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Bilderbuch

Von mutigen Forscherinnen und brillianten Künstlerinnen

Wenn Kinder zu mir in den Buchladen kommen, überlege ich mir immer: was würde ich ihnen gerne mit auf den Weg geben? Was sollte das eine sein, was sie in Kinderbüchern lernen? Mir haben Bücher fast alles beigebracht, was ich heute weiß – sie haben mich gelehrt zu leben, zu lieben und zu trauern. Doch eine der wichtigsten Funktionen, die Bücher – gerade auch Kinderbücher – haben können, ist, dass sie die Geschichte von Menschen erzählen, die für uns Vorbild und Inspiration sein können.

Ich möchte heute vier Kinderbücher vorstellen, die einen Blick in das Leben von vier ganz besonderen Frauen ermöglichen: Ada Lovelace, Frida Kahlo, Louise Bourgeois und Sylvia Earle.


Ada Lovelace kam Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zur Welt und war ein mathematisches Wunderkind – ausgestattet mit ganz viel Phantasie. Wenn man heutzutage über große Erfindungen rund um den Computer spricht, spricht man zumeist von Bill Gates oder Steve Jobs – es war jedoch Ada Lovelace, die das weltweit erste Computerprogramm entwickelte.

Sie war die Tochter von Anne Isabelle Milbanke und Lord Byron – die Mutter war Mathematikerin, der Vater ein berühmter Dichter, der ebenso talentiert wie sprunghaft war. Seine Familie ließ er früh im Stich, seine Tochter lernte er nie wirklich kennen. Mit sechzehn Jahren wird Ada in das gesellschaftliche Leben eingeführt und trifft auf Persönlichkeiten wie Charles Dickens, Michael Faraday und Mary Fairfax Somervile. In einem dieser Salons begegnet sie schließlich auch Charles Babbage, einem Ingenieur, Mathematiker und Erfinder. Gemeinsam mit ihm entwickelte sie die analytische Maschine, die jedoch nur auf dem Papier existierte und nie umgesetzt wurde. Für eine Umsetzung fehlten die finanziellen Mittel, zudem verstarb Ada Lovelace bereits mit sechsunddreißig Jahren.

Fiona Robinson erzählt in Ada Lovelace und der erste Computer die beeindruckende Geschichte einer klugen und inspirierenden Frau, die ihr ganzes Leben lang darum kämpfte, ihre Ideen ausleben und umsetzen zu dürfen. Ergänzt wird der Text von wunderbaren Zeichnungen, die mit japanischen Aquarellfarben angefertigt und danach ausgeschnitten und neu zusammengestellt wurden. Durch diesen Effekt tauchen die Leser und Leserinnen beim Lesen tatsächlich in die Geschichte und die Ideenwelt von Ada Lovelace ein.

Es war einmal ein Mädchen namens Ada, das davon träumte, ein dampfbetriebenes fliegendes Pferd zu bauen. Damit brachte sie ihre Mutter zur Verzweiflung, denn die wollte, dass Ada mit beiden Beinen fest auf dem Boden blieb. Sie wollte, dass ihre Tochter heiratete und das gewöhnliche Leben einer englischen Lady aus dem neunzehnten Jahrhundert führte, Doch mit ihren Ideen setzte sich Ada Lovelace weit über das Gewöhnliche hinweg. Sie wurde die erste Computerprogrammiererin der Welt.

Fiona Robinson: Ada Lovelace und der erste Computer. Knesebeck Verlag, 2017. Übersetzt von Carolin Müller. 12,95€, 40 Seiten. Altersempfehlung: ab 6 Jahren.


Monica Brown widmet sich in diesem wunderbaren Bilderbuch den Tieren von Frida Kahlo. Was erstmal ungewöhnlich klingt, ist doch recht nahe liegend: Die Werke von Frida Kahlo gehören zu den bedeutendsten der Kunstgeschichte – und auf vielen von ihnen kann man immer wieder die Haustiere der Künstlerin entdecken. Im Bilderbuch Erwähnung finden zwei Affen, ein Papagei, drei Hunde, zwei Truthähne, ein Adler, eine schwarze Katze und ein Rehkitz.

Doch Monica Brown stellt nicht nur Fridas Tiere vor, sondern deutet auch hier und da an, wie vielschichtig ihr Leben darüber hinaus gewesen ist. So wird auch Frida Kahlos Beziehung zu Diego Rivera thematisiert – genauso wie ihre schwere Erkrankung. Frida Kahlo erkrankte mit sechs Jahren an Polio und wurde mit achtzehn Jahren bei einem Busunfall schwer verletzt – seitdem hatte sie ihr Leben lang mit Schmerzen und gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen.

Die Zeichnungen sind wunderschön farbenprächtig und lebendig. Doch das Schönste ist vielleicht die Botschaft, die in diesem Buch steckt: manchmal können geliebte Tiere und eine große Leidenschaft dabei helfen, mit Einschränkungen und Schmerzen zurecht zu kommen. Oder wie Monica Brown schreibt: “Ihre Kunst ist auch ein Geschenk an diejenigen, die still mit einer Krankheit zu kämpfen haben. Frida benutzte ihre Pinsel, um aus Schmerz Schönheit zu machen und inmitten von Leid Kraft zu finden.

Monica Brown: Frida Kahlo und ihre Tiere. Nord-Süd Verlag, 2017. Übersetzt von: Elisa Martins. 15€, 40 Seiten. Altersempfehlung: 4 – 6 Jahre.


Amy Novesky erzählt in Lied für Louise die Geschichte der weltberühmten Bildhauerin Louise Bourgeois. Louise Bourgeois wurde 1911 in Paris geboren und starb fast hundertjährig 2010 in New York City. Berühmt wurde sie mit ihrem Werk vor allem auch deshalb, weil es ihr gelang in ihren Kunstwerken immer wieder ihre eigene Vergangenheit und Lebensgeschichte zu verweben.

Bevor ich das Buch aufschlug, wusste ich nicht, wer Louise Bourgeois war – nach dem Lesen bin ich tief eingetaucht in das Leben einer faszinierenden Frau und Künstlerin. Das Buch erzählt von ihrer Kindheit, der liebevollen Mutter und von dem Moment, in dem Louise Bourgeois damit beginnt, durch die Kunst ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

“Louise studierte noch, da starb ihre Mutter, der Tod brauch ihr das Herz. Sie fühlte sich völlig verlassen. Wie ein abgerissener Faden. Sie kehrte dem Mond und den Sternen den Rücken und verschrieb sich der Malerei. Darüber hatte sie schon so viel gelernt.”

Ergänzt wird die Lebensgeschichte der Künstlerin durch wunderbare Zeichnungen von Isabelle Arsenault. Ich glaube, dass es tatsächlich kaum ein schöneres Buch geben kann, um Kinder an so etwas wie Kunst und Kreativität heranzuführen.

Illustriert von Isabelle Arsenault und geschrieben von Amy Novesky: Lied für Louise. Das bunte Leben von Louise Bourgeois. Seemann Henschel, 2016. 40 Seiten, 16,95€. Altersempfehlung: ab 8 Jahren.


In “Das blaue Herz des Planeten” wird die Geschichte der Meeresforscherin Sylvia Earle erzählt: Sie war dreizehn Jahre alt, als sie zum ersten Mal im Golf von Mexiko tauchte. Von diesem Moment an kannten ihre Liebe zum Meer und ihr Forscherdrang keine Grenzen mehr. Zusammen mit ihrer Taucher*innenbrille tauchte Sylvia immer tiefer und tiefer und blieb dabei immer länger und länger in der Unterwasserwelt. Sylvia Earle machte schließlich ihre Leidenschaft zum Beruf und wurde Meeresforscherin.

