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Alles Abseitige

Mein Jahr in Büchern

Vor ein paar Wochen habe ich darüber nachgedacht, dass ich diesen Blog nun bereits seit mehr als sieben Jahren betreibe. Ich glaube, ich habe noch nie zuvor etwas ins Leben gerufen, was schon so lange Bestand hat. Seit ich auf Buzzaldrins Bücher schreibe, gibt es immer wieder Phasen, in denen ich stiller werde – auch bei mir gibt es Lesetiefs und Schreiblöcher.

Was viele, die mir sagen, dass ihnen meine Rezensionen fehlen, nicht wissen: als ich meinen Blog gründete, war ich arbeitslos. In den ersten drei oder vier Jahren, hatte ich die Möglichkeit so viel zu bloggen, weil ich keiner beruflichen Tätigkeit nachging. Ich las, schrieb und kümmerte mich um Hund und Haushalt. Das mag vielleicht traumhaft klingen, war aber nicht immer schön – denn diese Zeit war vor allem auch durch Zukunftsängste geprägt und durch das Gefühl, zu versagen. Letztes Jahr bin ich nach Berlin gezogen, hier arbeite ich vierzig Stunden in einer Buchhandlung – wenn ich könnte, würde ich meine Leseeindrücke gerne deutlich öfter mit euch teilen, leider fehlt mir dafür seitdem häufig die Zeit.

Es ist für mich manchmal selbst erstaunlich auf die letzten sieben Jahre zurückzublicken – nicht nur ich habe mich verändert, sondern auch die ganze Szene der Literaturblogger und Literaturbloggerinnen hat sich verändert. Viele von denen, die mit mir anfingen, sind heute schon lange nicht mehr da – die einen haben Kinder bekommen, andere sind vom Studium ins Berufsleben durchgestartet und einige, haben im Laufen der Jahre wohl einfach den Spaß am Bloggen über Bücher verloren. Während es vor zwei oder drei Jahren noch mehrmals im Jahr erregte Diskussionen darüber gab, wann Literaturblogs denn endlich das verstaubte Feuilleton ablösen, ist es mittlerweile doch etwas ruhiger um die Bloggerblase geworden. Oder kommt mir das nur so vor?

Ich schaue nicht häufig in meine Statistik, aber zum Ende des Jahres riskiere ich immer einen Blick. Meine Besucherzahlen sind seit drei Jahren fast auf die Zahl genau gleich geblieben. Mein Blog wächst nicht, aber das Interesse an meinen Beiträgen blieb in all der Zeit stabil – trotz deutlich schnelllebigerer Plattformen wie Instagram oder Facebook.

Wie auch immer – das Jahr 2018 ist morgen schon Geschichte! Aber bevor es soweit ist, möchte ich euch gerne noch einmal die Bücher zeigen, die mir in den vergangenen 12 Monaten am besten gefielen.

Es ist eine bunte Mischung – ein Jugendbuch, ein Roman und viele autobiographische Erinnerungsbücher. Ich glaube, nachdem sich im letzten Jahr mein Leben so entscheidend veränderte, veränderte sich auch ein wenig mein Lesegeschmack. Ich greife immer häufiger zu Essays und Sachbüchern, immer auf der Suche nach Stimmen und Perspektiven, die mir etwas über das Leben erklären können oder davon erzählen, wie dunkle Stunden überwunden werden können. Ganz besonders beeindruckt haben mich die Essays von Rebecca Solnit, die in Die Mutter aller Fragen so klug und stark über wichtige feministische Themen schreibt. Aber auch Am Ende sterben wir sowieso hat mich über die Lektüre hinaus noch lange beschäftigt – was tut man, wenn man erfährt, dass einem nur noch vierundzwanzig Stunden Lebenszeit bleiben?

Wie ich euch schon erzählte, habe ich 2018 auch meine Liebe zu Kinderbüchern entdeckt. Ich stellte euch Kinderbücher für Regenbogenfamilien vor, eine bunte Mischung an Kinderbüchern, die Geschlechterklischees aufbrechen und zuletzt meine liebsten Kinderbücher, die ich im vergangenen Jahr entdeckte.

Ich bin kein Mensch, der Vorsätze macht – aber natürlich habe ich in den vergangenen Tagen darüber nachgedacht, wie es mit meinem Blog 2019 weitergehen wird. Was ich jetzt schon weiß: ich möchte weiter entdecken, weiter lesen, weiter schreiben. Ich habe bereits die neuen Vorschauen gewälzt und viele Bücher entdeckt, auf die ich mich freue. Ich hoffe, ich schaffe es öfter, gegen meine Schreiblöcher anzukämpfen. Ich würde auch gerne mal wieder eine Blogkonferenz besuchen.

