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Zwei Papas für Tango – Edith Schreiber-Wicke

Zwei Papas für Tango ist die wahre Geschichte von Pinguin Tango, der mit zwei Pinguin-Vätern in einem Zoo in New York aufwächst. Wie es dazu kommen konnte, erzählt Edith Schreiber-Wicke in liebevollen Worten, die von den Illustrationen von Carola Holland ergänzt werden.

Roy und Silo waren immer schon befreundet. Von Ei an sozusagen. Sie spielten miteinander alle Pinguinspiele. Klippenklettern. Tieftauchen. Wettwatscheln. Schnellschwimmen. Sie waren die fröhlichsten Pinguine weit und breit. Und immer schliefen sie eng nebeneinander ein. 

Die Geschichte der beiden Pinguine Roy und Silo, hat sich – vermutlich – tatsächlich so zugetragen, wie sie im Buch erzählt wird. Beide Pinguine haben sich 1998 in einem Zoo in New York kennengelernt. Auch wenn die Pinguinpfleger keine sexuelle Beziehung beobachten konnten, wurde doch offensichtlich, dass sich beide sehr zueinander hingezogen fühlten. Beide bauten sich gemeinsam ein Nest und versuchten darin verzweifelt einen Stein auszubrüten, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass es sich um ein Ei handeln könnte. Die Pfleger gaben ihnen daraufhin ein Ei, das zu einem Pinguinpaar gehörte, das damit überfordert war, mehrere Eier gleichzeitig auszubrüten.

Nach 34 Tagen schlüpfte das Pinguinmädchen Tango aus dem Ei – auch wenn es im Buch nicht vorkommt, finde ich es interessant, dass Tango später ebenfalls eine gleichgeschlechtliche Beziehung führt.

Seitdem sind Roy, Silo und Tango eine Familie wie jede andere. Na ja – nicht ganz wie jede andere. Aber auf jeden Fall eine glückliche Familie. Und eine Bilderbuchfamilie. Wie man sieht.

Was mir an diesem Bilderbuch gefällt, ist, dass es viele Gesprächsansätze bietet und sehr schön davon erzählt, wie sich zwei Pinguine zueinander hingezogen fühlen – doch von außen versucht wird, beide voneinander zu trennen, damit sie sich – wie alle anderen Pinguine auch – eine Pinguindame suchen. Roy und Silo leiden jedoch unter der Trennung und treten in den Hungerstreik. Sie sind erst glücklich, als die Pfleger nachgeben und beide wieder zusammenführen. Zwei Papas für Tango lädt dazu ein, mit Kindern ab vier Jahren über das Thema gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ins Gespräch zu kommen. Ich halte solche Bücher in zweierlei Hinsicht für unverzichtbar: zum einen werden Kinder damit konfrontiert, dass es eben nicht nur Partnerschaften gibt, die aus einer Mutter und einem Vater bestehen. Zum anderen finden sich Kinder, die mit zwei Vätern aufwachsen, in solchen Büchern repräsentiert – und das passiert leider noch viel zu selten. Wie häufig schlägt man ein Kinderbuch auf und ist mit der klassischen Familienkonstellation konfrontiert? Und wie wichtig ist es für Kinder, die in anderen Konstellationen aufwachsen, zu sehen: mich gibt es auch in Büchern, über mich werden ebenfalls Geschichten erzählt, mein Leben genauso alltäglich ist wie das Leben meiner Freunde und Freundinnen.

Unter dem Titel And Tango Makes Three erschien das Bilderbuch auch auf Englisch, herausgegeben von Justin Richardson. Es ist erschreckend und kaum zu glauben, dass das Buch fünf Jahre lang in Folge zu den Top 10 der verbotenen Büchern an amerikanischen Bibliotheken und Schulen gehörte. In einem Artikel las ich, dass Kritik daran geübt wurde, dass Kinder zu früh mit dem Thema Homosexualität konfrontiert werden und das klassische Familienmodell in Frage gestellt wird. In einer Bibliothek wurde sogar darum gebeten, das Buch aus der Auslage zu nehmen – wegen der schwulen Thematik. Wohlgemerkt: wir sprechen hier über eine Bilderbuchgeschichte über zwei Pinguine.

Solange es immer noch solche Vorurteile, Berührungsängste und Feindlichkeiten gibt, ist es umso wichtiger, dass es Bücher wie Zwei Papas für Tango gibt. Es geht hier nicht um Anderssein und Toleranz – denn es sind immer die scheinbar Normalen, die bestimmen, was anders ist und was toleriert werden muss. Es geht um Liebe, um Familie, um die Erfüllung eines Wunsches. All das wird von Edith Schreiber-Wicke wunderbar erzählt und ich wünsche diesem Buch ganz viele große und kleine Leser und Leserinnen.

Edith Schreiber-Wicke (Autorin), Carola Holland (Illustratorin): Zwei Papas für Tango. Ab 4 Jahren. 32 Seiten, 12€. 


Weitere Empfehlungen für Bücher über Regenbogenfamilien, findet ihr in diesem Beitrag von mir:

Zwei Mamas für Oscar – Susanne Scheerer

Im ellermann Verlag ist jetzt ganz frisch das Bilderbuch Zwei Mamas für Oscar erschienen, in dem Susanne Scheerer liebevoll und kindgerecht die Geschichte einer Regenbogenfamilie erzählt – ergänzt wird das Buch von den ansprechenden Zeichnungen von Annabelle von Sperber.

“Wieso hast du eigentlich noch mal zwei Mamas, Oscar?” “Na, weil sie sich so sehr lieben”, sagt Oscar und streckt seine beiden Arme aus, so weit er kann.

Oscar hat zwei Mamas – doch wie ist es eigentlich dazu gekommen? Diese Frage stellt sich Tilly, die kleine Schwester von Frieda. Frieda erklärt ihrer Schwester, dass sich die beiden Mamas von Oscar sehnsüchtig ein Kind gewünscht haben – und mit leichtem Augenzwinkern erzählt Susanne Scheerer davon, was die beiden sogar alles probiert haben, um ein Kind zu bekommen. Lange Zeit jedoch leider vergeblich. Bis sie irgendwann die Eltern von Tilly und Frieda kennengelernt haben und vom Vater der beiden Samen gespendet bekamen.