Das Buch vermittelt einerseits einiges an Wissen darüber, warum Gewässer so wichtig sind für unser Leben und wieso wir sie deshalb schützen müssen und pfleglich mit ihnen umgehen sollten – Sylvia Earle war nicht nur eine große Forscherin, sondern auch eine engagierte Umweltschützerin. Andererseits erzählt Claire Nivola die inspirierende Geschichte eines jungen Mädchens, die Forscherin wurde. Das ist eine Geschichte, die oft noch viel zu selten erzählt wird.

Claire A. Nivola: Das blaue Herz des Planeten. Verlag Freies Geistesleben. 40 Seiten, 16€. Altersempfehlung: ab 6 Jahren.

Klär mich auf!

Ich habe hier schon öfter über meine Liebe für queere und vielfältige Kinderbücher geschrieben – wonach ich zuletzt immer wieder gefragt wurde, waren Kinderbücher, die sich mit dem Thema Aufklärung beschäftigen. In den letzten Tagen habe ich viel recherchiert und durch einige Bücher geblättert, um euch eine kleine Auswahl vorstellen zu können.

Sehr prägend bei diesem Thema war für mich eine Begegnung mit einer Kundin, die auf der Suche nach einem Kinderbuch war, um ihrem Kind erklären zu können, wo es herkommt – das Kind entstand durch eine Samenspende und wächst bei heterosexuellen Eltern auf. Erst nach langer Recherche fanden wir eine Autorin, die im Kleinstverlag ein Buch anbot, das sich mit dieser Lebensrealität beschäftigt.

Ich empfinde so etwas immer wieder als schade und erschreckend, denn ich bin überzeugt davon, dass es unglaublich wichtig ist, Kinder aufzuklären – und ihnen dafür Bücher vorzulesen, in denen sie sich selbst, ihr Leben und ihre Familie wiederentdecken können.

Ich hoffe, in meinen Vorschlägen werdet ihr vielleicht fündig!


Dieses Kinderbuch erzählt die Geschichte von Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt so, dass sich auch Adoptivfamilien, gleichgeschlechtliche Elternpaare und mit künstlicher Befruchtung gezeugte Kinder darin wiederfinden. Es verzichtet auf alles, was nur bei klassischen Kleinfamilien passt, und zeigt, was wirklich allen Menschen gemeinsam ist. Eine einzigartige Hilfe für die Sexualaufklärung im Vorschulalter.

Altersempfehlung: 4 bis 6 Jahre, erschienen im Mabuse Verlag.


Das ist Lotta. Und das ist Lottas Papa. Aber wie sind die beiden zusammen gekommen? Diese Frage stellen alle Kinder irgendwann. Lottas Papa heißt Tobias, er hat ein glückliches Leben, Freundinnen und Freunde und er möchte ein Kind. Und wie Lotta in seinem Bauch wachsen kann, ist gar nicht so kompliziert, wie manche Erwachsene denken. Ein tolles Buch für alle, die Geschlecht nicht nur zweidimensional und Familie nicht nur als Mama-Papa-Kind denken wollen. Und eines der ersten – oder das erste? – deutschsprachige Bilderbuch, das Transgeschlechtlichkeit thematisiert.

Altersempfehlung: 0 bis 3 Jahre alt, erhältlich bei Fembooks.


Wo kommen die Babys her? Muss ich immer mutig sein? Warum weint man manchmal, auch wenn einem nichts wehtut?

Kinder haben viele Fragen und es ist oft gar nicht so einfach, die passenden Antworten zu finden. Dieser Sammelband hilft, mit Kindern ehrlich, offen und altersgerecht über die Dinge zu sprechen, die sie bewegen. Einfühlsame Geschichten rund um die Themen Liebe, Sexualität und Emotionen erleichtern das Sprechen über eigene Gefühle und Erlebnisse. Das hilft Kindern, sich in ihrem sozialen Umfeld besser zurechtzufinden und stärkt ihr Selbstbewusstsein.

Altersempfehlung: ab 5 Jahren, erschienen im Loewe Verlag.


Wie viel Aufklärung brauchen Kinder im Grundschulalter? So viel, wie sie selbst wollen, sagen Fachleute. Und was wollen Kinder wissen? Das sehen Sie auf den handgeschriebenen Zetteln, die in diesem Buch abgebildet sind. All diese Zettel holt die erfahrene Sexualpädagogin Katharina von der Gathen aus einem anonymen Briefkasten, wenn sie mit Grundschulkindern über Körper, Liebe und Sexualität spricht. Unser Block versammelt die wichtigsten dieser Fragen und gibt Antwort – warmherzig und mit viel Gespür für das, was Kinder wirklich wissen wollen.

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen bei Klett Kinderbuch.


Nach „Klär mich auf!“ könnte man denken, es sei alles zum Thema gesagt. Doch weit gefehlt: Die Kinder, mit denen Katharina von der Gathen über Sexualität spricht, werfen immer neue Fragenzettel in den anonymen Briefkasten.

“Wie machen Rollstuhlfahrer Sex?”
“Was ist der Unterschied zwischen Verknallt und Verliebt?”
“Warum heißt es Vögeln?”

Manchen dieser Fragen ist anzumerken, dass die Kinder aus dem Internet einiges aufschnappen, was sie nicht verstehen. Das beschäftigt sie und sie wollen es ganz genau wissen. Wie gut, dass sie hier ehrliche und einfühlsame Antworten bekommen, die sie je nach Bedarf lesen oder überblättern können – und dazu wieder grandios lustige Bilder von Anke Kuhl.

Altersempfehlung: ab 10 Jahren, erschienen bei Klett Kinderbuch.


Heute ist ein wunderschöner Tag. Luzie, Pepe, Seval, Felix und Niki spielen im Garten. Sie veranstalten eine Wasserschlacht, bekommen Puppenbabys, sehen genau nach, ob es Mädchen oder Junge sind und genießen es, sich gegenseitig zu untersuchen. Wenn da bloß Kai nicht wäre, der ihr Doktorspiel stört! Doch schließlich werden sie damit auch fertig. Dieses Bilderbuch begleitet Mädchen und Jungen bei der Entdeckung ihres Körpers, fördert das Vertrauen der Kinder in die eigene sinnliche Wahrnehmung und stärkt ihre Fähigkeiten, sich gegen sexuelle Übergriffe zu wehren. Sexuelle Übergriffe unter Kindern werden in den letzten Jahren stärker zur Kenntnis genommen. Vielfach wissen Erwachsene nicht, wie sie damit umgehen können. Daher wurde dieser kompletten Neubearbeitung ein Ratgeber für Eltern und pädagogische Fachkräfte beigefügt, für das Bernd Eberhardt mit zeichnet.

Altersempfehlung: 4 bis 6 Jahre, erhältlich bei Zartbitter.


Sina, Tim und ihre Freundinnen und Freunde spielen gerne Mutter-Vater-Kind und Doktor. Jedes Kind bestimmt, von wem es untersucht werden will. Alle sind vorsichtig und machen nur, was den anderen gefällt.

Ein Bilderbuch über Zärtlichkeit und Doktorspiele.

Altersempfehlung: 3 bis 6 Jahre, erschienen bei Zartbitter.


Körper und Gefühle, Zärtlichkeit und Sinnlichkeit, Lust und Liebe sind die Themen, um die das neue Buch von Lilly Axster und Christine Aebi kreist. Aus dem Blickwinkel eines Mädchens wird von einer Projektwoche in der vierten Klasse Volksschule erzaählt, in der Sexualerziehung am Lehrplan steht. Dabei werden auf unverkrampfte Weise und ohne Peinlichkeit die vielseitigen Facetten von Sexualität dargestellt, sowie Wünsche, Ängste und Vorurteile durch Bild und Text offen, alltagsnah und lebendig zur Sprache gebracht.