Obwohl aus mir so ein unzuverlässiger Blogger geworden ist, glaubt mir bitte, dass mir dieser Ort hier immer noch am Herzen liegt. Danke an alle, die hier regelmäßig vorbeischauen, die mich lesen und die sich die Zeit nehmen, einen Kommentar zu hinterlassen. Ich freue mich über jeden Klick und jedes Wort. Danke, dass ihr hier seid und diesen Ort weiter am Leben erhaltet!

binobino – bunte Spielsachen für Kinder, die die Welt entdecken!

Sibylle Rüdt hat kürzlich den Onlineshop binobino für genderneutrales Spielzeug und eine vielfältige Buchauswahl gegründet. Die ausgewählten Produkte sollen Kinder dabei unterstützen, sich selbstbestimmt und frei zu entfalten – ganz ohne Gender-Marketing oder stereotypisierende Darstellungen. Ich fand das eine so schöne Idee, dass ich direkt mal bei der Gründerin nachgefragt habe – warum gibt es diesen Onlineshop und wieso kann genderneutrales Spielzeug wichtig sein?

1.) Liebe Sibylle, du hast kürzlich den Onlineshop binobino gegründet – kannst du erzählen, wie es dazu kam?

Lieber Linus, zunächst möchte ich mich für die Möglichkeit zu diesem Interview bedanken. Ich freue mich sehr darüber. Die Geburt meines Sohnes und die Mutterschaft gaben mir in verschiedener Hinsicht Anlass, unsere Rollenzuschreibungen und die damit verbunden Fremderwartungen zu überdenken. In Bezug auf meinen Sohn fällt mir auf, wie sehr er schon von Klein auf von seinen Mitmenschen in seine vermeintlich männliche Rolle hinein erzogen wird: Dies beginnt beim ausdrücklichen Lob fürs Wild- und Frechsein („ein richtiger Junge eben“) über Tadel für vorsichtig-ängstliches Verhalten bis hin zur Zuweisung von passender Kleidung oder eben auch Spielzeug. Hierbei sorgt es tatsächlich für Kommentare, zumindest aber für Irritation, wenn er den vermeintlich jungenhaften Kriterien nicht entspricht und sich beispielsweise selbst für eine pinke Zeichenmappe entscheidet oder mit Puppen spielt.

Dazu kommt, dass sein Vater in Oberägypten geboren wurde und ich erst durch ihn erfahren habe, wie alltäglich Rassismus und wie gegenwärtig Vorurteile in unserer Gesellschaft sind – selbst hier in Berlin, wo man es vielleicht gar nicht so erwarten würde. Dies macht vor der Generation unserer Kinder keinen Halt: So wurden wir beispielsweise von einer Kita mit katholischem Träger im Vorfeld aussortiert (man bevorzuge ja schon Kinder aus katholischen Familien).

Ausgelöst durch diese Erfahrungen beschäftigte ich mich also immer intensiver mit diesen Themen und begann damit, auch Spielsachen und Kinderbücher zu recherchieren, die ich uneingeschränkt verwenden und weiterempfehlen würde – unabhängig von Kriterien wie Geschlecht, Herkunft, Familienmodell oder physischer Erscheinung des Kindes. Nirgends fand ich eine Zusammenstellung an Produkten, die all diese unterschiedlichen Aspekte zusammenbrachte. Worum es mir bei der Konzeptionierung von binobino folglich ging, war die Verbindung von hochwertigen und kindgerechten Spielsachen mit feinsinnigen Kinderbüchern, die echte Vielfalt widerspiegeln und Kinder darin fördern, ihre Individualität lieben zu lernen – und dies ohne erhobenen Zeigefinger.

So saß ich abends, während mein Sohn schlief, am Notebook und sog einfach alles auf, was ich für sinn- und wertvoll erachtete. Nach einiger Zeit war binobino.de auf einem so weit fortgeschrittenen Stand, dass ich nicht mehr zurück wollte.

2.) Ich habe selbst keine Kinder und kenne mich mit Spielzeug nicht aus: was denkst du, über das Spielzeugangebot für Kinder heutzutage? Warum braucht es noch deinen Shop? Was fehlte dir? Was kritisierst du?

