichte entwickeln wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

Jeden Morgen, wenn Eleanor in den Bus stieg, hatte sie Angst, dass Park den Kopfhörer vielleicht nicht abnehmen würde. Dass er ebenso plötzlich aufhören würde, mit ihr zu reden, wie er damit angefangen hatte … Und wenn das passierte – wenn sie eines Tages in den Bus kommen und er nicht aufblicken würde -, sollte er keinesfalls sehen, wie niedergeschlagen sie dann wäre.

Rainbow Rowell legt mit Eleanor & Park einen ganz und gar zauberhaften Liebesroman vor, der mich sehr gerührt und gleichzeitig so wunderbar unterhalten hat. Es ist, als würde man Eleanor und Park bei ihrer Annäherung über die Schulter blicken – beide sitzen zunächst notgedrungen nebeneinander im Bus. Park hatte ihr den Platz aus Höflichkeit angeboten, nicht, weil er sie wirklich neben sich sitzen haben möchte. Beiden tragen einen Schutzpanzer, der kaum Nähe zulässt. Doch irgendwann merkt Park, dass Eleanor versucht ihm immer über die Schulter zu schauen, wenn er morgens im Bus seine Comics liest. Er leiht ihr den ersten Comic aus, später macht er ihr Mixkassetten, borgt ihr seinen Walkman und auch Batterien aus. Es dauert lange, bis die beiden überhaupt miteinander sprechen, doch Stück für Stück bröckeln die Mauern, die sie um sich herum errichtet haben und schon bald können sich Eleanor und Park ein Leben ohne einander nicht mehr vorstellen.

Eleanor und Park erleben die erste große Liebe miteinander, aber sie erleben auch, dass die Liebe häufig ein steiniger Weg sein kann. Es gibt Missverständnisse zwischen den beiden, auch Streit. Als Park sie das erste Mal mit zu sich nach Hause nimmt, glaubt Eleanor er würde sich vor seinen Eltern für sie schämen. Sie, die pummelig ist und seltsame Kleidung trägt.

Er steckte den Stift in seine Tasche, nahm dann ihre Hand und hielt sie eine Weile an seine Brust. Es war das Schönste, was sie sich vorstellen konnte. Es weckte den Wunsch in ihr, Kinder mit ihm zu bekommen und ihm beide Nieren zu spenden.

So eine erste Liebe als Leserin minutiös mitzuerleben ist unterhaltsam und rührend, aber auch immer wieder tragisch. Es ist besonders Eleanors Geschichte, die mich tatsächlich getroffen hat: das Mädchen wächst in großer Armut auf, nicht nur in finanzieller Armut, sondern auch in emotionaler Armut. Es fehlt in ihrem Zuhause an allem, an Liebe, Zuwendung, Unterstützung und an so banalen Dingen, wie der Waschmaschine und einer Zahnbürste. Ihre erste große Liebe kann sie mit niemandem teilen, denn ihr Stiefvater würde ihr den Kontakt zu einem Jungen sofort verbieten. Es sind die Momente im Schulbus, die sie am Leben halten. Die Stunden mit Park und all das, was sie miteinander teilen. Eleanor ist bewundernswert stark und ich habe sie beim Lesen einfach in mein Herz schließen müssen.

Die Kapitel werden abwechselnd aus der Perspektive von Eleanor und Park erzählt. Die Kapitel sind kurz und knapp und ich wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, bevor ich es zu Ende gelesen hatte. Über das Ende darf ich hier natürlich nicht allzu viel verraten, nur so viel: es hat sich für mich sehr passend angefühlt. Es wäre übrigens falsch, den Roman einzig und allein auf die Liebesgeschichte zu reduzieren, denn es geht um so viel mehr: es geht darum, als junger Mensch die eigene Identität zu finden, um Mobbing und darum, wie man damit umgeht, anders zu sein als alle anderen.

Am selben Abend nahm Park eine Kassette auf, mit dem Song von Joy Devision in Endlosschleife. Er entfernte sämtliche Batterien aus den Fernbedienungen für seine Videospiele und Joshs ferngesteuerte Autos und rief seine Oma an und erklärte ihr, dass er sich zu seinem Geburtstag im November nur Double-A-Batterien wünschte.