Altersempfehlung: ab 10 Jahren, mehr Infos auf der Homepage zum Buch.


Liebe und Sex sind Themen, die Kinder an der Grenze zur Pubertät brennend interessieren. »Total normal« erklärt, informiert und regt zu gemeinsamen Gesprächen über den Körper an.

Wie verändert sich mein Körper, wenn ich größer werde? Was passiert bei der ersten Periode oder dem ersten Samenerguss? Wie entsteht eigentlich ein Baby? »Total normal« sind alle diese Fragen und genauso selbstverständlich, offen und sensibel gibt dieses Buch Antworten auf das, was Mädchen und Jungen schon immer über Sex wissen wollten. Natürlich auch dabei sind aktuelle Themen wie sexuelle Inhalte im Internet und die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten.

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen im Beltz Verlag.


“Wie machen das die Tiere?” Das wollen Kinder immer besonders dringend wissen, wenn unsere Autorin Katharina von der Gathen mit ihnen über ihr Buch „Klär mich auf!“ spricht. Sie begann zu forschen und stieß auf einen überwältigenden Reichtum an Verführungskünsten, Liebesspielarten und Familienformen – mehr als genug für ein ganzes Buch. Hier erfahren wir etwas über die Zärtlichkeit der Skorpione und die Brutalität der Bettwanzen, über schaurige Rivalität im Bauch der Hai-Mutter und die liebevolle Fürsorge mancher Tierpapas für ihren Nachwuchs. Von der Vielfalt dieser Beziehungsformen kann der Mensch sich noch einiges abschauen – manchmal auch besser nicht! Anke Kuhl ist an die Illustration so ernsthaft herangegangen wie an ein klassisches Naturkundekompendium. Zugleich bietet das Thema eine ideale Spielwiese für ihren unnachahmlichen Witz. Und die Ausklappseiten („Tierbaby-Schau“, „Penis-Galerie“ etc.) sind ein Fest!

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen bei Klett Kinderbuch.


Das zweite PIXI-Buch des Deutschen Kinderhilfswerkes macht das Kinderrecht auf Schutz vor Gewalt und Misshandlung für 3- bis 6-Jährige verständlich. In einfacher Sprache wird erzählt, wie Kinder selber erkennen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn ihnen Gewalt angetan wird. Weder die Eltern noch sonst jemand darf ihnen wehtun.

Altersempfehlung: 3 – 6 Jahre, hier erhältlich.


Ich hoffe, dass das eine oder andere Buch auch für euch und eure Kinder dabei ist – und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr meine Auswahl mit eigenen Tipps ergänzen könntet. Es gibt bestimmt noch so viel mehr, dass ich nur noch nicht entdeckt habe.

Wer noch weiter stöbern möchte, der kann das gerne tun: auf meinem Blog gibt es noch Empfehlungen für Kinderbücher über Regenbogenfamilien und außerdem Büchertipps zum Thema trans. Zudem gibt es die Broschüre Himmelblau und Rosarot mit vielen weiteren tollen Büchertipps. Auch auf dem Blog mama-notes gibt es schöne Tipps für feministische Kinderbücher und mehr Diversity in Kinderbüchern.

Geschlechterklischees, nein danke!

Ich arbeite seit mehr als eineinhalb Jahren als Buchhändler und eines der Dinge, die mich zu Beginn am meisten überraschten, war, wie stark viele Eltern in Geschlechterrollen verhaftet sind. Wenn Kunden und Kundinnen explizit nach Büchern für Jungen oder für Mädchen suchen, würde ich immer am liebsten sagen Bücher haben doch kein Geschlecht. Aber die Vorstellung bestimmter Rollenerwartungen und Geschlechterklischess scheint einfach fest verankert zu sein. Und das mehr denn je. Für alle Eltern, die etwas außerhalb der klassischen Geschichten über Prinzessinnen und Feuerwehrmänner suchen, habe ich ein paar Empfehlungen zusammengestellt.

(Die Zeichnung stammt aus dem Buch LIED FÜR LOUISE von Amy Novesky und Isabelle Arsenault.)

“Es ist ein Mädchen und da geht es aber um einen Traktor.” – “Ich glaube, dass es für einen Jungen nicht gut sein kann, wenn ein Buch eine weibliche Hauptfigur hat.” – “Sie wissen ja was Jungs mögen – Bagger, Traktoren und die Müllabfuhr. So sind sie halt.”

Vor meiner Arbeit im Buchladen habe ich mich kaum mit Kinderbüchern beschäftigt, abgesehen von dem einen oder anderen Jugendbuch, das ich las. Als ich damit anfing, mich durch die klassischen Kinderbücher zu lesen, schwankte ich zwischen Unglauben und Enttäuschung: die Rollenvorstellungen bei Conni oder Bobo Siebenschläfer sind klassisch und konservativ. Während die Mutter zu Hause bleibt und den Haushalt erledigt, geht der Vater arbeiten – und natürlich macht das Mädchen Mädchendinge und der Junge Jungendinge. Was ich daran besonders schade finde, ist, dass es eigentlich tolle, diverse und vielfältige Alternativen gibt – wir müssen sie alle nur lauter und nachdrücklicher empfehlen. Bücher prägen unser Weltbild und unsere Lebensvorstellung, deshalb glaube ich, dass es unglaublich wichtig ist, dass Kinder auch Bücher über starke handlungsmächtige Mädchen lesen – genauso wie über rollenuntypische Jungen.

Ich hoffe, ihr werdet in meinen Vorschlägen fündig – in allen Büchern geht es um Klischees, die aufgebrochen werden und um Kinder, die irgendwie anders sind!


Schon die Kleinsten verstehen sofort: Hier geht`s um zwei, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sorum ist groß, Anders ist klein. Sie ist aus Watte, er ist aus Stein. Wie praktisch, wenn einer Milchreis liebt und der andere Möhren. Was für ein Glück, dass nur einer laut ist und der andere lieber leise. Und wie spaßig, wenn einer aufrecht und der andere auf Händen läuft!
In knappen Reimen und plakativen, fröhlichen Illustrationen zeigt das neue Pappbilderbuch von Yvonne Hergane und Christiane Pieper, dass es die Unterschiede sind, die das Miteinander bunt und lustig machen. Ein ganz einfaches Plädoyer für die Vielfalt!

Altersempfehlung: 1 -4 Jahre, erschienen im Peter Hammer Verlag.


Ich habe eine Freundin, die ist Notärztin: Anja hat einen Beruf, in dem sie vielen Menschen helfen kann: Sie ist Notärztin. Als Marie sich das Bein bricht, weiß Anja sofort, was zu tun ist. Und für Marie vergeht die Zeit im Krankenhaus ganz schnell, denn sie hat ja ihre Freundin Anja, die ihr alles erklärt …

Altersempfehlung: 2-5 Jahre, erschienen im Carlsen Verlag.


Was magst du? Was mag ich? Diese Fragen drängen sich immer wieder aufs Neue auf, wenn Kleine und Große mit diesem Buch auf Entdeckungsreise gehen. Hier dürfen die Betrachter miterleben, was verschiedenen Kindern dieser Welt besonders wichtig ist: große Baustellen und dicke Kletterbäume, die Farbe Grün und klitzekleine Fundstücke, die vorbeiziehenden Wolken und die fernen Sterne, wunderbare Bücher, warmes Wasser, duftende Blumen, tanzen, schaukeln, malen, backen und bauen … So wird schon Kindergartenkindern auf einfache Art und Weise Toleranz vermittelt und ihr Selbstbewusstsein gestärkt.