So ist Oscar entstanden und so ist aus einem Wunsch ein Wunder geworden.

Zwei Mamas für Oscar ist beides in einem: eine liebevolle Geschichte über zwei Menschen, die sich so sehr lieben, dass sie eine Familie gründen wollen – gleichzeitig aber auch ein großartiges und sehr offenes Aufklärungsbuch, dass es ermöglicht mit Kindern ab drei Jahren über wichtige Themen ins Gespräch zu kommen. Das Bilderbuch regt dazu an, über alternative Familienmodelle nachzudenken. Es zeigt auf, dass es nicht nur Vater-Mutter-Kind-Familien gibt. Es bietet Kindern wie Oscar die Möglichkeit herauszufinden, wo sie herkommen und dabei gleichzeitig festzustellen, dass sie nicht alleine sind. Und es bietet allen Kindern, die mit einem Vater und einer Mutter aufwachsen die Chance festzustellen, dass es Kinder gibt, die in anderen Lebensrealitäten groß werden.

Ergänzt wird das Bilderbuch auf der letzten Seite mit einer kindgerechten Erklärung darüber, wie Babys auf natürlichem Wege gezeugt werden – und wie dazu im Vergleich Oscar mithilfe einer Samenspende auf die Welt gekommen ist.

Das Bilderbuch Zwei Mamas für Oscar ist eines der ersten Bilderbücher zu diesem Thema, das in einem größeren Publikumsverlag erscheint und ich freue mich sehr darüber. Gleichzeitig hoffe ich darauf, dass es in den kommenden Jahren immer mehr solcher Bücher geben wird, in denen ohne Scheu und Berührungsängsten von Eltern, Kindern und dem Glück eine Familie sein zu können, erzählt wird.

Susanne Scheerer (Text) und Annabelle von Sperber (Illustrationen): Zwei Mamas für Oscar. Ellermann Verlag. 32 Seiten, 15€ – ab 3 Jahren. 


Weitere Empfehlungen für Bücher über Regenbogenfamilien, findet ihr in diesem Beitrag von mir:

Bücher zum Thema trans – meine Empfehlungen!

Seit meinem Beitrag Hallo ich bin’s – Linus haben mich Leser und Leserinnen immer wieder nach Büchern zum Thema trans gefragt. Jetzt habe ich es endlich geschafft, eine kleine Auswahl an Empfehlungen zusammenzustellen. Was mir dabei wieder auffiel: es gibt erschreckend wenig Bücher zum Thema trans – zumindest im deutschsprachigen Sprachraum. Wenn man selbst nicht zu einer Randgruppe gehört, fällt einem vielleicht gar nicht auf, dass man – wenn man weiß, cis und heterosexuell ist – beinahe in jedem beliebigen Buch repräsentiert wird. Wenn ich dagegen mal ein Buch lesen möchte, in dem meine Identität repräsentiert wird, muss ich ganz schön lange danach suchen. Gerade für all die Kinder, die ich täglich im Buchladen sehe, wünsche ich mir, dass sie –  durch die Bücher die sie lesen und die ihnen vorgelesen werden – erfahren, wie divers ihre Welt sein kann. Und wie okay das ist.

Ein schädlicher Einfluss, Kate Bornstein: Kate Bornstein durchlebt eine behütete Kindheit. Doch schon früh hat sie das Gefühl, dass sie irgendwie anders ist. Mit Anfang zwanzig überzeugen sie Scientologen, dass Körper lediglich die Hüllen geschlechtsloser Seelen sind. Sie tritt der Sekte bei und bleibt zwölf Jahre lang ein ranghohes Mitglied. Als sie erfährt, dass die von ihr akquirierten Spendengelder veruntreut wurden, fällt sie vom Glauben ab. Kate verlässt die Sekte und macht sich mutig auf den Weg, ihr eigenes Schicksal zu ergründen.

Teddy Tilly, Jessica Walton: Teddy Tilly möchte eine Teddybärin sein. Doch sie traut sich lange Zeit nicht, ihrem besten Freund davon zu erzählen. Doch dann stellt sie fest, dass sie mit Finn über alles reden kann – und Finn versichert ihr, dass er sie immer lieb haben wird, ob als Bär oder als Bärin.

Nenn mich Kai, Sarah Barczyk: Kai ist trans – so ein Satz ist leicht gesagt. Aber was bedeutet das eigentlich? In “Nenn mich Kai” geht es um innere Grenzen, und um die Frage nach der eigenen Geschlechtsidentität.

George, Alex Gino: George ist zehn Jahre alt, geht in die vierte Klasse, liebt die Farbe Rosa und liest heimlich Mädchenzeitschriften, die sie vor ihrer Mutter und ihrem großen Bruder versteckt. Jeder denkt, dass George ein Junge ist. Fast verzweifelt sie daran. Denn sie ist ein Mädchen! Bisher hat sie sich noch nicht getraut, mit jemandem darüber zu sprechen. Noch nicht einmal ihre beste Freundin Kelly weiß davon. Aber dann wird in der Schule ein Theaterstück aufgeführt. Und George will die weibliche Hauptrolle spielen, um allen zu zeigen, wer sie ist.

Zusammen werden wir leuchten, Lisa Williamson: Es ist Davids vierzehnter Geburtstag und als er die Kerzen ausbläst, ist sein sehnlichster Wunsch … ein Mädchen zu sein. Das seinen Eltern zu beichten, steht auf seiner To-do-Liste für den Sommer – gaaaanz unten. Bisher wissen nur seine Freunde Essie und Felix Bescheid, die bedingungslos zu ihm halten und mit denen er jede Peinlichkeit weglachen kann. Aber wird David jemals als Mädchen leben können? Und warum fasziniert ihn der geheimnisvolle Neue in der Schule so sehr?

Stone Butch Blues, Leslie Feinberg: Buffalo, N.Y. – eine Industriestadt in den sechziger Jahren. Hier verbringt Jess Goldberg ihre Kindheit und Jugend. Jess ist ein Mädchen, doch sie sieht aus wie ein Junge. Mit 15 hält sie es daheim nicht mehr aus. Sie haut ab. Sie sucht sich einen Job. Die Bar Abba’s bietet Jess eine Heimat – eine bunte Gemeinschaft von Butches und Femmes, von Huren und Drag Queens, von Schwarzen und Weißen.