Ich kritisiere, dass das Gender-Marketing von den großen Playern bewusst immer weiter getrieben wird, um mehr und mehr Absatz zu generieren. Die britische InitiativeLet Toys Be Toys“ beispielsweise verfolgt wichtige Ansätze, dem entgegenzuwirken: Kinder sollen selbst entscheiden, womit sie gerne spielen. Für die Zukunft wäre es wünschenswert, dass Unternehmen weniger den Absatzmarkt als vielmehr die Bedürfnisse der Kinder im Blick haben. Natürlich ist das kein einseitiger Prozess, auch bei den Konsumenten muss ein Umdenken stattfinden.

Kritische Punkte sehe ich auch in Bezug auf die Darstellung multiethnischer Vielfalt oder in Hinblick auf die Familienmodelle: Längst haben sich neben der heteronormativen Kernfamilie alternative Familienmodelle wie Patchwork-Familien, Familien mit alleinerziehendem Elternteil, Co-Parenting oder Regenbogenfamilien etabliert. All das macht unsere Gesellschaft aus und trotzdem sucht man diese Diversität in vielen Kinderbüchern immer noch vergebens.

Es gibt bereits einige gute Online-Shops, sowohl für Bücher als auch für (Holz-)Spielsachen und Puppen. Was mir fehlte, war aber eine Kombination aus Artikeln, die Vielfalt abbilden und Offenheit vermitteln und dabei die individuelle Persönlichkeitsentwicklung des Kindes als höchstes Gut betrachten. Gerade wenn das Angebot an Büchern und Spielsachen immer größer wird, ist es aus meiner Sicht hilfreich und nützlich für die Besucher*innen, sorgfältige Vorauswahlen angeboten zu bekommen. Dabei soll vor allem auch das Bewusstsein für Vielfalt und Toleranz geschärft werden.

3.) Wenn ich mir binobino anschaue, wird schnell deutlich, dass dir Themen wie Toleranz und Gender-Neutralität wichtig sind. Kannst du erklären, ab wann ein Spielzeug tolerant ist? Oder genderneutral? 

Vermutlich kann ein Spielzeug selbst nicht tolerant sein, aber es kann dabei helfen, Toleranz zu vermitteln, zum Beispiel indem es einerseits ermöglicht, andere Perspektiven einzunehmen und zu erfahren, und andererseits Kommunikationsprozesse in Gang setzt. Diese unterschiedlichen Möglichkeiten habe ich versucht, auch in den Produktkategorien zu systematisieren. Es gibt wunderschöne Holzspielsachen, die einen neugierigen, forschenden und offenen Blick auf das, was einem in der Welt begegnet, unterstützen. Bei den Puppen wiederum finde ich zum Beispiel wichtig, dass sie Vielfalt abbilden. Hier geht es vor allem um Fragen von Repräsentation und Empowerment. Bezüglich der Kinderbücher ist die Frage einfacher zu beantworten: Geschichten und Bilder können unmittelbar das Bewusstsein für Toleranz schärfen beziehungsweise diese vermitteln. Mir selbst ist folgendes Bild aus einem Buch meiner Kindheit immer in Erinnerung geblieben (auch wenn ich mich weder an Titel noch Autor erinnern kann): Ein in Anzug gekleideter Mann lächelt mir entgegen. Auf der Rückseite, hinter seinem Rücken, hält er einen Stein als Waffe zum Wurf bereit. Auf der nächsten Seite schaut ein ärmlich gekleideter Mann mit unfrisiertem Haar mürrisch drein, in den Händen hinter dem Rücken hält er einen Strauß Wiesenblumen.

Unter genderneutralem Spielzeug verstehe ich solches, das nicht mit den üblichen stereotypen Attributen versehen ist (vermeintliche “Jungen- und Mädchen-Farben”, Glitzer für Mädchen etc.) und nicht über eindeutige Rollenzuweisungen funktioniert. An sich ist es ein beruhigender Gedanke, dass Spielzeug immer auch Gegenstand eines kreativen Aneignungsprozesses durch das Kind wird. Das heißt, dass auch Spielzeug, das beispielsweise mit binären Geschlechterstereotypen arbeitet, Bestandteil eines subversiven Spiels sein kann, indem diese vorgegebenen Rollenmuster gänzlich unterwandert werden. Ob nun eine Puppe mit verzerrter Darstellung von weiblichen Körperformen den Weihnachtsmann spielt oder eine Plastikbohrmaschine für “echte Kerle” im Spiel zum Handrührgerät umfunktioniert wird – all das liegt glücklicherweise nicht in der Hand der Spielzeughersteller. Trotzdem vermitteln solche Beispiele fragwürdige Vorstellungen von Geschlechtsidentitäten und damit verbundenen gesellschaftlichen Rollen. Häufig korrespondiert ausgeprägtes Gender-Marketing auch mit einem starken Eingriff in das Spielverhalten, beziehungsweise es werden kaum mehr Freiräume für das Entwickeln eigener Spielideen gelassen. Kinder werden zu Miniatur-Erwachsenen, die das Leben der “Großen” nachspielen. Das ist eine traurige Vorstellung und genau dem möchte ich etwas entgegenstellen. Die Spielzeuge von binobino sollen Freiräume eröffnen. Genderneutral ist ein Spielzeug für mich auch dann, wenn man nicht darüber nachdenkt, ob es für Jungen oder Mädchen ist und beispielsweise auch die Verpackung keine Aussage darüber trifft.