Altersempfehlung: ab 2 Jahren, erschienen im Carlsen Verlag


Die Wikingerin Freyja sticht mit den anderen Kriegerinnen in See, um reiche Beute zu machen. Ihr Mann Sigurd bleibt zu Hause: Dort kümmert er sich um die Kinder Frida und Aki, bestellt den Acker und versorgt die Tiere. Doch auch Sigurd und die anderen Männer möchten einmal mit auf große Fahrt. Als sie eines Tages wilde Berserker aus dem Dorf vertreiben können, beginnen sie an der bisherigen Rollenverteilung zu zweifeln. Aber wollen tatsächlich alle Männer in den Kampf ziehen? Und sind denn alle Frauen zur Kriegerin geboren?
Warum macht eigentlich nicht jeder einfach das, was er am besten kann?

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erschienen im Tulipan Verlag


Frau Bär mag es gemütlich. Sie isst fürs Leben gerne Honigbrote und hinterlässt mit ihren großen Tatzen auch hier und da mal ein paar klebrige Spuren. Sehr zum Missfallen von Herrn Hase. Denn Herr Hase ist ausgesprochen ordentlich. Kann eine solche Hausgemeinschaft gut gehen? Zuerst nicht. Aber dann merken die beiden, dass unterschiedliche Gepflogenheiten durchaus auch ihren Vorteil haben können.

Altersempfehlung: 4 – 6 Jahre, erschienen im Nord-Süd Verlag.


Ihr Schloss überfallen und ihren Prinzen klauen? Nicht mit Prinzessin Lissy! Auch nicht, wenn es ein Drache war. Mit nichts als einer Papiertüte macht sie sich auf zu seiner Höhle. Listig-schlau fordert die Prinzessin den Drachen solange heraus, bis er vor Erschöpfung einschläft. Prinz Roland ist gerettet. Aber anstatt dankbar zu sein, meckert er über Lissys Aussehen. Da lässt sie ihn einfach stehen und geht ihrer Wege.

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erschienen bei Ravensburger.


Du siehst aus wie ein Mädchen’, ‘Das ist falsch, was du anhast’, rufen ihm die Kinder in der neuen Kita zu. Sie grenzen ihn aus, hänseln ihn. Jungs tragen keine Röcke. Jungs tragen dunkle Farben, Power-Ranger-T-Shirts und spielen mit Baggern. Röcke sind für Mädchen, genau wie Rosa und Prinzessin Lillifee. So vermittelt es zumindest unsere Gesellschaft und ist damit äußerst erfolgreich: Es gibt klare Vorstellungen davon, was männlich und was weiblich ist und wer was anziehen soll.

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen bei minedition.


‘He, Paul, pass den Ball zu mir!’, rufen die anderen Jungs immer. Aber jeden Tag Fußballheld zu sein, das nervt langsam. Auch die kindergartenüblichen Jungenspiele mit Lasermessern, Kampfrobotern oder die Kleinen zu ärgern, werden echt langweilig. Heute will Paul lieber mit den Barbies spielen: Kinderkriegen, Monster verjagen, tanzen und all das. ‘Cool’, sagt Anton.

Pointiert, frech und witzig erzählt Lindenbaum von Kinderspielen und erfrischend rollenunspezifischem Verhalten.

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erhältlich bei fembooks.


Nicos Eltern staunen nicht schlecht, als ihm die schrullige Tante bei ihrem Besuch ausgerechnet eine Puppe mitbringt. »Das ist doch kein Spielzeug für Jungen!«, sind sich die Eltern einig, doch Nico schließt das Geschenk sofort ins Herz. Am liebsten würde er sein neues Lieblingsspielzeug mit in die Schule nehmen, aber da hat Papa ernste Bedenken. »Am Nachmittag gehen wir ins Geschäft und kaufen dir ein super Spielzeug. Ein richtiges Spielzeug für Jungen.«

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen im Picus Verlag.


Zwei Brüder reden abends im Bett über Mädchen. Voll langweilig sind die, kämmen den ganzen Tag ihre Puppen, machen sich vor Angst in die Hosen beziehungsweise ins Nachthemd. Und glauben doch tatsächlich an Gespenster!!! Sowas Blödes, die gibt’s doch gar nicht! Oder? Oder doch? Plötzlich müssen die beiden dringend Pipi machen. Und danach finden sie ihr Bett nicht mehr, sondern flüchten zitternd zum friedlich schlafenden Schwesterchen, das nicht im Traum daran denkt, sich vor Gespenstern zu fürchten…

Altersempfehlung: 5-7 Jahre, erschienen im Beltz Verlag.


Teddy Tilly möchte eine Teddybärin sein. Doch sie traut sich lange Zeit nicht, ihrem besten Freund davon zu erzählen. Doch dann stellt sie fest, dass sie mit Finn über alles reden kann – und Finn versichert ihr, dass er sie immer lieb haben wird, ob als Bär oder als Bärin.

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erschienen im S. Fischer Verlag.


Raffi ist ein kleiner Junge, der gerne Fußball spielt und Sporttrikots trägt. Er liebt aber nicht nur Sport, sondern auch seine Lieblingspuppe und sein pinkes Tutu. Das Tutu trägt er aber aus Angst vor der Reaktion seiner Mitschüler nur zu Hause. Eines Tages entschließt er sich allerdings es in der Schule zu tragen. Doch es wird kein schöner Tag für ihn und er wird schnell ausgegrenzt. Aber mit der Unterstützung seiner Eltern, fasst er Mut und die anderen Kinder erkennen, dass »Anderssein« nichts Schlimmes bedeutet. Im Gegenteil: Es macht einen zu etwas besonderem!

Altersempfehlung: ab 4 Jahren


In diesem Buch erzählt Marlon Bundo von einem Tag aus seinem Leben. Marlon ist ein Kaninchen, das bei seinem Großvater Mike Pence, dem Vizepräsidenten der USA, lebt. Und Marlon war immer sehr einsam – bis zu diesem einen Tag, an dem sich sein Leben für immer verändern sollte …

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erscheinen im RIVA Verlag.


Rosa Monster war schon immer anders als die anderen. Deshalb fühlt es sich in seinem Dorf fehl am Platz und träumt lieber davon, andere Orte zu entdecken. Eines Tages traut es sich schließlich, loszuziehen und die Welt zu erkunden. Was für eine tolle Idee!

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erhältlich bei fembooks.


Luzie Libero liebt ihren Lieblingsonkel sehr. Solange ihre Eltern auf Mallorca sind, geht sie mit ihm in Cafés und Schwimmen und alles ist wunderbar. Doch eines Tages sitzt noch jemand anderes in der Küche des Onkels: Günther aus Waldwimmersbach. Luzie Libero findet, dass er sofort wieder nach Waldwimmersbach zurück gehen sollte. Luzie Libero ist enttäuscht und wütend und eifersüchtig. Aber dann lernt sie den Freund des Onkels näher kennen – und ist froh, weil er nämlich sehr gut Fußball spielt!

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen im Beltz Verlag.


Otto hat vier Brüder. Jeder ist etwas ganz Besonderes. Und zusammen haben sie immer viel Spaß. Gemeinsam mit Ottos großer Kuscheltiersammlung schlafen sie alle unter einer Decke. Doch als Riesenkuschelschwein Elke auch noch mit ins Bett soll, gibt es Protest. Das Gedränge nervt, nörgeln die Brüder. Schnell muss eine Lösung her, denn Otto braucht sie alle – auch seine Brüder. Wie gut, dass Bertil die Bären-Brüder-Bettmaschine erfindet!