Und morgen sag ich es, Doris Meißner-Johannknecht: Paul ist 10, zieht gerade um und kommt in eine neue Schule. In Berlin war er noch Paula. Doch hier, in der Stadt des deutschen Fußballmeisters, ist alles anders. Wie werden Pauls Mitschüler, wie wird seine Umwelt auf seine Geschichte reagieren? Ich mochte keine Kleider und Röcke. Keine Mädchenschuhe. Ich liebte immer schon die Farben Blau und Grün und Türkis. Spielte am liebsten mit Autos und Lego. Kletterte gerne auf Bäume, machte mich gerne dreckig. Und meine Leidenschaft ist der Fußball. Seit drei Jahren bin ich Paul. Und das fühlt sich gut an. Und richtig.

Von einer, die auszog, ein Mann zu werden, T Cooper: Wann ist ein Mann ein Mann? T Cooper, 40, weiß, Mittelschicht, verheiratet, zwei Kinder, ist ein Mann. Für T Cooper war das schon immer so. Für den Rest der Welt nicht. Dieses Buch erzählt die Geschichte von einer, die auszog, ein Mann zu werden – und dabei haarsträubende Abenteuer erlebte.

Letztendlich sind wir dem Universum egal, David Leviathan: Die Geschichte einer ungewöhnlichen ersten großen Liebe – und ein phantastischer Roman, wie er realistischer nicht sein könnte. Jeden Morgen wacht A in einem anderen Körper auf, in einem anderen Leben. Nie weiß er vorher, wer er heute ist. A hat sich an dieses Leben gewöhnt und er hat Regeln aufgestellt: Lass dich niemals zu sehr darauf ein. Falle nicht auf. Hinterlasse keine Spuren.

Das dänische Mädchen, David Ebershoff: Kopenhagen 1925. Lili Elbe führt mit ihrer Frau Greta, ebenfalls eine Malerin, ein bewegtes Künstlerleben und eine glückliche Ehe. Als Greta sie bittet, in Frauenkleidern für sie Modell zu stehen “verwandelt” sie sich zum ersten Mal in Lili und schon bald ist diese Rolle als Frau mehr als nur ein Spiel. Schließlich steht Greta vor der Frage, was man tut, wenn der Mensch, den man liebt, plötzlich ein ganz anderer ist.

Trans Mission, Alex Bertie: Alex Bertie erzählt in Trans Mission von seiner Transition, die er bereits seit Jahren auf seinem YouTube-Kanal begleitet.

Before I Had The Words, Skylar Kergil: Skylar Kergil hat mit 17 Jahren angefangen Hormone zu nehmen und seine Transition vom ersten Tag an auf YouTube mit großer Offenheit begleitet. In Before I had the words erzählt er all das, was vor der Zeit seines YouTube-Kanal liegt.

To My Trans Sisters, Charlie CraggTo My Trans Sisters sind empowernde Briefe von trans Frauen, die von ihrem Weg, ihren Erfolgen und ihren Schwierigkeiten erzählen. Es kommen Wissenschaftlerinnen, Models, Autorinnen oder auch Schauspielerinnen zu Wort.

Meine Mutter, sein Exmann und ich, T.A. Wegberg: Geschiedene Eltern sind ja schon schlimm genug. Aber wie soll Joschka seinen Freunden bitte erklären, dass seine Mutter jetzt ein Mann ist – dem plötzlich ein Bart wächst und der Frederik heißt? Während seine Schwester Liska sich bemüht, offen mit der Veränderung umzugehen, empfindet Joschka nichts als Widerstand und große Wut. Er zieht zu seinem Vater und will nur noch Abstand von allem. Erst durch den neuen Mitschüler Sebastian, der an einer seltenen Krankheit leidet, und Joschkas Liebe zu der engagierten Emma öffnet er sich schließlich für seine neue Familiensituation. Denn wenn er ehrlich ist, hat sich eigentlich gar nichts Entscheidendes geändert …

Atalanta Läufer_in, Lilly Axster: In einem sensationellen 100-Meter-Lauf gewinnt der bisher unbekannte Lan Gold. Im Moment des größten Triumphes, einer Extrarunde durch das Stadion, wirft der schnellste Läufer der Welt seine Trainingsjacke in die jubelnde Menge. Aus der Jackentasche fällt ein kleines weißes Etwas heraus, das der Silbermedaillengewinner aufhebt – ein Tampon. Nun weiß noch jemand um das Geheimnis: Lan ist eine Läuferin.


Einen schönen Text zur Repräsentation von trans Figuren in Kinderbüchern gibt es übrigens auf Lithub. Und natürlich würde mich interessieren, ob ihr vielleicht noch Ergänzungen habt – welche Bücher kennt ihr? Habt ihr noch Empfehlungen für mich?

Die sieben schönsten Buchhandlungen in Zürich

Wenn ich fremde Städte besuche, dann muss ich dort auch immer die Buchhandlungen aufsuchen – so auch in Zürich. Mitgebracht habe ich euch von meiner Reise sieben außergewöhnliche und schöne Buchhandlungen, die alle einen Besuch wert sind. Gekauft habe ich dort aber – muss ich ehrlicherweise gestehen – kein Buch, denn das ist in der Schweiz erheblich teurer als bei uns in Deutschland. In der Schweiz wurde zudem vor einiger Zeit die Buchpreisbindung aufgehoben. Buchläden können nun selbst entscheiden, zu welchem Preis sie Bücher anbieten. Gerade für die kleineren Buchhandlungen ist das ziemlich problematisch: immer mehr Buchkäufer wählen den Weg über den Onlinehandel oder fahren auch kurz über die Grenze, um Bücher weitaus günstiger erwerben zu können. Dennoch findet man in Zürich zahlreiche Buchhandlungen, die individuell geführt werden oder ein Spezialsortiment anbieten und in denen ich Bücher entdeckt habe, die ich ansonsten in kaum einer anderen Buchhandlung entdecke.