4.) Wie wird dein Angebot bisher angenommen? Was bekommst du für Rückmeldungen?

Momentan betreibe ich binobino.de im kleineren Rahmen, da ich noch eine feste Anstellung in Teilzeit sowie natürlich meinen Sohn habe, mit dem ich so viel Zeit wie möglich verbringe. Mengenmäßig habe ich bis dato nicht sehr viele, dafür aber durchweg positive und motivierende Rückmeldungen zum Konzept oder auch zu gekauften Artikeln erhalten. Besonders freue ich mich darüber, dass das Konzept häufig als „sehr zeitgemäß“ wahrgenommen wird.

5.) Schwere Frage, ich weiß, aber was ist dein Lieblingsprodukt aus deinem Shop?

Da muss ich wirklich einen Moment lang überlegen! Ich denke, es ist die Holzkamera mit gelber Linse von kiko + &gg*. An ihr gefällt mir, dass sie ein minimalistisches Design mit kindgerechten Details verbindet wie das schnappende Auslöser-Sternchen, das drehbare Objektiv mit Kaleidoskop-Optik oder die bunte Linse.

Ich möchte meinem Sohn damit meine Freude am Fotografieren und Entdecken vermitteln. Insofern symbolisiert sie eben auch etwas sehr Persönliches für mich.

Liebe Sibylle, vielen Dank für das Gespräch!

 

 

 

 

 

 

 

Linus, warum gab es so lange keine neuen Beiträge?

Als ich vor zehn Monaten nach Berlin kam, kam ich hier mit einem einzigen Koffer an. Darin war alles, was ich in mein neues Leben mitnahm – in mein neues Leben in einer neuen Stadt, mit einem neuen Job und einem neuen Namen. Erst einmal zurück lassen musste ich meinen Schreibtisch – an dem ich so viele meiner Rezensionen schrieb. Und meine Bücher – die mir jahrelang so viel Trost und Halt gaben. Seit Montag sind wir wieder vereint – meine Bücher und ich. Ein großer Teil davon befindet sich noch in Kisten, die ich gerade eine nach der anderen auspacke und dabei jedes Buch kurz in die Hand nehme und mich daran erinnere, wann ich es las oder mich darauf freue, es noch lesen zu können.

In den letzten Monaten habe ich immer wieder Nachrichten von Menschen bekommen, die traurig waren, dass ich scheinbar das Interesse an der Literatur verloren hätte. Das ist so nicht ganz korrekt – bei mir haben sich lediglich für eine Weile die Prioritäten verschoben. In den letzten Monaten habe ich immer noch gerne gelesen, Buchhandlungen besucht, Lesungen angeschaut und tagtäglich Bücher im Buchladen verkauft. Ich habe Besprechungen für die Boxpost geschrieben und in den letzten zwei Monaten bei Brot & Bücher meine Lieblingstitel vorgestellt. Mir fehlte lediglich die Zeit, die Ruhe und die Kraft dafür, diesen Blog hier regelmäßig weiter zu betreiben.

Doch so langsam habe ich das Gefühl, dass all dies zurückkommt: die Zeit, die Ruhe und die Kraft, euch endlich mal wieder von Büchern zu erzählen, die ich gerne gelesen habe. Und ich glaube, es hat viel damit zu tun, dass ich meinen  Schreibtisch wieder habe und meine Bücher. Und dass ich endlich angekommen bin in diesem neuen Leben.

