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Bücher zum Thema trans – meine Empfehlungen!

Seit meinem Beitrag Hallo ich bin’s – Linus haben mich Leser und Leserinnen immer wieder nach Büchern zum Thema trans gefragt. Jetzt habe ich es endlich geschafft, eine kleine Auswahl an Empfehlungen zusammenzustellen. Was mir dabei wieder auffiel: es gibt erschreckend wenig Bücher zum Thema trans – zumindest im deutschsprachigen Sprachraum. Wenn man selbst nicht zu einer Randgruppe gehört, fällt einem vielleicht gar nicht auf, dass man – wenn man weiß, cis und heterosexuell ist – beinahe in jedem beliebigen Buch repräsentiert wird. Wenn ich dagegen mal ein Buch lesen möchte, in dem meine Identität repräsentiert wird, muss ich ganz schön lange danach suchen. Gerade für all die Kinder, die ich täglich im Buchladen sehe, wünsche ich mir, dass sie –  durch die Bücher die sie lesen und die ihnen vorgelesen werden – erfahren, wie divers ihre Welt sein kann. Und wie okay das ist.

Ein schädlicher Einfluss, Kate Bornstein: Kate Bornstein durchlebt eine behütete Kindheit. Doch schon früh hat sie das Gefühl, dass sie irgendwie anders ist. Mit Anfang zwanzig überzeugen sie Scientologen, dass Körper lediglich die Hüllen geschlechtsloser Seelen sind. Sie tritt der Sekte bei und bleibt zwölf Jahre lang ein ranghohes Mitglied. Als sie erfährt, dass die von ihr akquirierten Spendengelder veruntreut wurden, fällt sie vom Glauben ab. Kate verlässt die Sekte und macht sich mutig auf den Weg, ihr eigenes Schicksal zu ergründen.

Teddy Tilly, Jessica Walton: Teddy Tilly möchte eine Teddybärin sein. Doch sie traut sich lange Zeit nicht, ihrem besten Freund davon zu erzählen. Doch dann stellt sie fest, dass sie mit Finn über alles reden kann – und Finn versichert ihr, dass er sie immer lieb haben wird, ob als Bär oder als Bärin.

Nenn mich Kai, Sarah Barczyk: Kai ist trans – so ein Satz ist leicht gesagt. Aber was bedeutet das eigentlich? In “Nenn mich Kai” geht es um innere Grenzen, und um die Frage nach der eigenen Geschlechtsidentität.

George, Alex Gino: George ist zehn Jahre alt, geht in die vierte Klasse, liebt die Farbe Rosa und liest heimlich Mädchenzeitschriften, die sie vor ihrer Mutter und ihrem großen Bruder versteckt. Jeder denkt, dass George ein Junge ist. Fast verzweifelt sie daran. Denn sie ist ein Mädchen! Bisher hat sie sich noch nicht getraut, mit jemandem darüber zu sprechen. Noch nicht einmal ihre beste Freundin Kelly weiß davon. Aber dann wird in der Schule ein Theaterstück aufgeführt. Und George will die weibliche Hauptrolle spielen, um allen zu zeigen, wer sie ist.

Zusammen werden wir leuchten, Lisa Williamson: Es ist Davids vierzehnter Geburtstag und als er die Kerzen ausbläst, ist sein sehnlichster Wunsch … ein Mädchen zu sein. Das seinen Eltern zu beichten, steht auf seiner To-do-Liste für den Sommer – gaaaanz unten. Bisher wissen nur seine Freunde Essie und Felix Bescheid, die bedingungslos zu ihm halten und mit denen er jede Peinlichkeit weglachen kann. Aber wird David jemals als Mädchen leben können? Und warum fasziniert ihn der geheimnisvolle Neue in der Schule so sehr?

Stone Butch Blues, Leslie Feinberg: Buffalo, N.Y. – eine Industriestadt in den sechziger Jahren. Hier verbringt Jess Goldberg ihre Kindheit und Jugend. Jess ist ein Mädchen, doch sie sieht aus wie ein Junge. Mit 15 hält sie es daheim nicht mehr aus. Sie haut ab. Sie sucht sich einen Job. Die Bar Abba’s bietet Jess eine Heimat – eine bunte Gemeinschaft von Butches und Femmes, von Huren und Drag Queens, von Schwarzen und Weißen.