Altersempfehlung: ab 4 Jahren, erschienen im Sauerländer Verlag.


Eines Tages geht zwei befreundeten Kindern ihr WIR-Gefühl verloren, weil sie sich zuviel gestritten und weil sie immer zuviel “ICH!” gesagt haben. Das WIR ist scheu und hat sich versteckt. Die beiden Kinder vermissen es sehr. Ohne das WIR bleibt alles grau und ohne Freude. Und so machen sie sich auf die Suche nach ihm. Wo steckt das WIR? Die beiden Kinder schreiben ihm Briefe und bitten es, zu ihnen zurückzukommen. Und schließlich ist das WIR wieder Teil ihres Lebens – und die Freude ist groß.

Altersempfehlung: 4-7 Jahre, erschienen im Carlsen Verlag.


So sehr er sich auch bemühte wie die anderen zu sein, Irgendwie Anders war irgendwie anders. Deswegen lebte er auch ganz allein auf einem hohen Berg und hatte keinen einzigen Freund. Bis eines Tages ein seltsames Etwas vor seiner Tür stand. Das sah ganz anders aus als Irgendwie Anders, aber es behauptete, genau wie er zu sein…

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen im Oetinger Verlag (online gibt es zusätzliches Material für Erzieher und Erzieherinnen).


Alle Welt erwartet, dass eine Märchenprinzessin den Märchenprinzen heiratet. Doch Prinzessin Pfiffigunde hat überhaupt keine Lust zum Heiraten. Um sich der lästigen Bewerber um ihre Hand zu erwehren, greift sie zu einem bewährten Mittel: Sie stellt ihnen knifflige Aufgaben. Doch die allerkniffligste Aufgabe muss sie schließlich selbst lösen …

Altersempfehlung: 4-6 Jahre, erschienen im Carlsen Verlag.


Keine Lust auf Tüll! Olivia macht nie, was andere Schweinekinder tun.

Olivia weiß zwar nicht so richtig, was oder wer sie sein will. Aber eins steht fest: ganz bestimmt keine Prinzessin! Immer wollen alle Prinzessinnen sein, mit rosa Tüllröcken und Glitzerkrönchen. An Pippas Geburtstag und auch bei der Halloween-Feier wimmelt es von Prinzessinnen – nur Olivia verkleidet sich als Warzenschwein. Warum wollen bloß immer alle gleich sein? Es gibt doch so viele Möglichkeiten!

Altersempfehlung: 4-5 Jahre, erschienen im Oetinger Verlag.


“A is for activist” ist ein zauberhaftes Bilderbuch zum Durchblättern und Erklären. Die Idee dahinter ist schnell erklärt: zu einzelnen Buchstaben des Alphabets, gibt es Begriffserklärungen – alle Begriffe drehen sich um das Thema Aktivismus. Es geht um den Banner, der bei Demonstrationen aufgehängt werden kann – aber auch um Malcom X. Es gibt nur wenig Text, die Worte und Begriffe sollen zu Erklärungen und Gesprächen anregen.

Altersempfehlung: ab 4 Jahren


Luzie Loda hat mit PS: Es gibt Lieblingseis ein kluges, wichtiges und liebevolles Bilderbuch zum Thema Intergeschlechtlichkeit veröffentlicht. Gleichzeitig greift sie damit ein Thema auf, das nicht aktueller und wichtiger sein könnte – und über das so viele Menschen trotzdem viel zu wenig wissen, weil es in der Literatur nicht vorkommt und auch in vielen Lebensrealitäten noch nicht.

Altersempfehlung: ab 5 Jahren


Immer wenn Wanda ins Wasser springt, lachen die anderen. Ich bin zu schwer zum Schwimmen, sagt Wanda. ? Nein, sagt der Schwimmlehrer, du musst nur denken, was du sein möchtest! Wanda probiert es aus, und der Trick funktioniert. Sie denkt Känguru ? und springt im Turnunterricht ganz hoch. Sie denkt Hase ? und mag sogar Karotten. Und beim nächsten Schwimmunterricht denkt Wanda sich leicht. Sie schwimmt wie ein Hai, eine Sardine, gar wie ein Segelboot und ein Kajak. Aber wagt sie sich auch vom Sprungturm? Davide Cals unbeschwerte Geschichte knüpft an kindliche Erfahrungen an; im Wasser fühlt.

Altersempfehlung: 5-7 Jahre, erschienen im dtv Verlag.


Eines Morgens liegt unter Hannas Bett ein Zebra. Ein lebendiges Zebra! Einfach so. Hanna ist mit ihren beiden Papas neu in die Gegend gezogen und so ist es ihr recht, dass Bräuninger, so heißt das Zebra, sie in die Schule begleitet. Ein Zebra im Unterricht? Das geht nicht! Da Bräuninger aber verflixt gut schreiben, rechnen und turnen kann, darf er bleiben – zumindest fürs Erste. Diesen Schultag werden die Kinder nie vergessen: Schreiben lernen auf Bräuningers Streifen! Bocksprünge über seinen Rücken! Traumstunde! Doch plötzlich geht die Tür auf: Zwei Zoowärter erscheinen und führen Bräuninger ab. Was soll Hanna jetzt machen? Markus Orths erzählt witzig und tiefsinnig von Andersartigkeit und Fremdsein. Dass Hanna bei zwei Vätern aufwächst, wird herrlich unaufgeregt thematisiert.

Altersempfehlung: 6-8 Jahre, erschienen im Moritz Verlag.


In dieser kleinen Geschichte steht die Welt der Klischees Kopf und parodiert die real existierenden Klischees unserer gesellschaftlichen Geschlechterbilder. „Alle fragen immer: Was stimmt denn nicht mit dem Jungen?”. Denn David will lieber mit den Mädchen raus, wild spielen und sich schmutzig machen.
Er muss aber wie normale Jungs zuhause bleiben und malen. Die anderen Kinder finden es komisch, wenn er zu Fasching als Superheld verkleidet kommt und überhaupt wird von Jungs nun mal erwartet, dass sie sich rosa anziehen.

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen im Jaja Verlag.


Hilda liebt es, die verwunschenen Täler ihrer nordischen Heimat zu durchstreifen und Freundschaft mit den skurrilsten Geschöpfe zu schließen. Die Suche nach einem Bergtroll aber erweist sich als gefährliches Abenteuer – die blauhaarige Entdeckerin wird inmitten der Wildnis von einem heftigen Schneesturm überrascht. Auf ihrer Suche nach dem Heimweg entgeht Hilda nur um Haaresbreite dem mächtigen Fuß eines ahnungslosen Riesen und trifft schließlich auf ein einsames Holzmännchen…

Eine charmante, unerschrockene Heldin und eine liebevoll-fantastische Welt machen Luke Pearsons „Hilda“ zum aufregendsten All-Ages-Comic der letzten Jahre.

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen bei Reprodukt.


Ada Lovelace (1815–1852), Tochter des Dichters Lord Byron und einer Mathematikerin, beschäftigt sich schon früh mit Mathematik. Das fantasievolle Mädchen begeistert sich für die technischen Erfindungen der Industrialisierung und lernt mit 16 Charles Babbage kennen, den Erfinder der »Analytical Machine«. Für diesen Vorläufer des modernen Computers entwickelt Ada ein komplexes Programm und gilt so als erste Programmiererin der Welt. Diese Bilderbuchbiografie ist das fesselnde Porträt einer Frau, die in Zahlen das kreative Potenzial gesehen hat.