Für mich waren die letzten Monate sehr ereignisreich – neben der Zeit, der Ruhe und der Kraft die mir fehlten, habe ich mir auch häufig die Frage nach der Sinnhaftigkeit gestellt. Ich war mein ganzes Leben lang kein politischer Mensch und wollte niemals Aktivist werden. Doch als ich anfing online darüber zu sprechen, dass ich nun Linus bin, habe ich festgestellt, wieviel Unwissen es gibt, wieviel Ängste, wieviel Unsicherheiten und auch wieviel Ablehnung. Und zwar in allen gesellschaftlichen Schichten. Sollte ich wirklich die sechzehnte Rezension zum neuen Buch von Haruki Murakami schreiben, wenn ich auch gleichzeitig wichtige Aufklärungsarbeit betreiben kann?

Ich habe noch keine endgültige Antwort auf diese Frage gefunden. Ich weiß nur, dass ich das Interesse an Literatur noch lange nicht verloren habe. Genauso wenig wie das Interesse daran, euch gute und wichtige Literatur vorzustellen. Und ich hoffe, ein paar von euch sind noch hier und haben Lust, die eine oder andere Rezension von mir zu lesen!

Mit Wagemut und Wissensdurst – Felicitas von Aretin

Felicitas von Aretin hat ein wichtiges und großartig recherchiertes Buch geschrieben! Mit Wagemut und Wissensdurst erzählt von den Lebensentwürfen der ersten deutschsprachigen Frauen, die als Akademikerinnen arbeiteten – und für ihre Rechte eintraten und kämpften.

“Ich wünsche, für andere die Bahn zu brechen.” (die erste Schweizer Ärztin Marie Heim-Vögtlin)

Die jungen Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in die Hörsäle und männerdominierten Berufe drängten, brauchten eine große Portion Wagemut. Ob als Ärztin, Juristin, Biologin, Kunsthistorikerin, Mathematikerin, Physikerin, Architektin oder Archäologin – plötzlich begannen Frauen damit, sich Berufsfelder zu erkämpfen, die ihnen bis dahin verschlossen gewesen sind.

In fünf Kapiteln erzählt Felicitas von Aretin von Pionierinnen der Naturwissenschaften, von Frauen in Kultur und Medien oder auch von Selbstständigen und Unternehmerinnen. Nur einige wenige der vorgestellten Frauen kannte ich bereits – beispielsweise Magdalene Schoch, die die erste habilitierte deutsche Juristin war und den ersten deutschen Zonta-Club gründete oder auch Lise Meitner, eine österreichische Physikerin. Doch viele der Lebensbiographien waren mir völlig unbekannt: ich lerne Maria von Linden kennen, die erste Tübinger Studentin und Zoologin – besonders im Gedächtnis geblieben ist mir auch Magdalena Neff, die derste deutsche approbierte Apothekerin.

“Um wenigstens etwas in meinem Leben zu erreichen, bereite ich mich auf den Kampf um die Gleichheit der Rechte vor.”, schreibt die Russin Nadeschda Suslowa, die 1867 als erste Frau in Zürich das Medizinstudium mit dem Doktorat abschließt.”

Das Spannende an dem Buch von Felicitas von Aretin ist für mich, dass die Biographien der vorgestellten Frauen auch heute noch eine große Dringlichkeit besitzen. Es ist gerade einmal ein paar Monate her, dass Carla Neisse-Hommelsheim, aus dem Vorstand des Deutschen Frauenrats, forderte: Wir brauchen weibliche Vorbilder in der Politik. Anlass für diesen Aufruf ist die Tatsache, dass aktuell sechs Prozent weniger Frauen im Parlament sitzen, als in der vergangenen Legislaturperiode. Auch wenn Frauen deutlich mehr Türen offenstehen, sind bestimmte Bereiche immer noch nur schwer zugänglich – ein Hinweis darauf ist auch die Tatsache, dass es zahlreiche Gremien gibt, in denen keine Frau vertreten ist. Was man dabei auch häufig vergisst, ist, dass diese Türen Frauen noch gar nicht so lange offenstehen: erst 1971 erhielten Schweizerinnen das Wahlrecht, erst seit 1977 dürfen Frauen in Deutschland ohne Einwilligung ihres Mannes arbeiten, erst 1982 wurde der Mutterschutz auch auf selbstständig erwerbstätige Österreicherinnen ausgedehnt.

“Ich muss wissenschaftlich arbeiten, auch neben meiner Hochschultätigkeit. Es ist mir eine Notwendigkeit; seit meiner Studienzeit habe ich nie damit aufgehört, es ist eines der wichtigsten Bedürfnisse in meinem Leben”, schreibt die Wiener Mathematikerin Hilda Geiringer.