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Die Buchhandlung sec52 wurde im Jahr 1983 eröffnet und befindet sich in der Josefstrasse 52, gleich hinter dem Hauptbahnhof im Stadtkreis 5. Gegründet wurde die Buchhandlung von Rico Bilger, der oftmals im Laden anzutreffen ist – er ist nicht nur als Buchhändler tätig, sondern ihm gehört auch der bilgerverlag, von dem sich einige Titel auch in der Buchhandlung finden lassen.

Als ich durch die Tür vom sec52 trat, hatte ich das Gefühl, ein Büchermeer zu betreten. Fast jeder Quadratmeter der Buchhandlung ist mit Büchern vollgestellt und auch nach mehreren Stunden hatte ich nicht das Gefühl, ein System oder eine Sortierung herausgefunden zu haben: die Bücher stehen einfach kreuz und quer, über- und nebeneinander. Das einzige System, das es hier vielleicht geben könnte, ist das System der Entdeckungsreise: die Buchhandlung lädt nämlich zum Stöbern und Entdecken ein.

Was man dabei finden kann? Zahlreiche Literatur aus der Schweiz, viel Philosophisches, Design- und Photographiebücher, die Andere Bibliothek, Graphic Novels und das eine oder andere Kochbuch. Das sec52 ist ein Bücherort, der vor lauter Geschichten überquillt. Ich hätte mich am liebsten den ganzen Tag dort aufgehalten, hätte eine Tasse Tee getrunken und meine Entdeckungsreise fortgesetzt.

Buchhandlung im Volkshaus

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Direkt am Helvetiaplatz liegt das Volkshaus Zürich, in dem sich nicht nur ein Konzertsaal befindet, sondern auch ein Restaurant, Sitzungszimmer, Veranstaltungsräume, eine Sauna und einzelne Büroräume. Direkt neben dem Volkshaus befindet sich eine gut sortierte und inhabergeführte Buchhandlung, die sich über mehrere Etagen erstreckt. Besonders beeindruckt hat mich beim Betreten das Bücheroval, in dem man sich fast verliert: Taschenbuch reiht sich an Taschenbuch und lädt zum Stöbern ein. Daneben verfügt die Buchhandlung auch über ein erstaunlich gut sortiertes Zeitschriftenangebot, das man sonst kaum irgendwo findet. In den Katakomben, in denen sich die Sach- und Kinderbücher befinden, werden übrigens auch regelmäßig Lesungen angeboten – der Legende nach hat Bertolt Brecht dort seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert.

Travel Book Shop

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Der wunderschöne Travel Book Shop befindet sich im Gassengewirr ganz in der Nähe des Rindermarkts – das Literaturhaus in unmittelbarer Nähe. Im Travel Book Shop werden – wie der Name es bereits verrät – zahllose Reiseführer angeboten, aber auch Wanderführer, Landkarten oder Reiseliteratur. Es ist ein Angebot, das sofort Fernweh auslöst und die Lust weckt, zu verreisen! Wer eine Reise plant oder einfach nur mal Lust hat, mit Büchern in der Hand zu verreisen, der sollte auf jeden Fall im Travel Book Shop vorbeischauen.

Paranoia City

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Das Paranoia City befindet sich in der Ankerstraße im Kreis 4 und ist eine Kombination aus Buch- und Weinhandlung. Man findet dort neben der klassischen Belletristikecke auch zahlreiche Koch- und Trinkbücher und – das ist mir sofort ins Auge gefallen – eine Auswahl wunderbarer Postkarten. Zu der Buchhandlung gehört übrigens auch ein Verlag, der als Paranoia City Verlag eigene Veröffentlichung herausgibt.

Buchhandlung Beer

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Die Buchhandlung Beer ist eine der ältesten Buchhandlungen in Zürich, und ist ganz in der Nähe vom Strauhof gelegen. Mich konnte die Buchhandlung mit ihrer Gemütlichkeit überzeugen: schöne Sitzecken laden zum Verweilen ein, die Bücherregale und Büchertische zum Stöbern. Daneben gibt es aber auch ein beeindruckendes Angebot an Gesamtausgaben: die rote Reihe aus dem Wagenbach Verlag steht in der einen Ecke, in der anderen stolpere ich über zahlreiche Bände aus Die Andere Bibliothek.

Blex

blex-1 blexZürich scheint die Stadt der spannenden Kombinationen in Buchläden zu sein: während in der Buchhandlung Paranoia City Buch und Wein kombiniert werden, stößt man in der kleinen Buchhandlung blex auf die Kombination Buch und Blechbüchse. Die Buchhandlung liegt direkt neben der Kalkbreite, einem beeindruckendem Genossenschaftsprojekt, und wird von Hanna Wettstein betrieben. Bis zum Sommer war ihr Brotberuf eigentlich noch Lehrerin, nun konzentriert sie sich ganz auf ihre Buchhandlung. Neben den Blechbüchsen liegt dort der Fokus auf Krimis, die in Zürich spielen. Es gibt aber auch tolle Bilderbücher und ein Regalbrett, das sich ausschließlich lesenden Frauen widmet. Ich habe die Buchhandlung gemeinsam mit Janine vom Blog kapri-zioes besucht und war beeindruckt von der Herzlichkeit der Inhaberin, die – als sie erfuhr, dass wir aus Deutschland angereist sind – sofort ihren kleinen Laden schloss, uns auf die Dachterrasse der Kalbreite führte und uns damit eine wunderbare Aussicht über ganz Zürich bescherte.

OrellFüssli

orell orell1Okay, zugegeben: OrellFüssli ist eine Buchhandlungskette und im Grunde nichts anderes als bei uns Thalia oder Hugendubel. Dennoch konnte mich die Buchhandlung in der Füsslistraße durch ein breites und liebevolles Sortiment überzeugen – neben der üblichen Belletristik gab es im Rahmen der Diogenes Wochen beispielsweise einen Tisch nur mit Titeln von Diogenes. Eine schöne Idee! Ebenfalls gab es ein Regal für Schweizer Literatur. Umgehauen hat mich dann aber vor allen Dingen der vierte Stock – auch The Englisch Bookshop genannt. Dort wird eine Unzahl englischsprachiger Titel angeboten, ebenso findet man dort englische Lebensmittel und – ganz wichtig! – ein paar zauberhafte Produkte rund um das Buch!