Und morgen sag ich es, Doris Meißner-Johannknecht: Paul ist 10, zieht gerade um und kommt in eine neue Schule. In Berlin war er noch Paula. Doch hier, in der Stadt des deutschen Fußballmeisters, ist alles anders. Wie werden Pauls Mitschüler, wie wird seine Umwelt auf seine Geschichte reagieren? Ich mochte keine Kleider und Röcke. Keine Mädchenschuhe. Ich liebte immer schon die Farben Blau und Grün und Türkis. Spielte am liebsten mit Autos und Lego. Kletterte gerne auf Bäume, machte mich gerne dreckig. Und meine Leidenschaft ist der Fußball. Seit drei Jahren bin ich Paul. Und das fühlt sich gut an. Und richtig.

Von einer, die auszog, ein Mann zu werden, T Cooper: Wann ist ein Mann ein Mann? T Cooper, 40, weiß, Mittelschicht, verheiratet, zwei Kinder, ist ein Mann. Für T Cooper war das schon immer so. Für den Rest der Welt nicht. Dieses Buch erzählt die Geschichte von einer, die auszog, ein Mann zu werden – und dabei haarsträubende Abenteuer erlebte.

Letztendlich sind wir dem Universum egal, David Leviathan: Die Geschichte einer ungewöhnlichen ersten großen Liebe – und ein phantastischer Roman, wie er realistischer nicht sein könnte. Jeden Morgen wacht A in einem anderen Körper auf, in einem anderen Leben. Nie weiß er vorher, wer er heute ist. A hat sich an dieses Leben gewöhnt und er hat Regeln aufgestellt: Lass dich niemals zu sehr darauf ein. Falle nicht auf. Hinterlasse keine Spuren.

Das dänische Mädchen, David Ebershoff: Kopenhagen 1925. Lili Elbe führt mit ihrer Frau Greta, ebenfalls eine Malerin, ein bewegtes Künstlerleben und eine glückliche Ehe. Als Greta sie bittet, in Frauenkleidern für sie Modell zu stehen “verwandelt” sie sich zum ersten Mal in Lili und schon bald ist diese Rolle als Frau mehr als nur ein Spiel. Schließlich steht Greta vor der Frage, was man tut, wenn der Mensch, den man liebt, plötzlich ein ganz anderer ist.

Trans Mission, Alex Bertie: Alex Bertie erzählt in Trans Mission von seiner Transition, die er bereits seit Jahren auf seinem YouTube-Kanal begleitet.

Before I Had The Words, Skylar Kergil: Skylar Kergil hat mit 17 Jahren angefangen Hormone zu nehmen und seine Transition vom ersten Tag an auf YouTube mit großer Offenheit begleitet. In Before I had the words erzählt er all das, was vor der Zeit seines YouTube-Kanal liegt.

To My Trans Sisters, Charlie CraggTo My Trans Sisters sind empowernde Briefe von trans Frauen, die von ihrem Weg, ihren Erfolgen und ihren Schwierigkeiten erzählen. Es kommen Wissenschaftlerinnen, Models, Autorinnen oder auch Schauspielerinnen zu Wort.

Meine Mutter, sein Exmann und ich, T.A. Wegberg: Geschiedene Eltern sind ja schon schlimm genug. Aber wie soll Joschka seinen Freunden bitte erklären, dass seine Mutter jetzt ein Mann ist – dem plötzlich ein Bart wächst und der Frederik heißt? Während seine Schwester Liska sich bemüht, offen mit der Veränderung umzugehen, empfindet Joschka nichts als Widerstand und große Wut. Er zieht zu seinem Vater und will nur noch Abstand von allem. Erst durch den neuen Mitschüler Sebastian, der an einer seltenen Krankheit leidet, und Joschkas Liebe zu der engagierten Emma öffnet er sich schließlich für seine neue Familiensituation. Denn wenn er ehrlich ist, hat sich eigentlich gar nichts Entscheidendes geändert …