Altersempfehlung: 6-8 Jahre, erschienen bei Knesebeck.


In der Textilwerkstatt der Eltern lernt Louise alles über Blüten, Tiere, Farben und Gewebe. Sie erfährt, dass Purpurrot von Schnecken stammt, Gelb von Pflanzen, schwarze Wolle vom Schaf, alles Leben aber aus dem Fluss. Als ihre Mutter stirbt, beschließt Louise, Naturwissenschaftlerin zu werden. Doch das Blau, die Farbe des Flusses aus Kindertagen, zwickt ihr Herz . Wird Louise die Fäden der Erinnerung wieder aufnehmen und zu etwas ganz Besonderem spinnen?

“Louise studierte noch, da starb ihre Mutter, der Tod brauch ihr das Herz. Sie fühlte sich völlig verlassen. Wie ein abgerissener Faden. Sie kehrte dem Mond und den Sternen den Rücken und verschrieb sich der Malerei. Darüber hatte sie schon so viel gelernt.”

Altersempfehlung: ab 8 Jahren, erschienen im Verlag Seemann & Henschel.


Im Golf von Mexiko tauchte Sylvia Earle mit dreizehn Jahren zum ersten Mal. Von da an kannten ihre Liebe zum Meer und ihr Forscherdrang keine Grenzen mehr. Sie tauchte immer tiefer und blieb immer länger in der Unterwasserwelt. Schwamm zwischen Walen, Engelhaien und winzigsten Geschöpfen, die in der Dunkelheit der Meerestiefe glühen.

In eindrucksvollen Bildern erzählt Claire A. Nivola die Lebensgeschichte der weltbekannten Meeresforscherin und Umweltschützerin, die ganz nebenbei auch einen Rekord im Tauchen aufstellte, was ihr den Titel ihre Tiefheit eintrug.

Altersempfehlung: 6-8 Jahre, erschienen im Verlag Freies Geistesleben.


Josephine Baker brachte tanzend den Jazz und Charleston nach Europa und engagierte sich für die Rechte von Schwarzen. Tove Jansson, Schöpferin der Mumins, lebte offen die Liebe zu ihrer Lebenspartnerin. Und die liberianische Bürgerrechtlerin Leymah Gbowee setzt sich in gewaltfreiem Kampf für die Sicherheit von Frauen ein. Unerschrocken schreiten diese eigensinnigen Frauenfiguren der Weltgeschichte durchs Leben. Vorreiterinnen, Querdenkerinnen und jede eine Heldin auf ihre ganz eigene Art. Ob Schamanin oder Entdeckerin, Leuchtturmwärterin oder gefeierte Leinwandhexe – diese Frauen haben ihre Bestimmung gefunden.

Altersempfehlung: ab 15 Jahren, erschienen bei Reprodukt.


„Kaum jemand weiß: Rosie ist eine wahre Erfinderin. Nichts liebt sie mehr als heimlich nachts die unglaublichsten Apparate zu basteln, wie etwa einen Hotdog-Spender oder die Helium-Hose. Doch still und schüchtern, wie sie ist, spricht sie lieber nicht über ihren Traum, eine große Ingenieurin zu werden. Als dann auch noch die Bruchlandung ihres Käsekopters für Gelächter sorgt, ist sie drauf und dran, das Erfinden aufzugeben – wäre da nicht ihre Tante Rose. Sie bringt Rosie bei, dass man erst dann wirklich versagt, wenn man aufgibt und dass Scheitern dazu gehört. In humorvollen Reimen wird so nicht nur Rosie Mut gemacht, an die eigenen Träume zu glauben.“

Altersempfehlung: 5-7 Jahre, erschienen im Knesebeck Verlag.


Leo hat einen schönen neuen Namen: Jennifer. Woher sie ihren echten Namen kennt, weiß Jennifer selbst nicht. Aber sie ist sehr froh, eines Tages endlich mit ihm aufgewacht zu sein. Wie mit etwas, mit dem man besser atmen kann.

Nur die Erwachsenen kapieren es erst mal nicht. Die glauben tatsächlich immer noch, sie sollte weiterhin Leo sein, ein Bub. Ganz und gar nicht, finden der dicke Gabriel, Anne und Stella, weltbeste Freunde und treue Begleiterinnen beim Schuleschwänzen, Kleiderprobieren und Sichselbstfinden. Sie sollten sich lieber ein Beispiel an der Katze nehmen. Die ist weder froh noch traurig über Leos neuen Namen. Er ist ihr ganz egal.

Altersempfehlung: ab 9 Jahren, erschienen bei Klett Kinderbuch.


Wer heißt denn schon Gertrude?! Gertrude ist neu in Inas Klasse und sie ist anders als alle Mädchen, die Ina kennt: Sie trägt Westklamotten, ihr Lächeln haut einen um und niemand hat so klare blaue Augen. Aber Gertrude ist auch deshalb anders, weil ihr Vater Dichter ist und die Familie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Damit sind sie in den späten 70er-Jahren in der DDR Staatsfeinde. Nicht nur die Schule ist gegen ihre Freundschaft, auch Inas Mutter macht sich große Sorgen. Alles gerät aus den Fugen. Was soll man machen, wenn man die Freundin fürs Leben gefunden hat, aber alles so kompliziert ist? Ina und Gertrude schmieden einen Plan: Kommando Rose, um ihre Freundschaft gegen alle Widerstände leben zu können.

Altersempfehlung: 10-12 Jahre, erschienen im Gerstenberg Verlag.


Es ist höchste Zeit, die Weltgeschichte zu ergänzen: um all ihre vergessenen Heldinnen. Jenseits der üblichen Klischees – die schöne Kleopatra, die grausame Lucrezia Borgia, die mutige Jeanne d’Arc – erzählt dieses Buch von Frauen, die Geschichte machten und die trotzdem kaum jemand kennt: von Sitt-al-Mulk, die in den WIrren des Streits zwischen Schiiten und Sunniten das Amt des Kalifen von Kairo übernahm. Von Malintzin, ohne deren Hilfe die Spanier Mexiko nicht erobert hätten. Von Wu-Zetian, die als »chinesischer Kaiser« dazu beitrug, den Buddhismus in China zu verbreiten. Und von Ada Lovelace, die das erste Computerprogramm schrieb und damit nicht nur das digitale Zeitalter einläutete, sondern auch Fragen zur künstlichen Intelligenz stellte.

Altersempfehlung: 12-16 Jahre, erschienen im Kein & Aber Verlag. Ergänzend eine kritisch einordnende Rezension dazu.


Francis führt in der Schule ein einsames, unglückliches Leben, denn er ist der einzige Junge, der sich für Mode interessiert und selbst Kleidung näht. Das perfekte Opfer. In Jessica findet er zum ersten Mal eine Freundin. Doch Jessica ist ein Geist, der seit über einem Jahr in der Stadt herumschwebt – bisher allerdings vollkommen unsichtbar. Wieso nicht für Francis? Auch die kleinwüchsige, «unmädchenhafte» Andi und der übergewichtige Roland können Jessica sehen und hören. Bald schon verbindet die vier Außenseiter eine Freundschaft, die keiner von ihnen zuvor gekannt hat. Die Frage ist: Was haben sie alle gemeinsam? Und warum ist Jessica überhaupt als Geist unterwegs?

Altersempfehlung: ab 12 Jahren, erschienen im Rowohlt Verlag.


