Eigentlich lese ich keine Jugendbücher und Romane über die erste große Liebe gehören auch nicht zu meinem bevorzugten Genre. Doch nachdem ich Eleanor & Park erst einmal in die Hand genommen hatte, konnte ich es kaum noch zur Seite legen: Rainbow Rowell legt einen berührenden Liebesroman vor, voller Tragik und bittersüßem Humor.
Am selben Morgen fiel Park im Englischunterricht auf, dass Eleanors Haar in einem weichen roten Punkt im Nacken endete.
Eleanor ist sechzehn Jahre alt und neu in der Stadt. Sie hat ein Jahr lang nicht mehr zu Hause gelebt, weil der Stiefvater sie rausgeschmissen hatte. Nun zieht sie doch wieder zurück zu ihrer Familie, zu einer Mutter, die sie nicht beschützt und einem Stiefvater, der zu viel trinkt und die ganze Familie in Angst und Schrecken versetzt. Einziger Lichtblick sind ihre kleinen Geschwister. In der neuen Schule ist Eleanor eine Außenseiterin: ihre Eltern haben wenig Geld, neue Kleidung oder ein Termin beim Friseur ist da auf gar keinen Fall drin. Dazu kommt, dass Eleanor auch nicht die schlankeste ist und mit roten Haaren und in seltsam zusammengestellten Outfits – häufig mit Herrenhemd und Krawatte – durch die Schulflure läuft. Auch Park ist ein Außenseiter, auch wenn er ein ganz anderer Außenseitertyp ist als Eleanor. Er ist gutaussehend, aber zurückhaltend. Seine Muter ist Koreanerin, sein Vater ein Kriegsveteran. Von seinen Mitschülern wird er zwar akzeptiert, aber doch auch seltsam beäugt.
Es ist also kein Zufall, dass Park den leeren Platz neben ihm im Schulbus ausgerechnet Eleanor anbietet. In diesem Moment finden sich zwei, die außerhalb der geschlossenen Gesellschaft stehen. Zwei, die anders sind und deshalb von allen als seltsam abgestempelt werden. Das sich aus dieser Begegnung eine wunderschön-tragische Liebesgeschichte entwickeln wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen.
Jeden Morgen, wenn Eleanor in den Bus stieg, hatte sie Angst, dass Park den Kopfhörer vielleicht nicht abnehmen würde. Dass er ebenso plötzlich aufhören würde, mit ihr zu reden, wie er damit angefangen hatte … Und wenn das passierte – wenn sie eines Tages in den Bus kommen und er nicht aufblicken würde -, sollte er keinesfalls sehen, wie niedergeschlagen sie dann wäre.
Rainbow Rowell legt mit Eleanor & Park einen ganz und gar zauberhaften Liebesroman vor, der mich sehr gerührt und gleichzeitig so wunderbar unterhalten hat. Es ist, als würde man Eleanor und Park bei ihrer Annäherung über die Schulter blicken – beide sitzen zunächst notgedrungen nebeneinander im Bus. Park hatte ihr den Platz aus Höflichkeit angeboten, nicht, weil er sie wirklich neben sich sitzen haben möchte. Beiden tragen einen Schutzpanzer, der kaum Nähe zulässt. Doch irgendwann merkt Park, dass Eleanor versucht ihm immer über die Schulter zu schauen, wenn er morgens im Bus seine Comics liest. Er leiht ihr den ersten Comic aus, später macht er ihr Mixkassetten, borgt ihr seinen Walkman und auch Batterien aus. Es dauert lange, bis die beiden überhaupt miteinander sprechen, doch Stück für Stück bröckeln die Mauern, die sie um sich herum errichtet haben und schon bald können sich Eleanor und Park ein Leben ohne einander nicht mehr vorstellen.
Eleanor und Park erleben die erste große Liebe miteinander, aber sie erleben auch, dass die Liebe häufig ein steiniger Weg sein kann. Es gibt Missverständnisse zwischen den beiden, auch Streit. Als Park sie das erste Mal mit zu sich nach Hause nimmt, glaubt Eleanor er würde sich vor seinen Eltern für sie schämen. Sie, die pummelig ist und seltsame Kleidung trägt.
Er steckte den Stift in seine Tasche, nahm dann ihre Hand und hielt sie eine Weile an seine Brust. Es war das Schönste, was sie sich vorstellen konnte. Es weckte den Wunsch in ihr, Kinder mit ihm zu bekommen und ihm beide Nieren zu spenden.
So eine erste Liebe als Leserin minutiös mitzuerleben ist unterhaltsam und rührend, aber auch immer wieder tragisch. Es ist besonders Eleanors Geschichte, die mich tatsächlich getroffen hat: das Mädchen wächst in großer Armut auf, nicht nur in finanzieller Armut, sondern auch in emotionaler Armut. Es fehlt in ihrem Zuhause an allem, an Liebe, Zuwendung, Unterstützung und an so banalen Dingen, wie der Waschmaschine und einer Zahnbürste. Ihre erste große Liebe kann sie mit niemandem teilen, denn ihr Stiefvater würde ihr den Kontakt zu einem Jungen sofort verbieten. Es sind die Momente im Schulbus, die sie am Leben halten. Die Stunden mit Park und all das, was sie miteinander teilen. Eleanor ist bewundernswert stark und ich habe sie beim Lesen einfach in mein Herz schließen müssen.
Die Kapitel werden abwechselnd aus der Perspektive von Eleanor und Park erzählt. Die Kapitel sind kurz und knapp und ich wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, bevor ich es zu Ende gelesen hatte. Über das Ende darf ich hier natürlich nicht allzu viel verraten, nur so viel: es hat sich für mich sehr passend angefühlt. Es wäre übrigens falsch, den Roman einzig und allein auf die Liebesgeschichte zu reduzieren, denn es geht um so viel mehr: es geht darum, als junger Mensch die eigene Identität zu finden, um Mobbing und darum, wie man damit umgeht, anders zu sein als alle anderen.
Am selben Abend nahm Park eine Kassette auf, mit dem Song von Joy Devision in Endlosschleife. Er entfernte sämtliche Batterien aus den Fernbedienungen für seine Videospiele und Joshs ferngesteuerte Autos und rief seine Oma an und erklärte ihr, dass er sich zu seinem Geburtstag im November nur Double-A-Batterien wünschte.
Eleanor & Park ist ein Jugendbuch und ein Liebesroman und ich bin so froh, dass ich es dennoch in die Hand genommen habe. Es ist ein Buch für Jugendliche, die selbst gerade ihre erste große Liebe erleben. Es ist aber auch ein Buch für all diejenigen, die im Herzen jung geblieben sind. Eleanor & Park ist ein wunderschöner Roman, den ich nur lauthals empfehlen kann!
Rainbow Rowell: Eleanor & Park. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Carl Hanser Verlag, München 2015. 360 Seiten, €16,90. Auf der Seite des Hanser Verlags gibt es auch tolles Bonusmaterial, unter anderem ein hilfreiches Glossar.