Auf der Buchmesse in Leipzig hatte ich das ganz besondere Vergnügen, mich mit einer der beiden binooki-Schwestern zu unterhalten: Inci Bürhaniye stand mir Rede und Antwort, wir haben nicht nur über die ungewöhnliche Namensfindung des Verlags gesprochen, sondern auch über die Liebe zur Literatur und lästige Klischees …
Die einfachste Frage und die, die ihr bestimmt am häufigsten gehört habt, vorweg: was bedeutet eigentlich „binooki“?
Oh ja! Also binooki haben wir – ich sage mal – abgeleitet vom Binokel, aber eigentlich ist das so nicht ganz richtig. Das war so: meine Schwester und ich waren auf Namenssuche und ich fand den Begriff binooki und sagte: “Das ist doch der Kneifer, die Zwickerbrille!”. Wir dachten, das passt und klingt super und die Domain war auch noch frei. Dann haben wir erst sehr viel später festgestellt, dass ich selber meine Brille nicht auf hatte und statt Binokel binooki gelesen habe. Darauf hätte man natürlich auch kommen können, aber in diesem Moment hatten wir das vor lauter Aufregung gar nicht registriert. So ist binooki eigentlich, sagen wir mal so, ein abgewandelter Name.
Wenn man sich euren Werdegang anschaut, reibt man sich erstaunt die Augen: eine von euch ist Fachanwältin für Steuer- und Gesellschaftsrecht, die andere hat BWL studiert. Wie kommt man mit einem solchen Hintergrund dazu, Bücher zu verlegen?
Die Liebe zu den Büchern hat schon immer existiert, auch trotz unserer eigentlichen Berufe. Gerade auch zur türkischen Literatur, gerade auch insbesondere bei mir, weil ich bereits in jungen Jahren angefangen habe, in den Büchern meiner Mutter zu stöbern. Ihre Bibliothek bestand vor allen Dingen aus türkischer Literatur und enthielt auch viele Klassiker, die sie aus der Türkei mitgebracht hatte. Ich finde die türkische Sprache einfach großartig und die Bücher toll, habe aber nie Menschen gefunden, die mit mir darüber sprechen wollten. Das fand ich damals immer schade. Ich wusste, dass auch meine Schwester sehr gerne liest, die hat aber zu der Zeit immer lieber deutsche Bücher gelesen und irgendwann haben wir dann gesagt, dass es doch eigentlich schade ist, dass es hier in Deutschland so viele türkische Menschen gibt und auch die deutschen Leser doch sehr interessiert sind und da türkische Literatur genauso mithalten kann, wie andere Weltliteratur, haben wir uns schließlich dazu entschieden, einen Verlag zu gründen. Ich habe schon häufig Unternehmen für Mandaten gegründet und mir gedacht, dass das so schwer ja nicht sein kann!
Wenn man sich dazu entscheidet, Bücher zu verlegen, dann muss man wohl auch Bücher lieben – wie ist euer Verhältnis zur Literatur?
Früher war ich wirklich einfach nur Konsumentin von Büchern und habe sehr viel gelesen – jetzt schaue ich mir die Bücher natürlich auch aus einem anderen Blickwinkel an, fasse sie anders an. Nicht immer zwangsläufig unter einem Verkaufsaspekt, aber doch auch mit dem Blick darauf, ob das Papier schön ist, ob das Cover schön geworden ist, ob das Format passt. Als Verlegerin schaut man nicht nur auf den Inhalt, sondern tatsächlich auch auf die äußere Form. Jedes einzelne Buch ist für uns etwas ganz besonderes, sozusagen ein besonderes Baby, was wir jedes Mal neu gestalten und erschaffen.
Wurde dir diese Liebe zur Literatur in die Wiege gelegt?
Ja, meine Eltern haben beide viel gelesen – meine Mutter noch viel mehr und sie konnte auch immer viel zu den gelesenen Büchern erzählen. Mein Vater war derjenige, der uns dann abends am Bett immer Geschichten erzählt hat und die habe ich sehr genossen als Kind. Abends habe ich dann immer mit meiner Schwester gebettelt, noch eine Geschichte, noch eine und noch eine! Er konnte das so großartig und ich glaube, dass das viel ausgemacht hat.
Binooki hebt sich durch das ungewöhnliche Konzept von vielen anderen Verlagen ab: ihr übersetzt türkische Literatur ins Deutsche. Woher kam dieser Impuls?