Atalanta Läufer_in, Lilly Axster: In einem sensationellen 100-Meter-Lauf gewinnt der bisher unbekannte Lan Gold. Im Moment des größten Triumphes, einer Extrarunde durch das Stadion, wirft der schnellste Läufer der Welt seine Trainingsjacke in die jubelnde Menge. Aus der Jackentasche fällt ein kleines weißes Etwas heraus, das der Silbermedaillengewinner aufhebt – ein Tampon. Nun weiß noch jemand um das Geheimnis: Lan ist eine Läuferin.


Einen schönen Text zur Repräsentation von trans Figuren in Kinderbüchern gibt es übrigens auf Lithub. Und natürlich würde mich interessieren, ob ihr vielleicht noch Ergänzungen habt – welche Bücher kennt ihr? Habt ihr noch Empfehlungen für mich?

Darling Days: Mein Leben zwischen den Geschlechtern – iO Tillett Wright

iO Tillett Wright, geboren 1985 in der Lower East Side von New York, ist Künstler, Schauspieler, TV-Moderator und Autor. In seinem Memoir Darling Days erzählt er poetisch und schonungslos von seiner Kindheit, die geprägt ist von einer überforderten Mutter, einem drogensüchtigen Vater – und der Suche nach der eigenen Identität.

“Gefühle sind wie Orangensaft. Ein schmerzliches Erlebnis fühlt sich so an, als würdest du ein großes, hohes, randvolles Glas Orangensaft trinken. Ein bisschen stechend auf der Zunge, geschmacksintensiv, und voll Fruchtfleisch, das nachher zwischen den Zähnen hängt. Wenn du versuchst jemandem deine Gefühle bei der Sache zu beschreiben, ist das für den ein Glas Orangensaft, das auf dem Weg von dir zu ihm zur Hälfte mit Wasser gestreckt wurde. Das ist zwar immer noch irgendwie Orangensaft, allerdings ganz schön lasch.”

iO Tillett Wright erzählt in Darling Days die beeindruckende Geschichte seines eigenen Lebens, das für ihn lange aus Armut und Drogen bestand – und der Frage, wer er eigentlich ist und sein möchte. iO wächst in der Künstlerszene von New York auf, er schauspielert und ist umgeben von berühmten Menschen. Die Suche nach der eigenen Identität beginnt früh für ihn: als er sechs Jahre alt ist, wird er beim Spielen auf dem Sportplatz von einer Gruppe Jungen ausgegrenzt – weil er ein Mädchen ist. Ab diesem Moment beschließt er, als Junge zu leben. Eine Entscheidung, die von seinem Umfeld sofort akzeptiert und nicht ein einziges Mal in Frage gestellt wird. Doch auch als Junge wird das Leben für iO nicht wirklich leichter – Verlässlichkeit und Fürsorge erfährt er kaum, stattdessen schieben sich die getrennt lebenden Eltern – die beide drogenabhängig sind – die Verantwortung für ihr Kind gegenseitig zu. Besonders schwierig ist das Verhältnis zu seiner Mutter, die manchmal zugewandt und freundlich sein kann, aber auch unberechenbar, aufbrausend und lieblos ist. Die guten Tage werden immer seltener, aber dafür umso wertvoller – iO nennt sie Darling Days und schreibt an einer Stelle: “Das sind die Darling Days, wenn alles gut ist und das Ungeheuer schläft.”

“Es tut mir leid für dich, dass deine Besessenheit von was auch immer so grausam in dir wütet. Es tut mir leid, dass du öfter dieses Horrorwesen bist als der Mensch, den ich liebe. Es tut mir leid, dass ich dich jetzt häufiger hasse als liebe.”

iO Tillett Wright erzählt in Darling Days sein ganzes bisheriges Leben nach: von der frühen Kindheit, bis ins Jahr 2008. Es ist beeindruckend, wie er sich von seiner Herkunft befreit, und sich die Chance dazu erarbeitet, ein besseres Leben zu leben. Die Suche nach der eigenen Identität steht dabei gar nicht so sehr im Vordergrund, sie wird nie problematisiert oder als Belastung empfunden – fast beiläufig wird erzählt, wie iO immer wieder zwischen den beiden Geschlechtern schwankt. Es geht vielmehr um das Aufwachsen ohne stabile Bezugspersonen, ohne das Gefühl, sich fallen lassen zu dürfen und aufgefangen zu werden – was macht es mit einem Kind, keine verlässlichen Eltern zu haben? Was macht die fehlende Sicherheit, am nächsten Tag noch genügend zu essen oder ausreichend frische Kleidung zu haben?