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So! Wer also demnächst in Zürich ist, der sollte auch unbedingt einen Blick in die Buchhandlungen werfen! Ich verspreche, es lohnt sich! So wie sich eine Reise nach Zürich insgesamt lohnt – einen Bericht über meinen Aufenthalt und die Highlights von Zürich liest werdet ihr hier nächste Woche lesen können!

Meine liebsten Buchhandlungen in Hamburg

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Als ich vor fast genau einem Jahr nach Hamburg gezogen bin, da war ich vor allen Dingen gespannt darauf, ob ich hier eine neue Heimatbuchhandlung finden werde. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Buchhandlungen und neuen Orten rund um das Buch. Eine feste Stammbuchhandlung habe ich nicht gefunden, dafür aber ganz viele schöne, außergewöhnliche und gut sortierte Buchhandlungen, die ich immer wieder gerne ansteuere. Heute möchte ich euch diese Buchhandlungen gerne vorstellen, klickt euch durch und besucht so viele davon wie möglich, wenn ihr das nächste Mal in Hamburg seid.

Büchereck Niendorf

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Die Buchhandlung von Christiane Hoffmeister ist im Hamburger Stadtteil Niendorf gelegen. In schönem Ambiente findet man im Büchereck alles, was das literarische Herz begehrt: von Kinderbüchern, über Krimis, bis zu einer schönen Auswahl zeitgenössischer Literatur. Neben vielen tollen Lesungen sind ein besonderes Highlight auch immer wieder die schön gestalteten Schaufenster sowie die innovativen Bestellmethoden – Bücher könnt ihr bei Christiane nämlich auch per Twitter oder WhatsApp bestellen. Wenn du Hamburg besuchst, solltest du auf jeden Fall in Niendorf vorbeischauen!

Cohen+Dobernigg

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Die Buchhandlung cohen+dobernigg liegt mitten im Schanzenviertel und hat mich vor allen Dingen durch ein wunderbares Ambiente überzeugt. Die Bücher sind auf einer kreisrunden Auslagefläche angerichtet (die sich aber nicht dreht!) und jedes Mal, wenn ich wieder da bin, stoße ich dort auf Titel, die ich sonst nirgendwo entdecke: es finden sich dort viele Bücher aus kleinen und unabhängigen Verlagen. Neben dem tollen Buchangebot gibt es hier übrigens auch die Möglichkeit, literarische Zeitungen zu kaufen.

Buchhandlung & Antiquariat Lüders

1470488413441Die Buchhandlung Lüders findet sich in der belebten Osterstraße im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel. Lüders ist eine bunte Mischung aus Sortimentsbuchhandlung und Antiquariat. Beim Betreten des Buchladens habe ich immer das Gefühl, dass hier jeder einzelne Quadratzentimeter mit Büchern belegt ist – bis unter die Ecke. Es herrscht einfach eine Atmosphäre, die direkt zum Stöbern einlädt – bei Lüders finde ich nicht nur zwischen all den Romanen etwas, sondern häufig auch bei den Kinder- und Jugendbüchern.

Buchhandlung Heymann (Eppendorfer Baum)

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Bei der Buchhandlung Heymann handelt es sich um eine Kette, die mehrere Filialen in Hamburg betreibt – unter anderem auch in der Osterstaße. Ich besuche allerdings besonders gerne die an der U-Bahnhaltestelle Eppendorfer Baum. Ich kenne kaum eine andere Buchhandlung, die so verwinkelt ist, wie diese. Neben Romanen, gibt es hier auch eine bunte Auswahl an Sach- und Fachbüchern sowie tollen Artikeln rund um das Buch. Hier habe ich übrigens auch zum ersten Mal die sogenannten Blind-Date-Bücher entdeckt!

Buchhandlung Stolterfoht

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Die Buchhandlung Stolterfloth ist eigentlich nur ein kleiner Bücherpavillon, der ganz unscheinbar in der Rothenbaumchaussee steht. Wirklich auffallen, tut er nur nachts, wenn das Schaufenster hell erleuchtet ist. Hier findet man alles abseits des Mainstreams: eine handverlesene Auswahl an kaum bekannten Büchern. Ein Paradies für wahre Buchliebhaber und auf jeden Fall einen Besuch wert!

Buchhandlung stories!

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Die Buchhandlung stories! gibt es gleich zweimal in Hamburg – besonders gerne besuche ich die in der Nähe der Grindelallee. stories! verfolgt ein ganz eigenes Designkonzept: die Regale wachsen in die Höhe, viele Bücher werden frontal präsentiert und alles ist in weiß und ganz schlicht gehalten. Neben den Romanen finden sich hier auch Koch- und Designbücher sowie Lebensratgeber. Eine bunte Mischung, die mich immer wieder dazu einlädt, zu stöbern und Bücher zu entdecken, die ich sonst vielleicht nie in die Hand genommen hätte. stories! hat auch ein kulinarisches Angebot und lädt zum Stöbern und Kaffeetrinken ein.


So – und wie sieht es bei euch aus, liebe Hamburger und Hamburgerinnen? Welche Buchläden fehlen noch auf meiner Liste? Welche müsste ich unbedingt noch entdecken?

Finn-Ole Heinrich im Gespräch!

Finn-Ole Heinrich wurde 1982 bei Hamburg geboren, ging in Cuxhaven zur Schule und ist mittlerweile virtueller Stadtschreiber in Oldenburg. Darüber hinaus hat er natürlich noch so viel mehr gemacht: als Autor debütierte er mit 23 Jahren und hat seitdem zahlreiche Bücher veröffentlicht. Hier vorgestellt wurden Räuberhände und die drei Bände der Maulina-Schmitt-ReiheIch hatte das große Glück, dass der Autor mir meine zahlreichen Fragen beantwortet hat …019_HeinrichHenning-7349_300dpi_Druck

© Denise Henning, 2013

In diesen Wochen ist der dritte und letzte Teil der Reihe rund um deine Heldin Maulina Schmitt erschienen. Was fühlst du, wenn du an Maulina denkst?