Die Frauen, die Felicitas von Aretin vorstellt, brauchten nicht nur Wagemut, um Vorurteile und gesellschaftliche Normvorstellungen zu durchbrechen, sondern sie mussten ihr Recht auf Bildung und Wissenschaft ständig verteidigen. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise wurden viele berufstätige Frauen aufgerufen, auf ihre Arbeit zu verzichten und sich stattdessen um Haushalt und Kinder zu kümmern. Frauen, die sich weigerten, sich als Mutter verklären zu lassen, wurden diskriminiert, verfolgt oder schlimmstenfalls ermordet. Viele der porträtierten Frauen, waren während des Krieges zur Emigration gezwungen und mussten sich ihre Karriere und ihr Leben wieder ganz neu aufbauen – in vielen Fällen ist es gelungen.

Ich finde, dass der heutige Weltfrauentag ein schöner und passender Anlass ist, an diese Frauen zu erinnern – viele von ihnen haben vielleicht keine bekannten Namen, aber sie sollten uns allen auch heute noch Vorbild sein, da sie unbeirrbar und mit viel Mut, um ihre Rechte als Frauen gekämpft haben.

Wer übrigens Lust darauf hat, noch weitere Bücher dieser Art zu entdecken, dem kann ich folgende empfehlen:

Felicitas von Aretin: Mit Wagemut und Wissensdurst. Die ersten Frauen in Universitäten und Berufen. Elisabeth Sandmann, 2018. €24,95, 2018 Seiten.

Auf diese Bücher freue ich mich 2018!

Wenn man in die neuen Vorschauen der Verlage schaut (die übrigens jedes Jahr ein bisschen früher erscheinen, so fühlt es sich zumindest an), dann scheint die schiere Masse an Büchern immer größer, umfangreicher und unübersichtlicher zu werden. Die Auswahl unter all den neuen Büchern ist verlockend, doch gleichzeitig auch erschütternd: wann soll man all das denn nur lesen? Die Kunst ist es wohl, im dichten Bücherdschungel nicht die Übersicht zu verlieren. Deshalb liebe ich es, bei einem Stück Kuchen und einer Tasse Tee, durch die Vorschauen zu blättern und die Bücher zu markieren, die mir dabei ins Auge fallen.

Auf der Suche nach literarischen Perlen habe ich dieses Mal meinen Blick vor allem auf folgende Themen gerichtet: auf neue Stimmen, spannende Sachbücher und alte Bekannte, die ich in meinem Regal immer wieder gerne begrüße. Bereits nach dem ersten Durchblättern sind mir einige Titel und Autoren ins Auge gesprungen, die ich euch heute gerne vorstellen möchte.

Übersetzungen

Lars Saabye Christensen: Magnet – Claire Luise Bennett: Teich – George Saunders: Lincoln im Bardo – Celeste Ng: Kleine Feuer überall – James Baldwin: Von dieser Welt – Emily Fridlund: Eine Geschichte der Wölfe – Daniel Galera: So enden wir – David Mitchell: Slade House – Brit Bennett: Die Mütter – Michael Chabon: Moonglow – Garth Greenwell: Was zu dir gehört – Nicole Krauss: Waldes Dunkel – Melissa Broder: Fische – Sara Novic: Das Echo der Bäume – Matt Ruff: Lovecraft Country

Deutschsprachige Romane

Kristine Bilkau: Eine Liebe in Gedanken – Marie Gamillscheg: Alles was glänzt – Verena Carl: Die Lichter unter uns – Max Scharnigg: Der restliche Sommer – Anne Reinecke: Leinsee – Katharina Adler: Ida – Milena Michiko Flašar: Herr Katō spielt Familie – Mareike Fallwickl: Dunkelgrün fast schwarz – Kathrin Weßling: Super, und dir? – Svenja Leiber: Staub – Annika Scheffel: Hier ist es schön – Robert Seethaler: Das Feld – Julia Jessen: Die Architektur des Knotens – Mercedes Lauenstein: Blanca – Lucy Fricke: Töchter

Sachbücher

Betsy Lerner: Der Bridge-Club meiner Mutter – Roald Dahl: Love from Boy – Franziska Seyboldt: Rattatatam, mein Herz. Vom Leben mit der Angst – Ta-Nehisi Coates: We were eight years in power – Joan Didion: Süden und Westen. Notizen – Elena Ferrante: Frantumaglia – Meg-John Baker: Queer. Eine illustrierte Geschichte – Pénélope Bagieu: Unerschrocken – Maggie O’Farrell: Ich bin ich bin ich bin – Yiyun Li: Lieber Freund, aus meinem Leben schreibe ich dir in deines – Allan Jenkins: Wurzeln schlagen – Ayelet Waldman: Ein richtig guter Tag – William Finnegan: Barbarentage – Eva Weissweiler: Lady Liberty – David Lynch: Traumwelten


So: und jetzt wäre ich natürlich gespannt darauf zu erfahren, auf welche Bücher ihr euch 2018 besonders freut? Was ist euer Geheimtipp? Welches Buch sollte ich unbedingt lesen? Was fehlt noch auf meiner Liste?