Die Sprache in Darling Days ist poetisch und schonungslos – stellenweise fast so schonungslos, dass es beim Lesen schmerzt. Für mich ist Darling Days eines der wichtigsten Bücher der vergangenen Monate, weil iO Tillett Wright sich nicht nur auf beeindruckende Art und Weise mit seiner Kindheit auseinandersetzt, sondern ganz nebenbei auch mit seiner eigenen Identität: es geht um Themen wie Geschlechterrollen und die Frage, wie man herausfindet, was man sich für seine Sexualität wünscht. All das erzählt iO Tillett Wright offen, mutig und frei von Angst und Scham. Seine Eltern haben ihn während seiner gesamten Kindheit mit vielem allein und im Stich gelassen – sie haben ihn nicht versorgt, sie waren nicht präsent, sie waren nicht verlässlich – doch den Wunsch, ein Junge zu sein und einen anderen Namen haben zu wollen, haben sie immer und ohne zu zögern unterstützt und damit das Fundament dafür gelegt, dass iO seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen trauen konnte.

“Ich empfinde eine Einsamkeit epischen Ausmaßes, eine dumpfe Angst, dass mich nie jemand verstehen wird, dass nie jemand meine inneren Verletzungen erkennen wird, und erst recht nicht verstehen wird, wie viel es mir abverlangt, jeden Tag vorzugeben, ich verstünde, wie Menschen miteinander umgehen und was in bestimmten Situationen von mir erwartet wird, Neues blitzschnell lernen zu müssen. Ich bezweifle, dass mich jemand wirklich lieben wird, denn keiner wird das je kapieren.” 

Ich wünsche dem Buch so viele Leser und Leserinnen wie möglich, auch weil die Geschichte von iO für mich ganz persönlich eine wichtige Geschichte ist – und weil ich glaube, dass es auch heute immer noch wichtig ist, dass diese Geschichten erzählt und gelesen werden. Ich durfte das Buch auch im Kulturkaufhaus Dussmann empfehlen und war schockiert, als ich erfahren habe, dass irgendjemand dort, die Cover der ausgelegten Bücher zerstört hat. Ebenso schockiert war ich darüber, dass ich diese Besprechung – anders als geplant – nicht unter meinem neuen Namen in der Neuen Osnabrücker Zeitung veröffentlichen durfte. Deshalb: Darling Days ist eine große und wichtige Empfehlung – für alle, die selbst auf der Suche nach ihrer Identität sind und alle, die ihre Mitmenschen besser verstehen wollen.

iO Tillett Wright: Darling Days. Mein Leben zwischen den Geschlechtern. Übersetzt von Clara Drechsler und Herbert Hellmann. Suhrkamp, 2017. 436 Seiten, 15,95€.

Hallo, ich bin’s – Linus.

Ich teilte in den vergangenen Jahren auf meinem Blog immer wieder persönliche Veränderungen mit euch – sei es der Tod meines Hundes Bandit oder auch den einen oder anderen beruflichen Neuanfang. Es ist mir wichtig, euch nicht nur Bücher zu empfehlen, sondern dabei so authentisch zu sein, wie mir das möglich ist. Über eines habe ich zwar schon auf meinen sozialen Kanälen gesprochen, aber hier zuvor noch nie – und das möchte ich endlich ändern. Aus diesem Grund werde ich euch heute von der vielleicht wichtigsten Veränderung in meinem Leben erzählen.