Der Song “California Dreamin”, war 1965 Millionenseller der Band “The Mamas and the Papas”. Die Graphic Novel beschreibt den holprigen Weg der Sängerin Cass Elliott zum Erfolg.
Sie wird als Kind jüdischer Einwanderer in Baltimore geboren und hat schon früh den Traum, ein Star zu werden. Aber sie ist dick – und was schon in der Schule schwierig ist, wird im Showgeschäft zum Hindernis. Dank einer großen Stimme, solidem Selbstvertrauen und Freunden, die sie so lieben, wie sie ist, schafft sie es.

Altersempfehlung: ab 14 Jahren, erschienen im Carlsen Verlag.


Ich hoffe, dass das eine oder andere Buch auch für euch und eure Kinder dabei ist – und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr meine Auswahl mit eigenen Tipps ergänzen könntet. Es gibt bestimmt noch so viel mehr, dass ich nur noch nicht entdeckt habe.

Wer noch weiter stöbern möchte, der kann das gerne tun: auf meinem Blog gibt es noch Empfehlungen für Kinderbücher über Regenbogenfamilien und außerdem Büchertipps zum Thema trans. Zudem gibt es die Broschüre Himmelblau und Rosarot mit vielen weiteren tollen Büchertipps. Auch auf dem Blog mama-notes gibt es schöne Tipps für feministische Kinderbücher und mehr Diversity in Kinderbüchern.


Ergänzung aus Gründen der Transparenz: ich habe unter meinen Empfehlungen auch das Bilderbuch König & König aufgelistet – ich wurde darauf hingewiesen, dass sich das Buch kolonialrassistischer Stereotype bedient und habe die Empfehlung deshalb wieder gestrichen.

Zwei Papas für Tango – Edith Schreiber-Wicke

Zwei Papas für Tango ist die wahre Geschichte von Pinguin Tango, der mit zwei Pinguin-Vätern in einem Zoo in New York aufwächst. Wie es dazu kommen konnte, erzählt Edith Schreiber-Wicke in liebevollen Worten, die von den Illustrationen von Carola Holland ergänzt werden.

Roy und Silo waren immer schon befreundet. Von Ei an sozusagen. Sie spielten miteinander alle Pinguinspiele. Klippenklettern. Tieftauchen. Wettwatscheln. Schnellschwimmen. Sie waren die fröhlichsten Pinguine weit und breit. Und immer schliefen sie eng nebeneinander ein. 

Die Geschichte der beiden Pinguine Roy und Silo, hat sich – vermutlich – tatsächlich so zugetragen, wie sie im Buch erzählt wird. Beide Pinguine haben sich 1998 in einem Zoo in New York kennengelernt. Auch wenn die Pinguinpfleger keine sexuelle Beziehung beobachten konnten, wurde doch offensichtlich, dass sich beide sehr zueinander hingezogen fühlten. Beide bauten sich gemeinsam ein Nest und versuchten darin verzweifelt einen Stein auszubrüten, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass es sich um ein Ei handeln könnte. Die Pfleger gaben ihnen daraufhin ein Ei, das zu einem Pinguinpaar gehörte, das damit überfordert war, mehrere Eier gleichzeitig auszubrüten.

Nach 34 Tagen schlüpfte das Pinguinmädchen Tango aus dem Ei – auch wenn es im Buch nicht vorkommt, finde ich es interessant, dass Tango später ebenfalls eine gleichgeschlechtliche Beziehung führt.

Seitdem sind Roy, Silo und Tango eine Familie wie jede andere. Na ja – nicht ganz wie jede andere. Aber auf jeden Fall eine glückliche Familie. Und eine Bilderbuchfamilie. Wie man sieht.

Was mir an diesem Bilderbuch gefällt, ist, dass es viele Gesprächsansätze bietet und sehr schön davon erzählt, wie sich zwei Pinguine zueinander hingezogen fühlen – doch von außen versucht wird, beide voneinander zu trennen, damit sie sich – wie alle anderen Pinguine auch – eine Pinguindame suchen. Roy und Silo leiden jedoch unter der Trennung und treten in den Hungerstreik. Sie sind erst glücklich, als die Pfleger nachgeben und beide wieder zusammenführen. Zwei Papas für Tango lädt dazu ein, mit Kindern ab vier Jahren über das Thema gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ins Gespräch zu kommen. Ich halte solche Bücher in zweierlei Hinsicht für unverzichtbar: zum einen werden Kinder damit konfrontiert, dass es eben nicht nur Partnerschaften gibt, die aus einer Mutter und einem Vater bestehen. Zum anderen finden sich Kinder, die mit zwei Vätern aufwachsen, in solchen Büchern repräsentiert – und das passiert leider noch viel zu selten. Wie häufig schlägt man ein Kinderbuch auf und ist mit der klassischen Familienkonstellation konfrontiert? Und wie wichtig ist es für Kinder, die in anderen Konstellationen aufwachsen, zu sehen: mich gibt es auch in Büchern, über mich werden ebenfalls Geschichten erzählt, mein Leben genauso alltäglich ist wie das Leben meiner Freunde und Freundinnen.

Unter dem Titel And Tango Makes Three erschien das Bilderbuch auch auf Englisch, herausgegeben von Justin Richardson. Es ist erschreckend und kaum zu glauben, dass das Buch fünf Jahre lang in Folge zu den Top 10 der verbotenen Büchern an amerikanischen Bibliotheken und Schulen gehörte. In einem Artikel las ich, dass Kritik daran geübt wurde, dass Kinder zu früh mit dem Thema Homosexualität konfrontiert werden und das klassische Familienmodell in Frage gestellt wird. In einer Bibliothek wurde sogar darum gebeten, das Buch aus der Auslage zu nehmen – wegen der schwulen Thematik. Wohlgemerkt: wir sprechen hier über eine Bilderbuchgeschichte über zwei Pinguine.

Solange es immer noch solche Vorurteile, Berührungsängste und Feindlichkeiten gibt, ist es umso wichtiger, dass es Bücher wie Zwei Papas für Tango gibt. Es geht hier nicht um Anderssein und Toleranz – denn es sind immer die scheinbar Normalen, die bestimmen, was anders ist und was toleriert werden muss. Es geht um Liebe, um Familie, um die Erfüllung eines Wunsches. All das wird von Edith Schreiber-Wicke wunderbar erzählt und ich wünsche diesem Buch ganz viele große und kleine Leser und Leserinnen.

Edith Schreiber-Wicke (Autorin), Carola Holland (Illustratorin): Zwei Papas für Tango. Ab 4 Jahren. 32 Seiten, 12€. 


Weitere Empfehlungen für Bücher über Regenbogenfamilien, findet ihr in diesem Beitrag von mir:

Zwei Mamas für Oscar – Susanne Scheerer

Im ellermann Verlag ist jetzt ganz frisch das Bilderbuch Zwei Mamas für Oscar erschienen, in dem Susanne Scheerer liebevoll und kindgerecht die Geschichte einer Regenbogenfamilie erzählt – ergänzt wird das Buch von den ansprechenden Zeichnungen von Annabelle von Sperber.

“Wieso hast du eigentlich noch mal zwei Mamas, Oscar?” “Na, weil sie sich so sehr lieben”, sagt Oscar und streckt seine beiden Arme aus, so weit er kann.

Oscar hat zwei Mamas – doch wie ist es eigentlich dazu gekommen? Diese Frage stellt sich Tilly, die kleine Schwester von Frieda. Frieda erklärt ihrer Schwester, dass sich die beiden Mamas von Oscar sehnsüchtig ein Kind gewünscht haben – und mit leichtem Augenzwinkern erzählt Susanne Scheerer davon, was die beiden sogar alles probiert haben, um ein Kind zu bekommen. Lange Zeit jedoch leider vergeblich. Bis sie irgendwann die Eltern von Tilly und Frieda kennengelernt haben und vom Vater der beiden Samen gespendet bekamen.