Dieser Impuls liegt sicherlich in unseren Wurzeln begründet, unsere Eltern sind beide türkischstämmig und die Sprache haben wir von klein auf gelernt, da haben wir zu dieser Literatur natürlich einen ganz anderen Bezug. Dieser Bezug fehlt natürlich, wenn man persische oder pakistanische Literatur verlegen möchte, die Sprache aber nicht spricht – dann ist das natürlich etwas schwieriger.
In eurem Verlagsprogramm erkenne ich auch den Wunsch danach, etwas Bekanntes in die neue Heimat hinüberzuretten. Was für eine Rolle spielt eure türkische Herkunft in eurem Alltag?
Meine türkische Herkunft spielt für mich schon eine große Rolle. Ich bin mit beiden Kulturen groß geworden, natürlich hat mich auch die deutsche Kultur sehr geprägt, weil ich hier in diesem Land lebe, aber durch meine Eltern und deren Erziehung, habe ich natürlich auch sehr viel türkische Kultur miterlebt. Ich versuche schon immer – wahrscheinlich genauso wie viele andere, die in derselben Situation sind, wie ich – immer beides zu verbinden und beides miteinander zu verknüpfen, immer dem einen, das andere zu erklären oder zugänglich zu machen. Das hat bei uns beiden natürlich auch dazu beigetragen, diese Literatur zu verlegen. Wir haben den Weg der Literatur gewählt, andere machen das über die Kunst oder die Musik, für uns war es die Literatur.
Welchen Hintergrund hat euer Verlagsmotto „Achtung, klischeefreie Zone“? Wurdet ihr im Rahmen eurer Verlagsgründung mit Klischees konfrontiert?
Bei der Verlagsgründung an und für sich nicht, aber später mussten wir feststellen, dass es doch viel mehr Klischees in den Köpfen der Menschen gibt, als wir ursprünglich wahrhaben wollten. Schade fand ich es zum Beispiel, als wir zum ersten Mal in Leipzig auf der Buchmesse waren und Besucher an unserem Stand vorbeigingen, vor den Büchern stehen blieben, den Namen sahen und fragten, was das für ein Name sei. Als wir dann gesagt haben, dass das ein türkischer Name ist, gab es viele, die kopfschüttelnd weitergegangen sind – so etwas lesen die nicht. Das war sehr traurig.
Vor genau zwei Jahren, zur Buchmesse in Leipzig 2012, erschienen die ersten Binooki-Bücher auf dem Markt. Was hat sich seitdem verändert?
Noch mehr Bücher, auf jeden Fall! Ein schnelles aufregendes Leben. Wir haben ganz viele tolle Leute aus allen Bereichen rund um das Buch kennengelernt. Das, was wir machen ist für uns heutzutage mehr mit dem Reisen verbunden, was auch ganz schön ist, wir freuen uns sehr darüber. Es gibt aber auch mehr Arbeit, natürlich – aber auch viel mehr Freude.
Ich stelle mir eine Verlagsgründung immer noch ganz romantisch vor, wie sieht die Wirklichkeit aus? Könnt ihr finanziell von eurem Verlag leben?
Ich habe meinen Job als Anwältin weiterhin und werde den auch weiterhin betreiben, einerseits, weil es mir Spaß macht, andererseits aber auch, weil ich davon lebe. Der Verlag trägt sich mittlerweile schon mehr oder weniger selbst – das ist ganz gut, so richtig große Sprünge können wir davon aber noch nicht machen. Das liegt aber auch daran, dass wir alles, was wir verdienen sofort wieder in die nächsten Bücher reinstecken. Also wir sind natürlich noch auf Wachstum aus und das ist auch immer noch das vorrangige Ziel.
Abschließend würde mich noch interessieren, ob ihr unter den Büchern, die ihr verlegt, Lieblingsbücher habt oder Bücher, die euch besonders am Herzen liegen?
Schwierige Frage! Sagen wir es mal so: die Frühjahrsneuerscheinung „Junge Verlierer“ von Emrah Serbes ist ein Roman, der mich ganz besonders berührt hat. Das Buch besteht aus acht Erzählung über Jungen zwischen zehn und siebzehn Jahren, die es im Leben nicht leicht haben. Ich bin selber Mutter eines Sohnes im Alter von zehn Jahren, dann berührt einen ein solches Buch besonders. Der Autor schreibt auch einfach sehr rührend, er ist ein sehr sensibler Mensch – ein guter Beobachter. Das Buch mag ich besonders gerne.
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