Ich möchte euch nicht nur von einer kleineren Veränderung erzählen, sondern von einem turning point – dem wohl größten und wichtigsten Wendepunkt in meinem Leben. Es ist etwas mehr als einen Monat her, dass ich in einer Starbucks Filiale in Frankfurt zum allerersten Mal den Namen gesagt habe, den ich mir schon so lange für mich selbst wünsche. In fast allen Starbucks-Filialen wird man ja nach dem Namen gefragt, damit es später keine Verwechslungen gibt. An diesem Tag war meine Antwort Linus – ich erinnere mich noch ganz genau an die Situation, ich war sehr aufgeregt und habe fast vergessen, was ich eigentlich bestellen wollte, aber für mich hat sich etwas noch nie so passend angefühlt, wie in diesem Moment. Übrigens: den besagten Becher habe ich immer noch, er steht neben mir auf der Fensterbank. Für manche ist es nur ein Kaffeebecher, den sie wieder in den Müll werfen, für mich ist dieser Becher der Weg in ein Leben gewesen, das sich endlich richtig anfühlt und der Name ein Name, den ich mir schon seit Jahren für mich wünsche.

Mich zum ersten Mal Linus zu nennen, war eine Befreiung – seitdem fühle ich mich wesentlich wohler, glücklicher und selbstbewusster. Mich quält seitdem aber auch die Frage, wie ich euch davon erzählen kann. Viele von euch begleiten mich seit mehreren Jahren und haben mich als Buchblogger kennen- und schätzengelernt. Ich verspreche euch: ich werde dieser Mensch bleiben, ich liebe es zu bloggen und werde das auch hoffentlich in den kommenden Jahren mit Begeisterung tun. Ich weigere mich nur, mich weiter selbst in eine Schublade zu stecken, in die ich nicht gehöre und in der ich nicht mehr sein möchte: ich bin keine Bloggerin – seit vielen Jahren ist mir klar, dass ich keine Frau bin. Ich wünsche mir deshalb von euch, dass ihr mich auch an diesem Ort ab jetzt Linus nennt.

Mir ist es zuvor noch nie so schwer gefallen, einen Blogbeitrag zu schreiben – ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich euch davon erzählen möchte. Es ist mir wichtig, mein Glück, meine Geschichte und meine Identität nicht mehr länger nur für mich zu behalten, sondern all das mit euch zu teilen. Gleichzeitig hoffe ich, dass ich mit dieser Offenheit vielleicht auch andere ermutigen kann, zu sich zu stehen und so zu leben, wie sie sich ihr Leben wünschen – ganz ohne Scham und Angst.

Ich zeige und offenbare mich euch in der Hoffnung, dass ihr mich so akzeptieren könnt, wie ich bin und wie ich mich fühle. Wer weitere Informationen braucht, dem empfehle ich diese Seite – desweiteren dürft ihr mich natürlich auch alles fragen, was euch vielleicht unklar sein mag oder beschäftigt.

Von einer, die auszog, ein Mann zu werden – T Cooper

T Cooper wurde 1972 in Los Angeles geboren. Bisher erschienen zwei Romane von ihm, “Beaufort” und “Lipshitz”. Besonders für “Lipshitz” erhielt er vom Feuilleton viel Lob und Aufmerksamkeit. T Cooper lebt heutzutage in New York und veröffentlicht mit ” Von einer, die auszog, ein Mann zu werden”, das im Arche Verlag erschienen ist, sein drittes Buch in Deutschland. Übersetzt wurde das Buch, das im Original “Real Man Adventures” heißt, von Volker Oldenburg. Auf Largehearted Boy gibt es eine hörenswerte Playlist zum Buch.

T Cooper lebt auf den ersten Blick ein wenig aufregendes Leben: er ist weiß, verheiratet, Bürger der Mittelschicht und heterosexuell. Und er ist ein Mann. T Cooper ist sichtbar. Doch wenn man einen zweiten, einen genaueren Blick, auf ihn wirft, wird deutlich, dass der äußere Eindruck nicht unbedingt der Wirklichkeit entspricht.