Wer sich übrigens noch weiter inspirieren lassen möchte, der kann das hier, hier, hier und hier tun.

Ein Jahr in Büchern

Ich kann es kaum glauben, weil es so schnell vergangen ist, aber auch das Lesejahr 2017 ist nun so gut wie vorbei. Das neue Jahr, voller neuer Bücher und Lesestunden, ist nicht einmal mehr ein paar Stunden entfernt. Ich habe den heutigen Tag dazu genutzt, mich durch mein Blogarchiv zu klicken – auf  der Suche nach den Höhepunkten meines Lesejahres. Dabei habe ich festgestellt, dass ich in diesem Jahr zwar wieder einiges gelesen habe, aber nicht ganz so viel davon auf meinem Blog besprochen wurde. Ihr könnt euch im neuen Jahr also auf jeden Fall noch auf die eine oder andere Besprechung eines gelesenen Buches des vergangenen Jahres freuen, hier liegt noch ein ganzer Stapel, der darauf wartet, euch endlich vorgestellt zu werden. Eine wirklich Entschuldigung dafür, warum ich meinen Blog zuletzt so sehr vernachlässigt habe, habe ich nicht – mein Leben hatte mich einfach voll im Griff, aber ich hoffe sehr darauf, mich hier im kommenden Jahr wieder häufiger zu Wort melden zu können! Unter den Büchern, die ich gelesen habe, waren ganz viele tolle Geschichten, wunderbare Figuren und verzaubernde Worte und – wie in den Jahren zuvor – auch viel Autobiographisches. Ich konnte mich kaum entscheiden, welche zu meinen Lieblingsbüchern gehören – deshalb gibt es bei mir auch keine Top 5 oder  Top 10, sondern gleich eine Top 15.

Diese fünfzehn Bücher haben mich in diesem Jahr besonders begeistert:

Carrie Brownstein – Modern Girl. Mein Leben mit Sleater-Kinney

Amy Liptrot – Nachtlichter

iO Tillett Wright – Darling Days

Zsuzsa Bánk – Schlafen werden wir später

Marina Abramović – Durch Mauern gehen

Stephen King und Owen King – Sleeping Beauties

Sarah Barcyzk – Nenn mich Kai

Mariana Leky – Was man von hier aus sehen kann

Paul Auster – 4321

Maggie Nelson – Die Argonauten

Becky Albertalli – Nur drei Worte

Daniel Schreiber – Zuhause

Édouard Louis – Im Herzen der Gewalt

Lize Spit – Und es schmilzt

Benjamin Alire Sáenz – Alles beginnt und endet im Kentucky Club

Wenn ich auf meine liebsten Bücher des Jahres schaue, fällt mir wieder auf, dass ich in meinem Büchergeschmack immer offen für Neues bleibe: ich habe bereits im vergangenen Jahr Autobiographien und Erinnerungsbücher für mich entdeckt, wodurch sich eine ganz neue literarische Welt für mich eröffnet hat. Auch in diesem Jahr habe ich einige tolle Bücher über das Leben, das Lesen und das Schreiben für mich entdeckt. Auch zu einem Buch von Stephen King griff ich endlich mal wieder – und habe es nicht bereut, mehr dazu im nächsten Jahr. All die Bücher auf der Liste meiner fünfzehn Jahreshighlights haben mich auf ganz unterschiedliche Art und Weise berühren und begeistern können, viele der Geschichten und Figuren trage ich immer noch in meinem Herzen. Für mich sind diese fünfzehn Bücher tatsächlich fünfzehn Lebensbücher, die mich noch eine ganze Weile weiter begleiten werden.