Eleanor & Park ist ein Jugendbuch und ein Liebesroman und ich bin so froh, dass ich es dennoch in die Hand genommen habe. Es ist ein Buch für Jugendliche, die selbst gerade ihre erste große Liebe erleben. Es ist aber auch ein Buch für all diejenigen, die im Herzen jung geblieben sind. Eleanor & Park ist ein wunderschöner Roman, den ich nur lauthals empfehlen kann!

Rainbow Rowell: Eleanor & Park. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Carl Hanser Verlag, München 2015. 360 Seiten, €16,90. Auf der Seite des Hanser Verlags gibt es auch tolles Bonusmaterial, unter anderem ein hilfreiches Glossar.

Wo der Himmel aufhört – Robert Williams

Robert Williams hat acht Jahre als Buchhändler gearbeitet, bevor er seinen ersten Roman veröffentlicht hat: sein Debütroman “Luke und Jon” wurde vielfach ausgezeichnet. “Wo der Himmel aufhört” ist sein zweiter Roman und wurde von Brigitte Jakobeit ins Deutsche übertragen.

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“Eine Zeitlang wusste ich nicht, ob an dem Tag wirklich etwas Schlimmes passiert war. Ich hatte den Verdacht, man wollte mich reinlegen.”

Donald Bailey ist acht Jahre alt, als sich sein Leben von einem Tag auf den anderen ändern sollte. Der Einschlag, der alles verändern sollte, kommt urplötzlich, ohne Vorwarnung. Und plötzlich ist nichts mehr so, wie es zuvor gewesen ist. Als Donald acht Jahre alt ist, geschieht ein tragischer Unfall, der nicht nur die Form seines Lebens für immer verändern sollte, sondern auch das seiner Mutter und das des kleinen Jungen, den er mit dem Fahrrad angefahren hat. Donald ist zu jung, um das zu verstehen, was um ihn herum geschieht. Die Polizei befragt ihn, immer wieder. Sie fragt nach Begriffen wie Absicht, nach Begriffen, die Donalds Vorstellungswelt sprengen. Sie fragt so lange, bis Donald irgendwann selbst nicht mehr weiß, ob er lügt oder die Wahrheit sagt.

“Ich glaube nicht, dass ich sie anlog, und sie logen mich auch nicht wirklich an, aber die ganze Wahrheit sagten sie mir zuerst nicht. Vermutlich wollten sie herausfinden, ob ich etwas verberge, wollten testen, wie viel ich wusste, aber selbst mit meinen acht Jahren war mir klar, wenn man zu viel sagt, handelt man sich Ärger ein.”

In einer Kleinstadt kann man nach einem solchen Unglück kaum unbehelligt weiter leben. Statt ihrem Sohn dabei zu helfen, die Geschehnisse aufzuarbeiten, flieht seine Mutter mit ihm aus der Stadt, in der es geschehen ist. Statt über den Unfall zu sprechen, wird aus ihm ein Geheimnis gemacht. Ein Geheimnis, das Donald die Luft abschnürt. Ein Geheimnis, das unausgesprochen und wie eine dicke und undurchdringliche Wolke über seinem zukünftigen Leben wabert. Die Mutter möchte mit dem Umzug in die neue Stadt alles zurücklassen, was in der alten Heimat geschehen ist. Doch Donald kann nichts von dem abschütteln, was ihn seit diesem Tag umtreibt und nun addiert sich auch noch die Schuld dazu, nicht nur das Leben eines kleinen Jungen zerstört zu haben, sondern auch das seiner Mutter.

“Dieses Wegtauchen in andere Welten hat mir immer gutgetan seit dem Vorfall. Es hat mir geholfen, den Kopf über Wasser zu halten, leichter zu atmen und dem kleinen Jungen zu entkommen.”

