Am Samstag war ich in Berlin und habe den Electric Afternoon besucht. Der Electric Afternoon ist Teil der Electric Book Fair, die von Nikola Richter und Andrea Nienhaus organisiert wird. Auch wenn sie Fair heißt, handelt es sich dabei nicht wirklich um eine klassische Messe. Die beiden Organisatorinnen sprechen von einer strategischen Bewegung, bei der sich alles um das digitale Schreiben und Publizieren dreht.
Der Electric Afternoon fand im Colonia Nova statt, mitten in Kreuzberg
Auch wenn ich schon länger einen E-Reader habe, muss ich gestehen, dass ich ihn nur selten nutze. Wenn ich die Wahl zwischen einem E-Book und einem gedruckten Buch habe, dann greife ich immer noch lieber zum gedruckten Buch – zumindest dann, wenn ich zu Hause lese. Eigentlich ist das seltsam, da ich mich tagtäglich als digital native durch mein Leben bewege … zum Lesen gehört dann aber doch irgendwie das gedruckte Buch. Doch mittlerweile gibt es nicht mehr nur E-Books, die ein Abklatsch des gedruckten Buches sind, sondern ganz viele spannende und eigenständige Projekte. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden, meinen Samstagnachmittag elektrisch zu verbringen – in der Hoffnung, in Zukunft vielleicht doch etwas häufiger mal zum E-Book zu greifen.
Unter dem Electric Afternoon kann man sich wohl am besten eine Art Barcamp vorstellen – einige Workshops standen bereits im Vorfeld fest, der Rest wurde spontan vor Ort beschlossen. Neben vielen anderen Themen, ging es unter anderem auch um Data Driven Publishing, Autorenmarketing, den Mehrwert des E-Books, den Leser von morgen und die Literaturvermittlung im Netz.
Es dauerte ein wenig, aber dann stand der Zeitplan fest
Die Qualität der angebotenen Workshops war ganz unterschiedlich, mich konnten leider nicht alle Sessions überzeugen – was vielleicht aber auch daran gelegen haben kann, dass ich, was das elektrische Lesen betrifft, noch ein Neuling bin und am Samstag fast ausschließlich von Experten umgeben war. Dennoch habe ich viel aus diesem Nachmittag mitgenommen, vor allen Dingen die Erkenntnis, dass sich im Moment ganz viel wandelt und verändert. Die Verlagsstrukturen weichen immer stärker auf, Verlage und Autoren müssen sich aus diesem Grund neu positionieren. Es gibt immer mehr Autoren, die mittlerweile auf einen Verlag verzichten, weil sie das, was ein Verlag bietet, sich auch woanders herholen können. Einer der Teilnehmer bezeichnete diese Phase des Umbruchs als Experimentierfeld – es gibt viele neue Entwicklungsmöglichkeiten, es bleibt dabei aber immer die Frage, ob und wie sich neue Formen etablieren können. Zu dieser Entwicklung passt, dass sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung geöffnet hat und seit kurzem E-Lektüren anbietet, eine E-Book-Kolumne. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch dabei bleibt die Frage, wie Verlage mit den E-Books, die sie machen, sichtbar werden können. Vor allen Dingen die kleinen und ambitionierten E-Book-Verlage kämpfen darum, gesehen zu werden.
Hier geht es gerade um das digitale Schreiben und digitale Literatur
Besonders gespannt war ich natürlich auf den Workshop von Karla Paul, die mittlerweile den Verlag Edel eBooks leitet: Literaturvermittlung im Netz hieß ihre Session. Das ist schließlich genau das Thema, mit dem ich mich tagtäglich beschäftige. In fünfundvierzig Minuten gelang es ihr, nicht nur Einblicke in die Literaturvermittlung im Netz – und wie sie idealerweise ablaufen könnte – zu geben, sondern vor allen Dingen auch, ihre Begeisterung für Bücher und gutes Marketing weiterzugeben. Die Schlussworte von Karla Paul waren gleichsam ein schöner Blick in die Zukunft: sie sagte, dass wir geduldig, mutig, kreativ und selbstbewusst sein müssen. Wenn wir all das sind, dann können wir die digitale Zukunft mitgestalten. Mit im Gepäck auf meiner Heimreise hatte ich am Ende des Tages also wieder einmal viele schöne Begegnungen, einiges an Inspiration und die Erkenntnis, wie wichtig Mut, Emotionen und Begeisterung sein können.
Nicht alle Barcampteilnehmer fanden die Workshops interessant …
Wer jetzt übrigens auf den Geschmack des elektrischen Lesens gekommen ist, dem kann ich einen Artikel von Sophie Weigand auf ihrem Blog Literaturen empfehlen: dort werden zahlreiche interessante Projekte und Digitalverlage vorgestellt. Ein Blick auf den Blog von Frank Rudkoffsky lohnt sich ebenfalls, dort setzt er sich mit den neuen Möglichkeiten von Digitalverlagen auseinander. Schaut euch auch mal den neuen Digitalverlag des S. Fischer Verlags an: digiBook ist zwar ein etwas altbackener Name, das Programm ist aber mehr als spannend.