Wie war denn euer Lesejahr 2017? Habt ihr ein Lesehighlight, das euch besonders im Gedächtnis geblieben ist? Ich schwelge noch in den Erinnerungen und Geschichten dieses Jahres und bin gleichzeitig schon ganz gespannt auf das kommende Lesejahr und auf die Entdeckungen, die ich machen werde. Ich habe keine Vorsätze und Ziele, dieses Jahr lehrte mich, dass das Leben manchmal anders verlaufen kann als geplant – ganz egal, was man sich sonst noch so vorgenommen und vorgestellt hat. Im nächsten Jahr möchte mich weiter treiben lassen und all das tun, was ich gerne tue: Bücher kaufen, Bücher lesen und hoffentlich die eine oder andere Entdeckung machen, die ich mit euch teilen kann. Erhalten möchte ich mir auch meine Begeisterung, meine Neugier und meine Freude an meinem Blog, der mir immer noch sehr am Herzen liegt. Was auch immer es bringen wird – ich freue mich auf das nächste Jahr mit euch!

Und wem es hier zu still sein sollte, der darf mir gerne auf Instagram folgen – dort gebe ich Einblicke in mein Leben und zeige die Bücher, die ich gerade lese.

Hallo, ich bin’s – Linus.

Ich teilte in den vergangenen Jahren auf meinem Blog immer wieder persönliche Veränderungen mit euch – sei es der Tod meines Hundes Bandit oder auch den einen oder anderen beruflichen Neuanfang. Es ist mir wichtig, euch nicht nur Bücher zu empfehlen, sondern dabei so authentisch zu sein, wie mir das möglich ist. Über eines habe ich zwar schon auf meinen sozialen Kanälen gesprochen, aber hier zuvor noch nie – und das möchte ich endlich ändern. Aus diesem Grund werde ich euch heute von der vielleicht wichtigsten Veränderung in meinem Leben erzählen.

Ich möchte euch nicht nur von einer kleineren Veränderung erzählen, sondern von einem turning point – dem wohl größten und wichtigsten Wendepunkt in meinem Leben. Es ist etwas mehr als einen Monat her, dass ich in einer Starbucks Filiale in Frankfurt zum allerersten Mal den Namen gesagt habe, den ich mir schon so lange für mich selbst wünsche. In fast allen Starbucks-Filialen wird man ja nach dem Namen gefragt, damit es später keine Verwechslungen gibt. An diesem Tag war meine Antwort Linus – ich erinnere mich noch ganz genau an die Situation, ich war sehr aufgeregt und habe fast vergessen, was ich eigentlich bestellen wollte, aber für mich hat sich etwas noch nie so passend angefühlt, wie in diesem Moment. Übrigens: den besagten Becher habe ich immer noch, er steht neben mir auf der Fensterbank. Für manche ist es nur ein Kaffeebecher, den sie wieder in den Müll werfen, für mich ist dieser Becher der Weg in ein Leben gewesen, das sich endlich richtig anfühlt und der Name ein Name, den ich mir schon seit Jahren für mich wünsche.

Mich zum ersten Mal Linus zu nennen, war eine Befreiung – seitdem fühle ich mich wesentlich wohler, glücklicher und selbstbewusster. Mich quält seitdem aber auch die Frage, wie ich euch davon erzählen kann. Viele von euch begleiten mich seit mehreren Jahren und haben mich als Buchblogger kennen- und schätzengelernt. Ich verspreche euch: ich werde dieser Mensch bleiben, ich liebe es zu bloggen und werde das auch hoffentlich in den kommenden Jahren mit Begeisterung tun. Ich weigere mich nur, mich weiter selbst in eine Schublade zu stecken, in die ich nicht gehöre und in der ich nicht mehr sein möchte: ich bin keine Bloggerin – seit vielen Jahren ist mir klar, dass ich keine Frau bin. Ich wünsche mir deshalb von euch, dass ihr mich auch an diesem Ort ab jetzt Linus nennt.

Mir ist es zuvor noch nie so schwer gefallen, einen Blogbeitrag zu schreiben – ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich euch davon erzählen möchte. Es ist mir wichtig, mein Glück, meine Geschichte und meine Identität nicht mehr länger nur für mich zu behalten, sondern all das mit euch zu teilen. Gleichzeitig hoffe ich, dass ich mit dieser Offenheit vielleicht auch andere ermutigen kann, zu sich zu stehen und so zu leben, wie sie sich ihr Leben wünschen – ganz ohne Scham und Angst.

Ich zeige und offenbare mich euch in der Hoffnung, dass ihr mich so akzeptieren könnt, wie ich bin und wie ich mich fühle. Wer weitere Informationen braucht, dem empfehle ich diese Seite – desweiteren dürft ihr mich natürlich auch alles fragen, was euch vielleicht unklar sein mag oder beschäftigt.

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