So ist Oscar entstanden und so ist aus einem Wunsch ein Wunder geworden.

Zwei Mamas für Oscar ist beides in einem: eine liebevolle Geschichte über zwei Menschen, die sich so sehr lieben, dass sie eine Familie gründen wollen – gleichzeitig aber auch ein großartiges und sehr offenes Aufklärungsbuch, dass es ermöglicht mit Kindern ab drei Jahren über wichtige Themen ins Gespräch zu kommen. Das Bilderbuch regt dazu an, über alternative Familienmodelle nachzudenken. Es zeigt auf, dass es nicht nur Vater-Mutter-Kind-Familien gibt. Es bietet Kindern wie Oscar die Möglichkeit herauszufinden, wo sie herkommen und dabei gleichzeitig festzustellen, dass sie nicht alleine sind. Und es bietet allen Kindern, die mit einem Vater und einer Mutter aufwachsen die Chance festzustellen, dass es Kinder gibt, die in anderen Lebensrealitäten groß werden.

Ergänzt wird das Bilderbuch auf der letzten Seite mit einer kindgerechten Erklärung darüber, wie Babys auf natürlichem Wege gezeugt werden – und wie dazu im Vergleich Oscar mithilfe einer Samenspende auf die Welt gekommen ist.

Das Bilderbuch Zwei Mamas für Oscar ist eines der ersten Bilderbücher zu diesem Thema, das in einem größeren Publikumsverlag erscheint und ich freue mich sehr darüber. Gleichzeitig hoffe ich darauf, dass es in den kommenden Jahren immer mehr solcher Bücher geben wird, in denen ohne Scheu und Berührungsängsten von Eltern, Kindern und dem Glück eine Familie sein zu können, erzählt wird.

Susanne Scheerer (Text) und Annabelle von Sperber (Illustrationen): Zwei Mamas für Oscar. Ellermann Verlag. 32 Seiten, 15€ – ab 3 Jahren. 


Weitere Empfehlungen für Bücher über Regenbogenfamilien, findet ihr in diesem Beitrag von mir:

PS: Es gibt Lieblingseis – Luzie Loda

Luzie Loda hat mit PS: Es gibt Lieblingseis ein kluges, wichtiges und liebevolles Bilderbuch zum Thema Intergeschlechtlichkeit veröffentlicht. Gleichzeitig greift sie damit ein Thema auf, das nicht aktueller und wichtiger sein könnte – und über das so viele Menschen trotzdem viel zu wenig wissen, weil es in der Literatur nicht vorkommt und auch in vielen Lebensrealitäten noch nicht.

Als ich aufgerufen werde, meint Jola: “Mein rechter, rechter Platz ist frei, ich wünsche mir das kleine Mädchen mit dem Zauber T-Shirt herbei.” “Das stimmt nicht. Ich bin weder klein noch ein Mädchen.” In der Klasse ist es plötzlich mucksmäuschenstill.

In den letzten Wochen und Monaten war das Thema Intergeschlechtlichkeit in den Medien immer mal wieder präsent, da lange Zeit darüber diskutiert wurde, dass es im Geburtenregister neben den Feldern für männlich und weiblich auch noch ein Feld für das dritte Geschlecht geben muss. Das ist für all jene Menschen relevant, die mit Merkmalen des weiblichen und männlichen Geschlechts geboren werden. Doch was genau bedeutet das eigentlich? Mit welchen Schwierigkeiten können intergeschlechtliche Kinder konfrontiert werden? Luzie Loda bietet in PS: Es gibt Lieblingseis sowohl Antworten auf diese Fragen als auch Angebot und Anregung, um mit Kindern darüber ins Gespräch zu kommen.

Luzie Loda erzählt in diesem Bilderbuch – geeignet für alle Kinder ab fünf Jahren – die Geschichte von Bella. Bella ist sechs und kommt in die Schule. Bella freut sich sehr auf den ersten Schultag, doch die große Vorfreude wird schnell getrübt, denn als er von einer Mitschülerin das kleine Mädchen mit dem Zauber T-Shirt genannt wird, ist er traurig. Zum einen ist Bella überhaupt nicht klein, findet er zumindest selbst. Und zum anderen ist Bella kein Mädchen. Bella ist intergeschlechtlich und erklärt mithilfe seiner Lehrerin selbst, was das eigentlich genau bedeutet: Das bedeutet, dass ich sowohl etwas von einem Mädchen als auch von einem Jungen habe.

Doch das bleibt nicht der einzige Moment, in dem Bella schlucken muss: im Sportunterricht muss er sich entscheiden, ob er bei den Mädchen oder bei den Jungen mitmacht – und anders als im Kindergarten, gibt es in der Schule auch plötzlich geschlechtergetrennte Toiletten. Und auf keiner davon ist Bella so richtig willkommen.

Für Bella wird alles erst einfacher, als Bellas Papa in die Schule kommt, um zu erklären, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, Menschen eindeutig in zwei Gruppen einzuteilen. Und vor allem auch: nicht so schön! Wer möchte sich denn für eine Sorte Lieblingseis entscheiden müssen, wenn man sowohl Schokolade als auch Erdbeere mag?

Als Letztes fragt Papa nach dem Lieblingseis: “Wer mag Schokoeis und wer mag Erdbeereis?” Da stehen die meisten Kinder in der Mitte, weil sich nur wenige für eine der beiden Sorten entscheiden können. “Gut, dass es so viele Eissorten gibt”, sagt Edid. Alle Kinder nicken., “Wirklich nicht so einfach mit den zwei Gruppen”, ergänzt Alex nach einer kurzen Pause. “Wie bei Bella”, meint Tarek. “Ja, aber ist doch auch egal ob Junge, Mädchen oder beides”, findet Wlad. Wieder nicken alle und lachen.

Luzie Loda ist ein wunderbares Bilderbuch zum Thema Intergeschlechtlichkeit gelungen. Sie hat damit ein Thema aufgegriffen, dass in großen Teilen unserer Gesellschaft leider immer noch als Tabuthema behandelt wird. Laut Schätzungen sind 1,7% der Weltbevölkerung intergeschlechtlich und viele dieser Menschen sind immer noch Zwangsoperationen ausgesetzt. Durch die Operationen sollen die Körper der Kinder möglichst wieder dem “Idealbild” eines männlichen oder weiblichen Körpers angepasst werden. Offenheit, Vielseitigkeit und Akzeptanz scheint beim Thema Geschlecht bei vielen Menschen aufzuhören – dort herrschen weitläufig immer noch starre, binäre und extrem konservative Vorstellungen vor. Umso wichtiger sind Bücher wie PS: Es gibt Lieblingseis – weil sie eine Tabuvorstellung aufbrechen und ein Gesprächsangebot herstellen.

Ergänzt wird das Buch von einem Vorwort von Lucie Veith (Intersexuelle Menschen e.V.) und einem Anhang mit zusätzlichen Infos und Anregungen für Gespräche mit Kindern. Zusätzlich Materialien gibt es zudem auf Queerformat und Marta Press. Wer sich weiter mit dem Thema beschäftigen möchte, dem kann ich zudem diesen Artikel von Juliane Löffler auf Buzzfeed empfehlen – Juliane Löffler hat eine sehenswerte Dokumentation zum Thema Intergeschlechtlichkeit gemacht, die zur Zeit auf Netflix läuft.


Luzie Loda: PS: Es gibt Lieblingseis. Altersempfehlung: ab 5 Jahren. 44 Seiten, 16€. 

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