Der Leser lernt Donald kennen, als er acht Jahre alt ist. Später macht die Geschichte einen zeitlichen Sprung, wiederum um weitere acht Jahre. Donald ist ein hochgewachsener Teenager geworden, der für sein Alter erschütternd erwachsen geworden ist. Ein Junge, der erwachsen werden musste, um zu überleben. Beim Kampf gegen die Dämonen der Vergangenheit, die ihn immer wieder heimsuchen, ist die Mutter ihm keine Hilfe. Donald hat seine eigenen Techniken, zum Beispiel das Wegtauchen. Wenn die Gedankenraserei ihn übermannt, taucht er weg in andere Welten.

“Ich habe ihn nie vergessen, keine Sekunde lange, aber in den letzten acht Jahren gab es schlimme Zeiten und bessere Zeiten.”

Donald ist sechzehn, als er in seiner neuen Heimatstadt Jake kennen lernt, der acht Jahre alt ist – genauso alt, wie Donald damals, als dieser fürchterliche Unfall geschah. Jake ist ein Junge, der in seiner Klasse keinen Anschluss findet und von seiner Mutter vernachlässigt wird. Endlich ist da jemand, um den sich Donald kümmern kann. Endlich gibt es da jemanden, der beschützt werden muss, der Aufmerksamkeit und Pflege braucht. Gemeinsam verbringen sie viele Samstagnachmittage, sie sitzen gemeinsam in der Bibliothek, gehen auf den Spielplatz und verbringen ihre Zeit im “Geisterhaus”, einem verlassenen Haus, das Donald extra für seinen kleinen Freund hergerichtet hat. Als Jake sich von einem Tag auf den anderen von seinem älteren Freund abwendet, endet diese ungewöhnlich Freundschaft urplötzlich und ohne Vorwarnung …

Collage Robert Williams

“Ich konnte es nie vergessen. Immer wieder kehrte mein Gehirn zu jenem Morgen und seinen Folgen zurück, ich konnte die Sache nicht ruhen lassen, es war wie mit Wespen und Marmelade. Meine Finger kratzten am Schorf, bis die Haut platzte, und dann kratzte ich noch tiefer.”

Es gibt ein deutsches Sprichwort das lautet “Wo der Himmel aufhört, da fängt die Hölle an“. Für Donald hört der Himmel auf, urplötzlich, als er gerade einmal acht Jahre alt ist. Die Hölle ist ein Leben, in dem der Vorfall Donald ständig, wie dem eigenen Schatten gleich, begleitet.  Die eigene Mutter zwingt ihn, die Tür zur Vergangenheit zu schließen, aber auch das, worüber nicht mehr gesprochen wird, ist immer da. Donald braucht lange, um zu erkennen, dass er sich erst von der Schuld seiner Vergangenheit befreien kann, wenn er über diese spricht. Erzählt wird diese bewegende Geschichte aus der Perspektive von Donald, der für sein Alter erschreckend abgeklärt und erwachsen wirkt. Die Sprache ist einfach, das Buch ist sicherlich ein all-age-Buchdas auch von Jugendlichen gelesen werden konnte. Trotz der einfachen Sprache entwickelt die Geschichte einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte

“In schlechten Phasen bestehe ich nur aus Schuldgefühlen. Hände, Arme, Füße, Beine, Knochen – alles harte, feste Schuld. Schwer, schwarz, drückend.”

“Wo der Himmel aufhört” ist ein warmherziger Roman, mit dem Robert Williams erneut beweist, was für ein grandioser Erzähler er ist. Geschrieben ist das Buch im Stile eines Jugendromans, doch das nimmt der Geschichte nichts von seiner Tiefe und Wahrhaftigkeit. Robert Williams erzählt davon, wie wichtig es ist, miteinander im Gespräch zu bleiben – auch über Dinge, die man eigentlich lieber vergessen würde. Ich habe das Buch zugeklappt und wäre am Liebsten sofort an mein Bücherregal gerannt, um “Luke und Jon” hervorzuholen und gleich noch einmal zu lesen. Robert Williams ist ein toller Schriftsteller, der uns hoffentlich noch viele weitere Bücher schenken wird …

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