Verbundenheit. Maulina ist mir sehr ans Herz gewachsen, ich mag diesen kleinen Menschen, den ich da kennen gelernt habe. Ich hatte eine sehr schwere und anstrengende Zeit mit ihr, aber ich habe sie immer sehr gemocht und ich war froh, sie begleiten zu dürfen. Was mir gerade auffällt, da ich in der Vergangenheit von ihr schreibe: ich begleite sie nicht länger. Habe aufgehört, ihr beim Werden zuzusehen.

Ich habe ja noch sehr viel mit ihr zu tun: lese viel aus unseren drei Büchern, arbeite an einer Adaption für ein Theaterstück, spiele selbst Maulina auf der Bühne, sie ist noch sehr präsent in meinem Alltag, deshalb vermisse ich sie nicht. Aber ich denke sie nicht weiter.

Maulina hat dich nun über einige Jahre hinweg begleitet. Weißt du noch, wann du zum ersten Mal an sie gedacht hast?

Ganz genau weiß ich das nicht mehr. Ich erinnere mich eher an einen Zeitraum, an die Umstände und Begebenheiten in meinem Leben, unter denen Maulina geschlüpft ist. Welche Ideen sich da vermischt haben. Ich erinnere mich aber noch genau, wie ich meiner damaligen Freundin zum ersten Mal von Maulina erzählt habe. Da hatte ich noch etwas ganz anderes mit ihr vor, wollte eine Kurzgeschichtenreihe über ein sechsjähriges Maulmonstermädchen machen.

Und wie geschieht das überhaupt – finden die Figuren deiner Bücher auf verschlungenen Wegen zu dir oder lässt du Buchfiguren entstehen?

Ich hab da kein Rezept. Maulina ist auf jeden Fall zu mir gekommen, ich habe sie nicht planvoll entworfen, weil ich sie für irgendwas brauchte. Sie hat sich ergeben und als sie da war, habe ich gleich gesehen, dass ich mit ihr etwas anfangen konnte, es hat mir Spaß gemacht, mit ihr rumzudenken an verschiedenen Ecken und Enden. Auch wenn ich sie damals noch kaum kannte.

Maulina muss in ihren jungen Jahren viel ertragen, nicht nur die Trennung der Eltern, sondern auch die schwere Erkrankung der Mutter. Ich stelle es mir schmerzhaft vor, all dies einem kleinen Kind aufzubürden. Woher wusstest du, dass Maulina stark genug dafür ist, dies zu ertragen?

Das wusste ich nicht. Nicht wirklich, ich kannte sie am Anfang gar nicht so wirklich, muss ich sagen. Ich habe sie beim Schreiben erst wirklich kennen gelernt, als ich ihr dabei zusah, wie sie mit diesem ganzen Mist umgegangen ist. Ich hatte aber gleich so ein Zutrauen. Maulina war gleich so voller Kraft und Ideen. Es hat Spaß gemacht, sich Quatsch mit ihr auszudenken und als ich dann anfing, mit ihr Kompliziertes und Schweres anzuprobieren, merkte ich, dass das eben auch ging.

Wichtig ist auch: ich wollte es ja so, wollte so eine Geschichte erzählen. Eine, in der die Heldin nicht zerbricht an der Schrecklichkeit des Lebens. Ich wollte eine Geschichte, die so hart wie eben nötig ist, um alle Tiefen auszuloten und über deren Ende hinweg man als Leser trotz all der Scheiße weiterdenken mag.

Davon hängt ja schon viel ab: ich entwerfe, ich gestalte und erzähle und behaupte diese Welt. Ich erhalte die Erzählung aufrecht. Die Erzählung von Maulina Schmitt, die so viel Kraft und Lebensfreude hat, dass selbst diese schlimme Geschichte, die ihr alles abverlangt, sie nicht zu Boden ringt.

Die Frage ist natürlich klischeehaft, ich stelle sie aber trotzdem: wieviel von dir steckt in Maulinas Wut, ihren Fragen und ihrer Geschichte?

Weiß nicht, klischeehaft? Vielleicht eher: unwichtig. Und schwer zu messen. Was soll ich da jetzt sagen? Soundsoviel Prozent? Drei Kilo selbstgemachte Erfahrungen, sechs Erinnerungen, vier Zentimeter aufgeschnappte Ideen und sechs Pfund Sitzfleisch?

Das Schöne an Maulinas Geschichte ist für mein Empfinden, dass ich trotz aller Tragik auch lachen und schmunzeln konnte. Ist dir das wichtig gewesen, dass es in dieser Geschichte auch Humor und Leichtigkeit gibt?

Naja, logisch. Wäre doch sonst unerträglich. Es ist außerdem oft so, dass es erst so richtig knallt, wenn du grad noch derbe gelacht hast. Du spürst den Unterschied noch klarer. Tragisches wird durch Komisches noch tragischer und umgekehrt.

Deine Bücher wirken äußerlich wie Kinderbücher, ich kann mich in ihnen aber auch als Erwachsene verlieren. Hattest du von Anfang an im Kopf, diese Grenze zwischen der Welt der Erwachsenen und Kinder aufzuweichen oder hat sich das zufällig ergeben

Freut mich, das zu hören. Sehr sogar. Denn ja, das kann man so sagen. Es war ein Ziel, auf genau dieser Linie zu balancieren. Ein Kinderbuch für Erwachsene zu machen, das auch Kinder gern in die Hand nehmen. Und über das Kinder und Erwachsene sich gut unterhalten und hoffentlich auf beiden Seiten was voneinander lernen können.

Wie ist die Idee dazu entstanden, die Bände dieser Reihe zu illustrieren? War das deine Idee?

Ja. aber irgendwie war es gar keine Idee, sondern eine Selbstverständlichkeit. Rán und ich hatten gerade den Deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen. Das ist ja nun ein ziemlich dickes Ding. Und dann wurden wir von Hanser gefragt, ob wir bei ihnen ein neues Projekt machen wollen. Ich hatte Rán schon von Maulina erzählt, aber nicht geglaubt, dass wir für sie irgendwo so bald ein Zuhause finden würden. Rán hatte Lust und damit war es irgendwie klar, dass wir Maulina zusammen machen. Wir waren ein Team. Ich wollte ihren feinen Humor, diese Leichtigkeit, die Luftigkeit, die ihre Illustrationen mit sich bringen und die Schönheit, die Ráns Arbeiten immer an sich haben, einfach zu gern an Bord haben.

