Als ich die Einladung erhalten habe, einen Tag beim Suhrkamp Verlag zu verbringen, da konnte ich nicht nein sagen – zu groß war die Versuchung, mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Vergangene Woche war es dann endlich so weit und ich war von Donnerstag bis Freitag in Berlin.
Mit mir gemeinsam sind vierzehn weitere Blogger nach Berlin gereist, um sich den Verlag mal von innen anzuschauen. Waren die Frauen früher immer in der Mehrheit, war das Geschlechterverhältnis dieses Mal ausgeglichen – es ist schön zu sehen, dass es immer mehr männlichen Bloggernachwuchs gibt. Mit dabei war zum Beispiel Ilja Regier von Muromez, dessen Bericht ihr hier lesen könnt.
Unser Aufenthalt in Berlin startete mit einem Besuch des Deutschen Theaters, dort wurde nämlich der Roman Mittelreich von Josef Bierbichler aufgeführt, der 2011 im Suhrkamp Verlag erschienen ist. Vorab erhielten wir die Möglichkeit, uns mit Christiane Schneider zu unterhalten, die den Theater Verlag von Suhrkamp leitet und uns ein wenig von ihrer Arbeit berichtete. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich nicht allzu häufig ins Theater gehe, umso schöner war es, durch diesen Besuch wieder einmal an das Erzählen auf der Bühne herangeführt zu werden. Die Umsetzung von Mittelreich – für die übrigens Anna-Sophie Mahler verantwortlich ist – hat auf jeden Fall dazu angeregt, auch mal einen Blick in das Buch zu werfen.
Der nächste Tag bot dann ein proppenvolles Programm und einen Schnelldurchlauf durch die Buchproduktion in einem Verlag. Wir haben die Presseabteilung besucht, die daran arbeitet, möglichst viele Titelbesprechungen in die Zeitungen, ins Radio oder ins Fernsehen zu bekommen. Anschließend haben wir einen Abstecher in die Abteilung für Rechte und Lizenzen gemacht – dort hat uns Nora Mercurio Einblicke in ihre Arbeit gewährt. Bei dem Versuch Titellizenzen ins Ausland zu verkaufen, sind sogenannte sample translations übrigens zu einem der wichtigsten Instrumente geworden. Genauer heißt das, dass zu bestimmten Titeln Probeübersetzungen angefertigt werden, die an die ausländischen Verlage versendet werden – dies dient dazu, den Verlagen einen ersten Einblick in die angebotenen Titel zu gewähren. Anschließend haben wir uns mit der Herstellungsleiterin Alexandra Stender getroffen und es wurde bibliophil: sie hat uns einige ihrer besonders aufwendig gestalteten Bücher präsentiert und es ging um Fadenheftung, Lesebändchen, Vorsatzpapier und die Wahl des passenden Leinens. Die größten Trends in der Herstellung sind momentan übrigens der Farbschnitt, die Klappbroschur und der große Wunsch endlich ein Material zu finden, das nicht schnabelt. Kennt ihr eigentlich den Begriff schnabeln? Ich kannte ihn bis dahin auch nicht, gemeint ist damit, dass der Buchdeckel im Laufe der Zeit an Spannung gewinnt und hochklappt.
Die Einblicke, die das Lektorat gab – Auskunft gegeben haben Frank Wegner, der für die internationale Literatur zuständig ist, sowie Doris Plöschberger, die für die nationale Literatur verantwortlich ist – waren ebenfalls interessant. Beide berichteten nicht nur über ihre Arbeit, sondern stellten auch die besonderen Highlights des kommendes Programms vor. Wir haben erfahren, dass es in Verlagen immer weniger Zeit für das Lektorat gibt und die Mitarbeiter häufig auch durch Sachzwänge zu Entscheidungen gezwungen werden. Wenn die Herstellung oder aber auch der Verkauf drängen, dann bleibt manchmal keine Zeit für einen weiteren Korrekturdurchgang. Doris Plöschberger hat auch ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert und erzählt, dass sie als Lektorin bei Marion Poschmann und Friederike Mayröcker immer besonders wenig zu tun hat – beide sind akribische Arbeiterinnen.
Auf diese Bücher aus dem Herbstprogramm könnt ihr euch übrigens schon mal besonders freuen:
Elena Ferrante: Meine geniale Freundin – Callan Wink: Der letzte beste Ort – Nina Weijers: Die Konsequenzen – Anna Kim: Die große Heimkehr – Emma Braslavsky: Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen
Die Einblicke in die Arbeitswelt eines so großen Traditionsverlags waren unheimlich spannend, ich hätte übrigens fast an jeder Ecke ein Foto machen können, da es einfach überall Bücher, Bücher, Bücher gibt. Ich hoffe, mithilfe der Bilder kann ich euch zumindest ein ganz klein bisschen an meinen Eindrücken teilhaben lassen – sozusagen eine virtuelle Verlagsführung.
Zum Ende des Tages zogen wir noch einmal in die Druckwerkstatt von Erik Spiekermann um. Dort las Emma Braslavsky aus ihrem neuen Roman und machte Lust auf mehr. Insgesamt acht Jahre lang hat sie dafür recherchiert. Der Titel – Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen – ist übrigens ein von ihr selbst übersetztes Zitat von Kurt Vonnegut. Zusätzlich zum Buch wird es auch noch ein Rechercheheft und eine Website geben – so etwas finde ich immer ganz besonders spannend! Als dieser aufregende Tag dann so langsam zu Ende geht, wird mir noch einmal deutlich, wie sehr sich das Standing, der Einfluss und die Wahrnehmung von Literaturblogs in den vergangenen fünf Jahren dann doch verändert hat. Es ist eine Veränderung, die ich mit Spannung verfolge und bei der ich mich hin und wieder frage, wohin sie noch führen wird. Obwohl es immer noch schwer ist, den Einfluss und die Relevanz von Literaturblogs zu messen, sind Verlage immer wieder offen dafür, mit Bloggern zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Das freut mich sehr!
Mitgebracht habe ich jedoch nicht nur ganz viele Fotos, sondern auch ein kleines Trostpflaster für all diejenigen, die nicht dabei gewesen sind: unter all denjenigen, die diesen Beitrag bis zum 31.5.2016 kommentieren verlose ich Letztes Lied einer vergangenen Welt von Anthony Marra, die gedruckten Vorschauen und einen Suhrkamp Jutebeutel. Viel Glück!
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