“Wenn man die oberste Schicht abkratzt, bin ich schon etwas weniger sichtbar: ein Jude. Löst man die nächste Schicht ab, verschwinde ich noch mehr, weil ich nicht richtig weiß bin. Die meisten Leute halten mich auf den ersten Blick für einen Puerto Ricaner oder Araber, jedenfalls nicht für einen Weißen. […] Dann geht es an die letzte Schicht, die Schicht, die ich mir ohne fremde Hilfe (oder ohne Hilfe der Natur) zugelegt habe. Reiß sie schnell ab, bevor ich etwas merke. Es tut höllisch weh, aber wenn du schnell machst, so wie ich gesagt habe, geht der Schmerz rasch vorbei. Und dann bin ich so gut wie unsichtbar.”

Als der Roman “Lipshitz” vor einigen Jahren erschien, wurde bei den biographischen Angaben über den Autor vermieden, das Geschlecht zu nennen. Das abgedruckte Foto lieferte keine klare Antwort, es hätte sich um einen Mann, aber auch um eine Frau handeln können. In englischsprachigen Medien wurde der Autor bereits früh, bis auf wenige Ausnahmen, als “er” bezeichnet. Die Tatsache, dass T Cooper eine Frau gewesen ist, sich aber dazu entschieden hat, als Mann zu leben, war ein offenes Geheimnis: nie thematisiert, doch allgemein bekannt. T Cooper hat sich in seinem autobiographischen Roman “Von einer, die auszog, ein Mann zu werden” dazu entschieden, dieses Geheimnis auszusprechen und darüber zu schreiben. Zum Vorbild hat er sich den Autor Darin Strauss genommen, der sich in “Mein halbes Leben” von der Last eines fürchterlichen Autounfalls befreit hat, der ein Menschenleben forderte.

“Ich schätze also, dieses Buch ist ein Versuch, meine eigene Sichtweise zu präsentieren, damit ich allein verantwortlich dafür bin, wenn das Ganze nach hinten losgeht.”

T Cooper wurde nicht als Mann geboren und ist laut biologischen Kriterien auch kein Mann und doch hat er sich entschieden, als Mann zu leben. Er bezeichnet sich selbst als einen heterosexuellen Mann. Den Impuls, dieses Buch zu schreiben, hat er zum Anlass genommen, sich auch seinen Eltern gegenüber zu outen.  

“Liebe Mom, lieber Dad, ich weiß, das ist ein großer Schock für euch und erst recht eine riesige Enttäuschung, aber ich muss euch etwas sagen, und ich hoffe, ihr sitzt. […] Ich bin nicht nur nicht lesbisch, ich bin sogar so was nicht nicht lesbisch, dass ich verlobt bin, und außerdem bin ich jetzt Stiefvater der beiden wunderhübschen blonden Kinder meiner zukünftigen Frau. Wir wohnen alle zusammen in einem hübschen Haus mit vier Schlafzimmern, zwei Badezimmern plus Gästetoilette, haben zwei Hybridautos, zwei Pitbulls aus dem Tierheim und eine grau-weiße Katze, die ich nicht besonders mag.”

Für T Coopers Eltern war es bereits schwer zu akzeptieren, dass ihre Tochter, die sich in Frauen verliebt, lesbisch ist. Mit der Tatsache umzugehen, dass sich ihre Tochter als “Kerl” sieht und auch so wahrgenommen werden möchte, gestaltet sich noch einmal schwieriger. Dieser Brief an seine Eltern ist der Ausgangspunkt für “Von einer, die auszog, ein Mann zu werden”. Es folgen 46 kurze Kapitel, die durch eine Reihe an Zeichnungen und Bildern ergänzt werden. Das Buch lässt sich als autobiographischer Roman lesen, als Erinnerungsbuch, als Autobiographie. T Cooper spielt mit unterschiedlichen Textformen, in seinem Buch finden sich Interviews, Haikus und kurze griffige Erinnerungenssequenzen, die aus sechs Wörtern bestehen. Vieles von dem, was er schreibt ist unterhaltsam, vieles ist mit einer lustigen Anekdote angereichert, aber es wird auch immer wieder eine ungeheure Wut spürbar. Wut und Angst sind die dominierenden Gefühle dieses Textes. Wut über die ungerechte Behandlung und Angst davor, ausgegrenzt und angegriffen zu werden.