Die wunderschönen Illustrationen werden von Rán Flygenring gestaltet, wie eng arbeitet ihr zusammen? Setzt sie deine Ideen künstlerisch um oder entwickelt sie eigene Ideen zu deinem Text?

Rán ist eine eigenständige Künstlerin, die ich gefragt habe, ob sie mit mir zusammen arbeitet, weil ich ihre Arbeit und ihre Begabungen unheimlich schätze. Ich wäre schön blöd, wenn ich ihr irgendwelche Vorgaben machen würde, noch dazu in einem Bereich, in dem sie ganz sicher viel talentierter ist als ich. Sie entwickelt natürlich ihre eigenen Ideen. Aber ich füttere sie gern mit allem, was ich habe. All meine, auch visuellen, Ideen stelle ich ihr immer gern zur Verfügung. Ich schreibe ihr Mails, schicke ihr Bilder, Videos, Links, ich beschreibe, was ich gerade sehe und was ich gern von ihr sehen würde. Ich kritisiere, was sie mir zeigt, hake nach und notiere all meine Anmerkungen für sie. Oft steht im Text dann in eckigen Klammern irgendwas wie [Hier Illustration von Juris Schuhen, daneben Text: soundso]. Das ist aber nie eine Vorschrift. Wir diskutieren alles, aber wir wissen beide, wer letztendlich für welchen Bereich verantwortlich ist.

Wir sprechen nun bereits die ganze Zeit über deine Bücher, aber wann und wie genau ist in dir überhaupt der Wunsch entstanden zu schreiben?

Also, ziemlich genau mit siebzehn hab ich angefangen, Geschichten zu schreiben, wenn es das ist, was du meinst. Ich hab vorher schon geschrieben, Briefe, in denen ich meine Ideen und Gedanken festgehalten habe. Ich hab die Briefe selten abgeschickt, eigentlich fast nie, ich brauchte nur ein Gegenüber, für den ich mir die Mühe mache, das Chaos zu sortieren.

Mit siebzehn hab ich dann das erste Mal seit langer Zeit wieder ein Buch gelesen, freiwillig, mit offenem Kopf. Hat mich viel Mühe gekostet, aber ich hab gemerkt: das macht was mit meinem Kopf, es tut mir gut und ich habe irgendwie gespürt: Klar! So könnte man seine Gedanken auch ordnen, hier kann man seine Fragen loswerden. Und man hat, wenns gut läuft, auch noch die Möglichkeit, mit Menschen darüber in Auseinandersetzung zu geraten. Und wenns richtig läuft, kann man vielleicht sogar davon leben.

Und die Entscheidung, für Kinder zu schreiben, war das eine bewusste Entscheidung?

Nee, gar nicht. Ist passiert. Im Urlaub. Plötzlich. Ohne Vorwarnung. Da war plötzlich Frerk da und hat mir seine komische Geschichte erzählt und ich habe angefangen Namensreime und Quatschwörter zu sammeln und zu erfinden. War witzig. Hab ich deshalb weiter gemacht.

Du bist auch im Bereich Film aktiv – was sind für dich die größten Unterschiede zwischen Film und Literatur und mit welchem Medium arbeitest du lieber?

Die größten Unterschiede finde ich eigentlich im Drumrum. In den Strukturen. Film ist irgendwie viel größer, industrieller, unmenschlicher, glamouröser, wichtigtuerischer, mächtiger, geschäftsmäßiger. Ich bewege mich deutlich lieber in der Buchbranche oder wenigstens in dem winzigen Zipfel, in dem ich daheim bin. Ich bin ja vor ungefähr zehn Jahren vom mairisch Verlag entdeckt worden und seither ist das meine literarische Heimat. Ein Traumverein! Könnte mir als Freiraum zur Umsetzung meiner künstlerischen Ideen nichts Besseres vorstellen und die Leute, die dahinter stehen, sind Freunde geworden. So eine Heimat habe ich im Filmbereich (noch) nicht, da fühle ich mich immer noch fremd und habe das Gefühl, dass ich gut auf mich aufpassen muss, auch wenn ich inzwischen auch hier zum Glück eine Reihe netter Menschen um mich weiß.

Handwerklich und in den erzählerischen Möglichkeiten gibt es auch eine Menge Unterschiede, aber da habe ich keine wirkliche Vorliebe. Ich erzähle gern in der Literatur und auch im Film. Kommt auf den Stoff an und was er braucht.

Räuberhände ist ein Roman, den ich unheimlich gerne gelesen habe, deshalb abschließend die Frage: dürfen wir uns bald auf etwas Ähnliches freuen?

Ich hoffe nicht! Ich will mich ja nicht wiederholen. Aber wenn du meinst, ob was Längeres für Erwachsene geplant ist, dann ja. Ich hab eine Idee, an der ich schon lange rumdenke. Aber das wird noch eine Weile dauern, ein paar andere Sachen stehen erst noch an, ein weiteres Projekt mit Rán, ein Film, zwei Theaterstücke, eine lange Reise und dann würde ich ja erst anfangen mit Recherche und allem, was dazu gehört.

Maulinas erstaunliche Abenteuer …

Als ich die drei Bände rund um die liebenswerte Heldin Maulina zum ersten Mal in den Buchläden ausliegen sah, glaubte ich auf den ersten Blick nicht, dass das etwas für mich sein könnte. Sie sind liebevoll gestaltet und sehen dann doch aus wie … nun ja, wie Kinderbücher und ich bin doch schon lange kein Kind mehr. Dachte ich. Doch bereits nach den ersten Sätzen war es um mich geschehen, ich befand mich plötzlich in Maulinas Welt und wollte am liebsten gar nicht mehr weg.

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Maulen heißt nicht einfach rumstänkern, maulen, das ist eine Lebenseinstellung, aber davon später.

Maulina Schmitt heißt eigentlich Paulina Schmitt, doch es hat seine Gründe, dass sie von allen Maulina genannt wird. Maulina mault und wenn Maulina mault, herrscht akute Explosionsgefahr. Sie hat einen guten Grund zu maulen, denn ihr Leben verändert sich von einem Tag auf den anderen radikal und das ist für Maulina nur schwer auszuhalten, auch wenn es nur noch siebeneinhalb Jahre sind, bis sie endlich erwachsen ist und allein entscheiden kann. Maulina wurde aus ihrem Königreich Mauldawien vertrieben und gemeinsam mit ihrer Mutter an einen langweiligen Zipfel der Stadt verpflanzt. Im Königreich zurückgeblieben ist ihr Vater, den sie nur noch der Mann nennt, denn sie glaubt, dass er für all dies verantwortlich ist. All das, was vorher gut gewesen ist, gibt es plötzlich nicht mehr. Stattdessen wohnen Maulina und ihre Mutter von nun an in Plastikhausen, in einer kleinen Wohnung voller Plastikgriffen, Plastikfenstern, Plastikfensterbänken.

Aus der Wohnung mit den vier Zimmern, dem Dachboden des Grauens, dem Garten, dem wertvollen, bunten Frühwerk auf den Tapeten und der Straße voller Freunde ist ein mickriges Plastikhaus geworden am anderen Ende der Stadt. Wenn das, was wir hatten, ein Pfannkuchen war, ist davon nur noch ein fettiger Abdruck auf dem leeren Teller geblieben und ein Rest von Geschmack auf der Zunge. Und jetzt? Ein muffeliges, kleines, quadratisches Haus, das sich zwischen andere muffelige, quadratische Häuser in eine Straße aus kleinen Häusern duckt.

Doch Stück für Stück muss Maulina feststellen, dass die grausigen Tatsachen des Lebens sogar noch ein bisschen komplizierter sind, als gedacht – ihre Mutter und der Mann haben sich nicht nur getrennt und sie musste ihr geliebtes Königreich verlassen, sondern sie erfährt schließlich auch noch, dass der Grund dafür die Erkrankung ihrer Mutter ist. Einen Namen hat diese Erkrankung nicht, aber es wird schnell deutlich, dass sie der Mutter alle Lebenskraft raubt, aber nicht alle Lebensfreude. Doch das, was Maulina durch den Umzug genommen wird, erobert sie sich Stück für Stück zurück. Eine große Rolle spielen dabei der General für Käse, ihr Schulfreund Paul, Ludmilla Lewandowski, ein geheimnisvolles Eisrezept und die Geheimwaffe Kakao.

Heinrich

Der Mann hat keinen Namen mehr. Er ist unaussprechlich geworden, wie die Namen der schlimmsten Bösewichte in Kindergeschichten und Märchen, so ein Name, der, wenn man ihn ausspricht, einem die Knie verdreht und Pflanzen eingehen lässt, ein Name, den man nicht in den Mund zu nehmen wagt, weil dann die Schuhsohlen schmelzen, die Brillengläser springen, die Tiere in Ultraschall schreien und fliehen.

Die erstaunlichen Abenteuer von Maulina Schmitt umfassen drei Bände, drei Bände voller Abenteuer, voller Freude und Momenten zum Schmunzeln. Drei Bände die aber auch angefüllt sind mit Traurigkeit, Krankheit, Tod und damit, dass das Leben sich jederzeit ändern kann und wir keine Möglichkeit haben, diese Veränderungen zu kontrollieren oder aufzuhalten. Wir können nur noch entscheiden, wie wir mit diesen Veränderungen umgehen wollen. Finn-Ole Heinrich hat keine typischen Kinderbücher geschrieben, wenn es das überhaupt gibt. Er hat mit Maulina Schmitt eine tapfere und mutige Heldin geschaffen, deren Abenteuer von Menschen allen Altersgruppen gelesen werden kann. Wie schade wäre es gewesen, wenn ich diese großartige Lektüre verpasst hätte, weil ich mich von irgendeiner Etikettierung hätte abhalten lassen. Maulina Schmitt ist für all diejenigen geschrieben worden, die sich irgendwo an dieser mysteriösen Schwelle zwischen Kindheit und dem Leben als Erwachsene bewegen und für all diejenigen, die das Kind in sich immer noch bewahren konnten.

Als erwachsene Leserin habe ich beim Lesen immer einen kleinen Erkenntnisvorsprung gegenüber Maulina, begreife die Erkrankung der Mutter schneller und möchte irgendwann nur noch meine langen Arme um dieses traurige mutige trotzige kleine Mädchen legen, um sie vor dem Leben zu beschützen. Finn-Ole Heinrich erzählt von schweren Themen, von Themen, für die Kinder wohl kaum eigene Worte finden können. Er erzählt von Kaugummischmerz und dem Ende des Universums und er erzählt ganz ohne pädagogischen Zeigefinger. Er erzählt davon, manchmal, wenn einen die schlimmen Wendungen des Lebens erdrücken, vielleicht einfach aus einer anderen Perspektive auf das Leben zu blicken. General Käse würde sagen: Savoir vivre.

[…] diese zwei kleinen Worte, die sind ein Aufruf, ja ein Befehl! Immer das Leben zu untersuchen, alles auszuprobieren. Du musst rausfinden, was du willst und warum, und dann musst du dich auf den Weg dahin machen, mit allen Macken, die du hast. Und das Wichtigste ist, dass du auf dem Weg so viel Spaß hast wie möglich, dass du genießt und das Kleine kapierst, das Einfache siehst, das Mickrige liebst, nicht nur das Allerobermegadollste brauchst, sondern dich schon an ganz wenig freust und den Ausblick genießt. Und dass du, wenn mal was Blödes passiert, es nicht persönlich nimmst, sondern die Schultern zuckst und drüber lachst.

Durch die drei Bände begleiten mich die wunderschönen Zeichnungen von Rán Flygenring, die die Lektüre zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht haben. Und so habe ich drei Bücher, die eigentlich aussehen wie Kinderbücher, an nur einem einzigen regnerischen Samstag durchgelesen und habe dabei nicht nur Maulina ganz tief in mein Herz geschlossen, sondern beim Lesen auch gelacht und geweint, denn selten zuvor war ich so berührt von dem Ende eines Buches. Was bleibt mir nun anderes übrig, als euch diese drei Bände ans Herz zu legen? Genau: bitte lesen, ganz unbedingt.

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