“Ab einem gewissen Punkt bin ich einfach nur ein Mann, der Bücher schreibt, sich für Pitbull-Terrier einsetzt, Jazz aus den Anfängen des zwanzigsten Jahrhunderts und Hip-Hop mag, auf alte Flugzeuge abfährt, eine reizende Frau und zwei Kinder hat – und kein Transmann, der all das zusammen ist.”

In unserer heutigen Welt sollte es eigentlich schwer vorstellbar sein, dass Menschen, wie T Cooper, mit der Entscheidung, wie sie leben wollen, auf Ablehnung, Intoleranz und Unverständnis stoßen könnten und doch erfährt T Cooper genau dies beinahe täglich. Die fehlende Akzeptanz beginnt bei ihm schon im engsten Umkreis, bei der Familie, bei Verwandten und bei Freunden, die sich weigern, ihn als Mann anzusprechen und die nicht aufhören können, sich an T Cooper als kleines Mädchen zurückzuerinnern. Aber auch in anderen Zusammenhängen ist es nicht leicht für ihn, Verständnis für sich und seine Lebensform zu finden: ein Antrag auf Änderung seines Reisepasses wird abgelehnt, eine Rezensentin bezeichnet ihn trotz besseren Wissens wiederholt als Frau.

Die Wut auf die fehlende Toleranz seiner Mitmenschen und das mangelnde Verständnis von Behörden und Institutionen, ist spürbar und immer präsent in diesem Buch. Aber es gibt nicht nur Wut, sondern auch Angst. T Cooper hat Angst um sein Leben, er befürchtet körperliche Gewalt und Übergriffe. Eine Angst, die angesichts dessen, was mit James Byrd, Matthew Shepard und Brandon Teena passiert ist, sicherlich nicht unberechtigt ist. T Cooper hat die Beobachtung gemacht, dass “das Klima, in dem wir leben, nicht freundlicher, sondern zunehmend feindseliger und bedrohlicher wird.”

“Es ist viel einfacher zu sagen, dass etwas defekt gewesen ist und repariert werden musste. Dass Gott ein Fehler unterlaufen ist. Dass ein Mädchenkörper aus Versehen das Gehirn eines Jungen abbekommen hat. Oder umgekehrt. Denn die meisten Leute haben für Fehler Verständnis. Sogar Religionsfanatiker haben das: Liebet den Sünder, aber hasst die Sünde. Sie verstehen, dass etwas schiefgelaufen ist und nach ein paar Korrekturen wieder stimmt. Weil alles andere zu kompliziert wäre. Zu anstrengend. Nicht schwarz-weiß genug. Zu diffus. Zu Mann-ohne-Penis. Zu Frau-mit. Passt. Nicht. Ins. Weltbild. Aber ich bin kein ‘Mann, der im Körper einer Frau geboren wurde’, und ich habe es auch nicht ‘immer schon gewusst’.”

“Von einer, die auszog, ein Mann zu werden” ist eine Mahnung, eine Mahnung an uns alle und unseren Umgang mit Andersartigkeiten, mit anderen Lebensentwürfen und Dingen, die uns fremd sind. Das Buch ist ein Aufruf an die Toleranz, an den Respekt und an die Offenheit, die wir eigentlich alle besitzen sollten.

T Cooper hat mit “Von einer, die auszog, ein Mann zu werden” ein wütendes Buch vorgelegt, einen autobiographischen Roman, der trotz aller Offenheit nicht zu viel über den Autor als Privatperson verrät. T Cooper selbst bezeichnet sein Buch als “ein Sachbuch zum Thema Männlichkeit mit ein paar autobiographischen Elementen”. “Von einer, die auszog, ein Mann zu werden” ist ein mutiges Buch und ein wichtiger Text, nicht nur, für diejenigen, die als Transgender oder Transsexuelle leben, sondern auch für die Angehörigen und für diejenigen, die noch nicht wissen, wie sie leben möchten.

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